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Ehegattentestament


Begriff und rechtliche Einordnung des Ehegattentestaments

Ein Ehegattentestament ist ein gemeinschaftliches Testament, das von miteinander verheirateten Personen oder eingetragenen Lebenspartnern erstellt wird und den letzten Willen beider Ehegatten in einer Urkunde festlegt. Das Ehegattentestament ist in § 2265 ff. BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) geregelt und ermöglicht es Ehegatten, von der Möglichkeit eines gemeinschaftlichen Testaments Gebrauch zu machen, von dem Einzeltestamente abzugrenzen sind. Es zählt zu den beliebtesten erbrechtlichen Gestaltungsformen in Deutschland.

Gesetzliche Grundlagen

Gemeinschaftliches Testament gemäß § 2265 ff. BGB

Das gemeinschaftliche Testament ist ausschließlich Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern vorbehalten. Nach § 2265 BGB können zwei Personen, die miteinander verheiratet oder in einer eingetragenen Lebenspartnerschaft leben, gemeinsam ein Testament errichten, indem sie ein gemeinsames Schriftstück unterzeichnen. Dieses unterscheidet sich dadurch vom Einzeltestament, dass es die Verfügungen beider Personen enthält und diese häufig aufeinander abgestimmt sind.

Formvorschriften und Errichtung

Ein Ehegattentestament kann eigenhändig (§ 2267 BGB) oder notariell (§ 2232 BGB) errichtet werden:

  • Eigenhändiges Ehegattentestament: Nach § 2267 BGB reicht es aus, wenn ein Ehegatte das Testament eigenhändig schreibt und beide Ehegatten das Dokument unterzeichnen. Es ist nicht notwendig, dass beide Ehegatten den Text eigenhändig niederschreiben; die gemeinsame Unterschrift genügt.
  • Notarielles Ehegattentestament: Alternativ können Ehegatten das Testament auch vor einem Notar erklären oder errichten. In diesem Fall gelten die allgemeinen Vorschriften über notarielle Testamente (§ 2232 BGB).

Widerruf und Bindungswirkung

Ein zentrales Merkmal des Ehegattentestaments ist die Bindungswirkung hinsichtlich sogenannter „wechselbezüglicher Verfügungen“ (vgl. § 2270 BGB). Diese entstehen, wenn Verfügungen so ausgestaltet sind, dass die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die Verfügung des anderen getroffen worden wäre.

  • Widerruf zu Lebzeiten beider Ehegatten: Grundsätzlich kann das gemeinschaftliche Testament jederzeit von beiden Ehegatten gemeinschaftlich aufgehoben oder einseitig widerrufen werden. Ein einseitiger Widerruf bedarf nach § 2271 BGB der notariellen Form und muss dem anderen Ehegatten zugestellt werden.
  • Bindungswirkung nach dem Tod eines Ehegatten: Nach dem Versterben eines Ehegatten kann das Testament bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich nicht mehr widerrufen werden; die überlebende Person ist an die Regelungen gebunden.

Inhaltliche Gestaltungsmöglichkeiten

Häufige Gestaltung: Berliner Testament

Die meistgenutzte Ausgestaltung des Ehegattentestaments ist das sogenannte Berliner Testament. Dabei setzen sich die Ehegatten gegenseitig als Alleinerben ein und bestimmen Dritte – in der Regel die gemeinsamen Kinder – als Schlusserben für den Fall des Versterbens des zuletzt lebenden Ehegatten. Diese Gestaltung verfolgt das Ziel, die Vermögensübertragung zunächst innerhalb der Ehe zu sichern, ehe das Erbe auf die nachfolgende Generation übergeht.

Vor- und Nachteile des Berliner Testaments

  • Vorteile: Schutz des überlebenden Ehegatten, einfache Vermögensübertragung, Vermeidung einer Erbengemeinschaft mit minderjährigen Kindern und Absicherung des Familienvermögens.
  • Nachteile: Pflichtteilsrecht der enterbten Kinder, Möglichkeit steuerlicher Nachteile im Hinblick auf doppelte Erbschaftsteuer, starre Bindungswirkung für den überlebenden Ehegatten.

