Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Familienrecht»Ehezeitanteil

Ehezeitanteil


Ehezeitanteil – Definition und rechtliche Grundlagen

Der Begriff Ehezeitanteil ist ein zentraler Begriff im deutschen Familienrecht und spielt insbesondere im Zusammenhang mit dem Versorgungsausgleich bei Ehescheidungen eine maßgebliche Rolle. Der Ehezeitanteil bezeichnet den Teil eines Anrechts auf eine Versorgung, der während der sogenannten „Ehezeit“ von einem der Ehegatten erworben wurde. Seine Bestimmung und Bewertung sind entscheidend für die gerechte Aufteilung von Anwartschaften auf Altersvorsorge, Betriebsrenten und vergleichbaren Versorgungsansprüchen bei der Auflösung einer Ehe.


Rechtliche Grundlagen des Ehezeitanteils

Gesetzliche Definition der Ehezeit

Die Definition der „Ehezeit“ ist im § 3 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG) geregelt. Danach umfasst die Ehezeit grundsätzlich den Zeitraum vom ersten Tag des Monats, in dem die Ehe geschlossen wurde, bis zum letzten Tag des Monats, der der Zustellung des Scheidungsantrags vorausgegangen ist. Nur in besonders gelagerten Fällen kann das Familiengericht auf Antrag eine abweichende Bestimmung der Ehezeit treffen.

Relevanz des Ehezeitanteils im Versorgungsausgleich

Mit dem Ehezeitanteil wird die während der Ehezeit von einem Ehegatten erworbene Anwartschaft oder Aussicht auf eine Versorgung (z. B. Rentenanspruch) bezeichnet. Ziel ist, Vermögenswerte, die während der Ehe gemeinschaftlich erworben wurden, nach ehelicher Lebensleistung aufzuteilen. Der Ehezeitanteil bildet somit die maßgebliche Berechnungsgröße für den sogenannten Versorgungsausgleich gemäß den §§ 1 ff. VersAusglG.


Berechnung und Bewertung des Ehezeitanteils

Ermittlung der während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechte

Die Bestimmung des Ehezeitanteils erfolgt grundsätzlich durch den Versorgungsträger, beispielsweise die Deutsche Rentenversicherung, Zusatzversorgungskassen oder Pensionsfonds. Dabei wird zunächst die Gesamtanwartschaft zum Ende der Ehezeit berechnet. Von dieser Summe wird sodann der zu Beginn der Ehezeit bestehende Wert abgezogen (sog. „exklusive Methode“). Das Ergebnis ist der Ehezeitanteil.

Beispiel:

  • Anwartschaft bei Eheschließung: 3 Rentenpunkte
  • Anwartschaft bei Ehezeitende: 18 Rentenpunkte
  • Ehezeitanteil: 18 – 3 = 15 Rentenpunkte

Anpassung bei besonderen Umständen

In bestimmten Fällen sind Wertänderungen zu berücksichtigen, die nach Ende der Ehezeit, jedoch vor dem Ausgleichseintritt eintreten (z.B. wesentliche Beitragserhöhungen durch Nachzahlungen). Das Familiengericht berücksichtigt solche Änderungen auf Antrag nach § 5 VersAusglG, soweit sie aus bereits während der Ehe gesetzter Grundlage resultieren.


Umfang des Ehezeitanteils bei unterschiedlichen Versorgungsarten

Gesetzliche Rentenversicherung

Bei der gesetzlichen Rentenversicherung wird der Ehezeitanteil regelmäßig in „Entgeltpunkten“ (sog. Rentenpunkte) bemessen. Der Versorgungsträger erstellt hierzu eine Auskunft nach § 46 VersAusglG, die die während der Ehezeit erworbenen Rentenpunkte ausweist.

Betriebliche Altersversorgung und Zusatzversorgung

Bei der betrieblichen Altersversorgung und vergleichbaren Systemen wird der Ehezeitanteil in Anwartschaftspunkten, Euro-Beträgen oder Barwerten dargestellt und bewertet. Hier gelten die Berechnungsregelungen der jeweiligen Satzung oder Versorgungsordnung.

Private Lebens- und Rentenversicherungen

Auch Kapitallebensversicherungen mit Rentenoption, private Rentenversicherungen und ähnliche private Vorsorgemodelle sind in den Versorgungsausgleich einzubeziehen, sofern sie zur Alters- oder Invaliditätsversorgung dienen. Wertmaßstab ist hier der Rückkaufswert abzüglich Stichtagswerte zu Beginn und Ende der Ehezeit.


