Begriffsbestimmung und Rechtsgrundlagen der EASA
Die EASA (European Union Aviation Safety Agency), auf Deutsch Agentur der Europäischen Union für Flugsicherheit, ist eine europäische Einrichtung, die zentrale regulatorische und aufsichtsrechtliche Aufgaben im Luftverkehr der Europäischen Union wahrnimmt. Die EASA ist eine unabhängige Agentur der Europäischen Union und maßgeblich für die Ausarbeitung, Umsetzung und Überwachung von Sicherheits- und Umweltstandards in der zivilen Luftfahrt innerhalb der EU zuständig.
Rechtlicher Status und Gründung
Die EASA wurde durch die Verordnung (EG) Nr. 1592/2002 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 15. Juli 2002 errichtet. Seitdem wurde die Rechtsgrundlage mehrfach novelliert, aktuell maßgeblich durch die Verordnung (EU) 2018/1139 vom 4. Juli 2018. Diese Verordnung definiert die Aufgaben, Zuständigkeiten und die Organisation der EASA.
Die Agentur hat ihren Sitz in Köln, Deutschland, und ist eine rechtlich eigenständige Einrichtung der Europäischen Union mit eigener Rechtspersönlichkeit. Sie unterliegt der Aufsicht der Europäischen Kommission und des Europäischen Parlaments.
Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten
Luftfahrt-Sicherheitsstandards
Zu den Hauptaufgaben der EASA gehört die Entwicklung und Durchsetzung von harmonisierten Luftfahrtsicherheitsvorschriften in der EU. Sie ist verantwortlich für die Schaffung, Überwachung und Weiterentwicklung gemeinsamer Luftfahrtstandards, die für Flugzeuge, Helikopter, Drohnen, Komponenten, Flugplätze, Luftraumorganisation und Flugbesatzungen gelten.
Zertifizierung und Zulassung
Die EASA ist zuständig für die Zertifizierung von Luftfahrzeugen, Triebwerken, Komponenten und -systemen, die innerhalb der EU für den kommerziellen und nicht-kommerziellen Betrieb vorgesehen sind. Das Zertifikat bescheinigt die Erfüllung der europäischen Luftfahrtsicherheitsstandards und ist Voraussetzung für den Verkehr in und zwischen den EU-Mitgliedstaaten.
Überwachung und Inspektionen
Die Agentur führt im Rahmen ihres gesetzlichen Auftrags auch Überwachungsmaßnahmen, Audits und Inspektionen bei den zuständigen nationalen Behörden und Unternehmen durch. Dies dient der Kontrolle der Einhaltung europäischer Luftfahrtsicherheitsregelungen.
Luftfahrtrecht und Regelsetzung
Die EASA wirkt bei der rechtlichen Harmonisierung des Luftverkehrsrechts innerhalb der Europäischen Union entscheidend mit. Sie erstellt technische Vorschriften und Vorschläge für Durchführungsbestimmungen, die auf der Ebene der Europäischen Kommission verabschiedet werden. Dadurch werden nationale Rechtsvorschriften synchronisiert und ein einheitlicher europäischer Rechtsrahmen geschaffen.
Beteiligung an internationalen Abkommen
Die Agentur repräsentiert die EU auch in internationalen zivilen Luftfahrtgremien, beispielsweise der Internationalen Zivilluftfahrtorganisation (ICAO), und trägt zur Entwicklung globaler Luftfahrtsicherheitsstandards bei.
Umweltschutz in der Luftfahrt
Laut geltender EU-Verordnungen ist die EASA beauftragt, Maßnahmen zur Minderung der Umweltbelastung durch den Luftverkehr zu entwickeln und deren Einhaltung zu überwachen. Dazu gehören Vorschläge und Durchsetzungsmechanismen in Bezug auf Emissionsstandards und Lärmschutz.
Marktzugang, Betriebslizenzen und Flugrechte
Ein wichtiger Aufgabenbereich ist die Erteilung und Kontrolle von Betriebsgenehmigungen (Air Operator Certificates, AOC) für Fluggesellschaften und andere Luftfahrtunternehmen innerhalb der EU und hinsichtlich Drittstaaten. Sie prüft, ob Bewerber die notwendigen Sicherheits- und Zuverlässigkeitsstandards erfüllen und erteilt bzw. entzieht Lizenzen, wenn wesentliche Anforderungen nicht mehr vorliegen.
