Eigene Aktie – Begriff und rechtliche Grundlagen
Die eigene Aktie bezeichnet Aktien, die eine Aktiengesellschaft (AG) am eigenen Kapital hält. Rechtlich handelt es sich hierbei um Anteile am eigenen Unternehmen, die von der ausgebenden Gesellschaft selbst, von ihr abhängigen Unternehmen oder von Dritten für Rechnung der Gesellschaft gehalten werden. Die Behandlung und rechtlichen Rahmenbedingungen eigener Aktien sind im Aktiengesetz (AktG) detailliert geregelt, um Missbrauch und Gefährdung des Gesellschaftsinteresses zu verhindern.
Begriffserläuterung und Hintergrund
Der Erwerb eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft bedarf einer besonderen Regelung, da die Beteiligung der Gesellschaft an sich selbst als widersprüchlich gilt. Dabei ergeben sich vielfältige rechtliche Implikationen, insbesondere hinsichtlich Stimmberechtigung, Dividendenberechtigung und Kapitalmarktrecht.
Gesetzliche Regelung
Die zentrale gesetzliche Grundlage für eigene Aktien in Deutschland findet sich in den §§ 71 bis 71g AktG. Diese Vorschriften regeln insbesondere die Zulässigkeit des Erwerbs, zulässige Zwecke, die Grenze des zulässigen Bestandes und die Behandlung eigener Aktien.
Erlaubnis und Bedingungen des Erwerbs (Kernvorschrift: § 71 AktG)
Nach § 71 Abs. 1 AktG darf eine Aktiengesellschaft eigene Aktien nur in den dort abschließend aufgezählten Ausnahmefällen erwerben. Häufige Gründe sind:
- Ermächtigung durch die Hauptversammlung: Jeweils bis zu 10 % des Grundkapitals für maximal fünf Jahre
- Im Rahmen von Einziehung oder Kapitalherabsetzung
- Zur Abwehr eines schweren, unmittelbar drohenden Schadens
- Zur Überlassung an Arbeitnehmer oder Mitglieder des Vorstands
Der Erwerb eigener Aktien, der außerhalb dieser Ausnahmen erfolgt, ist nach § 71 Abs. 2 AktG grundsätzlich unwirksam.
Grenze des zulässigen Bestandes
Eine Gesellschaft darf gemäß § 71 Abs. 2 AktG zu keinem Zeitpunkt mehr als 10 % des Grundkapitals in Form eigener Aktien halten. Ausnahmen hiervon sind nur unter besonderen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig, etwa bei bestimmten Reorganisationsmaßnahmen oder Verschmelzungen.
Erwerbsmethoden
Eigene Aktien können durch Kauf an der Börse, durch öffentliches Angebot an sämtliche Aktionäre oder auch durch spezifisch ausgestaltete Rückkaufprogramme erworben werden. Die Wahl der Erwerbsmethode unterliegt stets dem Gleichbehandlungsgrundsatz (§ 53a AktG).
Folgen des Erwerbs eigener Aktien
Wesentliche rechtliche Folge ist, dass die Gesellschaft keine Rechte aus eigenen Aktien, insbesondere keine Stimmrechte (§ 71b AktG) und keine Dividendenrechte, ausüben darf. Die eigenen Aktien sind „ruhende Stimmrechte“, d.h. sie werden bei Abstimmungen nicht mitgezählt.
Behandlung im Jahresabschluss
Eigene Aktien sind auf der Aktivseite der Bilanz als „eigene Anteile“ zu vermerken (§ 272 Abs. 1a HGB). Zugleich ist das gezeichnete Kapital um den Nennbetrag dieser Aktien zu mindern.
Motive und Zwecke des Erwerbs eigener Aktien
Der Erwerb eigener Aktien kann unterschiedliche Zwecke verfolgen:
- Kapitalherabsetzung durch Einziehung: Eigene Aktien können eingezogen werden, um das Grundkapital herabzusetzen.
- Auflage von Mitarbeiterbeteiligungsprogrammen: Rüstung des Aktienkapitals zur Ausgabe an Arbeitnehmer oder Vorstände.
- Liquiditätsmanagement: Nutzung eigener Aktien als „Währung“ bei Akquisitionen oder im Rahmen von Unternehmenszusammenschlüssen.
- Stabilisierung des Aktienkurses: Durchführung von Rückkaufprogrammen zur Kurspflege.
Veräußerung und Einziehung eigener Aktien
Veräußerung
Die Weiterveräußerung eigener Aktien ist grundsätzlich zulässig, sofern dieser Schritt durch die Hauptversammlung autorisiert wurde und das Bezugsrecht der Aktionäre gewahrt wird (§§ 186, 71 Abs. 1 Nr. 8 Satz 5 AktG).
Einziehung
Die Einziehung eigener Aktien führt zu einer Kapitalherabsetzung oder einer nominellen Kapitalberichtigung (§§ 237 ff. AktG). Sie darf nur auf Grund eines Hauptversammlungsbeschlusses erfolgen.