Ehezeitanteil im Versorgungsausgleichsverfahren

Durchführung des Versorgungsausgleichs

Im Scheidungsverfahren erfolgt der Versorgungsausgleich als eigenständiges familiengerichtliches Verfahren. Jeder Ehegatte hat die Pflicht, Auskünfte zu seinen während der Ehezeit erworbenen Versorgungsanrechten vollständig und wahrheitsgemäß einzureichen (§ 220 FamFG). Die Bestimmung des Ehezeitanteils durch den Träger ist bindend, kann jedoch von beiden Ehegatten oder vom Gericht überprüft werden.

Ausnahmen vom Versorgungsausgleich

In Ausnahmefällen, beispielsweise bei einer kurzen Ehedauer (weniger als 3 Jahre gem. § 3 Abs. 3 VersAusglG), kann auf Antrag oder nach gerichtlicher Ermessensentscheidung vom Versorgungsausgleich abgesehen werden, sofern kein Ehegatte dem Verfahren widerspricht.


Bedeutung des Ehezeitanteils in der Praxis und typische Problemfelder

Bewertungsstichtage und Wertänderungen

Konflikte bei der Bewertung entstehen häufig durch nachträgliche Beitragseinzahlungen, Versorgungswahlrechte oder Änderungen der Versorgungsordnung, die auf eine Zeit vor oder nach der Ehe zurückgehen. In solchen Fällen ist eine differenzierte Bewertung und ggf. gerichtliche Klärung erforderlich.

Auswirkungen auf die spätere Altersversorgung

Der Ehezeitanteil wirkt sich unmittelbar auf die Höhe der späteren Altersbezüge beider Ehegatten aus. Die jeweiligen Träger richten eigenständige Konten ein oder teilen die bekannten Anwartschaften entsprechend auf, um eine gerechte Versorgung sicherzustellen.


Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), insbesondere §§ 1587 ff. (altes Recht)
  • Leitfaden der Deutschen Rentenversicherung zur Durchführung des Versorgungsausgleichs

Zusammenfassung

Der Ehezeitanteil ist der während der Ehezeit von einem Ehegatten erworbene Teil eines Versorgungsanrechts und bildet den maßgeblichen Schlüssel für die Aufteilung von Alters- und Invaliditätsversorgungen im Fall einer Scheidung. Die Berechnung, Bewertung und Durchführung erfolgen auf gesetzlicher Grundlage und unterliegen komplexen Detailregelungen, um eine faire Verteilung der während der Ehezeit geschaffenen Vermögenswerte zu gewährleisten. Streitfragen ergeben sich u. a. bei Wertänderungen, Sonderzahlungen oder Sonderregelungen bestimmter Versorgungsträger. Die genaue Kenntnis des Begriffs ist für die effektive Durchführung des Versorgungsausgleichs unerlässlich.

Häufig gestellte Fragen

Was ist bei der Ermittlung des Ehezeitanteils im Rahmen des Versorgungsausgleichs zu beachten?

Der Ehezeitanteil bezeichnet im Versorgungsausgleich den Teil der Rentenanwartschaften, die beide Ehegatten innerhalb der Ehezeit erworben haben und die im Fall der Scheidung zwischen den Eheleuten ausgeglichen werden. Für die Ermittlung des Ehezeitanteils müssen alle relevanten Versorgungswerke (z.B. gesetzliche Rentenversicherung, betriebliche Altersversorgung, private Rentenversicherungen) kontaktiert und detaillierte Auskünfte zu den in der Ehezeit entstandenen Ansprüchen eingeholt werden. Maßgeblich ist dabei die sogenannte Ehezeit im Sinne des § 3 Abs. 1 Versorgungsausgleichsgesetz (VersAusglG), die grundsätzlich mit dem Tag der Eheschließung beginnt und mit dem letzten Tag des Monats vor Zustellung des Scheidungsantrags endet. Innerhalb dieser Zeit werden sowohl rentenrechtliche Zeiten durch Beitragszahlungen als auch beitragsfreie Zeiten – wie Zeiten der Kindererziehung oder des Bezugs von Sozialleistungen – berücksichtigt, sofern sie zu Rentenanwartschaften führen. Von besonderer Bedeutung ist die genaue zeitliche Abgrenzung; Beiträge und Anrechte, die vor Eheschließung oder nach dem Scheidungsantrag erworben wurden, zählen ausnahmslos nicht zum Ehezeitanteil und werden nicht ausgeglichen. Ebenfalls sind Kürzungen oder unterbliebene Zuschläge, zum Beispiel wegen Fehlzeiten oder Versorgungsausgleichs zu Gunsten Dritter in Vor-Ehen, separat zu prüfen. Die Berechnung und Zuordnung des Ehezeitanteils unterliegt strengen gesetzlichen Vorgaben und erfolgt in der Regel durch die Versorgungsträger selbst, wobei das Familiengericht die Endprüfung vornimmt. Streitigkeiten über Umfang und Einbeziehung bestimmter Zeiten werden regelmäßig gerichtlich entschieden.

