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Eigenkapital


Begriff und rechtliche Grundlagen des Eigenkapitals

Das Eigenkapital ist im Recht der Betriebswirtschaft und insbesondere im Handels-, Gesellschafts- und Steuerrecht eine zentrale Kategorie zur Beurteilung der finanziellen Verhältnisse eines Unternehmens. Als Residualgröße stellt es denjenigen Betrag dar, der sich rechnerisch aus der Differenz zwischen dem Vermögen und den Schulden eines Rechtsträgers ergibt. Eigenkapital spiegelt folglich das von den Eigentümern (Gesellschaftern, Aktionären o.ä.) bereitgestellte Kapital sowie einbehaltene Gewinne oder Verluste wider. In der Rechnungslegung gemäß deutschem Handelsgesetzbuch (HGB) und internationalen Standards (z. B. IFRS) bildet das Eigenkapital eine wesentliche Bilanzposition und ist eng mit Haftungsfragen, Unternehmensbewertung und dem Gläubigerschutz verbunden.

Abgrenzung Eigenkapital und Fremdkapital

Das Eigenkapital unterscheidet sich grundlegend vom Fremdkapital. Während Fremdkapital (beispielsweise Bankdarlehen oder Anleihen) auf vertraglich zu rückzahlenden Forderungen Dritter beruht und regelmäßig verzinst werden muss, stammt das Eigenkapital von den Eigentümern des Unternehmens und partizipiert am unternehmerischen Erfolg oder Misserfolg.

Rechtliche Grundlagen des Eigenkapitals in Deutschland

Gesellschaftsrechtliche Vorschriften

Die rechtlichen Anforderungen an das Eigenkapital variieren je nach Gesellschaftsform. Im Folgenden werden die wichtigsten gesellschaftsrechtlichen Grundlagen differenziert betrachtet.

Kapitalgesellschaften

Für Kapitalgesellschaften wie die Aktiengesellschaft (AG) und die Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) schreibt das Gesetz Mindestkapitalvorschriften vor. Nach § 7 Abs. 2 Aktiengesetz (AktG) ist für die Gründung einer AG ein Grundkapital von mindestens 50.000 Euro erforderlich. Die GmbH benötigt gemäß § 5 Abs. 1 GmbHG ein Stammkapital von mindestens 25.000 Euro.

Das eingezahlte Eigenkapital (Grund- bzw. Stammkapital) dient dem Gläubigerschutz und unterliegt im Rahmen des sogenannten Kapitalerhaltungsgrundsatzes (vgl. § 57 AktG, § 30 GmbHG) besonderen Beschränkungen hinsichtlich der Rückgewähr an Gesellschafter.

Personengesellschaften

Bei Personengesellschaften (z. B. Offene Handelsgesellschaft – OHG, Kommanditgesellschaft – KG) wird das Eigenkapital hingegen nicht durch gesetzliche Mindestvorschriften geregelt. Vielmehr ergibt sich der Eigenkapitalanteil aus den vereinbarten Einlagen der Gesellschafter. Rechtsgrundlage sind hier insbesondere die gesellschaftsvertraglichen Vereinbarungen und die allgemeinen Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) sowie des Handelsgesetzbuchs (HGB).

Handelsrechtliche Bilanzierung des Eigenkapitals

Gemäß § 266 Abs. 3 HGB ist das Eigenkapital im Jahresabschluss von Kapitalgesellschaften gesondert auszuweisen und umfasst mindestens folgende Positionen:

  • Gezeichnetes Kapital (bei AG: Grundkapital, bei GmbH: Stammkapital)
  • Kapitalrücklage
  • Gewinnrücklagen
  • Gewinn-/Verlustvortrag
  • Jahresüberschuss/-fehlbetrag

Ergänzend sind bei Personengesellschaften die Kapitalkonten der Gesellschafter zu führen (§§ 120 ff. HGB).

Eigenkapital im Insolvenzrecht

Im Insolvenzrecht besitzt das Eigenkapital besondere Bedeutung. Es stellt das haftende Kapital dar, das im Falle einer Unternehmensinsolvenz nachrangig gegenüber den Gläubigeransprüchen behandelt wird. Eigenkapitalgeber tragen das unternehmerische Risiko des Totalausfalls, da ihnen erst nach vollumfänglicher Befriedigung der Insolvenzgläubiger etwaige Restwerte zufallen.