Alternative Verfügungsmöglichkeiten

Neben dem Berliner Testament können Ehegatten auch individuellere Regelungen treffen, z.B. die Einsetzung eines Dritten als Vermächtnisnehmer, Teilungsanordnungen oder die Anordnung einer Testamentsvollstreckung. Ebenso sind Bedingungen und Auflagen möglich, die an konkrete Ereignisse oder Verhaltensweisen geknüpft werden können.

Bindungswirkung und Wechselbezüglichkeit

Die sogenannte Bindungswirkung stellt ein zentrales Charakteristikum des Ehegattentestaments dar. Nach § 2270 BGB gilt eine wechselbezügliche Verfügung als unwiderruflich nach dem Tod eines Ehegatten. Eine wechselbezügliche Verfügung liegt vor, wenn anzunehmen ist, dass die eine Verfügung nicht ohne die andere getroffen worden wäre.

Wechselbezügliche Verfügungen im Detail

Typische wechselbezügliche Verfügungen sind:

  • Gegenseitige Erbeinsetzung der Ehegatten
  • Bestimmung desselben Schlusserben (z. B. gemeinschaftliches Einsetzen der Kinder als Schlusserben)

Im Zweifel wird nach den gesetzlichen Regelungen eine Wechselbezüglichkeit angenommen (§ 2270 Abs. 2 BGB).

Rechtsfolge der Bindungswirkung

Nach dem Tod des ersten Ehegatten ist die überlebende Person grundsätzlich an die wechselbezüglichen Verfügungen gebunden. Eine Abweichung hiervon ist lediglich durch eine im Testament ausdrücklich gestattete Abänderung oder infolge einer Anfechtung (z. B. wegen Irrtums oder Drohung) möglich.

Anfechtung und Enterbung im Ehegattentestament

Eine Anfechtung des Ehegattentestaments kann aus den allgemeinen Gründen nach § 2078 BGB erfolgen (z. B. Irrtum, arglistige Täuschung, Drohung). Der Überlebende kann darüber hinaus seinen Pflichtteil fordern, wenn er in einer Weise am Nachlass beteiligt wurde, die das Pflichtteilsrecht verletzen würde.

Schutz enterbter Pflichtteilsberechtigter

Wer durch das Ehegattentestament von der Erbfolge ausgeschlossen wird – etwa Kinder, die im Berliner Testament als Schlusserben erst nach dem Tod des zweiten Ehegatten zum Zug kommen – hat einen Anspruch auf den Pflichtteil nach den allgemeinen Regelungen des BGB.

Pflichtteilsstrafklauseln

Zur Abschreckung von Pflichtteilsforderungen nach dem ersten Erbfall kann das Testament sogenannte Pflichtteilsstrafklauseln enthalten. Diese sehen vor, dass Kinder, die nach dem Tod des ersten Elternteils ihren Pflichtteil verlangen, auch nach Versterben des zweiten Elternteils nur den Pflichtteil erhalten und nicht als Schlusserben eingesetzt werden.

Testamentarische Umsetzung und Aufbewahrung

Das eigenhändige Ehegattentestament sollte zur Sicherstellung der Auffindbarkeit und Wirksamkeit beim zuständigen Nachlassgericht hinterlegt werden. Damit wird gewährleistet, dass das Testament im Erbfall eröffnet und umgesetzt werden kann.

Das notarielle Ehegattentestament wird regelmäßig durch den Notar beim zentralen Testamentsregister gemeldet und an das Nachlassgericht übersandt.

Steuerliche Aspekte

Die Gestaltung eines Ehegattentestaments kann erhebliche erbschaftsteuerliche Konsequenzen nach sich ziehen. Besonders beim Berliner Testament kann es, je nach Höhe des Nachlasswertes, zu einer doppelten Belastung durch Erbschaftsteuer kommen, da sowohl beim ersten wie auch beim zweiten Erbfall Steuern anfallen können. Ehegatten steht ein Freibetrag von 500.000 Euro zur Verfügung; Kindern ein Freibetrag von 400.000 Euro pro Elternteil.

