Begriff und Definition der Doppelerfindung
Als Doppelerfindung wird in der Rechtswissenschaft eine Erfindung bezeichnet, die von zwei oder mehr voneinander unabhängigen Erfindern gleichzeitig oder annähernd gleichzeitig hervorgebracht wird. Die rechtliche Problematik der Doppelerfindung betrifft vor allem das Patentrecht, da dieses nach dem Territorialitätsprinzip sowie nach dem Prioritätsprinzip aufgebaut ist. In zahlreichen Rechtssystemen stellt sich die Frage, welche rechtlichen Folgen sich aus einer Doppelerfindung ergeben und welche Person das Recht auf den Schutz des gewerblichen Eigentums, insbesondere die Anmeldung und das spätere Patent erhält.
Rechtliche Grundlagen der Doppelerfindung
Doppelerfindung im deutschen Patentrecht
Im deutschen Patentrecht wird die Doppelerfindung durch verschiedene Vorschriften determiniert. Nach § 6 Patentgesetz (PatG) steht das Recht auf das Patent dem Erfinder oder seinem Rechtsnachfolger zu. Maßgeblich ist, wer die Erfindung zuerst angemeldet hat (Prioritätsprinzip, § 41 PatG). Der Zeitrang der Anmeldung entscheidet über die Zuerkennung des Patentrechts. Erkennt das Patentamt oder später ein Gericht, dass eine identische Erfindung aus zwei unabhängigen Anmeldungen hervorgegangen ist, so erhält nur der erste Anmelder, sofern sämtliche materiellen und formellen Voraussetzungen des Patentrechts eingehalten sind, das Patent.
Rechtsfolgen bei identischen Erfindungen
Kommt es zu einer Doppelerfindung, kann der spätere Anmelder gegenüber der ersten Anmeldung keinen Patentschutz erlangen, weil die Erfindung bereits Stand der Technik (§ 3 PatG) ist. Eine spätere Anmeldung führt somit in der Regel zur Zurückweisung oder Löschung der Patentanmeldung, weil der Neuheitsbegriff nicht mehr erfüllt ist.
Doppelerfindung und das Prioritätsprinzip
Das sogenannte Prioritätsprinzip ist international anerkannt, unter anderem durch das Pariser Übereinkommen zum Schutz des gewerblichen Eigentums. Nach diesem Prinzip hat derjenige Priorität, der zuerst eine Anmeldung beim zuständigen Patentamt einreicht. Maßgeblich ist dabei stets das Datum des Eingangs der Anmeldung. Die Doppelerfindung wird folglich nicht nach der tatsächlichen Erfindungshandlung, sondern nach dem Anmeldedatum entschieden.
US-amerikanisches Recht: First to invent vs. First to file
Das US-amerikanische Patentrecht unterschied historisch zwischen dem „First-to-invent”- und dem „First-to-file”-System. Bis 2013 galt das „First-to-invent”-Prinzip, wodurch der tatsächliche Erfinder Vorrang hatte, auch wenn er später anmeldete. Mit der Einführung des America Invents Act (AIA) 2013 setzte sich auch in den USA das „First-to-file”-System durch, sodass der Prioritätsgrundsatz nun global weitgehend vereinheitlicht ist. In Folge dessen werden auch in den USA Doppelerfindungen regelmäßig zugunsten des ersten Anmelders entschieden.
Doppelerfindung im internationalen Patentrecht
Einheitliche Regelungen durch internationale Abkommen
Internationale Abkommen, wie das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) und das bereits erwähnte Pariser Übereinkommen, bieten einen einheitlichen Rahmen zur Behandlung von Doppelerfindungen. Auch nach dem Europäischen Patentübereinkommen gilt, dass das Recht auf das Patent demjenigen zusteht, der die Erfindung zuerst anmeldet (Art. 60 EPÜ). Damit wird die Möglichkeit einer Mehrfach- oder Doppelerteilung identischer Patente für denselben Gegenstand ausgeschlossen.
Schutzmechanismen und Rechtsbehelfe
Wird im Rahmen der Patenterteilung festgestellt, dass eine Doppelerfindung vorliegt, sieht das europäische Patentrecht verschiedene Mechanismen vor. Beispielsweise kann während der Einspruchsfrist (§§ 59-61 PatG, Art. 99 ff. EPÜ) gegen die Erteilung eines Patents wegen fehlender Neuheit aufgrund einer früheren Anmeldung des gleichen Gegenstands Einspruch eingelegt werden. Ferner können Nichtigkeitsverfahren (Art. 138 EPÜ) dazu führen, dass ein zu Unrecht erteiltes Patent wegen Doppelerfindung aufgehoben wird.
