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Ehrenamtliche Richter


Begriff und rechtliche Grundlagen der ehrenamtlichen Richter

Ehrenamtliche Richter, auch als Schöffen oder Laienrichter bezeichnet, sind Personen, die ohne hauptberufliche Richterlaufbahn an der Rechtsprechung in Deutschland mitwirken. Sie bringen als Vertretung der Bevölkerung praktische Lebens- und Berufserfahrung in die Entscheidungsprozesse ein. Die ehrenamtliche Richtertätigkeit ist ein tragendes Element demokratisch legitimierter Rechtsprechung und dient der Transparenz, Akzeptanz und Kontrolle in Straf-, Sozial-, Arbeits- und Verwaltungsgerichtsverfahren.

Der Einsatz und die Aufgaben ehrenamtlicher Richter sind im Grundgesetz (Art. 20 Abs. 2 GG) sowie in verschiedenen Verfahrensordnungen und Spezialgesetzen geregelt, darunter das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG), das Sozialgerichtsgesetz (SGG), das Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG) und das Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Rechtsstellung und Aufgaben der ehrenamtlichen Richter

Rechtsstellung

Ehrenamtliche Richter sind nach § 45 Deutsches Richtergesetz (DRiG) unabhängige Organe der Rechtspflege. Sie wirken gleichberechtigt mit den hauptamtlichen Richtern an der mündlichen Verhandlung und der Urteilsfindung mit. Ihre Stimme hat im Rahmen der Entscheidungsfindung das gleiche Gewicht wie die der Berufsrichter.

Ehrenamtliche Richter unterliegen den für Richter geltenden Unabhängigkeits- und Neutralitätsgrundsätzen. Sie sind in ihren Entscheidungen nur dem Gesetz unterworfen und dürfen Weisungen weder empfangen noch befolgen.

Aufgaben und Mitwirkung

Die Aufgaben der ehrenamtlichen Richter umfassen insbesondere:

  • Teilnahme an der Hauptverhandlung,
  • Anhörung der Parteien und Zeugen,
  • Mitberatung und Mitentscheidung über den Sachverhalt und die Rechtsfrage im Rahmen ihres Mitwirkungsbereichs,
  • Beteiligung an der Urteilsfindung durch Mitwirkung an Abstimmungen (Votum).

In Strafprozessen sind sie als Schöffen tätig, im Sozial- und Arbeitsgerichtswesen als ehrenamtliche oder Laienrichter. In jeder dieser Gerichtsbarkeiten sind die genauen Aufgaben und Kompetenzen durch die jeweiligen Prozessordnungen geregelt.

Bereiche der Mitwirkung

  • Strafgerichtsbarkeit: Schöffen wirken an Amts- und Landgerichten mit (§§ 28 ff. GVG), vor allem in Strafprozessen gegen Erwachsene.
  • Arbeitsgerichtsbarkeit: Ehrenamtliche Richter stammen jeweils zu gleichen Teilen aus den Reihen der Arbeitnehmer und Arbeitgeber (§ 20 ArbGG) und sitzen den Kammern bei.
  • Sozialgerichtsbarkeit: Hier sitzen ehrenamtliche Richter aus verschiedenen gesellschaftlichen Gruppen den Spruchkörpern bei (§§ 13 ff. SGG).
  • Verwaltungsgerichtsbarkeit: Auch an Verwaltungs-, Oberverwaltungs- und Landesverwaltungsgerichten wirken ehrenamtliche Richter mit (§§ 18 ff. VwGO).

Auswahl, Berufung und Verpflichtung

Voraussetzungen für die Tätigkeit

Zu ehrenamtlichen Richtern können grundsätzlich volljährige deutsche Staatsangehörige berufen werden, die keine schweren Vorstrafen aufweisen und die bürgerlichen Ehrenrechte besitzen. Bestimmte Personengruppen, etwa Bedienstete der Justiz, aktive Polizeibeamte oder Abgeordnete, sind per Gesetz ausgeschlossen (§ 33 GVG, § 20 SGG).