Hauptversammlungsbeschluss und Transparenzvorschriften
Der Erwerb und die Verwendung eigener Aktien bedürfen regelmäßig eines ausdrücklichen Beschlusses der Hauptversammlung (§ 71 Abs. 1 Nr. 8 AktG). Zudem gelten erhöhte Transparenzpflichten, insbesondere im börsennotierten Unternehmen: Erwerb und Veräußerung eigener Aktien sind nach § 160 Abs. 1 Nr. 2 AktG öffentlich bekannt zu machen.
Kapitalmarktrechtliche und gesellschaftsrechtliche Besonderheiten
Eigene Aktien werden kapitalmarktrechtlich wie Fremdaktien behandelt, wobei für Insidergeschäfte und Marktmissbrauch insbesondere die Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) und des Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) relevant sind.
Ein wesentliches gesellschaftsrechtliches Risiko ist der mögliche Missbrauch von eigenen Aktien zu Zwecken der Unternehmensübernahme (sog. „wettbewerbswidrige Bollwerkfunktion“). Daher sind die Handlungsoptionen der Unternehmen gesetzlichen Beschränkungen und Berichtspflichten unterworfen.
Steuerliche Aspekte
Erträge und Gewinne aus dem Erwerb und der Veräußerung eigener Aktien unterliegen verschiedenen steuerrechtlichen Regelungen. Die Erträge aus der Einziehung eigener Aktien oder deren Veräußerungsgewinn sind als Teil der Gesellschaftsgewinne steuerpflichtig.
Internationale Perspektiven
Die Regelungen zum Erwerb und Halten eigener Aktien unterscheiden sich international. Während die meisten europäischen Gesellschaftsrechte vergleichbare Einschränkungen und Transparenzvorschriften kennen, bestehen in anderen Jurisdiktionen weitergehende oder abweichende Regelungen beim Rückkauf und Halten eigener Anteile.
Literatur und weiterführende Quellen
- Aktiengesetz (AktG)
- Handelsgesetzbuch (HGB)
- Marktmissbrauchsverordnung (MAR)
- Wertpapierhandelsgesetz (WpHG)
Weiterführende Literatur
- Hüffer, Uwe: Aktiengesetz. Kommentar, C.H. Beck, aktuellste Auflage.
- Bachmann/Fleischer: Aktienrecht, Beck’sches Formularbuch, C.H. Beck.
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Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Voraussetzungen sind für den Erwerb eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft erforderlich?
Der Erwerb eigener Aktien durch eine Aktiengesellschaft ist in Deutschland im Aktiengesetz (AktG) streng geregelt. Gemäß § 71 Abs. 1 AktG darf eine Aktiengesellschaft grundsätzlich nur eigene Aktien erwerben, wenn die Hauptversammlung dies mit einer Mehrheit von mindestens drei Vierteln des bei der Beschlussfassung vertretenen Grundkapitals genehmigt und wenn die Ermächtigung auf höchstens fünf Jahre befristet ist. Der Erwerb eigener Aktien darf zudem nur aus Mitteln erfolgen, die im Rahmen der Ausschüttung an die Aktionäre als Gewinn ausgezahlt werden können (freies Eigenkapital), und er darf den Zweck der Gesellschaft nicht gefährden, insbesondere nicht zu einer unzulässigen Rückzahlung von Einlagen an die Aktionäre führen. Der zulässige Umfang ist ebenfalls beschränkt: Insgesamt dürfen eigene Aktien höchstens zehn Prozent des Grundkapitals betragen. Eine Ausnahme besteht für bestimmte Sonderfälle, etwa den Erwerb im Rahmen eines Squeeze-out oder bei einem Verstoß gegen die Pflicht zur Einziehung. Weiterhin müssen beim Erwerb die insolvenzrechtlichen Vorschriften beachtet werden, insbesondere das Verbot, eigene Aktien zu Lasten des Grundkapitals oder zulasten gebundener Rücklagen zu erwerben.
Wie wird der Erwerb eigener Aktien gesellschaftsrechtlich dokumentiert und veröffentlicht?
Nach § 71d Abs. 1 AktG muss jede Gesellschaft, die eigene Aktien erworben hat, dies dem Handelsregister unverzüglich anzeigen. Die Anzeige muss unter Angabe der erworbenen Stückzahl und des verbleibenden Grundkapitals erfolgen. Zusätzlich sind diese Veränderungen gemäß § 160 AktG im Anhang zum Jahresabschluss zu erläutern. Diese Angaben dienen der Transparenz gegenüber Aktionären und Gläubigern. Wird der Erwerb durch ein öffentliches Angebot oder an der Börse abgewickelt, sind zudem die Anforderungen des Wertpapierhandelsgesetzes (WpHG) zu beachten, beispielsweise Veröffentlichungspflichten bei Überschreiten von Schwellenwerten. Verstöße gegen diese Dokumentations- und Veröffentlichungspflichten können zu zivilrechtlichen oder aufsichtsrechtlichen Sanktionen führen.
