Eigenbedarf: Begriff, Bedeutung und rechtliche Einordnung
Eigenbedarf bezeichnet den rechtlich anerkannten Wunsch eines Vermieters, eine vermietete Wohnung künftig selbst oder für bestimmte nahestehende Personen zu Wohnzwecken zu nutzen. Der Begriff betrifft ausschließlich Wohnraummietverhältnisse. Maßgeblich ist ein ernsthafter, nachvollziehbarer Nutzungswille, der sich auf konkreten Wohnbedarf richtet und nicht bloß vorgeschoben ist.
Abgrenzung zu anderen Kündigungsgründen
Die Kündigung wegen Eigenbedarfs ist von anderen Beendigungsgründen zu unterscheiden. Sie setzt keinen Pflichtverstoß des Mieters voraus und dient nicht der wirtschaftlichen Verwertung des Objekts. Ziel ist die Selbstnutzung oder die Nutzung durch begünstigte Personen zum Wohnen. Eine Umwidmung zu geschäftlichen oder touristischen Zwecken fällt nicht darunter.
Wer kann Eigenbedarf geltend machen?
Eigentümer als Vermieter
Eigenbedarf kann von der vermietenden Eigentümerseite geltend gemacht werden. Bei Eigentumswechsel tritt der Erwerber in das bestehende Mietverhältnis ein und kann eine Eigenbedarfskündigung erst nach Eigentumsübertragung und unter Beachtung aller Sperr- und Kündigungsfristen erklären.
Begünstigter Personenkreis
Nahe Familienangehörige
Dazu gehören in der Regel Personen, zu denen typischerweise eine enge persönliche Verbundenheit besteht, etwa Kinder, Eltern oder Enkel. Auch weitere nahe Angehörige können erfasst sein, wenn eine besondere persönliche Nähe und ein nachvollziehbarer Wohnbedarf bestehen.
Angehörige des eigenen Haushalts
Personen, die in den Hausstand des Vermieters aufgenommen werden sollen oder bereits angehören, können vom Eigenbedarf umfasst sein, sofern ein plausibler Wohnzweck dargelegt wird.
Sonstige nahestehende Personen
Bei anderen Personen außerhalb des Kernkreises ist ein gesteigertes Begründungserfordernis zu beachten. Erforderlich ist eine besondere persönliche Nähe und ein konkreter Wohnbedarf, der über reine Gefälligkeiten hinausgeht.
Welche Nutzungszwecke sind anerkannt?
Wohnen als Hauptzweck
Eigenbedarf erfasst das Bewohnen der Wohnung als Lebensmittelpunkt. Die Wohnung muss zu Wohnzwecken genutzt werden; rein berufliche oder geschäftliche Nutzungen fallen nicht darunter.
Nebenwohnung, Berufs- und Ausbildungsgründe
Auch eine Nebenwohnung kann ausnahmsweise Eigenbedarf begründen, wenn hierfür ein konkreter, nachvollziehbarer Wohnzweck besteht, etwa für berufsbedingte Aufenthalte oder Ausbildung. Entscheidend ist die Ernsthaftigkeit der Nutzung und nicht ihre Dauer.
Zusammenlegung, Vergrößerung oder Verkleinerung
Klassische Konstellationen sind Familienzuwachs, Pflegebedürftigkeit, altersgerechter Wohnbedarf, der Wunsch nach räumlicher Nähe zu Angehörigen oder das Zusammenlegen bzw. Trennen von Wohnungen zur bedarfsgerechten Nutzung. Ein Notstand ist nicht erforderlich; die Gründe müssen jedoch real und schlüssig dargelegt sein.
Form und Begründung der Kündigung
Erforderliche Angaben
Die Kündigung muss in formgebundener Weise erfolgen und begründet sein. Regelmäßig sind die Person zu benennen, für die der Eigenbedarf geltend gemacht wird, die Art der persönlichen Beziehung sowie die maßgeblichen Umstände des Wohnbedarfs. Allgemeine Floskeln genügen nicht.
Zeitpunkt und Prognose
Die Gründe müssen zum Zeitpunkt der Kündigung vorliegen und einen zeitnahen Einzug plausibel erwarten lassen. Es handelt sich um eine Prognoseentscheidung anhand konkreter Tatsachen. Nachträgliche Ergänzungen ersetzen fehlende Begründungen grundsätzlich nicht.
Angebot alternativer Wohnungen
Verfügt der Vermieter über freie, vergleichbare Wohnungen im selben Gebäude oder in naher räumlicher Nähe, kann die Kündigung an der Verhältnismäßigkeit scheitern. In vielen Konstellationen wird erwartet, dass eine solche Wohnung dem Mieter angezeigt wird, wenn sie die Kündigung entbehrlich machen könnte.
Fristen und zeitliche Beschränkungen
Gesetzliche Kündigungsfristen
Eigenbedarf führt regelmäßig zu einer ordentlichen Kündigung. Es gelten gestaffelte gesetzliche Kündigungsfristen, deren Länge sich nach der Dauer des bestehenden Mietverhältnisses richtet.
Sperrfristen nach Eigentumswechsel oder Umwandlung
Nach Umwandlung von Miet- in Wohnungseigentum bestehen besondere Kündigungssperrfristen. Diese können regional verlängert sein. Auch nach Eigentumswechsel sind zeitliche Schranken zu beachten; maßgeblich ist unter anderem der Zeitpunkt des Eigentumserwerbs.