Auswahlverfahren

Die Auswahl und Berufung ehrenamtlicher Richter erfolgt nach den Maßgaben der jeweiligen Verfahrensordnungen:

  • Schöffen: Die Gemeinden erstellen Vorschlagslisten (§ 36 GVG), aus denen Wahlausschüsse nach gesetzlich festgelegten Kriterien die Schöffen wählen.
  • Arbeits- und Sozialgerichte: Vorschlagslisten werden von Arbeitgebervereinigungen, Gewerkschaften und anderen Organisationen eingereicht, die Auswahl trifft ein Wahlausschuss.

Amtszeit und Verpflichtung

Die Amtszeit ehrenamtlicher Richter beträgt in der Regel fünf Jahre (§ 38 GVG, § 21 ArbGG, § 21 SGG). Eine einmalige Wiederwahl ist zulässig, weitere Verlängerungen sind im Ausnahmefall möglich. Vor der ersten Tätigkeit werden ehrenamtliche Richter auf die gewissenhafte Erfüllung ihres Amtes verpflichtet. Während der Amtszeit besteht Wehr- und Zeugenschutz.

Rechte und Pflichten der ehrenamtlichen Richter

Rechte

Ehrenamtliche Richter genießen im Rahmen ihrer Tätigkeit eine Reihe von Rechten:

  • Unabhängigkeit: Entscheidungs- und Beratungsfreiheit ohne fremde Einflussnahme,
  • Entschädigung: Anspruch auf eine Entschädigung für Verdienstausfall, Fahrtkosten und Aufwand gemäß dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG),
  • Arbeitsrechtlicher Schutz: Gesetzlicher Schutz vor Benachteiligung durch den Arbeitgeber wegen der Ausübung des Amtes (§ 45 DRiG, § 26 ArbGG),
  • Versicherungsrechtlicher Schutz: Absicherung durch die gesetzliche Unfallversicherung während der Ausübung des Amtes.

Pflichten

Demgegenüber bestehen bestimmte Pflichten:

  • Schweigepflicht: Über Beratungsinhalte und nichtöffentliche Verfahrensvorgänge dürfen auch nach der Amtszeit keine Informationen weitergegeben werden (§ 43 DRiG).
  • Unparteilichkeit und Neutralität: Ausschluss bei Befangenheitsgründen oder persönlichen Interessen.
  • Verhandlungspräsenz: Anwesenheitspflicht zu den angesetzten Sitzungsterminen, andernfalls drohen Ordnungsgelder oder Bußgelder (§ 51 DRiG).
  • Mitwirkung an Beratungen und Entscheidungen: Pflicht zur aktiven Teilnahme an den zugewiesenen Verfahren.

Ablehnung, Ausschluss und Beendigung des Amtes

Ablehnungsgründe

Ehrenamtliche Richter können die Berufung unter bestimmten Voraussetzungen ablehnen, zum Beispiel wegen schwerer Krankheit, familiärer Belastungen oder berufsbedingter Hindernisse (§ 35 GVG). Jeder Einzelfall wird geprüft, und über eine Entbindung auf Antrag entscheidet das zuständige Gericht.

Ausschluss und Enthebung

Ein Ausscheiden aus dem Amt erfolgt bei:

  • Fehlender Eignung oder groben Pflichtverletzungen,
  • Straftaten während der Amtsausübung,
  • Verlust der Wählbarkeit oder der deutschen Staatsangehörigkeit.

Die Enthebung kann nur durch Entscheidung des Gerichts oder der zuständigen Ausschüsse erfolgen (§ 51 DRiG).

Beendigung des Amtes

Nach Ablauf der regulären Amtszeit scheidet der ehrenamtliche Richter automatisch aus. Eine Wiederbestellung ist unter bestimmten Bedingungen möglich.

Bedeutung und Kritik der ehrenamtlichen Richter

Die Beteiligung ehrenamtlicher Richter hat hohe Bedeutung für Rechtsstaatlichkeit, Transparenz und gesellschaftliche Verankerung der Justiz. Befürwortet werden insbesondere die demokratische Kontrolle und die Einbeziehung von Alltagserfahrungen in gerichtliche Entscheidungen.

