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Einheitspatent (Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung)

Begriff und Grundprinzip des Einheitspatents (Europäisches Patent mit einheitlicher Wirkung)

Das Einheitspatent ist ein durch das Europäische Patentamt (EPA) erteiltes europäisches Patent, dem auf Antrag eine einheitliche Wirkung in den teilnehmenden Mitgliedstaaten der Europäischen Union verliehen wird. Es verbindet die zentrale Erteilung eines europäischen Patents mit einer einheitlichen, grenzüberschreitenden Schutzwirkung in den beteiligten Staaten und wird im Gegensatz zu klassischen europäischen Patenten nicht in nationale Teile aufgespalten. Zivilrechtliche Streitigkeiten zu Einheitspatenten sind dem Einheitlichen Patentgericht zugewiesen.

Abgrenzung zu klassischen europäischen Patenten und nationalen Schutzrechten

Europäisches Patent ohne einheitliche Wirkung

Ein klassisches europäisches Patent entsteht ebenfalls nach zentraler Prüfung durch das EPA, entfaltet seine Wirkung aber erst durch Validierung als Bündel nationaler Rechte. Jede nationale Validierung folgt eigenen formalen Anforderungen und Gebühren, und Rechtsstreitigkeiten werden vor nationalen Gerichten geführt. Beim Einheitspatent entfallen nationale Validierungen in den teilnehmenden Staaten; Schutz und Rechtsdurchsetzung erfolgen einheitlich.

Keine Wirkung in Nicht-EU-Staaten

Das Einheitspatent ist ein Instrument der Europäischen Union. Staaten außerhalb der EU (z. B. Vereinigtes Königreich, Schweiz, Norwegen, Türkei) sind nicht umfasst. In diesen Ländern sind weiterhin nationale Schutzrechte oder klassische europäische Patente mit nationaler Validierung erforderlich.

Territoriale Reichweite und teilnehmende Staaten

Die einheitliche Wirkung erstreckt sich auf die EU-Mitgliedstaaten, die am System teilnehmen und zum Zeitpunkt der Registrierung der einheitlichen Wirkung gebunden sind. Der geografische Schutz ist für das einzelne Einheitspatent zum Registrierungszeitpunkt „eingefroren“. Spätere Beitritte erweitern die Reichweite bereits registrierter Einheitspatente nicht rückwirkend; sie wirken sich nur auf später registrierte Einheitspatente aus.

Stand der Teilnahme

Mehrere EU-Staaten nehmen bereits teil; weitere können beitreten. Nicht alle EU-Mitgliedstaaten sind von Beginn an erfasst. Der konkrete Geltungsbereich eines Einheitspatents ergibt sich aus dem Zeitpunkt seiner Eintragung und den bis dahin beigetretenen Staaten.

Verhältnis zu später beitretenden Staaten

Treten nach der Registrierung weitere EU-Staaten dem System bei, profitieren künftige Einheitspatente automatisch von der erweiterten Reichweite. Bestehende Einheitspatente behalten hingegen ihren ursprünglichen, festgelegten territorialen Umfang.

Erlangung der einheitlichen Wirkung

Voraussetzungen

  • Es muss ein europäisches Patent erteilt sein.
  • Die einheitliche Wirkung wird auf Antrag beim EPA registriert.
  • Der Patenttext (insbesondere die Ansprüche) muss für die betroffenen Staaten einheitlich sein.
  • Die Inhaberschaft muss für alle betroffenen Staaten einheitlich sein.

Frist und Verfahren beim EPA

Der Antrag auf einheitliche Wirkung ist innerhalb kurzer Frist nach der Bekanntmachung der Patenterteilung im Europäischen Patentblatt beim EPA zu stellen. Mit der Eintragung im Register entsteht die einheitliche Wirkung. Nationale Validierungen in den teilnehmenden Staaten entfallen.