Struktur und Organisation
Leitung und Gremienstruktur
Die EASA wird von einem Exekutivdirektor geleitet, dem ein Management Board zur Seite steht. Das Verwaltungsgremium besteht aus Vertretern aus EU-Mitgliedstaaten, der Europäischen Kommission sowie aus Beobachtern von EWR-Staaten und anderen internationalen Organisationen.
Fachabteilungen und Arbeitsbereiche
Die Agentur ist organisatorisch in verschiedene Direktionen gegliedert, die jeweils spezifische Bereiche wie Zulassung, Regelsetzung, Umwelt und Flugbetrieb abdecken.
Rechtswirkung und rechtliche Einordnung
Bindungswirkung der EASA-Regulierungen
Die von der EASA ausgearbeiteten und von der Europäischen Kommission erlassenen Durchführungsverordnungen und Entscheidungen sind unmittelbar geltendes Recht in allen EU-Mitgliedstaaten sowie in den Staaten des Europäischen Wirtschaftsraums (EWR). Nationale Verfahren und Zuständigkeiten müssen gemäß den Vorgaben der EASA angepasst werden, sofern dies einschlägig ist.
Verhältnis zu nationalen Behörden
Die nationalen Luftfahrtbehörden nehmen vielfach die Funktion der “verlängerten Werkbank” der EASA wahr. Sie sind für die Umsetzung und Überwachung der EASA-Standards auf nationaler Ebene verantwortlich, bleiben jedoch hinsichtlich der Einhaltung europäischer Vorgaben der Überwachung durch die EASA unterworfen.
Rechtsmittel und Rechtsaufsicht
Rechtsakte der EASA können unter bestimmten Voraussetzungen vor dem Gericht der Europäischen Union angefochten werden. Zuständig für die Kontrolle ist der Europäische Gerichtshof (EuGH), insbesondere bei Streitigkeiten über die Anwendbarkeit oder Gültigkeit von EASA-Bestimmungen.
Anwendungsbeispiele und Auswirkungen
Bedeutung für Luftfahrtunternehmen
Für Luftfahrtunternehmen und Hersteller besteht eine umfassende Verpflichtung zur Einhaltung sämtlicher EASA-Vorgaben. Verstöße gegen EASA-Regeln können zum Verlust von Betriebslizenzen, Zulassungen oder zu empfindlichen Sanktionen führen.
Auswirkungen auf Passagiere und Verbraucherrechte
Die EASA trägt durch Standardisierung und Überwachung unmittelbar zur Fahrgastsicherheit und zum Verbraucherschutz im europäischen Luftverkehr bei. Indirekt sichern EASA-Regulierungen auch eine hohe Service- und Leistungstransparenz auf dem europäischen Luftfahrtmarkt.
Internationale Zusammenarbeit und Drittstaatenregelungen
Die EASA arbeitet eng mit internationalen Partnerbehörden außerhalb der EU zusammen und schließt bilaterale Luftsicherheitsabkommen ab, um gegenseitige Anerkennung von Lufttüchtigkeitszeugnissen, Wartungsbetrieben und Pilotenlizenzen zu fördern.
Zusammenfassung
Die EASA stellt das zentrale, rechtlich verankerte Instrument zur Wahrung, Entwicklung und Kontrolle einheitlicher Luftfahrtsicherheits- und Umweltstandards in Europa dar. Ihre Regelungen sind für alle Akteure im europäischen Luftverkehr verbindlich. Zugleich bildet sie das zentrale Bindeglied im Zusammenspiel zwischen europäischen und internationalen Luftfahrtsicherheitsbehörden. Die umfangreichen rechtlichen Kompetenzen der EASA gewährleisten einen einheitlichen und hohen Standard in der zivilen Luftfahrt innerhalb und außerhalb der Europäischen Union.
Häufig gestellte Fragen
Inwieweit ist die EASA rechtlich für die Luftfahrtregulierung innerhalb der EU zuständig?
