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Ehegattenerbrecht


Definition und Bedeutung des Ehegattenerbrechts

Das Ehegattenerbrecht bezeichnet die erbrechtlichen Regelungen, die sich aus der Stellung eines Ehegatten oder einer Ehegattin als gesetzlicher Erbe beim Ableben des anderen Ehepartners ergeben. Es ist ein zentraler Bestandteil des deutschen Erbrechts und regelt, welchen Anteil der überlebende Ehepartner am Nachlass seines verstorbenen Ehepartners erhält. Die gesetzlichen Grundlagen finden sich insbesondere in den §§ 1931 bis 1934 des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB). Das Ehegattenerbrecht spielt sowohl bei der gesetzlichen Erbfolge als auch bei der gewillkürten Erbfolge, etwa durch Testament oder Erbvertrag, eine maßgebliche Rolle.

Gesetzliche Erbfolge und Stellung des Ehegatten

Grundzüge der gesetzlichen Erbfolge

Im Falle des Todes eines Ehegatten ohne Regelung durch Testament oder Erbvertrag greift die gesetzliche Erbfolge. Sie knüpft zunächst an die sog. Ordnung der Verwandtschaft an. Neben den Verwandten ist der Ehepartner jedoch kraft gesetzlicher Vorschrift stets erbberechtigt (§ 1931 BGB).

Erbteil des überlebenden Ehegatten

Der Erbanteil des überlebenden Ehegatten hängt maßgeblich davon ab, in welchem Güterstand die Ehegatten zur Zeit des Erbfalls lebten und welche sonstigen Verwandten des Erblassers vorhanden sind. Folgende Grundkonstellationen sind zu unterscheiden:

Ehegattenerbrecht bei Zugewinngemeinschaft

Die Zugewinngemeinschaft ist der gesetzliche Güterstand in Deutschland, sofern nichts anderes vereinbart wurde (§ 1363 BGB). Stirbt ein Ehegatte, so erhält der überlebende Ehepartner neben Verwandten der ersten Ordnung (Kinder, Enkel) ein Viertel des Nachlasses (§ 1931 Abs. 1 BGB) als gesetzlichen Erbteil. Ein weiteres Viertel erhält der Ehegatte als pauschalen Zugewinnausgleich (§ 1371 Abs. 1 BGB), sodass er insgesamt auf die Hälfte des Nachlasses kommt, sofern Kinder vorhanden sind. Neben Verwandten zweiter Ordnung (Eltern, Geschwister, Nichten/Neffen) oder Großeltern beträgt der Erbteil des Ehegatten sogar drei Viertel.

Ehegattenerbrecht bei Gütertrennung

Haben die Ehegatten Gütertrennung vereinbart, so entfällt der pauschale Zugewinnausgleich. Der Erbteil bemisst sich ausschließlich nach § 1931 BGB: Neben einem Kind erhält der Ehegatte die Hälfte, neben zwei Kindern ein Drittel, bei drei oder mehr Kindern ein Viertel des Nachlasses. Sind nur Verwandte der zweiten Ordnung oder Großeltern vorhanden, erhält der Ehegatte jeweils die Hälfte.

Ehegattenerbrecht bei Gütergemeinschaft

In der seltenen Gütergemeinschaft erbt der überlebende Ehegatte neben dem Anteil, der ihm durch die Auflösung der Gemeinschaft zufällt, den nach § 1931 BGB bestimmten Anteil am Rest des Nachlasses.

Ausschluss und Beschränkungen des Ehegattenerbrechts

Scheidung und Aufhebung der Ehe

Das gesetzliche Erbrecht entfällt, wenn im Zeitpunkt des Todes des Erblassers die Voraussetzungen für eine Scheidung vorlagen und dieser die Scheidung beantragt oder ihr zugestimmt hatte (§ 1933 BGB). Entsprechendes gilt bei Aufhebung der Ehe.

Enterbung durch Verfügung von Todes wegen

Der Erblasser kann den Ehepartner durch Testamentes oder Erbvertrag von der Erbfolge ausschließen. Dem ausgeschlossenen Ehegatten steht jedoch in aller Regel ein Pflichtteilsrecht zu (§ 2303 BGB), das die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt.

Erlöschen durch bestimmte Verfehlungen

Das Ehegattenerbrecht kann auch durch gerichtliche Entscheidung entfallen, etwa bei schwere Verfehlungen, die nach § 2333 BGB zum Entzug des Pflichtteils führen können.

Erbrechtlicher Schutz des Ehegatten

Voraus

Dem Ehegatten steht kraft Gesetz ein sog. Voraus (§ 1932 BGB) am Nachlass zu. Dabei handelt es sich um bestimmte Haushaltsgegenstände sowie Hochzeitsgeschenke, die der Ehegatte unabhängig von seinem Erbanteil erhält, sofern er mit gesetzlichen Erben der ersten Ordnung gemeinschaftlich beerbt wird. Bei alleiniger Erbschaft oder Erbengemeinschaft mit Erben weiterer Ordnungen fällt im Regelfall der gesamte bewegliche Nachlass dem Ehegatten zu.

