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Ehezeitanteil

Begriff und rechtliche Einordnung des Ehezeitanteils

Der Ehezeitanteil ist der Teil eines Versorgungsanrechts, der während der rechtlich maßgeblichen Ehezeit erworben wurde. Er ist die zentrale Rechengröße im Versorgungsausgleich, also bei der Aufteilung von Anwartschaften und laufenden Ansprüchen auf Alters- und Invaliditätsversorgung im Zusammenhang mit der Scheidung. Der Ehezeitanteil stellt keinen eigenständigen Anspruch dar, sondern dient als Grundlage für die spätere Halbteilung zwischen den Ehegatten.

Erfasst werden alle Anrechte, die auf eine Versorgung im Alter oder bei Erwerbsminderung gerichtet sind. Dazu zählen sowohl obligatorische Systeme (etwa die gesetzliche Rentenversicherung) als auch betriebliche, berufsständische und private Vorsorgeformen. Ziel des Ehezeitanteils ist es, die während der ehelichen Lebensgemeinschaft aufgebauten Versorgungswerte beiden Ehegatten entsprechend dem Partnerschaftsprinzip zuzuordnen.

Abgrenzung und Zielsetzung

Der Ehezeitanteil betrifft ausschließlich die während der Ehezeit entstandenen Zuwächse eines Versorgungsanrechts. Vor- und nacheheliche Anteile bleiben unberührt. Die Halbteilung der Ehezeitanteile soll die gemeinsame Lebensleistung in der Alters- und Invaliditätsvorsorge ausgewogen abbilden, unabhängig davon, welcher Ehegatte die Anwartschaften formal erworben hat. Der Ehezeitanteil ist damit vom vermögensrechtlichen Ausgleich (etwa der Vermögensmehrung während der Ehe) zu unterscheiden, der anderen Regeln folgt.

Ermittlung der Ehezeit

Beginn und Ende der Ehezeit

Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde, und endet mit dem letzten Tag des Monats vor der Zustellung des Scheidungsantrags. Für eingetragene Lebenspartnerschaften, die vor der Öffnung der Ehe begründet wurden, gilt die entsprechende zeitliche Betrachtung.

Bedeutung des Stichtags

Der festgelegte Endstichtag bewirkt, dass nach diesem Zeitpunkt eintretende Veränderungen eines Anrechts grundsätzlich nicht mehr in den Ehezeitanteil einfließen. Dynamiken, die an den Stichtag anknüpfen (zum Beispiel jährliche Anpassungen), werden vom Versorgungsträger rechnerisch zugeordnet.

Berechnung des Ehezeitanteils

Allgemeines Berechnungsprinzip

Grundlage ist der Wertzuwachs eines Versorgungsanrechts, der innerhalb der Ehezeit entstanden ist. Die Berechnung richtet sich nach den Regeln des jeweiligen Versorgungssystems. Sie erfolgt nicht zwingend linear-proportional zur Zeitdauer, sondern anhand der Systemlogik (zum Beispiel Entgeltpunkte, Leistungsbausteine, Kapitalwerte). Versorgungsträger ermitteln den Ehezeitanteil und teilen dem Familiengericht diesen Wert mit.

Unterschiedliche Versorgungssysteme

Gesetzliche Rentenversicherung

Der Ehezeitanteil ergibt sich regelmäßig aus den während der Ehezeit erworbenen Entgeltpunkten und den zugehörigen rentenrechtlichen Zeiten. Dynamische Anpassungen werden systemintern berücksichtigt.

Betriebliche Altersversorgung

Hier werden häufig Anwartschaftsbausteine oder versicherungsmathematische Barwerte herangezogen. Der Ehezeitanteil kann als zeitanteilige oder leistungsbezogene Abgrenzung ermittelt werden, je nach Zusageart (Leistungszusage, Beitragszusage, beitragsorientierte Leistungszusage).

Beamtenversorgung und berufsständische Versorgung

Beamtenrechtliche und berufsständische Systeme berechnen den Ehezeitanteil anhand der jeweils maßgeblichen Dienst- oder Mitgliedschaftszeiten sowie der systemtypischen Bemessungsfaktoren.

Private Renten- und Lebensversicherungen

Bei kapitalgedeckten Verträgen wird der während der Ehezeit entstandene Wertzuwachs ermittelt. Das kann versicherungsmathematische Bewertungen erfordern, insbesondere wenn Überschüsse oder Garantien einzubeziehen sind.

