Begriff und rechtliche Bedeutung der Drohung
Die Drohung stellt ein zentrales Institut im deutschen Recht dar und begegnet insbesondere im Zivilrecht, Strafrecht und Arbeitsrecht vielfältigen Ausgestaltungen. Der Begriff bezeichnet das Inaussichtstellen eines Übels, auf dessen Eintritt der Drohende Einfluss zu haben vorgibt und welches geeignet erscheint, eine andere Person zu einem bestimmten Verhalten zu veranlassen. Drohungen sind ein wesentliches Element zahlreicher Rechtsnormen und können sowohl die Nichtigkeit oder Anfechtbarkeit von Rechtsgeschäften als auch strafrechtliche Konsequenzen nach sich ziehen.
Drohung im Zivilrecht
Legaldefinition und Merkmale
Die Definition der Drohung im Zivilrecht findet sich in § 123 Absatz 1 BGB. Dort wird Drohung als das Inaussichtstellen eines künftigen, empfundenen Übels bezeichnet, dessen Eintritt der Drohende aus Sicht des Bedrohten beeinflussen kann. Wesentlich ist hierbei, dass der Bedrohte zu einer Willenserklärung bestimmt wird, die er ohne die Drohung nicht abgegeben hätte.
Anforderungen an die Drohung
- Inaussichtstellen eines Übels: Das angekündigte Übel muss geeignet sein, auf den Willen des Bedrohten wirken zu können.
- Einflussmöglichkeit: Der Drohende muss in der Lage erscheinen, das Übel auch tatsächlich herbeizuführen.
- Kausalität: Zwischen Drohung und Willenserklärung muss ein Kausalzusammenhang bestehen.
Rechtsfolgen
Erfolgt die Abgabe einer Willenserklärung durch Drohung, ist die Erklärung gemäß § 123 Absatz 1 BGB anfechtbar. Die Anfechtung kann binnen eines Jahres ab Kenntnis von Täuschung oder Drohung erfolgen (§ 124 BGB). Die Anfechtung führt zur Nichtigkeit des Rechtsgeschäfts ex tunc, d. h., rückwirkend ab dem Zeitpunkt seiner Vornahme.
Grenzen der Anfechtbarkeit
Nicht jede Drohung begründet ein Anfechtungsrecht. Unrechtmäßig ist die Drohung, wenn entweder das in Aussicht gestellte Übel oder der Zweck, zu dem gedroht wird, unzulässig ist. Laut § 123 BGB ist insbesondere die Drohung mit einer rechtmäßigen Handlung nicht ohne Weiteres widerrechtlich; eine Bewertung nach den Umständen des Einzelfalles ist erforderlich.
Drohung im Strafrecht
Grundtatbestand der Bedrohung (§ 241 StGB)
Im Strafrecht ist die Drohung zentrales Element des Straftatbestandes der Bedrohung nach § 241 StGB. Hierunter fällt das Aussprechen von Drohungen gegen Leib, Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum oder Vermögen einer Person.
Objektive und subjektive Tatbestandsmerkmale
- Adressat der Drohung: Die Bedrohung muss gegenüber einer bestimmten Person erfolgen.
- Erforderlicher Ernst: Die Drohung muss aus Sicht des Opfers ernsthaft erscheinen; bloße Spaßdrohungen genügen nicht.
- Vorsatz: Der Täter muss die Drohung mit Wissen und Wollen aussprechen.
Weitere strafrechtliche Normen mit Drohungsbezug
Auch in anderen Delikten kommt der Drohung rechtliche Bedeutung zu, etwa bei Erpressung (§ 253 StGB), Nötigung (§ 240 StGB), Raub (§ 249 StGB) oder räuberischer Erpressung (§ 255 StGB). In diesen Fällen ist die Drohung mit erheblichem Übel oder Gewalt ein notwendiges Tatbestandsmerkmal.
Verbotene Drohung und Strafrahmen
Die Strafbarkeit richtet sich nach dem spezifischen Tatbestand und dessen Strafrahmen. Bei der Bedrohung nach § 241 StGB ist eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder Geldstrafe vorgesehen. Werden weitergehende Rechtsgüter (z. B. bei Erpressung oder Raub) bedroht, sind erheblich höhere Freiheitsstrafen möglich.
