Legal Lexikon

Einkreisung


Begriff Einkreisung im Recht

Die Einkreisung ist im rechtlichen Kontext ein Begriff, der verschiedene Bedeutungsbereiche und praktische Relevanzen innerhalb des deutschen Rechtsraums entfaltet. Sie beschreibt sowohl tatsächliches als auch rechtliches Verhalten, durch welches natürliche oder juristische Personen, Tiere oder Sachen absichtlich oder unbeabsichtigt umschlossen, von der Umwelt abgegrenzt oder bewegungsseitig beschränkt werden. Die Einkreisung hat insbesondere im Zivilrecht, Strafrecht, Polizei- und Ordnungsrecht sowie im Völkerrecht eine erhebliche Bedeutung.


Definition und Allgemeine Merkmale

Einkreisung bezeichnet das bewusste oder fahrlässige Umstellen oder Umgeben eines Gegenstandes, einer Person oder einer Menschengruppe, sodass eine Fortbewegung oder ein Entweichen ausgeschlossen oder erheblich erschwert wird. In rechtlicher Hinsicht steht hierbei die Einschränkung der Handlungsfreiheit oder einer Nutzungsmöglichkeit im Mittelpunkt. Die Einkreisung kann sowohl aktiv (etwa durch das Aufbauen von Absperrungen oder das Aufstellen von Personen) als auch passiv (beispielsweise durch natürliche Begebenheiten) erfolgen. Sie unterscheidet sich in ihrer Tragweite und rechtlichen Bewertung je nach Rechtsgebiet und Kontext.


Einkreisung im Zivilrecht

Eigentumsschutz und Besitzschutz

Im Zivilrecht spielt die Einkreisung insbesondere im Zusammenhang mit Besitzstörung und Eigentumsrecht eine Rolle. Das unmittelbare oder mittelbare Umgeben einer Sache kann als Besitzstörung (§ 862 BGB) oder Besitzentziehung (§ 861 BGB) gewertet werden, sofern dadurch die Nutzung durch den berechtigten Besitzer ganz oder teilweise unmöglich gemacht wird. Dies kann beispielsweise beim Fangen und Umzäunen von Tieren relevant werden, aber auch im Kontext von Nachbarschaftsstreitigkeiten durch das Errichten von Abschrankungen an Grundstücksgrenzen.

Rechtmäßigkeit und unzulässige Einkreisung

Maßnahmen der Einkreisung sind grundsätzlich nur dann zulässig, wenn sie durch Gesetz, behördliche Anordnung oder vertraglich gestattete Rechte gedeckt sind. Eine widerrechtliche Einkreisung, wie etwa das absichtliche Blockieren eines Wegerechts oder die Einkreisung einer beweglichen Sache mit dem Ziel, deren Nutzung durch den Eigentümer zu verhindern, kann Schadensersatzansprüche (§ 823 BGB) oder Unterlassungsansprüche begründen.

Besitzkehr und Selbsthilfe

Unter bestimmten Bedingungen (z. B. bei Besitzkehr nach § 859 Abs. 2 BGB) ist der unmittelbare Besitzer einer Sache berechtigt, sich der Einkreisung oder Besitzstörung auf gesetzlich vorgegebene Weise zu erwehren, sofern diese nicht durch ein höherwertiges Recht gedeckt ist.


Einkreisung im Strafrecht

Freiheitsberaubung (§ 239 StGB)

Im Strafrecht stellt die Einkreisung einer Person, mit der Zielsetzung, diese an einem bestimmten Aufenthalt zu hindern oder in ihrer Fortbewegung zu beschränken, regelmäßig einen Eingriff in das Rechtsgut der Freiheit dar. Unter Voraussetzungen kann eine solche Maßnahme als Freiheitsberaubung im Sinne des § 239 StGB strafbar sein. Maßgeblich ist hierbei, ob das Opfer physisch oder psychisch daran gehindert wird, seinen Aufenthaltsort zu verlassen.

