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Durchgangserwerb


Begriff und Grundlagen des Durchgangserwerbs

Der Begriff Durchgangserwerb ist ein zivilrechtlicher Terminus und beschreibt eine besondere Konstellation im Bereich des Sachenrechts, insbesondere bei der Übertragung des Eigentums an beweglichen Sachen (§§ 929 ff. BGB). Der Durchgangserwerb liegt vor, wenn das Eigentum an einer Sache von einer Person auf eine zweite Person und unmittelbar anschließend auf eine dritte Person übertragen wird, wobei die zweite Person das Eigentum nur in einem „Durchgang“ – meist für einen sehr kurzen Zeitpunkt oder sogar nur rechtlich, aber nicht tatsächlich – erwirbt und es sogleich wieder verliert. Diese Konstruktion hat praktische Bedeutung unter anderem bei Abtretungen, Sicherungsübereignungen, Treuhandverhältnissen und im Rahmen der sogenannten Übertragungskette.

Rechtliche Voraussetzungen des Durchgangserwerbs

Abstraktes und kausales System

Das deutsche Sachenrecht unterscheidet zwischen dem Verpflichtungsgeschäft (z. B. Kaufvertrag nach § 433 BGB) und dem Verfügungsgeschäft, wobei letzteres die dingliche Eigentumsübertragung beinhaltet. Beim Durchgangserwerb finden zwei Verfügungsgeschäfte unmittelbar nacheinander statt. Entscheidend ist, dass jede Übertragungsschritt den Anforderungen des § 929 BGB – Einigung und Übergabe – genügen muss.

Voraussetzungen im Detail

Für einen wirksamen Durchgangserwerb müssen insbesondere folgende Voraussetzungen vorliegen:

  • Einigung über die Eigentumsübertragung mit und von jedem an der Kette Beteiligten (z. B. Einigung A an B, B an C).
  • Besitzverschaffung an den jeweiligen Erwerber oder einem Besitzmittler gemäß § 930 BGB (Besitzkonstitut) oder § 931 BGB (Abtretung des Herausgabeanspruchs).
  • Verfügungsgeschäft muss für jede Übertragung wirksam sein, d. h., die Beteiligten müssen geschäftsfähig und verfügungsberechtigt sein und keine Verfügungsbeschränkungen (z. B. Insolvenz, Sicherungsübereignung Dritter) dürfen entgegenstehen.

Rechtliche Gestaltungsmöglichkeiten bei Durchgangserwerb

Direkter und indirekter Durchgangserwerb

  • Direkter Durchgangserwerb liegt vor, wenn die Sache tatsächlich nacheinander an die Beteiligten übergeben wird.
  • Indirekter Durchgangserwerb spielt vor allem dann eine Rolle, wenn die Übergabe durch Besitzmittlungsverhältnisse ersetzt wird (z. B. Besitzkonstitut).

Anwendungen in der Rechtspraxis

Durchgangserwerb findet häufig Anwendung bei der Sicherungsübereignung (Banken vergeben Kredite und erhalten zur Sicherung das Eigentum durch „Durchgang“ über den Händler), bei Kettenlieferungen im internationalen Warenhandel und bei Grundstückstransaktionen im Rahmen von Treuhandverhältnissen oder im Rahmen von Auseinandersetzungen in Erb- und Scheidungsfällen.

Bedeutung des Durchgangserwerbs für den gutgläubigen Erwerb

Im Zusammenhang mit dem gutgläubigen Erwerb (§§ 932 ff. BGB) ist der Durchgangserwerb besonders relevant. Steht beispielsweise nur einer der Zwischenerwerber in gutem Glauben an das Eigentum des Veräußerers, so kann dieser gemäß den Vorschriften dennoch Eigentum erwerben, wenn die weiteren Voraussetzungen entsprechend erfüllt sind.