Drohung im Arbeitsrecht
Auch im Arbeitsrecht spielt die Drohung eine bedeutende Rolle, etwa im Zusammenhang mit dem Abschluss und der Beendigung von Arbeitsverhältnissen.
Kündigung und Drohung
Eine unter Drohung ausgesprochene oder erzwungene Kündigung kann nach § 123 BGB angefochten und damit rückwirkend unwirksam gemacht werden. Besondere Bedeutung kommt dem Schutz von Arbeitnehmern vor unzulässigem Druck oder unzulässigen Drohungen des Arbeitgebers während des Arbeitsverhältnisses zu.
Besonderheiten bei Aufhebungsverträgen
Gleiches gilt für Aufhebungsverträge, die unter dem Einfluss einer rechtswidrigen Drohung geschlossen wurden: Auch hier ist Anfechtung möglich.
Drohung im öffentlichen Recht
Im öffentlichen Recht begegnet die Drohung als Element von Verwaltungsakten oder im Zusammenhang mit hoheitlicher Befehls- und Zwangsgewalt.
Verwaltungsvollstreckung
Im Rahmen der Verwaltungsvollstreckung kann die Androhung von Zwangsmitteln als Voraussetzung für die Anordnung von Zwangsmaßnahmen rechtlich vorgeschrieben sein (§ 13 VwVG).
Abgrenzung zur erlaubten hoheitlichen Androhung
Nicht jede behördliche Androhung ist unzulässig; vielmehr sind solche Ankündigungen rechtmäßig, die auf einer gesetzlichen Grundlage erfolgen und verhältnismäßig sind.
Abgrenzung: Drohung, Nötigung und Erpressung
Verhältnis zu anderen Tatbeständen
Die rechtliche Bewertung der Drohung erfolgt oftmals im Kontext ähnlich gelagerter Rechtsinstitute:
- Nötigung (§ 240 StGB): Hier ist eine Drohung mit einem empfindlichen Übel oder Gewaltanwendung zentrales Tatbestandsmerkmal.
- Erpressung (§ 253 StGB): Erfordert neben der Drohung mit einem empfindlichen Übel auch eine Vermögensverfügung des Opfers.
Drohung gegenüber Drohung mit Gewalt
Eine Drohung kann auch in Form der Ankündigung unmittelbarer Gewaltausübung erfolgen. Die Abgrenzung erfolgt anhand der Intensität und Unmittelbarkeit des angedrohten Übels.
Rechtsfolgen unrechtmäßiger Drohungen
Unrechtmäßige Drohungen können sowohl zivilrechtliche (Anfechtung, Schadenersatz) als auch strafrechtliche Konsequenzen (Strafbarkeit, Nebenfolgen) nach sich ziehen. Maßgeblich ist hierbei stets die Bewertung der jeweiligen Interessenslage und insbesondere die Rechtswidrigkeit der Drohung im Einzelfall.
Fazit
Die Drohung bildet einen facettenreichen und rechtlich vielschichtigen Begriff mit weitreichender Bedeutung in verschiedenen Rechtsgebieten. Ihre Beurteilung hängt maßgeblich von den Umständen des Einzelfalls ab, wobei insbesondere die Abwägung zwischen berechtigten Interessen und dem Schutz der Willensfreiheit entscheidend ist. Die Kenntnis der rechtlichen Grundlagen und Differenzierungen zur Drohung ist daher unerlässlich für das Verständnis und die praktische Anwendung dieses Rechtsinstituts.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen kann eine Drohung im deutschen Strafrecht nach sich ziehen?