Ausländische und supranationale Systeme

Bei Anrechten aus dem Ausland oder aus länderübergreifenden Versorgungssystemen wird der Ehezeitanteil nach den dortigen Regeln ermittelt. Ist eine direkte Teilung nicht praktikabel, kommt häufig eine externe Lösung in Betracht.

Beispielrechnung

Erwirbt Person A insgesamt 20 Rentenpunkte, davon 12 in der Ehezeit, beträgt der Ehezeitanteil 12 Punkte. Der Ausgleichswert (die rechnerische Hälfte des Ehezeitanteils) beläuft sich auf 6 Punkte. Diese 6 Punkte werden der anderen Person zugeordnet, zumeist durch interne Teilung im jeweiligen System. Vor- und nacheheliche 8 Punkte verbleiben bei Person A.

Ausgleich im Versorgungsausgleich

Ausgleichswert versus Ehezeitanteil

Der Ehezeitanteil beschreibt den während der Ehezeit erworbenen Teil eines Anrechts. Der Ausgleichswert ist die Hälfte dieses Ehezeitanteils und wird zugunsten des anderen Ehegatten übertragen oder begründet. Es handelt sich also um zwei aufeinander aufbauende, aber unterschiedliche Größen.

Interne und externe Teilung

Bei der internen Teilung wird beim selben Versorgungsträger ein eigenständiges Anrecht für den ausgleichsberechtigten Ehegatten begründet. Bei der externen Teilung wird ein Kapitalwert zu einem anderen Versorgungsträger transferiert, der dort ein neues Anrecht einrichtet. Welche Teilungsform zur Anwendung kommt, hängt vom Versorgungssystem und den konkreten Rahmenbedingungen ab.

Ausgleichsreife und Unverfallbarkeit

Ein Anrecht ist ausgleichsreif, wenn es hinreichend bestimmt, übertragbar und mit vertretbarem Aufwand teilbar ist. Unverfallbarkeits- oder Wartezeitregeln des jeweiligen Systems können die Ausgleichsfähigkeit beeinflussen. Nicht ausgleichsreife Anrechte werden grundsätzlich nicht geteilt.

Sonderkonstellationen

Kindererziehungs- und Pflegezeiten

Zeitliche Gutschriften für Kindererziehung oder Pflege können den Ehezeitanteil erhöhen, wenn sie in die Ehezeit fallen. Entsprechende Zeiten vor oder nach der Ehe zählen nicht zum Ehezeitanteil dieses Anrechts.

Ehezeitübergreifende Entwicklungen

Nach der Ehezeit eintretende Wertveränderungen (zum Beispiel laufende Dynamiken oder spätere Beförderungen) gehören grundsätzlich nicht zum Ehezeitanteil. Soweit Systeme eine rückbezogene Bewertung vorsehen, wird dies im Rahmen der Auskunft des Versorgungsträgers berücksichtigt.

Geringfügigkeit, kurze Ehezeit, grobe Unbilligkeit

Bei sehr geringem wirtschaftlichem Gewicht einzelner Anrechte kann von einer Teilung abgesehen werden. Bei sehr kurzer Ehezeit kann der Versorgungsausgleich insgesamt unterbleiben. In besonderen Ausnahmekonstellationen kann eine Teilung als grob unbillig angesehen werden und ganz oder teilweise entfallen.

Vereinbarungen der Ehegatten

Ehegatten können Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich schließen, die vom Gericht auf Angemessenheit und Tragfähigkeit überprüft werden. Vereinbarungen können einzelne Anrechte einbeziehen, ausschließen oder alternative Ausgleichsformen vorsehen.

h3> Tod eines Ehegatten während des Verfahrens

Verstirbt ein Ehegatte während des Scheidungs- oder Versorgungsausgleichsverfahrens, sind besondere Fortführungs- oder Beendigungsvoraussetzungen zu beachten. Maßgeblich sind der Stand des Verfahrens und die Art der betroffenen Anrechte.

Verfahren und Beteiligte

Rolle des Familiengerichts und der Versorgungsträger

Das Familiengericht leitet die Ermittlung der Anrechte und beauftragt die Versorgungsträger mit der Auskunftserteilung. Diese berechnen den Ehezeitanteil sowie den daraus abgeleiteten Ausgleichswert und teilen etwaige Teilungsvorgaben mit.

