Begriff und rechtliche Grundlagen des Dualen Systems
Das Duale System ist ein zentraler Begriff im deutschen Umweltrecht und bezeichnet vorrangig das privatwirtschaftlich organisierte System der Sammlung, Sortierung, Verwertung und Entsorgung von Verkaufsverpackungen gemäß den Vorgaben des deutschen Verpackungsgesetzes (VerpackG). Seine rechtliche Ausgestaltung und Entwicklung sind eng mit der Einführung der gesetzlichen Pflicht zur Rücknahme und Verwertung von Verpackungsabfällen verbunden. Das Duale System stellt ein alternatives Sammel- und Verwertungssystem außerhalb der öffentlichen Abfallentsorgung dar und ist maßgeblicher Bestandteil der Umsetzung der Produktverantwortung nach § 23 KrWG (Kreislaufwirtschaftsgesetz).
Entstehung und geschichtliche Entwicklung
Historischer Hintergrund
Die Entstehung des Dualen Systems ist auf die Anfang der 1990er Jahre gestiegenen Anforderungen an das Recycling und die Abfallvermeidung in Deutschland zurückzuführen. Mit Inkrafttreten der Verpackungsverordnung (VerpackV) im Jahr 1991 wurde erstmals eine flächendeckende Verantwortung der Hersteller und Vertreiber für ihre Verpackungsabfälle normiert. Dies forderte die Einrichtung eines privatwirtschaftlich organisierten Rücknahmesystems – das sogenannte Duale System.
Einführung des „Grünen Punkts”
Das bekannteste System in diesem Zusammenhang ist das 1990 gegründete „Duale System Deutschland GmbH (DSD)”. Es führte das Symbol des „Grünen Punkts” als Kennzeichen für am System teilnehmende Verkaufsverpackungen ein und organisierte bundesweit die Sammlung über gelbe Säcke bzw. Tonnen. Der Begriff „Duales System” etablierte sich als Synonym für privatwirtschaftliche Rücknahmesysteme, die im Wettbewerb zur öffentlich-rechtlichen Abfallentsorgung agieren.
Rechtliche Einordnung und Gesetzesgrundlagen
Verpackungsgesetz (VerpackG)
Das derzeit maßgebliche Regelwerk ist das Verpackungsgesetz (VerpackG, in Kraft seit 1. Januar 2019), welches die Pflichten von Herstellern und Vertreibern von Verpackungen detailliert regelt. § 3 Abs. 16 VerpackG definiert ein „duales System” als ein nach § 18 VerpackG zugelassenes System zur Erfassung, Sortierung und Verwertung von solchen Verkaufsverpackungen, die typischerweise als Abfall beim privaten Endverbraucher anfallen. Das Gesetz verpflichtet die Inverkehrbringer systembeteiligungspflichtiger Verpackungen zur Beteiligung an einem oder mehreren dualen Systemen (§ 7 VerpackG).
Kreislaufwirtschaftsgesetz (KrWG)
Ergänzend benennt das Kreislaufwirtschaftsgesetz (§§ 23 ff. KrWG) Grundpflichten der Produktverantwortung, unter die auch die Organisation der Rücknahme und Verwertung von Verpackungen durch duale Systeme fällt. Ziel ist eine nachhaltige Kreislaufwirtschaft zur Schonung von Ressourcen und zur Reduzierung von Umweltbelastungen.
Allgemeine Rahmenbedingungen und Zulassung
Duale Systeme müssen gemäß § 18 VerpackG eine bundesweite flächendeckende Erfassung und Verwertung gewährleisten und jährliche Quoten für die stoffliche Verwertung und das Recycling einhalten. Die Zulassung erfolgt durch die Stiftung Zentrale Stelle Verpackungsregister (ZSVR), die u.a. Registerführung (§ 9 VerpackG), Kontrolle und Überwachung der Systeme wahrnimmt.
Funktionsweise und Pflichten der Beteiligten
Beteiligungspflicht der Inverkehrbringer
Hersteller und Vertreiber von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen müssen sich an einem dualen System beteiligen und die von ihnen in Verkehr gebrachten Verpackungsmengen lizenzieren lassen. Die Gebühren richten sich nach Art und Menge der verwendeten Verpackungen.
Organisation der Abholung und Verwertung
Die dualen Systeme organisieren eigenverantwortlich die Abholung (z.B. über Gelber Sack, Gelbe Tonne, Wertstoffhöfe), Sortierung und das Recycling der gesammelten Verpackungen. Vertragliche Beziehungen bestehen zu Sammel- und Entsorgungsunternehmen. Die Systeme erfüllen Recyclingquoten nach Maßgabe des § 16 VerpackG.