Übersetzungsregelung und Sprachen

Das Einheitspatent nutzt die Sprachenordnung des EPA. Während eines befristeten Übergangszeitraums ist eine zusätzliche vollständige Übersetzung einzureichen: Wird das Patent in Englisch erteilt, ist eine Übersetzung in eine andere Amtssprache der EU erforderlich; bei Erteilung in Deutsch oder Französisch ist eine Übersetzung ins Englische beizufügen. Diese Übersetzungen dienen der Information. Ein Ausgleich für Übersetzungskosten ist für bestimmte Anmeldergruppen vorgesehen.

Rechtswirkungen und Schutzumfang

Einheitlicher Schutz

Der Schutzumfang ist in allen abgedeckten Staaten gleich. Verbote, Unterlassungsansprüche und Schadensersatzfragen richten sich nach einheitlichen Grundsätzen des Systems, ergänzt durch anwendbares nationales Recht, soweit vorgesehen.

Beschränkung, Widerruf und Erlöschen

  • Ein Einspruch gegen das europäische Patent beim EPA wirkt einheitlich; ein Widerruf hebt das Einheitspatent im gesamten erfassten Gebiet auf.
  • Das Einheitliche Patentgericht kann ein Einheitspatent zentral für sein gesamtes Territorium für nichtig erklären oder beschränken.
  • Die Aufgabe des Patents oder der Verfall wegen Nichtzahlung von Jahresgebühren wirkt einheitlich; ein teilweises Erlöschen nach Staaten ist nicht vorgesehen.

Verwaltung, Register und Gebühren

Jahresgebühren

Für das Einheitspatent sind jährliche Gebühren zentral beim EPA zu entrichten. Mit Zahlung dieser einheitlichen Gebühr bleibt der Schutz in allen abgedeckten Staaten bestehen; gesonderte nationale Jahresgebühren entfallen dort.

Registereintragungen, Übertragungen und Lizenzen

Übertragungen, Lizenzen, Beschränkungen und Belastungen werden zentral im Register für Einheitspatente beim EPA eingetragen. Ein „Lizenzbereitschafts“-Vermerk kann eingetragen werden; damit kann eine Ermäßigung der Jahresgebühr verbunden sein. Lizenzverträge können räumlich begrenzt werden, ohne den Charakter der einheitlichen Wirkung als solche zu verändern.

Anwendbares Sachenrecht

Als Gegenstand des Vermögens (z. B. Übertragung, Miteigentum, Verpfändung) unterliegt das Einheitspatent dem Recht des teilnehmenden Mitgliedstaats, in dem der Anmelder zum Zeitpunkt der Patentanmeldung seinen Sitz oder Wohnsitz hatte. Bei mehreren Anmeldern ist die Reihenfolge in der Anmeldung maßgeblich. Fehlt ein solcher Anknüpfungspunkt, findet als Auffanglösung deutsches Recht Anwendung.

Streitigkeiten und Gerichtszuständigkeit

Einheitliches Patentgericht (UPC)

Für Verletzungs- und Nichtigkeitsstreitigkeiten betreffend Einheitspatente ist das Einheitliche Patentgericht zuständig. Entscheidungen entfalten Wirkung für alle von dem Einheitspatent erfassten Staaten. Das Gericht kann insbesondere Unterlassungen anordnen, Schadensersatz zusprechen und zentralen Widerruf aussprechen.

Verhältnis zum Einspruch beim EPA

Neben der gerichtlichen Überprüfung besteht das zentrale Einspruchsverfahren beim EPA gegen das zugrunde liegende europäische Patent. Beide Wege können sich überschneiden. Eine Koordinierung ist möglich, etwa durch Aussetzung, um widersprüchliche Entscheidungen zu vermeiden.

Klassische europäische Patente

Klassische europäische Patente unterliegen während eines Übergangszeitraums teilweise dem Einheitlichen Patentgericht, sofern kein wirksamer Opt-out erklärt wurde. Einheitspatente selbst können nicht aus dem Zuständigkeitsbereich des Einheitlichen Patentgerichts herausgenommen werden.