Strafrechtliche Anforderungen und Abgrenzungen

Entscheidend für die Strafbarkeit ist das Vorliegen einer sogenannten “schlechten Umfriedung”: Einfache, ohne körperliche Gewalt, Drohung oder vergleichbar schwerwiegende Hindernisse, sind in der Regel nicht ausreichend. Komplexer wird die Bewertung, wenn beispielsweise mehrere Personen eine andere Person durch Menschenketten einkreisen („Kesselbildung”), etwa im Rahmen von Demonstrationen. Die Rechtsprechung setzt für die Strafbarkeit voraus, dass das Verlassen des umschlossenen Bereichs tatsächlich nicht möglich ist und keine zumutbare Möglichkeit der Flucht besteht.

Körperverletzungsdelikte und Nötigung (§ 240 StGB)

Die Einkreisung kann überdies als Nötigung (§ 240 StGB) betrachtet werden, wenn durch das Umgeben und Blockieren eine Gewaltanwendung gegenüber dem Eingekreisten ausgeübt wird. Überschreitet das eingesetzte Maß jedoch die Schwelle zur Freiwilligkeitsbeeinträchtigung, können auch Körperverletzungsdelikte in Betracht gezogen werden, insbesondere wenn aufgrund von Angst oder Enge Gesundheitsschäden eintreten.


Einkreisung im Polizei- und Ordnungsrecht

Polizeiliche Maßnahmen: Kessel, Kontaktsperren und Gefahrenabwehr

Im Polizei- und Ordnungsrecht ist die Einkreisung ein häufig angewendetes Instrument zur Gefahrenabwehr, Gefahrenprävention oder zur Verhinderung von Straftaten. Ein klassisches Beispiel ist die polizeiliche Einschließung (sog. Polizeikessel) bei Versammlungen, etwa zur Unterbindung von Ausschreitungen oder zur Identitätsfeststellung. Die rechtliche Zulässigkeit richtet sich nach den Ordnungs- und Polizeigesetzen der Länder (etwa § 12a VersG, Polizeigesetze der Länder).

Zulässigkeit, Verhältnismäßigkeit und Grundrechtsschutz

Maßnahmen der Einkreisung müssen mit dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vereinbar sein. Das umfasst insbesondere die Eignung, Erforderlichkeit und Angemessenheit im Einzelfall. Eingriffe in Freiheitsrechte, wie das Recht auf körperliche Unversehrtheit (Art. 2 Abs. 2 GG) und die Versammlungsfreiheit (Art. 8 GG), dürfen nur dann erfolgen, wenn sie zwingend notwendig sind und keine milderen Mittel zur Verfügung stehen. Die Rechtsprechung fordert zudem effektive Rechtsschutzmöglichkeiten und die Beachtung humanitärer Mindeststandards während einkreisender Maßnahmen.


Einkreisung im Völkerrecht und Kriegsrecht

Militärische Einkreisung: Belagerung und Einschließung

Im internationalen Recht bezieht sich der Begriff insbesondere auf militärische Handlungen wie die Belagerung oder Einschließung von feindlichen Kräften. Einkreisung von Truppen oder Städten ist klassischer Bestandteil kriegerischer Auseinandersetzungen. Nach dem humanitären Völkerrecht, insbesondere dem Genfer Abkommen, unterliegen solche Maßnahmen strengen Regelwerken, um die Zivilbevölkerung und deren Grundversorgung im eingekreisten Gebiet zu schützen.

Humanitäre Anforderungen und Rechtsfolgen

Auch im Falle der Einkreisung müssen die Parteien den Zugang für Hilfsorganisationen ermöglichen und dürfen keine Zivilpersonen als Geiseln nehmen oder aushungern (§ 8 Abs. 2 Bst. b XXIV Römisches Statut des Internationalen Strafgerichtshofs). Verstöße gegen diese Regelungen können als Kriegsverbrechen bewertet werden.


Rechtsschutz und Rechtsfolgen der Einkreisung

Zivilrechtlicher Rechtsschutz

Betroffene einer unrechtmäßigen Einkreisung können sich mit zivilrechtlichen Unterlassungs-, Beseitigungs- oder Schadensersatzansprüchen wehren. Die Anspruchsgrundlagen ergeben sich insbesondere aus dem Besitzschutzrecht (§§ 858-862 BGB), dem Deliktsrecht und gegebenenfalls dem Nachbarrecht.