Wie wird der Ehezeitanteil bei der betrieblichen Altersversorgung berechnet?

Die Berechnung des Ehezeitanteils bei betrieblicher Altersversorgung erfolgt in mehreren Schritten und ist abhängig vom jeweiligen Versorgungssystem. Zunächst wird festgestellt, welche unverfallbaren Anrechte während der Ehezeit – sprich zwischen Eheschließung und Zustellung des Scheidungsantrags – durch den Ehegatten erworben wurden. Dazu wird der insgesamt erworbene Anspruch auf die Zeitanteile vor, während und nach der Ehezeit aufgeteilt. Häufig erfolgt die Ermittlung des Ehezeitanteils durch eine sogenannte Quotierung: Der Wert der gesamten Anwartschaft wird der Dauer der Betriebszugehörigkeit gegenübergestellt, wobei dann nur die Zeit der Ehe maßgeblich angesetzt wird. Beispiel: Beträgt die Betriebszugehörigkeit 30 Jahre, davon 15 Ehejahre, werden 15/30 der Gesamtanwartschaft als Ehezeitanteil gewertet. Eventuelle Barwertberechnungen und die Berücksichtigung von Dynamisierungen (z.B. Leistungsanpassungen) müssen dabei ebenso einbezogen werden wie die gesetzlichen Höchstgrenzen. Besonders zu beachten sind vertragliche Regelungen zur Anwartschaft und etwaige Regelungen zu unverfallbaren Ansprüchen, die eine individuelle Berechnung des Ehezeitanteils erfordern.

Welche Rolle spielt die Kindererziehungszeit beim Ehezeitanteil?

Kindererziehungszeiten haben einen erheblichen Einfluss auf den Ehezeitanteil, da sie in der gesetzlichen Rentenversicherung als rentenwirksame Zeiten gelten. Erziehende erhalten für die ersten drei Lebensjahre eines Kindes nach § 56 SGB VI eigene Beitragspunkte (Entgeltpunkte), die bei der Berechnung der Ehezeitanteile zu berücksichtigen sind. Entscheidend ist, dass die Kindererziehungszeit innerhalb der definierten Ehezeit liegt; andernfalls kann sie nicht in den Versorgungsausgleich einfließen. Haben beide Elternteile die Kinder erzogen, besteht unter Umständen die Möglichkeit, Zeiten zwischen den Eltern aufzuteilen, sofern dies bei der Rentenversicherung entsprechend beantragt und dokumentiert wurde. Zudem sind Besonderheiten zu beachten, wenn gleichzeitig weitere rentenrechtliche Zeiten (z.B. wegen Teilzeitarbeit oder Arbeitslosigkeit) auf denselben Zeitraum entfallen – es erfolgt nur eine anteilige Berücksichtigung je Kalenderjahr. Die Zuordnung und Anerkennung dieser Zeiten ist von großer Bedeutung, da sie die Höhe des Ehezeitanteils direkt beeinflussen und somit den Versorgungsausgleich maßgeblich bestimmen können.

Wird der Ehezeitanteil auch bei kurzen Ehen ausgeglichen?