Die European Union Aviation Safety Agency (EASA) ist als Agentur der Europäischen Union gemäß der Verordnung (EU) 2018/1139 mit der Aufgabe betraut, einheitliche und verbindliche Sicherheitsstandards für die zivile Luftfahrt innerhalb der Mitgliedsstaaten der EU zu entwickeln und durchzusetzen. Rechtsgrundlage bildet hierbei die genannte Basisverordnung sowie daraus abgeleitete delegierte und Durchführungsverordnungen. Die EASA hat unmittelbar bindende Rechtsmacht über bestimmte Bereiche wie beispielsweise die Zertifizierung von Luftfahrzeugen, Wartungsbetrieben sowie in zahlreichen Bereichen der Flugsicherheit. Ihre Verordnungen und Entscheidungen gelten nach Maßgabe des Vorrangs des EU-Rechts direkt bzw. nach nationaler Umsetzung in allen Mitgliedstaaten und gehen damit nationalen Regelungen vor, sofern sie denselben Regelungsgegenstand betreffen. Zuständigkeiten, die nicht ausdrücklich auf die EASA übertragen wurden, verbleiben weiterhin bei den nationalen Luftfahrtbehörden, wobei die Agentur übergreifend koordinierend und überwachend tätig wird (sog. oversight).
In welchen Fällen sind EASA-Verordnungen für natürliche und juristische Personen direkt anwendbar?
EASA-Verordnungen und -Durchführungsrechtsakte sind gemäß Artikel 288 AEUV grundsätzlich als Verordnungen der Europäischen Union konzipiert und somit in allen Mitgliedsstaaten unmittelbar rechtsverbindlich sowie direkt anwendbar. Das bedeutet, sie bedürfen keiner weiteren Umsetzung in das nationale Recht, sondern entfalten in ihrem jeweiligen Anwendungsbereich unmittelbare Wirkung gegenüber allen betroffenen natürlichen (z.B. Piloten, Flugzeughalter) und juristischen Personen (z.B. Luftfahrtunternehmen, Maintenance-Organisationen). Typische Beispiele sind Vorschriften zur Ausstellung und Gültigkeit von Lizenzen (Part-FCL), zum Instandhaltungsbetrieb (Part-145) oder zur Betriebsorganisation von Luftfahrtunternehmen (Part-OPS). Die Anwendbarkeit kann räumlich oder sachlich begrenzt sein, wird aber mit Inkrafttreten der jeweiligen Rechtsakte grundsätzlich vorausgesetzt.
Wie wirken EASA-Bestimmungen auf bestehende nationale Gesetze der Mitgliedstaaten?
EASA-Bestimmungen treten aufgrund ihrer qualifizierten Rechtsnatur entweder ergänzend zu nationalen Gesetzen hinzu, ersetzen diese teilweise oder vollständig oder heben sie inhaltlich auf, sofern EU-Kompetenz vorliegt („Vorrang des Unionsrechts”). Sofern nationale Rechtsvorschriften bereits existieren und einen identischen Regelungsbereich abdecken, werden diese durch den EASA-Rechtsakt entweder verdrängt oder müssen angepasst werden. Nationales Recht bleibt jedoch in den Bereichen relevant, in denen es um ergänzende Regelungen, Umsetzungsdetails oder Bereiche geht, die (noch) nicht durch EASA-Recht geregelt sind (Subsidiaritätsprinzip). Gleichwohl sind die Mitgliedsstaaten verpflichtet, bestehende Gesetze fortlaufend auf Kompatibilität mit EU-Recht zu prüfen und ggf. anzupassen.
Welche rechtlichen Rechte und Pflichten ergeben sich für Luftfahrtunternehmen aus den EASA-Regularien?