Strafprozessualer Rechtsbehelf

Im öffentlichen Recht stehen verwaltungsrechtliche Klagen und einstweilige Rechtsschutzmöglichkeiten (Eilverfahren nach § 123 VwGO) zur Verfügung, um gegen polizeiliche Maßnahmen vorzugehen, sofern kein anderer Rechtsbehelf greift.

Staatshaftungsrechtliche Ansprüche

Im Falle rechtswidriger Einkreisungen durch Hoheitsträger können staatshaftungsrechtliche Ansprüche auf Entschädigung, insbesondere aus Amtshaftung (§ 839 BGB i.V.m. Art. 34 GG), bestehen.


Literatur und Weiterführende Quellen

  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
  • Strafgesetzbuch (StGB)
  • Polizeigesetze der Länder, Versammlungsgesetz (VersG)
  • Genfer Abkommen und Zusatzprotokolle
  • Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts und Bundesgerichtshofs zur Freiheitsentziehung und Polizeikessel

Zusammenfassung

Die Einkreisung ist ein im deutschen und internationalen Recht klar definierter Begriff, der zahlreiche Anwendungsbereiche umfasst und erhebliche grundrechtliche Implikationen besitzt. Die Bewertung und Zulässigkeit einer Einkreisung hängt stets vom Einzelfall, dem betroffenen Rechtsgebiet sowie von dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit ab. Betroffene werden durch zivil-, straf- und öffentlich-rechtliche Instrumentarien geschützt und können sich – je nach Einzelfall – effektiv gegen unzulässige Eingriffe zur Wehr setzen.

Häufig gestellte Fragen

Inwieweit stellt die Einkreisung eine rechtswidrige Freiheitsentziehung dar?

Ob eine Einkreisung im juristischen Sinne als rechtswidrige Freiheitsentziehung zu werten ist, hängt von den Umständen des Einzelfalls ab. Eine Freiheitsentziehung liegt nach deutschem Recht vor, wenn jemand gegen seinen Willen an einem bestimmten Ort festgehalten wird und keine Möglichkeit hat, diesen zu verlassen. Die bloße Einschränkung der Bewegungsfreiheit reicht hierfür meist jedoch nicht aus, vielmehr muss die Fortbewegungsfreiheit aufgehoben sein. Bei einer Einkreisung durch Personen – beispielsweise durch Polizeikräfte im Rahmen einer Versammlung (sog. Kessel) – kommt es entscheidend darauf an, ob die Betroffenen das Areal verlassen könnten oder sich in einer Situation befinden, in der sie physisch gehindert werden, das Gebiet zu verlassen. Ist letzteres der Fall und liegt keine rechtliche Grundlage wie ein richterlicher Beschluss, Gefahr in Verzug oder eine rechtmäßige polizeiliche Maßnahme vor, so kann diese Einkreisung im Sinne von § 239 StGB (Freiheitsberaubung) rechtswidrig sein.

Wann ist eine Einkreisung durch die Polizei zulässig?

Eine Einkreisung durch Polizeikräfte ist nur dann zulässig, wenn sie auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgt und verhältnismäßig ist. Zentrale Rechtsgrundlagen finden sich im Polizeigesetz des jeweiligen Bundeslandes (z. B. zur Gefahrenabwehr bei drohender Störung der öffentlichen Sicherheit oder Ordnung) sowie bei strafrechtlichen Ermittlungen in den Strafprozessordnungen. Entscheidungen über die Rechtmäßigkeit hängen davon ab, ob die Maßnahme erforderlich, geeignet und angemessen ist. Zudem muss vor einer Einkreisung regelmäßig eine Gefahrenprognose vorliegen, die den konkreten Anlass und die Notwendigkeit der Maßnahme transparent macht. Willkürliche und unverhältnismäßige Einkreisungen sind grundsätzlich unzulässig und können juristisch angegriffen werden.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Betroffene gegen eine Einkreisung vorzugehen?