Welche Beschränkungen und Verbote bestehen für den Erwerb eigener Aktien?
Das Aktiengesetz enthält zahlreiche Beschränkungen und Verbote hinsichtlich des Erwerbs eigener Aktien: Nach § 71 Abs. 1 AktG kann der Erwerb weder zum Zweck des Handels mit eigenen Aktien noch aus Mitteln erfolgen, die zum Erhalt des Grundkapitals gebunden sind. Zudem ist der Erwerb in bestimmten Konstellationen generell unzulässig, etwa wenn auf die zu erwerbenden Aktien die volle Einzahlung des Ausgabebetrages noch nicht geleistet wurde oder wenn nach der Bilanz ein nicht durch Eigenkapital gedeckter Fehlbetrag besteht. Außerdem dürfen börsennotierte Gesellschaften eigene Aktien grundsätzlich nicht zur Einflussnahme auf den Börsenpreis erwerben. Ferner besteht ein Verbot des direkten oder indirekten Erwerbs eigener Aktien durch Tochtergesellschaften über bestimmte Beteiligungshöhen hinaus (§ 71a AktG).
Wie sind die Rechte aus eigenen Aktien gesellschaftsrechtlich ausgestaltet?
Eigene Aktien gewähren der Gesellschaft keinerlei Rechte, insbesondere kein Stimmrecht und kein Bezugsrecht auf neue Aktien (§ 71b AktG). Sie nehmen auch nicht an der Gewinnverteilung oder der Ausschüttung einer etwaigen Abfindung teil. Die Rechte ruhen, solange sich die Aktien im Eigenbestand befinden. Verbleiben sie dauerhaft im Bestand, können sie auch eingezogen werden, wofür eigene aktienrechtliche Regelungen nach §§ 237, 238 AktG zu beachten sind. Die ruhenden Rechte führen rechnerisch nicht dazu, dass sich die Mehrheitsverhältnisse der Stimmrechte ändern, da stets nur die ausgegebenen und nicht von der Gesellschaft gehaltenen Aktien zählen.
Welche aufsichtsrechtlichen Aspekte sind beim Erwerb eigener Aktien zu beachten?
Für börsennotierte Aktiengesellschaften ist bei Rückkaufprogrammen insbesondere das Wertpapierhandelsgesetz (WpHG) relevant. Der Erwerb eigener Aktien kann als Insidergeschäft oder Marktmanipulation zu qualifizieren sein, wenn die Transaktionen nicht unter Einhaltung der Transparenz- und Veröffentlichungspflichten (z. B. Ad-hoc-Publizität nach Art. 17 MAR oder Directors‘ Dealings nach Art. 19 MAR) erfolgen. Unternehmen müssen Rückkaufprogramme daher detailliert planen und der Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht (BaFin) mitteilen. Zudem sind die Vorgaben der Marktmissbrauchsverordnung (MAR) hinsichtlich Offenlegung und Durchführung zu beachten. Verstöße können zu Bußgeldern oder anderen Maßnahmen seitens der Aufsichtsbehörden führen.
Welche steuerrechtlichen Implikationen bestehen beim Erwerb und der Veräußerung eigener Aktien?
Steuerrechtlich ist zu differenzieren: Der Erwerb eigener Aktien führt bei der AG zu keiner Gewinnrealisierung, sitzt sie die Aktien im Eigenbestand, beeinflusst dies nicht unmittelbar die Steuerbemessungsgrundlage. Erst bei Veräußerung eigener Aktien kann ein Gewinn oder Verlust entstehen, der, abhängig vom Verwendungszweck und vom Charakter der Transaktion, steuerpflichtig werden kann. Auch kann die Einziehung eigener Aktien Auswirkungen auf die steuerliche Behandlung des Grundkapitals und der Kapitalrücklagen haben. Für die Aktionäre kann der Rückkauf in Form eines Erwerbsangebots steuerliche Konsequenzen haben, etwa als verdeckte Gewinnausschüttung, abhängig von der konkreten Ausgestaltung und dem Anteilssatz.
Wie lange dürfen eigene Aktien im Bestand der Gesellschaft verbleiben?
Das Aktiengesetz sieht in § 71 Abs. 3 AktG vor, dass eigene Aktien, die erworben wurden, grundsätzlich innerhalb eines Jahres nach dem Erwerb wieder zu veräußern oder einzuziehen sind, wenn der Erwerb nicht zur Abwendung eines schweren, unmittelbar bevorstehenden Schadens oder in anderen ausdrücklich gesetzlich zulässigen Fällen erfolgte. Andernfalls ist eine Verlängerung nur zulässig, soweit die Aktien mit Vorliegen einer Hauptversammlungsermächtigung erworben wurden und die dort festgelegte Frist (maximal fünf Jahre) noch nicht abgelaufen ist. Wird die Frist überschritten, kann die Gesellschaft verpflichtet sein, die eigenen Aktien zwingend einzuziehen.