Im deutschen Strafrecht kann das Aussprechen einer Drohung je nach konkretem Kontext unterschiedliche rechtliche Konsequenzen haben. In § 240 StGB (Strafgesetzbuch) wird das „Bedrohen“ im Rahmen der Nötigung ausdrücklich geregelt. Eine Drohung liegt hier beispielsweise vor, wenn jemand einem anderen ein empfindliches Übel in Aussicht stellt, um diesen zu einem bestimmten Verhalten zu zwingen. Die Tat ist mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bedroht. Besonders schwerwiegende Konsequenzen ergeben sich, wenn mittels Drohung mit einer gegenwärtigen Gefahr für Leib oder Leben die sogenannte „schwere Nötigung“ vorliegt, wofür das Gesetz einen höheren Strafrahmen vorsieht. Daneben gibt es spezielle Delikte, wie die Bedrohung gemäß § 241 StGB, wenn jemand einem anderen mit der Begehung eines gegen ihn oder eine ihm nahestehende Person gerichteten Verbrechens droht. Die Drohung stellt also im deutschen Recht häufig ein sogenanntes „Tatmittel“ dar, dessen Einsatz verschiedene Strafbarkeiten begründen kann. Darüber hinaus können auch zivilrechtliche Ansprüche, wie Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche, ausgelöst werden. Bei besonders schweren Drohungen, etwa im Kontext von Stalking, kann sogar ein Annäherungsverbot nach dem Gewaltschutzgesetz verhängt werden.
Wann gilt eine Drohung rechtlich als strafbar und wann nicht?
Ob eine Drohung strafbar ist, hängt maßgeblich vom Inhalt der Drohung und dem Zusammenhang ab, in dem sie geäußert wird. Strafbar ist die Drohung vor allem dann, wenn sie als Mittel zur Nötigung oder Bedrohung nach §§ 240, 241 StGB eingesetzt wird. Hierzu muss ein „empfindliches Übel“ angekündigt werden, das geeignet ist, beim Bedrohten einen erheblichen Nachteil oder Angst hervorzurufen. Nicht jede unangenehme Äußerung stellt allerdings eine strafbare Drohung dar; es muss sich stets um ein nach objektiven Maßstäben erhebliches Übel handeln. Sozialadäquate oder rechtlich zulässige Ankündigungen (z. B. die angekündigte Kündigung eines Mitarbeiters bei Fehlverhalten) sind nicht strafbar. Auch bei der Ausübung berechtigter Ansprüche, etwa bei einer Mahnung zur Zahlung, liegt keine strafbare Drohung vor, sofern kein unzulässiger Druck aufgebaut wird. Die Grenzen sind jedoch oft fließend und müssen im Einzelfall geprüft werden.
Welche Rolle spielt das „empfindliche Übel“ bei der Bewertung einer Drohung?
Das „empfindliche Übel“ ist entscheidend für die rechtliche Bewertung einer Drohung im Sinne des Strafrechts. Ein Übel ist jede vom Opfer als nachteilig empfundene Veränderung seiner rechtlichen, wirtschaftlichen oder persönlichen Lage. Empfindlich ist das Übel, wenn es von solcher Erheblichkeit ist, dass der Bedrohte nach den Umständen des Einzelfalls und bei objektiver Würdigung dazu gebracht werden kann, das vom Täter geforderte Verhalten zu erbringen. Dabei spielt die individuelle Situation des Opfers ebenso eine Rolle wie objektive Kriterien. Zum Beispiel können für Kinder oder ältere Menschen schon relativ geringe Drohungen als empfindlich gelten, während sie für Erwachsene ohne Bedeutung wären. Letztlich ist es eine Frage der Abwägung, wobei die Gerichte regelmäßig von einem für das durchschnittliche Opfer maßgebenden Maßstab ausgehen, jedoch auch besondere persönliche Umstände des Opfers berücksichtigen.
Kann auch eine angedeutete oder implizite Drohung strafbar sein?