Betroffene einer rechtswidrigen Einkreisung haben verschiedene Möglichkeiten des Rechtsschutzes. Sie können vor Ort zunächst Widerspruch gegen die polizeiliche Maßnahme einlegen und verlangen, dass die Gründe für die Einkreisung sowie deren voraussichtliche Dauer und Rechtsgrundlage genannt werden. Im Anschluss besteht die Möglichkeit, nachträglich eine Feststellungsklage (§ 113 I 4 VwGO) beim zuständigen Verwaltungsgericht zu erheben oder im Falle einer tatsächlichen Freiheitsentziehung die Rechtmäßigkeit dieser Maßnahme gem. § 128 StPO durch einen Richter überprüfen zu lassen. Darüber hinaus kann bei einer festgestellten Rechtswidrigkeit Schadensersatzanspruch nach dem Amtshaftungsrecht (Art. 34 GG i.V.m. § 839 BGB) geltend gemacht werden.

Besteht während einer Einkreisung Anspruch auf Versorgung mit Wasser, Nahrung oder Toilettengängen?

Rechtlich ergibt sich aus dem grundgesetzlich verbürgten Menschenwürdeschutz (Art. 1 Abs. 1 GG) sowie aus dem allgemeinen Polizeirecht, dass die Inanspruchnahme einer einkreisenden Maßnahme nicht zu menschenunwürdigen Bedingungen führen darf. Das bedeutet, die Polizei ist verpflichtet, insbesondere bei längerer Dauer der Einkreisung, für angemessene Versorgung mit Trinkwasser, sanitären Einrichtungen und gegebenenfalls Nahrungsmitteln zu sorgen. Wird dies nicht gewährleistet, kann dies einen strafrechtlichen und zivilrechtlichen Haftungsanspruch begründen und eine Unverhältnismäßigkeit der polizeilichen Maßnahme darstellen.

Welche Dokumentationspflichten treffen die Polizei bei einer Einkreisung?

Polizeibehörden sind nach den jeweiligen Polizeigesetzen und allgemeinen Grundsätzen der Verwaltungsdokumentation verpflichtet, Maßnahmen wie eine Einkreisung sorgfältig zu dokumentieren. Dazu gehören die Angabe von Zeit, Ort, Anlass, beteiligten Personen und der Dauer der Einkreisung. Ferner müssen die Entscheidungsgrundlagen, d.h. die Gefahrenprognose und die angewandten Rechtsgrundlagen, ausführlich festgehalten werden. Diese Dokumentation dient nicht nur der internen Nachvollziehbarkeit, sondern ist auch für eine nachträgliche gerichtliche Kontrolle unabdingbar.

Welche Bedeutung hat die Verhältnismäßigkeit im Zusammenhang mit einer Einkreisung?

Die Verhältnismäßigkeit ist ein zentrales Rechtsprinzip bei allen polizeilichen Zwangsmaßnahmen, so auch bei Einkreisungen. Sie besagt, dass eine Maßnahme geeignet, erforderlich und angemessen sein muss, um das angestrebte Ziel (etwa Gefahrenabwehr oder Strafverfolgung) zu erreichen. Die Maßnahme darf nicht außer Verhältnis zum angestrebten Zweck stehen; mildere Mittel müssen bevorzugt werden. Eine unverhältnismäßige Einkreisung – etwa bei harmlosen Teilnehmern einer Versammlung oder in Ermangelung einer konkreten Gefahr – ist rechtswidrig und angreifbar.

Gibt es Sonderregelungen für Minderjährige oder besonders Schutzbedürftige bei Einkreisungen?

Ja, bei der Einkreisung von Minderjährigen oder besonders schutzbedürftigen Personen, wie Menschen mit Behinderungen, sind besondere rechtliche Vorgaben zu beachten. Nach Art. 6 GG sowie den Bestimmungen des Kindschaftsrechts und internationalen Abkommen wie der UN-Kinderrechtskonvention ist sicherzustellen, dass das Kindeswohl stets vorrangig berücksichtigt wird. Bei Einkreisungen müssen daher besondere Schutzmechanismen greifen, wie die umgehende Verständigung der Erziehungsberechtigten, gesonderte Betreuung und der Schutz vor psychischer und physischer Überforderung. Kommt die Polizei diesen Pflichtverletzungen nicht nach, kann dies zusätzliche Ansprüche auf Rechtsbehelf und Schadensersatz begründen.