Grundsätzlich wird der Ehezeitanteil selbst bei kurzen Ehen berechnet und ein Versorgungsausgleich durchgeführt. Allerdings sieht das Gesetz in § 3 Abs. 3 VersAusglG die Möglichkeit vor, vom Versorgungsausgleich abzusehen, wenn die Ehezeit weniger als drei Jahre betragen hat und keiner der Ehegatten dessen Durchführung beantragt. In solchen Fällen unterbleibt der Ausgleich, es sei denn, einer der Ehepartner stellt ausdrücklich einen Antrag auf Versorgungsausgleich. Wird der Antrag gestellt oder betrug die Ehe mehr als drei Jahre, findet der Versorgungsausgleich und damit auch die Berechnung und Verteilung des Ehezeitanteils grundsätzlich statt. Es ist jedoch möglich, dass der Ehezeitanteil bei sehr kurzen Ehen vergleichsweise gering ist und damit auch die auszugleichenden Ansprüche niedrig ausfallen.

Welche Ausnahmen können beim Ausgleich des Ehezeitanteils greifen?

Es gibt verschiedene gesetzliche Ausschluss- und Einschränkungstatbestände, die den Ausgleich des Ehezeitanteils beeinflussen können. Nach §§ 27 und 18 Absatz 2 VersAusglG kann das Familiengericht vom Versorgungsausgleich oder von der Teilung bestimmter Anrechte ganz oder teilweise absehen, wenn der Ausgleich grob unbillig wäre, etwa bei schwerwiegendem Fehlverhalten eines Ehepartners, besonderer Härte oder beiderseitigem Verzicht. Auch Vereinbarungen der Ehegatten (z.B. Ehevertrag) können den Versorgungsausgleich und damit die Ausgleichspflicht des Ehezeitanteils modifizieren oder sogar ausschließen, wenn sie gerichtliche Zustimmung erhalten. Gleiches gilt für Bagatellgrenzen nach § 18 Abs. 3 VersAusglG: Geringfügige Teilungswerte werden nicht ausgeglichen. Zudem kann das Gericht gemäß § 19 VersAusglG entscheidend eingreifen, wenn eine externe Teilung des Anrechts unangemessen erscheint. Insbesondere bei Auslandsrenten und bestimmten Sonderversorgungssystemen (z.B. Beamte, berufsständische Versorgungswerke) gelten eigenständige Regelungen und teils Ausschlüsse vom Ausgleich.

Wird für jedes Versorgungsanrecht ein separater Ehezeitanteil berechnet?

Ja, für jedes einzelne Versorgungsanrecht muss der Ehezeitanteil separat berechnet werden. Dies umfasst alle in der Ehezeit erworbenen Anrechte, sowohl gesetzliche Renten als auch betriebliche, private, berufsständische und sonstige Altersvorsorgen. Der jeweilige Versorgungsträger ist verpflichtet, für jedes seiner Anrechte einen gesonderten Auszug für die Ehezeit zu erteilen und den exakten Wert des Ehezeitanteils mitzuteilen. Das Familiengericht prüft die Angaben und führt sodann für jedes Anrecht eine eigenständige Bewertung und gegebenenfalls Teilung durch. Diese systematische Einzelbetrachtung stellt sicher, dass auch verschiedene Bewertungsmaßstäbe, Dynamisierungen oder Umrechnungsvorschriften sachgerecht berücksichtigt werden und die Berechnung transparent und nachvollziehbar erfolgt.

Wie werden inflationsbedingte Wertveränderungen beim Ehezeitanteil berücksichtigt?

Bei der Wertermittlung des Ehezeitanteils werden inflationsbedingte Wertveränderungen durch die Anwendung spezifischer Artikel, Umrechnungs- oder Aktuarverfahren berücksichtigt. Insbesondere bei Anrechten, die in festen Beträgen (z.B. betriebliche Direktzusagen) oder auf Basis vergangener Entgeltpunkte erworben wurden, werden sogenannte Barwertfaktoren genutzt, um den heutigen Wert zu bestimmen. Im gesetzlichen Rentenrecht werden jährlich Entgeltpunkte nach aktuellen Durchschnittswerten berechnet und bereits eigene Anpassungsmechanismen zur Wertsicherung integriert. Für externe Anrechte und private Vorsorgen werden häufig Anpassungsfaktoren verwendet, die sicherstellen sollen, dass die Kaufkraft des Ehezeitanteils bis zum tatsächlichen Leistungsfall erhalten bleibt. Bereits dynamische Anrechte erhalten keinen zusätzlichen Inflationsausgleich, während nicht-dynamische Anrechte nach den Regelungen von § 45 VersAusglG dynamisiert werden müssen. Das Ziel ist stets, die während der Ehezeit geschaffenen Versorgungswerte realitätsnah und zukunftssicher für den Versorgungsausgleich zu bewerten.