Zudem löst ein Durchgangserwerb die sogenannte „Durchgangsproblematik“: Wer tatsächlich als neuer Eigentümer gilt, ist entscheidend für anschließende Rechtsfolgen wie Ansprüche auf Herausgabe, Rücktritt von Verträgen oder Rückabwicklung nach Erwerberinsolvenz.

Treuhandverhältnisse und Durchgangserwerb

Der Durchgangserwerb spielt weiterhin eine bedeutende Rolle im Rahmen von Treuhandverhältnissen, etwa beim Treuhandkauf oder Sicherungstreuhand. Hier erwirbt der Treuhänder das Eigentum kurzzeitig, um es anschließend vertragsgemäß auf den Treugeber oder einen Dritten zu übertragen. Der Treuhänder hält meist das formale Eigentum am Wirtschaftsgut, ohne jedoch volle Verfügungsgewalt auszuüben, was rechtlich komplexe Rückübertragungen begründen kann.

Besonderheiten bei Grundstücken und im Grundbuchrecht

Im Immobiliarsachenrecht wird der Durchgangserwerb über die Eintragung im Grundbuch abgewickelt (§§ 873, 925 BGB). Auch hierbei kann es zu mehrstufigen Übertragungsvorgängen von Eigentumsrechten kommen, etwa bei Kettenübertragungen im Rahmen von Zwangsversteigerungen, Erbauseinandersetzungen oder Sicherungsübereignungen von Rechten an Grundstücken.

Rechtsfolgen bei Fehlern im Durchgangserwerb

Anfechtbarkeit und Unwirksamkeit

Entsprechen eine oder mehrere aufeinanderfolgende Übertragungen im Rahmen des Durchgangserwerbs nicht den gesetzlichen Formerfordernissen oder sind anfechtbar, etwa nach § 142 BGB (Anfechtung wegen Irrtums oder Täuschung), so kann dies die gesamte Kette der Eigentumsübertragungen beeinflussen. Eine fehlerhafte Übertragung im Rahmen des Durchgangserwerbes kann zur Rückabwicklung (und gegebenenfalls zur Rückübertragung) führen.

Gutgläubigkeit und Schutz des Rechtsverkehrs

Das System des Durchgangserwerbs schützt insbesondere den Rechtsverkehr im Hinblick auf den Bestand des Eigentums sowie andere dingliche Ansprüche. Insbesondere der gutgläubige Erwerb wird durch die stringente Anwendung der Vorschriften sichergestellt.

Zusammenfassung und Bedeutung in der Rechtsanwendung

Der Durchgangserwerb ist ein essenzieller Grundsatz im deutschen Zivil- und Sachenrecht und gewährleistet die Sicherheit und Liquidität im Rechtsverkehr, sowohl bei beweglichen Sachen als auch bei Immobilien. Er kommt regelmäßig bei komplexen Transaktions- und Sicherungsmodellen zum Einsatz und stellt hohe Anforderungen an die Einhaltung der gesetzlichen Form- und Wirksamkeitserfordernisse.

Seine rechtliche Ausgestaltung und Handhabung entscheiden maßgeblich über den Erfolg oder Misserfolg von Eigentumsübertragungen und Rückabwicklungen in vertragsrechtlichen, sachenrechtlichen sowie insolvenzrechtlichen Anwendungsszenarien.

Häufig gestellte Fragen

Wann gilt der Durchgangserwerb als rechtlich wirksam?