Im Umkehrschluss kommt dem Eigenkapital bei der Überschuldungsprüfung (§ 19 Abs. 2 Satz 1 InsO) erhebliche Bedeutung zu, da zur Feststellung der Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung insbesondere eine Gegenüberstellung des Vermögens (insbesondere Eigenkapital) und der Verbindlichkeiten zu erfolgen hat.

Eigenkapitalanforderungen im Bank- und Aufsichtsrecht

Im Kreditwesengesetz (KWG) sowie in weiteren aufsichtsrechtlichen Bestimmungen finden sich insbesondere für Banken und Finanzdienstleister spezifische Eigenkapitalanforderungen. Nach Basel III und Art. 92 CRR (Capital Requirements Regulation) sind bestimmte harte Kernkapitalquoten einzuhalten, um Risiken aus dem Geschäftsbetrieb abzufedern und die Stabilität der Finanzinstitute sicherzustellen.

Steuerrechtliche Aspekte des Eigenkapitals

Ertragsbesteuerung und Eigenkapital

Im Steuerrecht wird das Eigenkapital insbesondere bei der Gewinnermittlung ertragssteuerlich relevant. So bestimmt die Höhe des Eigenkapitals den Umfang der möglichen Entnahmen und Einlagen (§ 4 Abs. 4a EStG, § 15 Abs. 1 Nr. 2 EStG) sowie die Berechnung der Gewerbesteuer (§ 8 Nr. 1 GewStG).

Thin-Capitalisation- und Verdeckte-Gewinnausschüttungs-Regeln

Umgestaltungen der Eigenkapitalstruktur – insbesondere durch Gesellschafterdarlehen – unterliegen steuerlichen Missbrauchsvermeidungsvorschriften, wie den Regeln zur verdeckten Gewinnausschüttung (§ 8 Abs. 3 KStG) und den Grenzen zulässiger Fremdkapitalunterlegung (sog. „Thin-Capitalisation“, mittlerweile durch Zinsschrankenvorschriften, § 4h EStG ersetzt).

Haftung und Gläubigerschutz

Das Eigenkapital ist tragende Grundlage der Haftung. Bei Kapitalgesellschaften ist die Haftung der Gesellschaft grundsätzlich auf das Gesellschaftsvermögen beschränkt (§ 13 Abs. 2 GmbHG, § 1 Abs. 1 AktG). Das Eigenkapital dient dem Gläubigerschutz, da es Verluste auffängt und erst nachrangig für Rückzahlungen herangezogen werden darf. Unzulässige Auszahlungen an Gesellschafter können zu Rückforderungsansprüchen führen.

Eigenkapital in der internationalen Rechnungslegung (IFRS)

Die internationalen Rechnungslegungsstandards – insbesondere die International Financial Reporting Standards (IFRS) – stellen an das Eigenkapital eigenständige Anforderungen. Danach wird Eigenkapital als die Residualgröße definiert, die nach Abzug aller Verbindlichkeiten aus den Vermögenswerten einer Gesellschaft verbleibt. Bestandteil des Eigenkapitals sind unter anderem das sogenannte „Share Capital“, „Share Premium“, Rücklagen und nicht ausgeschüttete Gewinne („Retained Earnings“).

Zusammenfassung und Bedeutung

Das Eigenkapital steht im Zentrum vieler zivil-, handels- und steuerrechtlicher Überlegungen und Vorschriften. Es bestimmt maßgeblich die Haftung, die Struktur der Unternehmensfinanzierung, die Bilanzierung und die steuerliche Behandlung eines Unternehmens. Insbesondere die Unterscheidung zwischen Eigen- und Fremdkapital hat weitreichende rechtliche, wirtschaftliche und steuerrechtliche Folgen. Die Sicherstellung eines ausreichenden Eigenkapitals ist für Unternehmen nicht nur eine rechtliche Verpflichtung, sondern auch ein maßgeblicher Faktor für die Unternehmensstabilität und den Gläubigerschutz.

Häufig gestellte Fragen

Welche gesetzlichen Vorgaben bestehen hinsichtlich der Aufbringung von Eigenkapital bei der Gründung einer GmbH?

