Begriff und rechtliche Einordnung von Ehesachen
Unter dem Begriff Ehesachen versteht man im deutschen Recht eine eigenständige Verfahrenskategorie, die sämtliche gerichtlichen Verfahren umfasst, in denen über die Ehe und deren Bestand oder Auflösung entschieden wird. Die rechtliche Regelung der Ehesachen befindet sich insbesondere in der Zivilprozessordnung (ZPO) und dem Gesetz über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Ehesachen sind ein zentraler Bestandteil des Familienrechts und beinhalten sowohl die Auflösung als auch bestimmte die Ehe betreffende gerichtliche Entscheidungen.
gesetzliche Grundlagen
FamFG (Gesetz über das Verfahren in Familiensachen)
Die maßgeblichen Regelungen für Ehesachen finden sich im FamFG, insbesondere in den §§ 121 ff. Dort wird detailliert aufgeführt, welche gerichtlichen Verfahren als Ehesachen einzustufen sind und wie deren Ablauf zu gestalten ist. Weitere ergänzende Vorschriften finden sich im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), vor allem in den Vorschriften über die Ehe und die Scheidung.
Arten von Ehesachen
Ehesachen im engeren Sinn
Nach § 121 FamFG gehören zu den Ehesachen im engeren Sinne insbesondere:
- Verfahren auf Auflösung der Ehe (Ehescheidung)
- Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe
- Verfahren auf Aufhebung einer Ehe
Verbundene Familiensachen
Bestimmte familienrechtliche Streitigkeiten werden häufig im sogenannten Verbundverfahren gemeinsam mit der Ehesache verhandelt. Klassische Beispiele hierfür sind:
- Versorgungsausgleichssachen (§ 137 FamFG)
- Ehegattenunterhaltssachen (§ 120 Nr. 2 FamFG)
- Sorgerechtliche Verfahren, sofern sie im engen inhaltlichen Zusammenhang mit der Scheidung stehen
Abgrenzung zu sonstigen Familiensachen
Nicht jede Streitigkeit im Zusammenhang mit der Ehe gilt als Ehesache. So fallen beispielsweise Verfahren betreffend das Sorge- und Umgangsrecht von Kindern, das Güterrecht, das Hausratsverfahrensrecht oder die Ehewohnung zwar auch unter das Familienrecht, werden jedoch als selbstständige Familiensachen eingestuft.
Zuständigkeit und Verfahrensgang
Örtliche und sachliche Zuständigkeit
Für Ehesachen ist in erster Instanz das Familiengericht zuständig, das in Deutschland bei den Amtsgerichten eingerichtet ist. Örtlich maßgeblich ist in der Regel der Wohnsitz der Ehegatten oder des Antragsgegners. Die sachliche Zuständigkeit des Amtsgerichts als Familiengericht erstreckt sich auf alle erstinstanzlichen Ehesachen.
Beteiligte und Antragsberechtigung
Antragsberechtigt sind grundsätzlich die Ehegatten selbst. In bestimmten Fällen, etwa bei Verfahren auf Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens einer Ehe, kann auch eine dritte Person antragsberechtigt sein.
Ablauf eines Scheidungsverfahrens
Das Verfahren beginnt mit einem Antrag beim Familiengericht. In den meisten Fällen ist die Mitwirkung beider Ehegatten erforderlich. Nach Einleitung des Verfahrens prüft das Gericht die Voraussetzungen der Scheidung oder der begehrten Feststellung. Ergänzende Verfahren, etwa zum Versorgungsausgleich, können von Amts wegen oder auf Antrag gleichzeitig geführt werden.
Entscheidungsfindung und Rechtsfolgen
Urteile und Beschlüsse in Ehesachen
Entscheidungen des Familiengerichts in Ehesachen erfolgen in der Regel durch Beschluss, nicht durch Urteil. Rechtsmittel gegen diese Beschlüsse sind möglich und richten sich nach den allgemeinen Regeln des FamFG.
Rechtskraft und Wirkungen gerichtlicher Entscheidungen
Mit der Rechtskraft des Beschlusses über die Ehesache (z. B. die Scheidung) treten unmittelbare Rechtsfolgen ein, etwa die Auflösung des Ehebands. Daran knüpfen weitreichende Folgewirkungen, wie Unterhaltsansprüche, güterrechtliche Auseinandersetzungen und Fragen des Versorgungsausgleichs.
Verfahrens- und Besonderheiten bei Ehesachen
Amtswegigkeit (Offizialmaxime)
Im familiengerichtlichen Verfahren gilt in Ehesachen häufig die Amtsermittlungspflicht: Das Gericht ermittelt von Amts wegen die entscheidungserheblichen Tatsachen, insbesondere im Hinblick auf das Kindeswohl und das öffentliche Interesse an einer rechtmäßigen Entscheidungsfindung.