Ergänzende Schutzzertifikate (SPC) und Einheitspatent

Für Arzneimittel- und Pflanzenschutzprodukte bleiben ergänzende Schutzzertifikate derzeit grundsätzlich nationale Rechte. Sie können jedoch auf einem Einheitspatent beruhen. Streitigkeiten zu solchen Zertifikaten, soweit sie an teilnehmende Staaten anknüpfen, fallen in die Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts. Pläne für ein einheitliches Schutzzertifikat auf EU-Ebene werden verfolgt, sind aber noch nicht wirksam.

Übergangs- und Sonderregelungen

Die zusätzliche Übersetzungsverpflichtung für Einheitspatente ist zeitlich befristet und soll langfristig entfallen. Für klassische europäische Patente gilt ein zeitlich begrenzter Übergang zur Zuständigkeit des Einheitlichen Patentgerichts. Einzelheiten zu Laufzeiten, Fristen und Modalitäten ergeben sich aus den einschlägigen EU-Regelungen und den Verfahrensordnungen der beteiligten Institutionen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist ein Einheitspatent und wie entsteht es?

Ein Einheitspatent ist ein europäisches Patent, dem nach der EPA-Erteilung auf Antrag eine einheitliche Wirkung in den teilnehmenden EU-Staaten verliehen wird. Es entsteht also nicht durch ein neues Prüfungsverfahren, sondern durch Registrierung der einheitlichen Wirkung innerhalb kurzer Frist nach Bekanntmachung der Patenterteilung.

Welche Staaten deckt ein Einheitspatent ab?

Es deckt die EU-Mitgliedstaaten ab, die am System teilnehmen und zum Zeitpunkt der Registrierung gebunden sind. Der Umfang ist für jedes Einheitspatent festgelegt und erweitert sich nicht automatisch, wenn später weitere Staaten beitreten.

Welche Sprache und Übersetzungen sind erforderlich?

Die Verfahrenssprache ist eine der Amtssprachen des EPA. Während eines befristeten Übergangs sind zusätzliche vollständige Übersetzungen einzureichen (Englisch-Übersetzung bei Erteilung in Deutsch/Französisch; Übersetzung in eine andere EU-Amtssprache bei Erteilung in Englisch). Diese Übersetzungen dienen der Information.

Wer entscheidet über Verletzungen und Nichtigkeitsfragen?

Das Einheitliche Patentgericht ist für Zivilstreitigkeiten zum Einheitspatent zuständig. Es kann zentrale Entscheidungen mit Wirkung für alle vom Einheitspatent erfassten Staaten treffen, einschließlich Unterlassungen, Schadensersatz und Widerruf.

Wie verhalten sich Einspruch und gerichtliche Verfahren zueinander?

Der zentrale Einspruch beim EPA gegen das europäische Patent bleibt möglich und wirkt einheitlich. Parallel kann das Einheitliche Patentgericht angerufen werden. Eine Abstimmung beider Verfahren, etwa durch Aussetzung, ist vorgesehen, um widersprüchliche Ergebnisse zu vermeiden.

Kann ein Einheitspatent teilweise auf einzelne Staaten beschränkt oder aufgegeben werden?

Nein. Maßnahmen wie Widerruf, Beschränkung, Aufgabe und Erlöschen wegen Nichtzahlung der Jahresgebühren wirken einheitlich für alle abgedeckten Staaten. Eine Aufspaltung nach Ländern ist nicht vorgesehen.

Wie werden Übertragungen und Lizenzen gehandhabt?

Übertragungen, Lizenzen und Belastungen werden zentral im Register beim EPA eingetragen. Das auf sachenrechtliche Fragen anwendbare Recht richtet sich grundsätzlich nach dem Sitz oder Wohnsitz des Anmelders in einem teilnehmenden Staat zum Zeitpunkt der Anmeldung; fehlt ein solcher Anknüpfungspunkt, gilt deutsches Recht als Auffanglösung.