Bei der Gründung einer Gesellschaft mit beschränkter Haftung (GmbH) ist die Höhe des aufzubringenden Eigenkapitals gesetzlich im GmbH-Gesetz (GmbHG) geregelt. Nach § 5 Abs. 1 GmbHG muss das Stammkapital mindestens 25.000 Euro betragen. Davon muss bei der Anmeldung zur Eintragung ins Handelsregister mindestens ein Viertel jeder Stammeinlage, insgesamt jedoch mindestens die Hälfte des Mindeststammkapitals – also 12.500 Euro – als Bareinlage geleistet werden (§ 7 Abs. 2 GmbHG). Die Gesellschafter können daneben auch Sacheinlagen einbringen; in diesem Fall sind diese vollständig und nachweislich bereits bei Anmeldung zu erbringen (§ 7 Abs. 3 GmbHG). Die gesetzlichen Vorgaben dienen dem Gläubigerschutz, indem sichergestellt wird, dass die Gesellschaft über ein Mindestkapital verfügt, das im Insolvenzfall zur Befriedigung der Gläubiger herangezogen werden kann. Verstöße gegen die Vorschriften zur Eigenkapitaleinbringung können zivil- und strafrechtliche Folgen haben, beispielsweise die persönliche Haftung der Gesellschafter oder eine Strafverfolgung wegen Falschangaben (§ 82 GmbHG).

Welche rechtlichen Anforderungen gelten für die Eigenkapitalausstattung bei Aktiengesellschaften (AG)?

Die Eigenkapitalausstattung einer Aktiengesellschaft ist im Aktiengesetz (AktG) geregelt. Nach § 7 AktG muss das Grundkapital einer AG mindestens 50.000 Euro betragen. Die Gesellschaft kann ihr Grundkapital durch die Ausgabe von Aktien aufbringen; dabei sind Bar- und Sacheinlagen zulässig (§§ 27 ff. AktG). Bareinlagen sind zur Gründung mindestens zur Hälfte einzuzahlen, Sacheinlagen müssen vollständig eingebracht und in der Satzung genau angegeben werden. Zusätzlich schreiben die §§ 57 ff. AktG eine Kapitalbindung vor, um das einmal eingebrachte Grundkapital zu schützen. Unzulässig ist die Rückzahlung des Grundkapitals an Aktionäre außerhalb der gesetzlichen Möglichkeiten, wie beispielweise im Rahmen einer Kapitalherabsetzung unter Einhaltung spezieller Verfahren (§§ 222 ff. AktG). Zuwiderhandlungen können Nichtigkeiten von Beschlüssen, Haftungsfolgen und strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.

Welche Folgen hat eine unzureichende Eigenkapitalausstattung für Geschäftsführer und Gesellschafter juristisch?

Eine unzureichende Eigenkapitalausstattung kann insbesondere bei Kapitalgesellschaften (GmbH, AG) rechtliche Konsequenzen für Geschäftsführer und Gesellschafter haben. Nach § 64 GmbHG und § 92 AktG sind die Geschäftsführer bzw. der Vorstand verpflichtet, bei drohender Zahlungsunfähigkeit oder Überschuldung unverzüglich Insolvenz anzumelden. Unterlassen sie dies, drohen strafrechtliche Sanktionen (Insolvenzverschleppung) sowie persönliche Haftung für Zahlungen, die nach Eintritt der Insolvenzreife geleistet werden (§ 64 Satz 1 GmbHG). Zudem kann die Geschäftsleitung in der sogenannten „existenzvernichtenden Eingriffshaftung“ für Schäden an Gläubigern persönlich haften, sofern das Eigenkapital in unzulässiger Weise entzogen wurde (z.B. durch verdeckte Gewinnausschüttungen oder unzulässige Darlehensrückzahlungen). Gesellschafter können bei Verstößen unter bestimmten Voraussetzungen analog § 826 BGB (vorsätzliche sittenwidrige Schädigung) direkt haften.

Welche gesetzlichen Offenlegungspflichten bestehen im Hinblick auf das Eigenkapital von Unternehmen?