Kritisch diskutiert werden unter anderem die Belastung durch den Zeitaufwand, die Kompatibilität mit Berufs- und Familienleben, die emotionale Belastung sowie die fachliche Vorbereitung für komplexe Verfahren. Regelmäßige Fortbildungen und Verbesserungen bei der Auswahl und Betreuung werden vielfach gefordert.

Literatur und weiterführende Quellen

  • Deutsches Richtergesetz (DRiG)
  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Arbeitsgerichtsgesetz (ArbGG)
  • Sozialgerichtsgesetz (SGG)
  • Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
  • Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG)
  • Bundesministerium der Justiz: Informationen über das Ehrenamt als Richter

Hinweis: Dieser Beitrag liefert einen umfassenden rechtlichen Überblick zum Begriff „Ehrenamtliche Richter” und behandelt die wesentlichen Aspekte für ein Rechtslexikon.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte und Pflichten haben ehrenamtliche Richter im Verfahren?

Ehrenamtliche Richter nehmen im Gerichtsverfahren grundsätzlich die gleichen Rechte wie Berufsrichter wahr. Sie haben Anspruch auf Akteneinsicht, können in der mündlichen Verhandlung Fragen stellen, Beweisanträge anbringen und nehmen an den Beratungen und Abstimmungen zur Entscheidungsfindung gleichberechtigt teil, wobei ihre Stimme genauso zählt wie die des Berufsrichters. Nach § 45 Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) unterliegt auch der ehrenamtliche Richter der Schweigepflicht bezüglich Beratungen und vertraulicher Informationen. Gleichwohl ist er zur vollständigen Unparteilichkeit und Neutralität verpflichtet; Interessenkonflikte sind durch rechtzeitige Anzeige anzuzeigen, sodass eine Befangenheit geprüft werden kann. Daneben bestehen besondere Mitwirkungspflichten, beispielsweise die Teilnahme an allen angesetzten Terminen, zu denen er ordnungsgemäß geladen wurde. Verstöße gegen Mitwirkungspflichten können mit Ordnungsgeld oder Ordnungshaft geahndet werden (§ 56 GVG).

Wie erfolgt die Berufung beziehungsweise Auswahl von ehrenamtlichen Richtern?

Die Auswahl und Berufung von ehrenamtlichen Richtern ist in verschiedenen Prozessordnungen und im Gerichtsverfassungsgesetz geregelt. In der Regel erfolgt eine Bekanntmachung öffentlicher Vorschlagslisten, aus denen geeignete Personen – nach einer formalen Prüfung der Voraussetzungen – durch einen Wahlausschuss sowie die zuständigen Gerichte berufen werden. Für verschiedene Gerichtsbarkeiten (z. B. Straf-, Arbeits-, Sozial- oder Verwaltungsgerichtsbarkeit) gelten dabei unterschiedliche Auswahlmodalitäten. Kriterien sind insbesondere das Vorliegen der deutschen Staatsangehörigkeit, das Erreichen bestimmter Altersgrenzen sowie das Fehlen relevanter Vorstrafen oder Interessenkonflikte. Einwendungen gegen die Auswahl können im Rahmen gesetzlicher Fristen geprüft werden. Die Berufung erfolgt regelmäßig für eine festgelegte Amtszeit, meistens fünf Jahre.

Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei unentschuldigtem Fernbleiben von der Sitzung?

Bleibt ein ehrenamtlicher Richter einer Sitzung ohne genügende Entschuldigung fern oder verlässt eine solche ohne Genehmigung, kann dies nach § 56 GVG mit einem Ordnungsgeld belegt werden. Rechnet das Gericht das Verhalten als schuldhafte Pflichtverletzung, kann dieses auch in Ordnungshaft umgewandelt werden, falls das Ordnungsgeld nicht beglichen wird. Diese Sanktionen sollen die Funktionsfähigkeit der Rechtspflege gewährleisten. Weiterhin kann eine wiederholte Pflichtverletzung zur Entlassung aus dem Amt des ehrenamtlichen Richters führen, wofür das Gericht einen entsprechenden Entlastungsbeschluss fassen muss. Neben den gerichtlichen Maßnahmen bleibt es möglicherweisen dem Arbeitgeber des Betroffenen vorbehalten, arbeitsrechtliche Konsequenzen bei Pflichtverletzungen während der Arbeitszeit zu ziehen.