Scheitern der Ehe als Voraussetzung
Eine der wichtigsten Voraussetzungen für das Scheidungsverfahren ist das endgültige Scheitern der Ehe (§ 1565 BGB). Das Gericht prüft, ob die Wiederherstellung der ehelichen Lebensgemeinschaft auszuschließen ist.
Verbundverfahren und Folgesachen
Häufig werden mit der Scheidung sogenannte Folgesachen gleichzeitig verhandelt, insbesondere zum Versorgungsausgleich und ehelichen Unterhalt. Das Gesetz ordnet in bestimmten Fällen das sogenannte Zwangsverbundverfahren an; die Scheidung kann dann nur ausgesprochen werden, wenn über die Folgesachen mit entschieden wird.
Internationale Aspekte von Ehesachen
Internationale Zuständigkeit und Anerkennung
Im Zeitalter fortschreitender Globalisierung gewinnen internationale Ehesachen erheblich an Bedeutung. Zuständigkeit und Anerkennung ausländischer Entscheidungen sind geregelt durch europäische und internationale Abkommen, etwa die Brüssel-IIa-Verordnung oder das Haager Scheidungsübereinkommen.
Anerkennung ausländischer Scheidungen
Die Anerkennung einer im Ausland erfolgten Scheidung richtet sich in Deutschland nach § 107 FamFG und ist an bestimmte Voraussetzungen gebunden, darunter die Prüfung auf Vereinbarkeit mit dem deutschen ordre public (öffentliche Grundordnung).
Zusammenfassung
Ehesachen umfassen alle gerichtlichen Verfahren in Bezug auf die Ehe, insbesondere Scheidung und Feststellung des Bestehens oder Nichtbestehens eines Eheverhältnisses. Sie werden durch das FamFG umfassend geregelt und sind durch zahlreiche Besonderheiten im Ablauf und bei der Entscheidungsfindung geprägt. Die rechtlichen Auswirkungen erstrecken sich weit über das eigentliche Eheband hinaus und betreffen zahlreiche weitere Bereiche des Familienrechts. Auch internationale Entwicklungen und Vorgaben spielen eine maßgebliche Rolle.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird die Zuständigkeit des Gerichts bei Ehesachen bestimmt?
Die Zuständigkeit des Gerichts in Ehesachen richtet sich in Deutschland grundsätzlich nach den Vorschriften des Gesetzes über das Verfahren in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit (FamFG). Maßgeblich ist § 122 FamFG, wonach das Amtsgericht – Familiengericht – örtlich und sachlich zuständig ist. Örtlich zuständig ist in der Regel das Gericht, in dessen Bezirk einer der Ehegatten mit allen gemeinschaftlichen minderjährigen Kindern seinen gewöhnlichen Aufenthalt hat. Haben die Ehegatten keinen gemeinsamen minderjährigen Kinder, richtet sich die Zuständigkeit nach dem gewöhnlichen Aufenthalt eines der Ehegatten, welcher als Kläger fungiert. Sollte kein gewöhnlicher Aufenthalt in Deutschland bestehen, so ist das Amtsgericht Schöneberg in Berlin (sog. „Auffanggericht“) zuständig. Die sachliche Zuständigkeit liegt ausschließlich beim Familiengericht, auch im Falle von Rechtsmitteln wie der Beschwerde. Die Bestimmungen greifen unabhängig von der Staatsangehörigkeit der Beteiligten, wenn deutscher Gerichtsstand gegeben ist.
Wann kann eine Ehe rechtskräftig geschieden werden?
Laut § 1564 BGB wird eine Ehe durch richterlichen Beschluss geschieden, der erst mit Rechtskraft wirksam wird. Die Scheidung setzt regelmäßig das Scheitern der Ehe gemäß § 1565 BGB voraus, welches durch das sogenannte Trennungsjahr indiziert wird. Das Trennungsjahr besagt, dass die Ehegatten bereits seit mindestens einem Jahr getrennt leben müssen und einer der beiden Ehegatten die Scheidung beantragt. In Ausnahmefällen ist eine Scheidung auch vor Ablauf dieses Zeitraums möglich, sofern ein Härtefall im Sinne des § 1565 Abs. 2 BGB vorliegt (z.B. bei fortdauernder Gewalt oder schwerwiegenden Beleidigungen). Die Rechtskraft tritt typischerweise ein, wenn die Rechtsmittelfrist verstreicht (in der Regel ein Monat nach Zustellung des Beschlusses), sofern kein Rechtsmittel eingelegt wird. An die rechtskräftige Scheidung sind sowohl vermögensrechtliche als auch namensrechtliche und unterhaltsrechtliche Folgen geknüpft.
Welche gesetzlichen Folgen treten mit der Scheidung der Ehe ein?