Pflichtteils- und Pflichtteilsergänzungsrecht

Wird der Ehegatte enterbt oder beschränkt, steht ihm in der Regel das Pflichtteilsrecht zu. Darüber hinaus kann er unter bestimmten Voraussetzungen Pflichtteilsergänzungsansprüche geltend machen, etwa bei Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten (§ 2325 BGB).

Beschränkungen bei gemeinschaftlichem Testament oder Erbvertrag

Oft errichten Ehegatten gemeinschaftliche Testamente (sog. Berliner Testament) oder schließen Erbverträge. Solche Verfügungen von Todes wegen können Bindungswirkungen für den später länger lebenden Ehegatten haben, die seine erbrechtlichen Gestaltungsmöglichkeiten einschränken.

Ehegattenerbrecht im internationalen Kontext

Das Ehegattenerbrecht ist in nahezu allen Rechtsordnungen geregelt, variiert jedoch in seinen Einzelheiten teils erheblich. Nach der seit 2015 geltenden Europäischen Erbrechtsverordnung (EuErbVO) ist grundsätzlich das Recht des letzten gewöhnlichen Aufenthalts des Erblassers maßgeblich, was insbesondere bei binationalen Ehen zu abweichenden erbrechtlichen Folgen führen kann.

Sonderfälle und weitere Aspekte

Ehegattenerbrecht bei gleichgeschlechtlichen Ehen

Seit der Öffnung der Ehe für gleichgeschlechtliche Paare im Jahr 2017 sind Ehegattenerbrechte für gleichgeschlechtliche Ehen vollkommen gleichgestellt.

Erbrecht des eingetragenen Lebenspartners

Seit 1. Oktober 2017 werden neue Lebenspartnerschaften nicht mehr begründet, jedoch besteht für vor diesem Zeitpunkt begründete Partnerschaften grundsätzlich ein gleichgestelltes Erbrecht.

Erbschaftsteuerliche Behandlung

Neben der erbrechtlichen Stellung spielt der überlebende Ehegatte auch für die Erbschaftsteuer eine privilegierte Rolle: Der Freibetrag für Ehegatten beträgt nach § 16 ErbStG 500.000 Euro, zudem existiert die Möglichkeit einer steuerlichen Begünstigung für das Familienheim.

Literaturhinweise und verwandte Begriffe

Weiterführende Informationen bietet die einschlägige Kommentarliteratur zum Bürgerlichen Gesetzbuch, insbesondere zu den §§ 1931 ff. und 1371 BGB. Verwandte Begriffe sind insbesondere der Pflichtteil, die gesetzliche Erbfolge, der Güterstand sowie das Berliner Testament.


Dieser Artikel bietet durch seine umfassende Darstellung der rechtlichen Aspekte des Ehegattenerbrechts einen vertieften Überblick und beleuchtet alle wesentlichen Fragen zur gesetzlichen und gewillkürten Erbfolge, zu Besonderheiten im internationalen Kontext sowie zu relevanten Sonderfällen.

Häufig gestellte Fragen

Wie hoch ist der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten, wenn Kinder vorhanden sind?

Der gesetzliche Erbteil des überlebenden Ehegatten richtet sich nach dem Güterstand, in dem die Ehegatten zum Zeitpunkt des Erbfalls gelebt haben. Im gesetzlichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft erhält der Ehegatte neben den Abkömmlingen des Erblassers ein Viertel als gesetzlichen Erbteil sowie zusätzlich ein weiteres Viertel als pauschalen Zugewinnausgleich, insgesamt also die Hälfte des Nachlasses. Leben die Ehegatten im Güterstand der Gütertrennung, beträgt der Erbteil des Ehegatten bei einem oder zwei Kindern ein Drittel, bei mehr als zwei Kindern ein Viertel. Bei Gütergemeinschaft erhält der überlebende Ehegatte die Hälfte des Gesamtguts, die andere Hälfte fällt in den Nachlass und wird unter den Erben – einschließlich des Ehegatten selbst – aufgeteilt. Es ist zu beachten, dass ein Ehevertrag individuelle Regelungen treffen kann, die den gesetzlichen Erbteil verändern.

Welche Auswirkungen hat ein Testament oder ein Erbvertrag auf das Ehegattenerbrecht?

Ein Testament oder ein Erbvertrag kann das gesetzliche Erbrecht des Ehegatten modifizieren oder auch ganz ausschließen. Der Erblasser kann im Rahmen der Testierfreiheit bestimmen, wer sein Vermögen erhalten soll, und dabei den Ehegatten ganz oder teilweise enterben. Allerdings bleibt dem Ehegatten dennoch stets der Pflichtteilsanspruch, der die Hälfte des gesetzlichen Erbteils beträgt. Zudem kann der Ehegatte im Rahmen der Testamentsvollstreckung oder durch Anfechtungsklagen seine Rechte durchsetzen, falls Zweifel an der Wirksamkeit des Testaments bestehen oder formale Fehler vorliegen. Ein Erbvertrag bindet grundsätzlich beide Vertragspartner und kann nur unter bestimmten Voraussetzungen aufgehoben werden.