Zur Vermeidung steuerlicher Nachteile ist eine differenzierte testamentarische Gestaltung zu empfehlen, etwa durch Vermächtnisse, Teilungsanordnungen oder Nutzung von Nießbrauchsrechten.

Ehegattentestament und Scheidung

Die Wirkung eines gemeinschaftlichen Testamentes erlischt grundsätzlich kraft Gesetzes, wenn die Ehe zu Lebzeiten beider Ehegatten geschieden wird oder wenn ein Scheidungsantrag vor dem Tod eines Ehegatten gestellt wurde und die Voraussetzungen für die Scheidung vorlagen (§ 2268 BGB). Diejenigen Verfügungen, die zugunsten des Ehegatten getroffen wurden, werden in diesem Fall automatisch unwirksam.

Fazit

Das Ehegattentestament bietet Ehegatten und eingetragenen Lebenspartnern die Möglichkeit, den Nachlass in einer aufeinander abgestimmten Form zu regeln und insbesondere die gegenseitige Absicherung des überlebenden Ehegatten sicherzustellen. Die Bindungswirkung wechselbezüglicher Verfügungen und steuerliche Aspekte erfordern eine umfassende und individuelle Gestaltung. Die Beachtung der gesetzlichen Vorgaben und der erbrechtlichen Besonderheiten ist bei der Errichtung eines Ehegattentestaments unerlässlich, um die eigenen Nachlasswünsche wirksam und rechtssicher umzusetzen.

Häufig gestellte Fragen

Kann ein Ehegattentestament nachträglich geändert oder widerrufen werden?

Ein Ehegattentestament kann grundsätzlich von beiden Ehegatten gemeinsam geändert oder widerrufen werden, solange beide noch leben und einvernehmlich handeln. Nach dem Tod eines Ehegatten ist das Testament bezüglich der wechselbezüglichen Verfügungen grundsätzlich bindend. Wechselbezügliche Verfügungen sind testamentarische Regelungen, bei denen die Verfügung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen oder beibehalten worden wäre, was häufig bei sogenannten Berliner Testamenten der Fall ist. Nach dem Tod eines Ehepartners kann der überlebende Ehegatte seine eigene Verfügung in Bezug auf die wechselbezüglichen Regelungen nicht ohne Weiteres widerrufen oder ändern. Ein Widerruf zu Lebzeiten beider Ehegatten muss entweder gemeinsam erfolgen oder einer der Ehegatten widerruft notariell, was dem anderen Ehegatten unverzüglich mitgeteilt werden muss (§ 2271 BGB). Eine einseitige Änderung ohne Mitwirkung des anderen Ehegatten ist ansonsten nicht möglich.

Welche Formerfordernisse gelten für ein Ehegattentestament?

Ein Ehegattentestament unterliegt bestimmten Formerfordernissen, die im Bürgerlichen Gesetzbuch (§§ 2265 ff. BGB) geregelt sind. Grundsätzlich kann ein Ehegattentestament gemeinsam handschriftlich errichtet werden, wobei es genügt, wenn einer der Ehegatten den Text eigenhändig schreibt und beide Ehegatten das Testament eigenhändig unter Angabe von Ort und Datum unterschreiben. Alternativ kann das Testament auch notariell beurkundet werden. Ein solches gemeinschaftliches Testament ist ausschließlich verheirateten oder verpartnerten Paaren vorbehalten. Werden die Formvorschriften nicht eingehalten, ist das Testament insgesamt unwirksam.

Was sind wechselbezügliche Verfügungen im Ehegattentestament?