Kapitalgesellschaften unterliegen nach §§ 264 ff. HGB (Handelsgesetzbuch) umfassenden Offenlegungspflichten hinsichtlich ihrer Eigenkapitalsituation. Im Jahresabschluss sind Eigenkapitalbestandteile (z.B. gezeichnetes Kapital, Kapitalrücklagen, Gewinnrücklagen, Gewinnvortrag, Jahresüberschuss/-fehlbetrag) detailliert auszuweisen. Der Jahresabschluss ist durch die Geschäftsführung aufzustellen und – abhängig von der Größe der Gesellschaft – gegebenenfalls durch einen Wirtschaftsprüfer zu prüfen (§ 316 HGB). Der festgestellte Jahresabschluss ist offenzulegen, d.h. beim Bundesanzeiger elektronisch einzureichen (§ 325 HGB). Verstöße gegen die Offenlegungspflichten können zu Ordnungsgeldern nach § 335 HGB, im Extremfall zu zivil- und strafrechtlichen Sanktionen führen.

Unter welchen Voraussetzungen ist ein sogenannter „Kapitalersatz“ rechtlich zulässig oder unzulässig?

Unter Kapitalersatz versteht man im juristischen Sinne Leistungen von Gesellschaftern an die Gesellschaft, die eigentlich dem Eigenkapital zuzurechnen sind, aber formal als Fremdkapital (z.B. Gesellschafterdarlehen) ausgestaltet werden. Nach der Rechtsprechung (Kapitalersatzrecht, früher § 32a GmbHG, heute im Rahmen der Insolvenzordnung beurteilt, insbesondere § 39 Abs. 1 Nr. 5 InsO) sind Gesellschafterdarlehen im Krisenfall am Nachrang zu behandeln. Das bedeutet, im Insolvenzverfahren werden Forderungen aus solchen Darlehen erst nach Befriedigung aller anderen Insolvenzgläubiger bedient. Dieser rechtliche Nachrang ist Ausdruck des Grundsatzes, dass das zur Aufrechterhaltung der Zahlungsfähigkeit überlassene Kapital nicht auf Kosten anderer Gläubiger entzogen werden darf. Ein Gesellschafterdarlehen darf während einer wirtschaftlichen Krise der Gesellschaft in der Regel nicht zurückgezahlt werden, ansonsten besteht Anfechtungsgefahr durch den Insolvenzverwalter.

Welche gesetzlichen Regelungen bestehen zur Eigenkapitalerhaltung und -bindung?

Die gesetzlichen Vorschriften zur Eigenkapitalerhaltung und -bindung dienen dem Gläubigerschutz. Nach §§ 30 ff. GmbHG ist eine Rückzahlung an Gesellschafter grundsätzlich nur zulässig, wenn dadurch das Stammkapital nicht angetastet wird (Kapitalerhaltungsgrundsatz). Für die Aktiengesellschaft normieren §§ 57 ff. AktG ein noch strengeres System, wonach Leistungen an Aktionäre nur aus dem Bilanzgewinn zulässig sind. Eine Auszahlung, die das Grundkapital betrifft, ist nur im Rahmen einer förmlichen Kapitalherabsetzung und unter Einhaltung besonderer Vorschriften erlaubt (§§ 222 ff. AktG). Verstöße hiergegen führen zu Rückzahlungspflichten und ggf. zur persönlichen Haftung der Geschäftsleiter und Aktionäre bzw. Gesellschafter.

Gibt es besondere rechtliche Regelungen zum Eigenkapital bei der Insolvenz einer Gesellschaft?

Im Falle der Insolvenz gelten besondere rechtliche Vorschriften hinsichtlich des Eigenkapitals. Zunächst stellen sämtliche noch offenen Einlagenforderungen (noch nicht erbrachtes Eigenkapital) eine Masseforderung dar, die unbedingt und vorrangig zu bedienen ist. Nach § 39 InsO werden Gesellschafterdarlehen und ähnliche Forderungen nachrangig behandelt. Das Eigenkapital ist im Insolvenzverfahren verloren, sodass die Gesellschafter in der Regel als Eigenkapitalgeber ihre Einlagen teilweise oder vollständig abschreiben müssen. Etwaige unzulässige Rückzahlungen aus dem Eigenkapital an Gesellschafter oder andere Verpflichtete in den letzten Jahren vor der Insolvenz können nach §§ 129 ff. InsO durch den Insolvenzverwalter angefochten und zurückgefordert werden (Anfechtungsrecht). Diese gesetzlichen Regelungen sollen verhindern, dass im Insolvenzfall das Vermögen der Gesellschaft zulasten der Gläubiger gemindert wird.