Welche Rechte hat der überlebende Ehegatte in Bezug auf den Pflichtteil?

Wird der überlebende Ehegatte durch Testament oder Erbvertrag von der Erbfolge ausgeschlossen oder erhält er weniger als seinen gesetzlichen Erbteil, steht ihm der Pflichtteil zu. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils und ist ein reiner Geldanspruch gegen die Erben. Der Pflichtteilsberechtigte kann Auskunft über den Nachlass verlangen, um seinen Anspruch beziffern zu können. Der Pflichtteil ist sofort fällig und durchsetzbar. Wird der Anspruch nicht erfüllt, kann der Ehegatte klagen. Zudem können Schenkungen des Erblassers zu Lebzeiten unter bestimmten Voraussetzungen als Pflichtteilsergänzungsansprüche berücksichtigt werden.

Was ist der Voraus und wie wirkt er sich auf das Erbrecht des Ehegatten aus?

Der sogenannte Voraus bezeichnet bestimmte Gegenstände des ehelichen Haushalts sowie Hochzeitsgeschenke, die dem überlebenden Ehegatten zusätzlich zu seinem Erbteil oder Pflichtteil zustehen, sofern gesetzliche Erben der ersten Ordnung, also Kinder, vorhanden sind. Der Voraus umfasst alle Haushaltsgegenstände, die zum gemeinschaftlichen Gebrauch bestimmt sind, wobei Wertgegenstände unter Umständen ausgenommen sein können. Der Voraus ist nicht auf den Erbteil oder Pflichtteil anzurechnen und stärkt somit die wirtschaftliche Position des überlebenden Ehegatten. Gibt es keine Abkömmlinge, sondern nur Erben zweiter Ordnung oder Großeltern als gesetzliche Erben, erstreckt sich der Voraus sogar auf den gesamten Nachlass.

Inwiefern wirkt sich eine Scheidung oder das Getrenntleben auf das Ehegattenerbrecht aus?

Das Ehegattenerbrecht erlischt mit rechtskräftigem Abschluss der Scheidung, das heißt, der geschiedene Ehegatte hat keinerlei gesetzliche Erbrechte mehr. Bereits das Einreichen des Scheidungsantrags kann das Ehegattenerbrecht vorzeitig beenden, sofern der Erblasser dem Scheidungsantrag zugestimmt oder selbst einen solchen Antrag gestellt hat. Ebenso entfällt das Erbrecht bei einem Getrenntleben mit der Absicht, die eheliche Lebensgemeinschaft dauerhaft aufzugeben, sofern alle Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Es empfiehlt sich zur Klarstellung, in Testamenten entsprechende Regelungen für den Fall der Trennung zu treffen.

Welche besonderen Rechte hat der Ehegatte beim Berliner Testament?

Beim sogenannten Berliner Testament setzen sich die Ehegatten gegenseitig zu Alleinerben ein und bestimmen gemeinschaftlich, was nach dem Tod des Letztversterbenden passieren soll. Der überlebende Ehegatte wird damit zum Vollerben des gesamten Nachlasses, während die Kinder häufig als Schlusserben vorgesehen werden. Dadurch können die Kinder ihren Pflichtteil beim Tod des ersten Elternteils verlangen, da sie in der Regel zunächst enterbt werden. Der Ehegatte ist an die wechselbezüglichen Verfügungen des Berliner Testaments gebunden und kann sie nach dem Tod des Partners nur unter engen Voraussetzungen ändern oder widerrufen. Dies kann zu erheblichen erbrechtlichen und steuerlichen Konsequenzen führen und sollte rechtlich sorgfältig gestaltet werden.

Wie erfolgt die Auseinandersetzung des Nachlasses bei mehreren Erben, wenn der Ehegatte Miterbe wird?

Ist der Ehegatte neben anderen gesetzlichen oder testamentarisch bestimmten Erben – etwa Kindern – Miterbe, entsteht eine Erbengemeinschaft. Jeder Miterbe erhält einen ideellen Anteil am Nachlass. Die Verwaltung und Verteilung des Nachlasses erfolgt gemeinschaftlich, wobei alle Erben übereinstimmend über einzelne Nachlassgegenstände entscheiden müssen. Der Ehegatte kann seinen Anteil grundsätzlich nicht einseitig herauslösen, sondern muss sich mit den Miterben auf eine Teilung einigen. Kommt keine Einigung zustande, kann jeder Miterbe die Teilung durch Abschichtung oder Teilungsversteigerung betreiben. Spezielle Regelungen zum Schutz des Ehegatten, etwa Wohnrechte, können durch Testament oder Erbvertrag vereinbart werden.