Der Durchgangserwerb wird rechtlich wirksam, sobald das Rechtsgeschäft, das den Erwerb des Rechts durch den sogenannten „Durchgangserwerber“ vorsieht, die zivilrechtlichen Formerfordernisse und Voraussetzungen erfüllt. In der Regel handelt es sich hierbei um mehrgliedrige Erwerbsvorgänge, bei denen das Recht – typischerweise das Eigentum an einer Sache – nicht dauerhaft beim Zwischenerwerber verbleibt, sondern unmittelbar weitergeleitet wird. Juristisch sauber ausgestaltet ist dies vor allem bei Grundstücksübertragungen und im Rahmen von Sicherungsgeschäften relevant. Die rechtliche Wirksamkeit setzt hierbei voraus, dass alle an der Kette beteiligten Rechtsgeschäfte formgültig abgeschlossen werden, etwa durch notarielle Beurkundung bei Grundstücken gemäß § 311b BGB. Außerdem müssen alle obligatorischen und dinglichen Verträge die jeweiligen Einigungserklärungen und Übergaben bzw. Eintragungen enthalten. Ein gesonderter Rechtserwerb des Zwischenerwerbers ist nicht erforderlich, sofern dieser von Anfang an nicht zur dauerhaften Erlangung des Rechts, sondern nur zur Durchleitung eingesetzt wird.

Welche Bedeutung hat der Durchgangserwerb im deutschen Sachenrecht?

Der Durchgangserwerb spielt im deutschen Sachenrecht, insbesondere bei der Übertragung von Immobilien und beweglichen Sachen, eine wichtige Rolle. Er dient dazu, komplexe Rechtsgeschäfte abzuwickeln, bei denen das Eigentum an einer Sache, häufig aus steuerlichen, haftungsrechtlichen oder vertraglichen Gründen, nicht direkt, sondern über eine vermittelnde Person oder Instanz weitergeleitet wird. Dies ermöglicht eine flexible Vertragsgestaltung und bietet rechtliche Sicherheit, wenn beispielsweise Voraussetzungen für die Eigentumsübertragung noch nicht vollständig vorliegen oder schnell wechselnde Transaktionen erforderlich sind. Im Sachenrecht ist dabei entscheidend, dass zwischen dem zeitlichen Auseinanderfallen von Verpflichtungsgeschäft (Verkauf) und Verfügungsgeschäft (Eigentumsübergang) unterschieden wird und der „Durchgangserwerber“ lediglich als Bindeglied auftritt.

Gibt es besondere Formerfordernisse beim Durchgangserwerb?

Ja, die allgemeinen Formerfordernisse des jeweiligen Rechtsgeschäfts gelten auch beim Durchgangserwerb uneingeschränkt. So muss etwa bei der Übertragung von Grundstückseigentum jeder Zwischenerwerb notariell beurkundet und im Grundbuch eingetragen werden (§§ 873, 925 ff. BGB). Bei beweglichen Sachen ist die Übergabe gemäß § 929 BGB Voraussetzung. Da der Zwischenerwerb zumeist nicht auf eine dauerhafte Eigentumserlangung ausgerichtet ist, braucht der „Durchgangserwerber“ jedoch nur für einen rechtlich oft sehr kurzen Zeitraum Inhaber des Rechts zu sein, was aber die Gültigkeit der Formvorschriften nicht beeinträchtigt. Verletzt eine Partei die notwendige Form, wird der gesamte Erwerbsvorgang unwirksam, einschließlich aller daran anknüpfenden Folgegeschäfte.

Kann der Durchgangserwerb Rückwirkend angefochten werden?

Der Durchgangserwerb kann grundsätzlich wie jedes andere zivilrechtliche Rechtsgeschäft nach den allgemeinen Regeln (§ 119 ff. BGB) rückwirkend angefochten werden, sofern ein Anfechtungsgrund, wie z.B. Irrtum, arglistige Täuschung oder Drohung, vorliegt. Die Anfechtung muss sich dann auf das jeweilige Einzelgeschäft beziehen, das die Rechtekette begründet hat. Wird das Rechtsgeschäft zwischen dem Ersterwerber und dem Durchgangserwerber wirksam angefochten, so ist auch die daran anschließende Übertragung an den nächsten Erwerber nichtig, es sei denn, dieser ist gutgläubig und der Rechtserwerb ist nach den Bestimmungen des gesetzlichen Verkehrsschutzes (z.B. §§ 892, 932 BGB) geschützt.