Nachweis- und Dokumentationspflichten
Duale Systeme unterliegen umfangreichen Nachweis-, Dokumentations- und Meldepflichten gegenüber der Zentralen Stelle (§ 17 VerpackG). Dies umfasst insbesondere den jährlichen Mengenstromnachweis zur Erfüllung der Recyclingquoten und die Prüfung durch einen sachverständigen Prüfer (bspw. § 27 Abs. 2 VerpackG).
Wettbewerb und Marktstruktur
Seit der Marktöffnung ab 2003 bestehen in Deutschland mehrere zugelassene duale Systeme, die im Wettbewerb um die Systembeteiligung der Hersteller stehen. Das Bundeskartellamt überwacht die Einhaltung des Wettbewerbsrechts im Bereich der dualen Systeme.
Abgrenzung zu anderen Rücknahmesystemen
Während sich das duale System auf Verkaufsverpackungen bezieht, existieren Parallelregelungen zu Transportverpackungen, Mehrwegverpackungen und stoffgleichen Nichtverpackungen. Diese unterliegen eigenen Rücknahmepflichten, die nicht durch die dualen Systeme abgedeckt werden.
Rechtliche Streitfragen und Entwicklungen
Europarechtlicher Bezug
Das Duale System in Deutschland setzt Vorgaben der EU-Abfallrahmenrichtlinie und der EU-Verpackungsrichtlinie um, insbesondere hinsichtlich der Produktverantwortung und Verwertungsquoten.
Rechtsprechung und Auslegungsfragen
Die rechtliche Ausgestaltung des Dualen Systems war wiederholt Gegenstand gerichtlicher Auseinandersetzungen. Hierzu zählen Fragen der Abgrenzung zwischen privaten und kommunalen Sammelstrukturen, der Systembeteiligungspflicht, der Überprüfung von Recyclingquoten sowie des Marktzugangs für neue Systeme.
Reformen und Ausblick
Mit Inkrafttreten des Verpackungsgesetzes 2019 wurden Systembeteiligungspflichten verschärft, die Zentralisierung der Kontrolle durch die ZSVR gestärkt und die Nachweispflichten erweitert. Politische und rechtliche Entwicklungen zielen auf eine stetige Erhöhung der Recyclingquoten und eine weitere Schärfung der Produktverantwortung.
Zusammenfassung
Das Duale System ist ein elementarer Bestandteil des deutschen Abfall- und Umweltrechts. Es gewährleistet die privatwirtschaftlich organisierte Rücknahme und Verwertung von Verkaufsverpackungen in Erfüllung gesetzlicher Produktverantwortung. Seine rechtliche Regulierung erfolgt vorrangig durch das Verpackungsgesetz unter Überwachung der Zentralen Stelle Verpackungsregister. Systembeteiligung, Umlaufnachweise und Einhaltung von Verwertungsquoten bilden dabei zentrale rechtliche Verpflichtungen. Die kontinuierliche Weiterentwicklung des Systems dient sowohl nationalen als auch europäischen Zielen der Ressourcenschonung und Abfallvermeidung.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Pflichten bestehen für Hersteller und Vertreiber im Rahmen des Dualen Systems?
Hersteller und Vertreiber von verpackten Waren, die typischerweise beim privaten Endverbraucher anfallen, unterliegen gemäß dem Verpackungsgesetz (VerpackG) einer sogenannten Systembeteiligungspflicht. Demnach sind sie verpflichtet, ihre Verpackungen bei einem in Deutschland zugelassenen Dualen System (wie z.B. Der Grüne Punkt, BellandVision, Interseroh etc.) zu lizenzieren und die entsprechenden Lizenzentgelte zu entrichten. Sie müssen sich zudem vor dem Inverkehrbringen von systembeteiligungspflichtigen Verpackungen im Verpackungsregister “LUCID” der Zentralen Stelle Verpackungsregister registrieren und die dort erforderlichen Mengenmeldungen fristgerecht und korrekt abgeben. Eine weitere rechtliche Verpflichtung besteht darin, einen Nachweis über das gewählte Duale System sowie die gemeldeten Mengen für einen Zeitraum von mindestens drei Jahren aufzubewahren. Daneben kann eine korrekte Kennzeichnung der Verpackungen erforderlich sein. Verstöße gegen diese Pflichten können als Ordnungswidrigkeiten mit erheblichen Bußgeldern geahndet werden.
Welche Kontroll- und Überwachungspflichten sieht das Verpackungsgesetz für die Dualen Systeme vor?