Doppelerfindung und Arbeitnehmererfindungen
Eine Besonderheit ergibt sich bei Arbeitnehmererfindungen. Sollte ein Arbeitnehmer eine Erfindung anmelden, die identisch mit einer weiteren Anmeldung im Unternehmen oder im Wettbewerbsumfeld ist, so ist die Unternehmensorganisation hinsichtlich interner Meldungen und Prioritäten entscheidend. Das Arbeitnehmererfindungsgesetz (ArbEG) regelt diese Fälle und bestimmt, wann und wie das Recht an einer Doppelerfindung zwischen mehreren Arbeitnehmern desselben Unternehmens vergeben wird.
Doppelerfindung im Verhältnis zu Schutzrechten
Verhältnis zu Gebrauchsmuster und anderen gewerblichen Schutzrechten
Analog zur Doppelerfindung im Patentrecht kann auch bei Gebrauchsmustern und weiteren Schutzrechten, wie z.B. dem Designschutz, eine Doppelerfindung vorliegen. Auch hier entscheidet regelmäßig der Zeitrang der Anmeldung über den Schutzumfang, wobei jeweils die spezialgesetzlichen Regelungen maßgeblich sind.
Auswirkungen auf den Schutzumfang und das Innovationsinteresse
Eine Doppelerfindung kann dazu führen, dass ein Anmelder bei der Schutzrechtsanmeldung leer ausgeht, da die Erfindung aufgrund der vorliegenden identischen Anmeldung bereits Teil des Stands der Technik ist. Dies unterstreicht die hohe Bedeutung einer zügigen Anmeldung von innovativen Erfindungen und Innovationen.
Rechtliche Streitfragen und besondere Fallkonstellationen
Mehrfache Anmeldungen aus derselben Forschungsgruppe
Kommt es vor, dass mehrere Mitglieder einer Forschungsgruppe unabhängig voneinander die gleiche Erfindung anmelden, bestimmen die Regeln über die Erfindermitteilung und Prioritäten, wer als berechtigter Anmelder gilt. Hier sind innerbetriebliche und projektbezogene Absprachen sowie gegebenenfalls arbeitsrechtliche Vereinbarungen maßgeblich.
Auswirkungen von Offenbarungen und Vorbenutzung
Eine Doppelerfindung wird hinsichtlich der Neuheit auch von Vorbenutzungsrechten (§ 12 PatG) beeinflusst. Öffentlich zugänglich gemachte Erfindungen, etwa durch wissenschaftliche Veröffentlichungen oder öffentliche Benutzung, können dazu führen, dass spätere Anmeldungen als nicht mehr neu gelten, auch wenn es sich ebenfalls um eine eigenständige Erfindung handelt.
Zusammenfassung und Bedeutung
Die Doppelerfindung ist ein zentrales Thema des gewerblichen Rechtsschutzes und besonders des Patentrechts. Sie wirft zahlreiche rechtliche und praktische Fragen hinsichtlich der Zuerkennung und Priorität von Schutzrechten auf. Der Grundsatz „first to file” ist heute international maßgeblich und entscheidet die Vergabe von Patentrechten bei Doppelerfindung. Gleichwohl bleiben Fallgestaltungen mit Bezug auf Arbeitnehmererfindungen, Vorbenutzungsrechte sowie Offenbarungen weiterhin von Bedeutung und erfordern eine sorgfältige rechtliche Bewertung. Die effektive Sicherung der eigenen Erfindung durch frühzeitige Anmeldung ist daher von herausragender Bedeutung für den Erhalt von Schutzrechten.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Konsequenzen drohen im Falle einer Doppelerfindung?
Im Falle einer Doppelerfindung – also wenn zwei Parteien unabhängig voneinander dieselbe Erfindung beanspruchen – ergeben sich insbesondere im Patentrecht gravierende rechtliche Konsequenzen. Zum einen kann, abhängig von der jeweiligen nationalen oder internationalen Rechtsordnung, nur eine Person oder ein Unternehmen als berechtigter Anmelder des Patents gelten, nämlich derjenige, der zuerst anmeldet (sog. „First-to-File-Prinzip” beispielsweise im europäischen Patentrecht). Versucht eine Partei, eine bereits zum Schutz angemeldete Erfindung ebenfalls patentieren zu lassen, führt dies regelmäßig zur Zurückweisung oder zum Widerruf der zweiten Anmeldung. Wird nachgewiesen, dass die Anmeldung der Doppelerfindung in Kenntnis der bereits bestehenden Anmeldung und in Täuschungsabsicht erfolgte, können darüber hinaus zivilrechtliche Schadensersatzansprüche oder sogar strafrechtliche Folgen drohen, abhängig vom Vorwurf des unerlaubten Verhaltens.