Wechselbezügliche Verfügungen sind solche testamentarischen Verfügungen, bei denen die Anordnung des einen Ehegatten nicht ohne die des anderen getroffen worden wäre. Im Regelfall nimmt man eine Wechselbezüglichkeit beispielsweise dann an, wenn sich die Ehegatten im sogenannten Berliner Testament gegenseitig zu Alleinerben und die gemeinsamen Kinder erst nach dem Tod des zweiten Ehegatten zu Erben einsetzen. Wechselbezügliche Verfügungen sind nach dem Tod eines Ehegatten für den überlebenden Ehegatten bindend. Eine Aufhebung der Bindungswirkung ist nur unter besonderen Voraussetzungen möglich, etwa wenn sie ausdrücklich im Testament vorbehalten wurde.

Was passiert, wenn sich die Ehegatten scheiden lassen?

Mit der Scheidung der Ehe verliert das Ehegattentestament im Regelfall seine Wirksamkeit. Das Gesetz (§ 2268 BGB) stellt klar, dass die Scheidung die Bindungswirkung des gemeinschaftlichen Testaments aufhebt, als ob die entsprechende Verfügung zugunsten des geschiedenen Ehegatten nicht getroffen worden wäre. Dies gilt grundsätzlich bereits ab dem Zeitpunkt, zu dem die Voraussetzungen für die Scheidung vor Gericht gegeben sind, insbesondere mit Einreichung des Scheidungsantrags, falls der Erblasser in diesem Zeitpunkt verstirbt. Eine abweichende Regelung kann jedoch explizit im Testament getroffen werden.

Welche Rolle spielt der Pflichtteilsanspruch beim Ehegattentestament?

Durch ein Ehegattentestament, insbesondere das Berliner Testament, werden in der ersten Erbfolge zumeist die gemeinsamen Kinder von der Erbfolge ausgeschlossen, denn der überlebende Ehegatte wird zunächst Alleinerbe. Die Kinder haben in diesem Fall einen Pflichtteilsanspruch, den sie mit dem Tod des zuerst versterbenden Elternteils geltend machen können. Der Pflichtteil besteht in der Hälfte des gesetzlichen Erbteils und muss aktiv eingefordert werden. Eine Enterbung durch das Ehegattentestament kann den Pflichtteilsanspruch nicht ausschließen, wohl aber unter Umständen erschweren, etwa durch Pflichtteilsstrafklauseln, die im Text des Testaments aufgenommen werden können.

Muss ein Ehegattentestament zwingend eröffnet werden und wie erfolgt die Testamentsvollstreckung?

Nach dem Tod eines Ehegatten ist das Ehegattentestament dem zuständigen Nachlassgericht zur amtlichen Eröffnung zu übergeben (§ 2259 BGB). Erst durch die Testamentseröffnung erlangen die Erben Kenntnis über die letztwilligen Verfügungen. Ist im Ehegattentestament ein Testamentsvollstrecker vorgesehen, bestellt das Nachlassgericht diesen gemäß den im Testament festgelegten Vorgaben. Der Testamentsvollstrecker hat die Aufgabe, den Nachlass nach den Weisungen im Testament zu verwalten und zu verteilen. Die Einsetzung eines Testamentsvollstreckers muss ausdrücklich im Testament angeordnet werden, andernfalls verbleibt es bei der regulären Erbauseinandersetzung durch die Erben.

Sind Ehegattentestamente auch für Lebenspartner einer eingetragenen Lebenspartnerschaft möglich?

Seit der gesetzlichen Gleichstellung eingetragener Lebenspartnerschaften mit der Ehe (insbesondere durch das Lebenspartnerschaftsgesetz und später das Gesetz zur Ehe für alle) können eingetragene Lebenspartner ebenso wie Ehegatten gemeinschaftliche Testamente errichten. Sie werden bei den entsprechenden gesetzlichen Vorschriften den Ehegatten gleichgestellt und können somit dieselben Rechtsinstitute, wie beispielsweise das Berliner Testament, nutzen. Die Formerfordernisse unterscheiden sich nicht von denen eines herkömmlichen Ehegattentestaments.