Das Verpackungsgesetz verpflichtet die Dualen Systeme, eine ordnungsgemäße Erfassung, Sortierung und Verwertung der gesammelten Verpackungsabfälle sicherzustellen. Die Systeme müssen jährliche Mengenstromnachweise über sämtliche lizenzierten Verpackungen und deren Verbleib an die Zentrale Stelle Verpackungsregister und die zuständigen Landesbehörden vorlegen. Hierbei ist insbesondere die Einhaltung der vorgegebenen Recycling- und Verwertungsquoten zu dokumentieren und zu gewährleisten. Die Dualen Systeme sind zudem verpflichtet, stichprobenartige Kontrollen durchzuführen und mögliche Manipulationen oder Falschangaben bei der Beteiligungspflicht der Hersteller zu melden. Bei Nichterfüllung dieser Vorgaben drohen erhebliche Sanktionen bis hin zur Entziehung der Systemgenehmigung.
Unterliegen alle Verpackungen der Lizenzierungspflicht über das Duale System?
Nein, das Verpackungsgesetz unterscheidet zwischen verschiedenen Verpackungsarten. Nur sogenannte systembeteiligungspflichtige Verpackungen, die typischerweise beim privaten Endverbraucher als Abfall anfallen (Verkaufsverpackungen und Umverpackungen), müssen bei einem Dualen System lizenziert werden. Transportverpackungen, die im Handel verbleiben oder industriell genutzte Verpackungen, unterliegen anderen Vorgaben, beispielsweise Rücknahmepflichten durch die Hersteller selbst, aber nicht zwangsläufig der Systembeteiligungspflicht. Auch Serviceverpackungen (wie To-Go-Becher oder Tragetaschen) können in bestimmten Fällen vom Letztvertreiber im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens lizenziert werden.
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die Systembeteiligungspflicht?
Verstöße gegen die Systembeteiligungspflicht stellen eine Ordnungswidrigkeit nach dem Verpackungsgesetz dar und können mit Bußgeldern bis zu 200.000 Euro geahndet werden. Zu den sanktionierbaren Verstößen zählen insbesondere das Inverkehrbringen nicht lizenzierter Verpackungen, eine fehlende oder fehlerhafte Registrierung im Verpackungsregister LUCID oder die unzureichende oder verspätete Mengenmeldung. Darüber hinaus können Wettbewerbsverbände oder Mitbewerber Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche geltend machen. Wiederholt gravierende Verstöße führen im Extremfall zum Vertriebsverbot durch die zuständigen Behörden.
Welche Mitteilungspflichten bestehen gegenüber der Zentralen Stelle Verpackungsregister?
Hersteller und Vertreiber sind verpflichtet, der Zentralen Stelle Verpackungsregister vor Inverkehrbringen der Verpackungen sowohl die Grundlagen ihrer Systembeteiligung (z.B. Name und Registriernummer des Dualen Systems) als auch die jährlich und gegebenenfalls unterjährig bei Dualen Systemen lizenzierten Verpackungsmengen elektronisch zu melden. Darüber hinaus sind Änderungen bei den Unternehmensdaten oder beim Umfang der Systembeteiligung unverzüglich eigenständig zu kommunizieren. Die Zentralen Stelle kann im Rahmen ihrer Überwachungsfunktion jederzeit Auskünfte verlangen und stichprobenartige Prüfungen durchführen.
Gibt es Ausnahmen oder Sonderregelungen im Verpackungsgesetz für Kleinstmengen oder bestimmte Branchen?
Das Verpackungsgesetz kennt keine grundsätzliche Bagatellgrenze: Jeder Hersteller und Vertreiber, der systembeteiligungspflichtige Verpackungen in Verkehr bringt, ist verpflichtet, diese zu lizenzieren und sich zu registrieren, unabhängig von der Menge. Allerdings existieren für bestimmte Branchen – etwa für Dienstleister, die Serviceverpackungen ausgeben – vereinfachte Verfahren, nach denen die Systembeteiligungspflicht auf vorgelagerte Lieferanten übertragen werden kann. Dennoch bleibt die Verpflichtung zur Registrierung im Verpackungsregister bestehen. Auch für Versandhändler mit grenzüberschreitendem Warenverkehr gibt es spezielle Regelungen im Rahmen der erweiterten Herstellerverantwortung.
Wie wird sichergestellt, dass das Duale System bundesweit einheitlich funktioniert?
Die rechtlichen Rahmenbedingungen und Vorgaben für Duale Systeme sind bundesweit verbindlich im Verpackungsgesetz geregelt. Die zentrale bundesweite Überwachung obliegt der Zentralen Stelle Verpackungsregister, die sowohl die Einhaltung der Herstellerpflichten als auch den Betrieb der Dualen Systeme prüft. Gleichwohl erfolgt die praktische Umsetzung regional über die jeweiligen Systembetreiber, die jedoch nach bundeseinheitlichen Maßstäben arbeiten müssen. Die Lizenzentgelte und die Organisation der Abweserlingserfassung variieren teilweise regional, doch die gesetzlichen Ziele hinsichtlich Sammlung und Recycling sind überall einheitlich vorgegeben.