Mit der rechtskräftigen Scheidung ergeben sich eine Vielzahl an gesetzlichen Folgen. Hierzu gehören hauptsächlich: der Wegfall des Ehegattenunterhalts in Form des Trennungsunterhalts, soweit die Voraussetzungen nicht mehr erfüllt sind (§ 1569 ff. BGB), die Durchführung des Zugewinnausgleichs (§ 1378 BGB), die Anpassung der Vermögensverhältnisse durch Aufteilung des Hausrats (§ 1568b BGB) sowie das Sorgerecht und Umgangsrecht für gemeinsame Kinder (§ 1671 BGB). Zudem endet die wechselseitige Erbrechtstellung der Ehegatten gemäß § 1933 BGB, d.h. die geschiedenen Ehegatten sind nicht mehr erbberechtigt. Steuerlich wird ab dem Folgejahr eine Einzelveranlagung vorgenommen. Die genannten Ansprüche müssen gegebenenfalls im Scheidungsverfahren geltend gemacht werden, da sie sonst verfallen können.
Gibt es eine Pflicht zur Durchführung des Versorgungsausgleichs?
Der Versorgungsausgleich ist eine zwingende Folge der Scheidung, sofern die Ehe länger als drei Jahre bestanden hat (§ 3 Abs. 3 Versorgungsausgleichsgesetz – VersAusglG). Hierbei werden während der Ehezeit erworbene Anrechte auf Altersvorsorge zwischen den Ehegatten nach dem Halbteilungsgrundsatz geteilt. Das Familiengericht führt den Versorgungsausgleich grundsätzlich von Amts wegen durch, es sei denn, beide Ehegatten verzichten durch notariellen Vertrag auf den Ausgleich und das Gericht hält den Verzicht für nicht grob unbillig (§ 6 VersAusglG). Ausnahmsweise entfällt der Ausgleich in Härtefällen, z.B. bei kurzer Ehedauer oder wenn der Ausgleich grob unbillig wäre (§ 27 VersAusglG).
Inwieweit ist eine Mediation im Scheidungsverfahren möglich oder erforderlich?
Eine Mediation ist im Scheidungsverfahren weder gesetzlich vorgeschrieben noch zwingend erforderlich, kann aber freiwillig von den Ehegatten in Anspruch genommen werden. Nach § 135 FamFG ist das Gericht jedoch verpflichtet, auf einvernehmliche Regelungen – insbesondere im Hinblick auf Sorge- und Umgangsrecht – hinzuwirken. Viele Familiengerichte bieten hierzu einen sogenannten Güte- oder Einigungsversuch an. Vergleichsweise Einigungen können in allen Scheidungsfolgesachen (z.B. Unterhalt, Vermögensauseinandersetzung, Umgangsrecht) sowohl außergerichtlich durch Mediation als auch gerichtlich durch einen gerichtlichen Vergleich erzielt werden. Die erfolgreiche Mediation kann das gerichtliche Verfahren beschleunigen und Kosten reduzieren, da streitige Verfahren in der Regel zu einer erheblichen Verfahrensverlängerung und Kostensteigerung führen.
Was sind die formalen Anforderungen an einen Scheidungsantrag?
Der Scheidungsantrag muss gemäß § 114 FamFG von einem Rechtsanwalt gestellt werden; ein Ehegatte kann die Scheidung nicht selbst beantragen. Der Antrag ist schriftlich beim örtlich zuständigen Familiengericht einzureichen. Im Antrag sind die Personalien beider Ehepartner, das Datum sowie der Ort der Eheschließung, Auskünfte über gemeinsame minderjährige Kinder und das Trennungsdatum anzugeben. Darüber hinaus muss die Abgabe einer Erklärung enthalten sein, dass die Ehe gescheitert ist, sowie ggf. weitere Angaben zu Scheidungsfolgesachen, wenn diese mitgeregelt werden sollen. Das Gericht stellt den Scheidungsantrag dem Antragsgegner zu; mit dessen Zugang beginnt das gerichtliche Scheidungsverfahren.
Welche Kosten entstehen im Zusammenhang mit Scheidungsverfahren?
Die Kosten eines Scheidungsverfahrens setzen sich aus Gerichts- und Anwaltskosten zusammen, die sich nach dem sogenannten Verfahrenswert richten (§§ 43 ff. FamGKG). Der Verfahrenswert wird aus dem dreifachen monatlichen Nettoeinkommen beider Ehegatten sowie gegebenenfalls weiteren Streitwerten (etwa bei Folgesachen) berechnet. Die Gerichtsgebühren richten sich nach diesem Verfahrenswert gemäß dem Gerichts- und Notarkostengesetz (GNotKG), während sich die Anwaltsgebühren nach dem Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) bemessen. Unter bestimmten Voraussetzungen besteht die Möglichkeit, Verfahrenskostenhilfe in Anspruch zu nehmen, wenn die wirtschaftlichen Verhältnisse der Parteien dies rechtfertigen (§ 76 FamFG i.V.m. §§ 114 ff. ZPO).