Wie kann eine Doppelerfindung im rechtlichen Anmeldeverfahren erkannt werden?
Die Erkennbarkeit einer Doppelerfindung wird vom Patentamt durch formelle und materielle Prüfungen gewährleistet. Im Rahmen der Neuheitsprüfung wird gezielt nach identischen oder hochähnlichen bereits vorliegenden Anmeldungen gesucht. Hierbei werden sowohl nationale als auch internationale Patentregister und einschlägige Datenbanken herangezogen. Bereits veröffentlichte Anmeldungen oder Patente können so als Stand der Technik gewertet werden und führen dazu, dass auf eine später eingereichte, identische Anmeldung aufmerksam gemacht wird. Technische Prüfer haben zudem die Aufgabe, Überschneidungen zu erkennen und die Beteiligten gegebenenfalls über parallele Schutzrechte zu informieren.
Wer hat im Streitfall das vorrangige Recht auf Erteilung des Patents?
Nach deutschem und europäischem Patentrecht gilt grundsätzlich das „First-to-File-Prinzip”, wonach derjenige Schutzrechtinhaber wird, der als Erster die Erfindung beim Patentamt anmeldet. Ein Einspruchs- oder Widerspruchsverfahren kann jedoch eingeleitet werden, falls der zweite Anmelder nachweisen kann, dass er tatsächlich der ursprüngliche Erfinder war und ihm die Erfindung etwa durch unerlaubte Offenbarung entwendet wurde. In Ländern, in denen das „First-to-Invent-Prinzip” (z.B. in der Vergangenheit die USA) galt, konnte unter Umständen der tatsächliche Erfinder den Vorrang geltend machen, sofern dies beweisbar war. In der Regel entscheidet das jeweils zuständige Patentamt oder ein angerufenes Gericht über offene Streitfragen im Zusammenhang mit Doppelerfindungen.
Welche Möglichkeiten der Rechtsverteidigung bestehen bei unbeabsichtigter Doppelerfindung?
Sofern eine Doppelerfindung unbeabsichtigt erfolgte und keine Anhaltspunkte für unlauteres Verhalten bestehen, kann der betroffene Anmelder versuchen, das Anmeldeverfahren durch Anpassung oder Einschränkung des Patentanspruchs fortzuführen. Möglich ist auch der Wechsel zu einem Gebrauchsmusterschutz, sofern hierfür die Voraussetzungen gegeben sind. Sollte der Anmelder tatsächlich von einer Doppelerfindung betroffen sein, kann im Einzelfall die Möglichkeit bestehen, mit dem Erstanmelder eine Lizenzierungsvereinbarung zu treffen oder ein Kooperationsverhältnis einzugehen, um gemeinsam von der Erfindung zu profitieren.
Wie wird im deutschen Patentrecht mit Doppelerfindungen im laufenden Patentverfahren umgegangen?
Im deutschen Patentrecht wird eine Doppelerfindung im laufenden Verfahren spätestens im Zuge der Recherche und Sachprüfung durch das Deutsche Patent- und Markenamt (DPMA) erkannt. Sollte ein identisches Patent bereits existieren, wird die Anmeldung als nicht patentfähig zurückgewiesen. Die Parteien können in einem gesonderten Verfahren, beispielsweise im Rahmen eines Einspruchs, ihre Argumente und Prioritäten darlegen. Bei bestehenden Verdachtsmomenten eines Rechtsverstoßes oder einer widerrechtlichen Entnahme kann zusätzlich ein Nichtigkeitsverfahren eingeleitet werden, um die Schutzrechtslage endgültig zu klären.
Welche internationale Relevanz haben Doppelerfindungen, insbesondere im PCT-Verfahren?
Im Rahmen des Patent Cooperation Treaty (PCT)-Verfahrens wird eine Doppelerfindung auf internationaler Ebene geprüft. Hierdurch wird verhindert, dass zwei Anmeldungen aus unterschiedlichen Ländern für denselben innovativen Gehalt Schutz beanspruchen. Das internationale Recherchenamt prüft dabei unabhängig, ob derselbe Gegenstand bereits durch eine andere PCT-Anmeldung oder eine nationale Anmeldung geschützt ist. Kann nachgewiesen werden, dass eine Doppelerfindung vorliegt, wird spätestens im nationalen oder regionalen Phase über die Vergabe des Schutzrechts entschieden. Somit gewinnt die Prioritätsregel im internationalen Kontext besondere Bedeutung und die früheste ordnungsgemäß eingereichte Anmeldung hat in der Regel Vorrang.