In welchen Fällen kann die Ablehnung eines ehrenamtlichen Richters wegen Befangenheit beantragt werden?

Ein Antrag auf Ablehnung eines ehrenamtlichen Richters wegen Besorgnis der Befangenheit ist zulässig, wenn objektive Umstände vorliegen, die geeignet sind, Zweifel an seiner Unparteilichkeit zu begründen. Das können familiäre, freundschaftliche oder wirtschaftliche Beziehungen zu Parteien, Zeugen oder sonstigen Verfahrensbeteiligten sein oder frühere Äußerungen oder Verhaltensweisen, die auf Vorurteile schließen lassen. Der Antrag ist in der Regel vor Beginn der Hauptverhandlung zu stellen, spätestens unverzüglich nach Bekanntwerden des Ablehnungsgrundes (§ 31 ZPO, § 24 StPO). Über die Ablehnung entscheidet das Gericht ohne Mitwirkung des abgelehnten Richters. Die konkreten Vorgaben ergeben sich aus den jeweiligen Verfahrensordnungen.

Welche Ansprüche auf Entschädigung und Vergütung bestehen für ehrenamtliche Richter?

Ehrenamtliche Richter erhalten keine Vergütung im eigentlichen Sinne, sondern eine Aufwandsentschädigung sowie Ersatz ihrer notwendigen Auslagen nach dem Justizvergütungs- und -entschädigungsgesetz (JVEG). Die Entschädigung umfasst u. a. einen Sitzungsgeldbetrag pro Tag, Fahrtkostenerstattung, Ersatz für Verdienstausfall und ggf. Verpflegungs- sowie Übernachtungskosten. Die Sätze sind gesetzlich festgelegt und hängen von der Dauer des Einsatzes und der individuellen wirtschaftlichen Lage des ehrenamtlichen Richters ab. Ein Antrag auf höhere Entschädigung muss entsprechend belegt und begründet werden. Die Erstattung erfolgt in der Regel durch die jeweilige Gerichtskasse.

Unter welchen Voraussetzungen kann ein ehrenamtlicher Richter von seinem Amt entbunden werden?

Die Entbindung vom Amt ist möglich, wenn gesetzlich vorgesehene Gründe eintreten, insbesondere bei Unfähigkeit zur Ausübung des Amtes aus gesundheitlichen Gründen, auf Antrag wegen unzumutbarer persönlicher oder beruflicher Belastung, bei Verletzung der Amtspflichten oder durch gerichtliche Entscheidung im Zusammenhang mit disziplinarischen oder strafrechtlichen Vorwürfen. Der Antrag auf Entbindung kann durch den Richter selbst oder durch das Gericht gestellt werden; er ist regelmäßig unter Angaben der maßgeblichen Gründe schriftlich zu begründen. Das Verfahren zur Entbindung regeln die jeweiligen Gerichtsbarkeiten durch eigene Vorschriften; Rechtsmittel gegen die Entbindung sind nur in eng begrenztem Rahmen möglich.

Wie steht es um den besonderen Kündigungsschutz für ehrenamtliche Richter im Arbeitsverhältnis?

Während ihrer Amtsausübung genießen ehrenamtliche Richter besonderen Kündigungsschutz gemäß § 15 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) und teilweise weiteren speziellen Gesetzen, etwa für Betriebsräte. Der Schutz beginnt mit der Aufnahme in die Vorschlagsliste und endet erst nach Ablauf der Amtszeit. Eine Kündigung des Arbeitsverhältnisses wegen der Tätigkeit als ehrenamtlicher Richter ist in dieser Zeit unzulässig, es sei denn, es liegen Gründe für eine außerordentliche Kündigung vor, welche nicht mit der Richtertätigkeit im Zusammenhang stehen. Der Gesetzgeber will so die Unabhängigkeit ehrenamtlicher Richter sichern und deren ungehinderte Beteiligung an der Rechtspflege gewährleisten.