Wie unterscheidet sich der Durchgangserwerb von der direkten Rechtsübertragung?

Der Durchgangserwerb unterscheidet sich von der direkten Rechtsübertragung dadurch, dass das Recht (zum Beispiel Eigentum) nicht unmittelbar vom ursprünglichen Berechtigten an den Enderwerber übertragen wird, sondern ein oder mehrere Zwischenstationen über einen oder mehrere Zwischenerwerber durchläuft. Diese eingeschalteten Personen erwerben formal das Recht entweder kurzzeitig oder sogar nur fiktiv, um es direkt im Anschluss weiterzuübertragen. Gründe für ein solches Vorgehen liegen oft im Steuerrecht, in der Haftungsabschirmung oder in Treuhandverhältnissen. Rechtlich gesehen sind die Verkäufe oder Abtretungen eigenständige Akte, die formal und materiell-rechtlich eigenständig zu prüfen sind, während bei der direkten Übertragung das Recht ohne zwischengeschaltete Personen vom ursprünglichen Eigentümer auf den neuen Eigentümer übergeht.

Welche Risiken bestehen beim Durchgangserwerb für die Beteiligten?

Beteiligte beim Durchgangserwerb sind erhöhten Risiken ausgesetzt, unter anderem dem Risiko von Fehlern in der Rechtskette. Kommt es beispielsweise in einem Stadium zu einem Formmangel, zur Anfechtung oder zur Nichtigkeit eines Vertrags, kann die gesamte Transaktion unwirksam werden. Hinzu kommen potenzielle insolvenzrechtliche Risiken, etwa wenn der Durchgangserwerber insolvent wird, bevor der letzte Übertragungsvorgang abgeschlossen ist. Weiterhin besteht ein erhöhtes Risiko für Treuhänder- oder Stellvertreterkonstellationen, insbesondere hinsichtlich der ordnungsgemäßen Befolgung von Weisungen und der Vermeidung von Interessenkollisionen. Steuerliche und abgabenrechtliche Risiken können hinzutreten, etwa wenn die Finanzbehörden eine missbräuchliche Gestaltung vermuten.

Muss der Durchgangserwerb dem Grundbuch offengelegt werden?

Im Falle von Immobilientransaktionen muss jeder Eigentumswechsel, also auch der vorübergehende Erwerb durch einen Durchgangserwerber, im Grundbuch eingetragen werden (§§ 873, 925 BGB). Das Grundbuch stellt damit lückenlos die Ablaufkette aller Eigentümer dar. Eine Geheimhaltung des Durchgangserwerbers ist nicht möglich, da das Grundbuch öffentlicher Glaube genießt und jedermann im berechtigten Interesse Einsicht nehmen kann. Auch aus notarieller und steuerlicher Sicht muss der Erwerb offen dokumentiert werden, was insbesondere bei sogenannten Kettenveräußerungen rechtlich relevant ist.

Welche steuerlichen Implikationen sind beim Durchgangserwerb zu beachten?

Beim Durchgangserwerb können steuerliche Folgen entstehen, insbesondere die Mehrfachbelastung mit Grunderwerbsteuer oder Umsatzsteuer im Fall der Übertragung von Immobilien oder Unternehmen. Allerdings besteht nach § 3 Nr. 3 GrEStG für Fälle, in denen der Erwerber unmittelbar für Rechnung eines Dritten handelt und das Grundstück sogleich an diesen weiterveräußert, unter bestimmten Voraussetzungen eine Steuerbefreiung, um eine Kettenbesteuerung zu vermeiden. Kritisch ist jedoch, dass die Voraussetzungen des Gesetzes strikt eingehalten werden müssen. Die steuerliche Behandlung sollte daher stets im Vorfeld sorgfältig geprüft werden, um vermeidbare Belastungen oder die Versagung steuerlicher Vorteile zu vermeiden.