Ja, im deutschen Recht kann auch eine angedeutete oder implizite Drohung strafbar sein, sofern sie nach objektiven Maßstäben als Ankündigung eines empfindlichen Übels verstanden werden kann. Es ist nicht zwingend erforderlich, dass die Drohung ausdrücklich und direkt ausgesprochen wird. Es genügt, wenn der Bedrohte sie als solche auffassen kann und der Täter dies zumindest billigend in Kauf nimmt. Die Gerichte prüfen dabei, ob der Empfänger der Erklärung die angedeutete Botschaft als ernsthafte Ankündigung eines Nachteils verstehen musste und ob diese objektiv geeignet ist, den bedrohten Erfolg herbeizuführen. Ein Beispiel hierfür wäre das verständliche Anspielen auf Gewalt, wobei der Kontext und die Vorgeschichte der Beteiligten von Bedeutung sind. Entscheidend ist, was beim Opfer ankommt und welche Wirkung die Äußerung entfaltet.
Wie unterscheidet sich die strafrechtliche Bewertung einer Drohung von der einer Beleidigung oder einer Erpressung?
Die strafrechtliche Bewertung einer Drohung unterscheidet sich von anderen Delikten wie Beleidigung oder Erpressung in wesentlichen Aspekten: Die Beleidigung (§ 185 StGB) betrifft die Verletzung der Ehre durch ehrverletzende Äußerungen oder Verhaltensweisen, setzt aber kein Androhen eines Übels voraus. Die Drohung hingegen basiert immer auf der Ankündigung eines zukünftigen empfindlichen Übels, um das Verhalten des Bedrohten zu beeinflussen. Die Erpressung (§ 253 StGB) geht einen Schritt weiter: Sie kombiniert die Drohung (oder Gewalt) mit dem Ziel, sich oder einem Dritten einen Vermögensvorteil zu verschaffen. Der Täter fordert also durch die Drohung eine Leistung, auf die er keinen Anspruch hat. Kurz: Während bei der Drohung hauptsächlich die Beeinflussung des Verhaltens im Vordergrund steht, liegt bei der Erpressung ein unmittelbarer Vermögensbezug vor, und die Beleidigung erfasst lediglich die Verletzung der persönlichen Ehre.
Welche Möglichkeiten zum eigenen Schutz haben Opfer einer strafbaren Drohung?
Opfer einer strafbaren Drohung haben unterschiedliche Schutzmöglichkeiten. Zunächst können sie Strafanzeige bei der Polizei erstatten; daraufhin werden Ermittlungen seitens der Strafverfolgungsbehörden eingeleitet, und ein strafrechtliches Verfahren kann folgen. Parallel besteht die Option eines zivilrechtlichen Vorgehens, insbesondere auf Unterlassung der Drohung nach §§ 1004, 823 BGB. Über das Gewaltschutzgesetz können Gerichte zudem einstweilige Anordnungen treffen, wie Kontakt- oder Annäherungsverbote. Das Opfer kann, sollte eine akute Gefährdung vorliegen, um polizeiliche Schutzmaßnahmen bitten. Darüber hinaus stehen Opferberatungsstellen mit psychosozialer und juristischer Unterstützung zur Seite. Wichtig ist, Beweise wie Nachrichten, Briefe oder Zeugenaussagen zu sichern, um das Vorgehen gegen den Täter zu erleichtern.
Inwieweit spielt der subjektive Wille des Täters bei der strafrechtlichen Bewertung einer Drohung eine Rolle?
Der subjektive Wille des Täters ist für die strafrechtliche Bewertung einer Drohung von zentraler Bedeutung. Strafbar handelt nur, wer vorsätzlich, also mit Wissen und Wollen, eine Drohung ausspricht. Der Täter muss die Wirkung seiner Ankündigung auf das Opfer kennen und zumindest billigend in Kauf nehmen, dass das Opfer sich bedroht fühlt und gegebenenfalls zum gewünschten Verhalten bewegt wird. Fehlt dieser Vorsatz, etwa weil der Täter einen Scherz machte und dies für das Opfer auch erkennbar war, ist der Straftatbestand der Drohung regelmäßig nicht erfüllt. In Grenzfällen prüfen Gerichte, ob der Bedrohte die Situation tatsächlich als Drohung auffassen konnte und ob der Täter dies vorhersehen konnte oder sogar wollte. Der Versuch, jemanden zu konditionieren oder zu manipulieren, ohne dabei vorsätzlich zu drohen, reicht meist nicht aus, sofern keine vorsätzliche Drohung vorliegt.