Auskünfte und Mitwirkungspflichten

Die Ehegatten geben ihre Versorgungsanrechte vollständig an. Versorgungsträger erteilen strukturierte Auskünfte zum Ehezeitanteil, zur Teilbarkeit und zur bevorzugten Teilungsform. Auf dieser Grundlage entscheidet das Gericht über den Versorgungsausgleich.

Tenorierung und Wirkungen des Beschlusses

Der gerichtliche Beschluss legt fest, welche Anrechte wie geteilt werden und welcher Ausgleichswert zu übertragen ist. Die Anordnungen werden von den Versorgungsträgern umgesetzt. Die Wirkung zeigt sich regelmäßig erst bei Leistungsbeginn durch entsprechende Erhöhung oder Minderung.

Praktische Auswirkungen

Folgen für die spätere Versorgung

Der Ehezeitanteil beeinflusst die Höhe der späteren Leistungen beider Personen. Der Ausgleich führt zu einer Erhöhung der Ansprüche des ausgleichsberechtigten und zu einer entsprechenden Minderung beim ausgleichspflichtigen Ehegatten. Ein unmittelbarer Geldfluss ist damit in der Regel nicht verbunden.

Abgrenzung zu anderen Ausgleichsmechanismen

Unterschied zum Zugewinnausgleich

Der Zugewinnausgleich betrifft die Vermögensmehrung und eine wertmäßige Gegenüberstellung der Vermögen beider Ehegatten. Der Ehezeitanteil ist demgegenüber eine spezifische Größe der Alters- und Invaliditätsvorsorge und folgt eigenständigen Rechenregeln.

Verhältnis zu Unterhalt

Unterhaltsansprüche und der Versorgungsausgleich verfolgen unterschiedliche Zwecke. Der Ehezeitanteil wirkt auf die Versorgung im Alter oder bei Erwerbsminderung; Unterhalt betrifft laufende Lebensbedarfe. Beide Bereiche sind getrennt zu betrachten.

Häufig gestellte Fragen zum Ehezeitanteil

Was bedeutet Ehezeitanteil?

Der Ehezeitanteil ist der Teil eines Versorgungsanrechts, der während der rechtlich definierten Ehezeit aufgebaut wurde. Er bildet die Grundlage für die Halbteilung im Versorgungsausgleich und ist damit ein rechnerischer, nicht unmittelbar auszahlbarer Wert.

Wie wird die Ehezeit festgelegt?

Die Ehezeit beginnt mit dem ersten Tag des Monats der Eheschließung und endet mit dem letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags. Nur innerhalb dieses Zeitraums entstandene Zuwächse zählen zum Ehezeitanteil.

In welchen Versorgungssystemen gibt es Ehezeitanteile?

Ehezeitanteile werden in allen ausgleichsfähigen Systemen ermittelt, etwa in der gesetzlichen Rentenversicherung, in betrieblichen und berufsständischen Versorgungen sowie in privaten Renten- und Lebensversicherungen. Auch ausländische Systeme können einbezogen sein.

Worin unterscheidet sich der Ehezeitanteil vom Ausgleichswert?

Der Ehezeitanteil ist der während der Ehezeit erworbene Wert eines Anrechts. Der Ausgleichswert ist die Hälfte dieses Ehezeitanteils und wird zugunsten des anderen Ehegatten übertragen oder neu begründet.

Was passiert mit dem Ehezeitanteil bei kurzer Ehe?

Bei sehr kurzer Ehe kann der Versorgungsausgleich insgesamt entfallen. Ob dies der Fall ist, hängt von gesetzlichen Schwellenwerten und den Umständen des Einzelfalls ab.

Werden Kindererziehungs- und Pflegezeiten im Ehezeitanteil berücksichtigt?

Ja, soweit sie in die Ehezeit fallen und dem jeweiligen Versorgungssystem zugeordnet werden. Zeiten außerhalb der Ehe werden dem Ehezeitanteil dieses Anrechts nicht zugerechnet.

Kann der Ehezeitanteil durch Vereinbarung der Ehegatten verändert werden?

Ehegatten können Vereinbarungen zum Versorgungsausgleich treffen. Diese bedürfen der gerichtlichen Billigung und können die Behandlung einzelner Anrechte anpassen oder den Ausgleich ganz oder teilweise ausschließen.