Besonderheiten in kleinen Gebäuden
Für kleine Objekte mit wenigen Wohnungen bestehen teilweise erleichterte Kündigungsmöglichkeiten. Diese Besonderheiten ändern nichts daran, dass ein nachvollziehbarer Wohnbedarf vorliegen muss.
Schutzmechanismen der Mieterseite
Widerspruch wegen besonderer Härte
Mieter können einer Kündigung aus Gründen besonderer Härte widersprechen. Dazu zählen persönliche, gesundheitliche, familiäre oder soziale Umstände, die den Verlust der Wohnung unzumutbar erscheinen lassen.
Interessenabwägung
Im Streitfall werden die Belange beider Seiten gegeneinander abgewogen. Auf Vermieterseite steht der nachvollziehbare Nutzungswunsch; auf Mieterseite die Schutzwürdigkeit des bestehenden Wohnraums. Die Entscheidung ist einzelfallbezogen.
Besonders schutzwürdige Konstellationen
Ein gesteigerter Schutz kann sich ergeben, wenn etwa hohes Alter, schwere Erkrankungen, Schwangerschaft, Pflegebedürftigkeit, Schulbindung von Kindern oder lange Wohndauer vorliegen. Die Bewertung erfolgt anhand der konkreten Umstände.
Missbrauch, Scheinbedarf und Folgen
Anforderungen an die Ernsthaftigkeit
Vorausgesetzt wird ein ernsthafter, realer Nutzungswille. Reine Renditeerwägungen, der Wunsch nach Mieterwechsel ohne Wohnnutzung oder das Vortäuschen von Bedarf führen zur Unwirksamkeit der Kündigung.
Wegfall des Bedarfs nach Kündigung
Fällt der Bedarf nach Ausspruch der Kündigung weg, ist dies mitzuteilen. Die Fortführung des Räumungsverlangens ohne bestehenden Bedarf kann rechtswidrig sein und haftungsrechtliche Folgen auslösen.
Schadensersatz bei missbräuchlicher Kündigung
Wird Bedarf nur vorgeschoben oder nach Räumung entgegen der angegebenen Zweckbestimmung nicht genutzt, kommen Ersatzansprüche in Betracht, beispielsweise für Umzugskosten und Mehrbelastungen. Maßgeblich ist, ob der geltend gemachte Bedarf tatsächlich bestand.
Sonderkonstellationen
Teilweise gewerbliche oder gemischte Nutzung
Eigenbedarf bezieht sich auf Wohnen. Ist eine gemischte Nutzung vorgesehen, muss der Wohnzweck überwiegen. Reine Büro- oder Praxisnutzung begründet keinen Eigenbedarf.
Untervermietung
Auch in Untermietverhältnissen kann Eigenbedarf des Hauptmieters für sich oder begünstigte Personen erheblich sein. Maßgeblich sind die vertraglichen Strukturen und die Wohnnutzung.
Zweckentfremdung und kurzzeitige Vermietung
Die Nutzung zu touristischen oder kurzzeitigen Zwecken fällt nicht unter Eigenbedarf. In vielen Gemeinden gelten zudem Zweckentfremdungsregeln, die die Nutzung zu anderen Zwecken beschränken.
Häufig gestellte Fragen zum Eigenbedarf
Ist eine Kündigung wegen Eigenbedarf auch bei einem unbefristeten Mietvertrag möglich?
Ja. Unbefristete Mietverhältnisse können bei nachvollziehbarem Eigenbedarf ordentlich gekündigt werden, sofern Form, Begründung, Fristen und Schutzmechanismen beachtet werden.
Reicht ein Wunsch nach höherer Rendite als Begründung?
Nein. Eine bloße Renditeoptimierung oder der Wunsch nach Mieterwechsel ohne anschließende Wohnnutzung begründet keinen Eigenbedarf. Erforderlich ist ein tatsächlicher Wohnzweck.
Muss der Bedarf ein akuter Wohnraummangel sein?
Nein. Ein Notfall ist nicht erforderlich. Es genügt ein ernsthafter, zeitnah umzusetzender Wohnwunsch auf nachvollziehbarer Tatsachengrundlage.
Kann für entfernte Verwandte gekündigt werden?
Nur ausnahmsweise. Je weiter der persönliche Bezug, desto höher die Anforderungen an die Darlegungslast. Eine besondere Nähe und ein konkreter Wohnbedarf müssen erkennbar sein.
Was passiert, wenn nach der Kündigung der Bedarf wegfällt?
Der Wegfall des Bedarfs ist zu berücksichtigen. Die Durchsetzung der Räumung ohne fortbestehenden Bedarf kann unzulässig sein und Ersatzansprüche auslösen.
Welche Rolle spielt die Dauer des Mietverhältnisses?
Sie beeinflusst regelmäßig die Länge der Kündigungsfrist und kann bei der Interessenabwägung auf Mieterseite besonderes Gewicht entfalten.
Muss eine freie Alternativwohnung angeboten werden?
Bestehen im selben Gebäude oder in unmittelbarer Nähe freie, vergleichbare Wohnungen desselben Eigentümers, kann eine Anbietpflicht bestehen. Das Fehlen eines Angebots kann die Wirksamkeit der Kündigung berühren.
Darf für eine Zweitwohnung wegen Eigenbedarfs gekündigt werden?
Unter Umständen ja. Auch für eine Nebenwohnung kann Eigenbedarf bestehen, wenn ein konkreter, ernsthafter Wohnzweck vorliegt und die Nutzung überwiegend dem Wohnen dient.