Luftfahrtunternehmen innerhalb der Zuständigkeit der EASA unterliegen einer Vielzahl von direkt anwendbaren Verpflichtungen und profitieren zugleich von bestimmten Rechten. Pflichten ergeben sich vor allem im Bereich der Zertifizierung (z.B. Betriebsgenehmigungen nach EASA-OPS), der Einhaltung sicherheitsrelevanter Anforderungen (Safety Management Systems, Reportingpflichten über Vorkommnisse nach Part-ORO), der Ausbildung und Lizenzierung von Personal (gemäß Part-FCL und Part-CC für Flugbegleiter). EASA-Regularien definieren darüber hinaus Rechte, wie z.B. auf EU-weite Anerkennung von ausgestellten Lizenzen und Genehmigungen, den Zugang zu gemeinsamen Märkten innerhalb der EU sowie einen einheitlichen Rechtsraum in Haftungs- und Haftungsfreistellungsfragen. Bei Verstößen besteht eine zweistufige Aufsicht: Die EASA kann Unternehmen direkt oder über nationale Behörden sanktionieren, Strafen verhängen oder Zulassungen aussetzen bzw. entziehen.
Welche rechtlichen Möglichkeiten zur Überprüfung und Anfechtung von EASA-Entscheidungen bestehen?
Entscheidungen der EASA, etwa zur Versagung, zum Widerruf oder zur Änderung einer Zertifizierung, können von direkt betroffenen natürlichen und juristischen Personen vor dem European General Court (Gericht der Europäischen Union) gemäß Artikel 263 AEUV angefochten werden. Die Klage muss dabei innerhalb von zwei Monaten nach Bekanntgabe der Entscheidung eingereicht werden. Im Rahmen der Rechtsschutzgarantie wird die EASA verpflichtet, Verwaltungsverfahren transparent, nachvollziehbar und im Einklang mit den Grundrechten der EU (z.B. rechtliches Gehör) durchzuführen. Für spezifische nationale Aspekte oder Fragen der Umsetzung sind die jeweiligen nationalen Verwaltungsgerichte zuständig. Zudem besteht die Möglichkeit, Beschwerden an den Europäischen Bürgerbeauftragten zu richten, sollte eine Missachtung von Verwaltungsgrundsätzen angenommen werden.
Gibt es Ausnahmen oder Sonderregelungen im Anwendungsbereich der EASA-Regelungen?
Im Rahmen der EASA-Basisverordnung und der dazugehörigen Durchführungsrechtsakte sind für bestimmte Kategorien von Luftfahrzeugen, Betrieben oder Aktivitäten explizit Ausnahmen vorgesehen. Typische Beispiele sind Staatsluftfahrzeuge, historische Luftfahrzeuge, Militärflugzeuge sowie bestimmte leichte Luftfahrzeuge (z.B. nach Annex I). Für diese Bereiche verbleibt die Regelungskompetenz weitgehend bei den Mitgliedstaaten, die eigene Vorschriften erlassen oder weiter anwenden können. Ebenso können Ausnahmen aus „operationalen Gründen” (der sogenannten flexibility clause) gemäß Artikel 71 der Basisverordnung beantragt werden, die jedoch nach einem im Rechtsakt genau definierten Verfahren von der Kommission bzw. EASA genehmigt werden müssen und zeitlich sowie sachlich beschränkt sind.
Inwieweit ist die EASA in der Standardsetzung mit internationalen Organisationen (z.B. ICAO) rechtlich verflochten?
Die EASA agiert im Rahmen ihrer rechtlichen Kompetenzen als Vertreterin der Europäischen Union in Fragen der Luftfahrt auf internationaler Ebene, vor allem in Bezug auf die International Civil Aviation Organization (ICAO). Sie ist verpflichtet, die Vorgaben und Standards der ICAO bei der Ausarbeitung und Umsetzung von Regelwerken zu berücksichtigen, da die Mitgliedsstaaten der EU zugleich Vertragsstaaten der ICAO sind. Die rechtliche Bindungswirkung ergibt sich aus der Einbindung der ICAO-Standards (Annexe) in die EU-Gesetzgebung, wobei Abweichungen („Differences”) der EU von ICAO-Standards formell notifiziert und veröffentlicht werden müssen. Die EASA ist zudem autorisiert, im Auftrag der EU bilaterale Abkommen im Bereich der Luftsicherheit abzuschließen (z.B. mit den USA, Kanada, Brasilien), welche die gegenseitige Anerkennung von Zertifikaten oder technischen Standards regeln und direkte rechtliche Wirkungen für die betroffenen Unternehmen entfalten.