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Domkapitel


Begriff und Rechtsstellung des Domkapitels

Das Domkapitel ist eine historisch tief verankerte und rechtlich eigenständige Institution innerhalb der römisch-katholischen Kirche, welche primär an Bischofskirchen (Domkirchen oder Kathedralen) existiert. Es bildet das Leitungsgremium dieser Dome und ist für die Verwaltung, den Gottesdienst und zentrale rechtliche Angelegenheiten der Kathedrale verantwortlich. Das Domkapitel vereint Verwaltungs-, Wahl- und Mitbestimmungsrechte und stellt durch seine Zusammensetzung sowie Aufgaben eine eigenständige Körperschaft des öffentlichen oder – je nach Kontext – kirchlichen Rechts dar.

Historische Entwicklung und Rechtsquellen

Ursprünge im Kirchenrecht

Die historische Verankerung des Domkapitels reicht bis in das Frühmittelalter zurück, als Domkleriker (Kanoniker) zur gemeinsamen Feier des Stundengebets und zur Beratung des Bischofs zusammenkamen. Diese Entwicklung wurde maßgeblich durch synodale und päpstliche Anordnungen geprägt.

Rechtliche Grundlage finden Domkapitel im kanonischen Recht, insbesondere im Codex Iuris Canonici (CIC), welcher die allgemeinen Bestimmungen katholischer Kirchenverfassung enthält. Nationale Kirchengesetze und staatskirchenrechtliche Verträge (Konkordate) verankern domkapitelrechtliche Strukturen in den jeweiligen nationalen Rechtsrahmen.

Säkularisation und Gegenwart

Die Funktion und Rechtsstellung des Domkapitels unterlagen seit dem 19. Jahrhundert, insbesondere im Zug der Säkularisation und nachfolgender kirchenrechtlicher wie staatlicher Neuordnungsprozesse, erheblichen Veränderungen. Trotz Einbußen an Bedeutung bestehen Domkapitel bis heute als rechtsfähige Institutionen fort und bedienen sich moderner Rechtsgrundlagen.

Aufgaben und Kompetenzen des Domkapitels

Wahlrecht und Mitbestimmung

Eine der zentralen Aufgaben des Domkapitels ist das Recht zur Beteiligung an der Bestellung des Diözesanbischofs. Im deutschen Staatskirchenrecht ist diese Funktion in den staatskirchenrechtlichen Vereinbarungen, etwa im sogenannten Preußischen Konkordat von 1929, speziell geregelt. Danach obliegt dem Domkapitel das Recht, aus einer vom Papst vorgeschlagenen Kandidatenliste einen Bischof zu wählen (Domkapitelswahlrecht).

Liturgische Aufgaben

Das Domkapitel ist für die Feier der Liturgie in der Kathedralkirche verantwortlich. Es obliegt ihm die Leitung festlicher Gottesdienste, insbesondere in Abwesenheit oder nach dem Tod des Bischofs. In dieser Funktion wahrt es die Kontinuität des kirchlichen Lebens am Sitz des Bistums.

Verwaltung des Kapitelvermögens

Zu den Kernkompetenzen zählt ferner die Verwaltung des Kapitelvermögens. Das Kapitel besitzt eigene Rechtspersönlichkeit sowie Vermögen und verwaltet dieses eigenständig, wenngleich unter der Oberhoheit kirchlicher und mitunter staatlicher Kontrollinstanzen.

Kanonisches Visitations- und Aufsichtsrecht

Das Domkapitel verfügt über bestimmte Rechte zur Visitation und zur kirchenrechtlichen Aufsicht in Domdekanat und Kathedralgebiet. Es überwacht als Kontrollinstanz die Einhaltung kanonischer Vorschriften im Bereich der Domkirche.

Organisation und Zusammensetzung des Domkapitels

Mitgliederstruktur

Das Domkapitel besteht aus einer bestimmten, rechtlich festgelegten Zahl von Kanonikern (Domherren), zu der der Domdechant oder Dompropst als Vorsitzender gehören kann. Die Kriterien für die Aufnahme, deren Anzahl sowie Rechte und Pflichten sind im jeweiligen Kapitelstatut und in den diözesanen Satzungen geregelt.

Dompropst und Domdechant

Dompropst und Domdechant sind zentrale Ämter mit besonderen Rechten und Pflichten. Während der Dompropst häufig das Kapitel als Repräsentant nach außen vertritt, obliegt dem Domdechant die geistliche und organisatorische Leitung der Kapitelversammlung.

Rechtsform

Das Domkapitel besitzt in den meisten Fällen eine eigene Rechtspersönlichkeit und ist als Körperschaft des öffentlichen Rechts anerkannt. Staatliche Gesetze – insbesondere das Kirchenvermögensrecht – regeln die Stellung des Kapitels im Verhältnis zu staatlichen Behörden.

Staatskirchenrechtliche Regelungen

Konkordate und Staatsverträge

In Staaten mit einer staatskirchenrechtlichen Tradition, beispielsweise in Deutschland und Österreich, sind die Rechte und Pflichten des Domkapitels oftmals in eigenen Konkordaten oder weiteren Staatsverträgen geregelt. In Deutschland ist die Wahl und Mitwirkung des Domkapitels bei der Bischofsbestellung Gegenstand von Verträgen zwischen Vatikan und Bundesländern.

Verhältnis zu staatlichen Behörden

Das Domkapitel unterliegt hinsichtlich des Vermögens und der Verwaltung in gewissen Bereichen einer staatlichen Aufsicht. Diese bezieht sich vor allem auf die Verwendung des Stiftungsvermögens und Einhaltung der einschlägigen Rechtsvorschriften, etwa des Stiftungsgesetzes oder des öffentlichen Finanzrechts.

Rechtliche Bedeutung und Bewertung

Das Domkapitel ist sowohl aus kanonischer als auch aus staatlicher Perspektive eine eigenständige, unverzichtbare Institution in der Kirchenorganisation. Seine Kompetenzen reichen von liturgischen, administrativen bis zu vermögensrechtlichen Angelegenheiten. Es ist Träger besonderer Mitwirkungsrechte, insbesondere im Kontext der Bischofswahl, und wahrt durch seine Tätigkeiten die kirchliche Selbstverwaltung.

Literaturverzeichnis und Rechtsquellen (Übersicht)

  • Codex Iuris Canonici (CIC), insbesondere cann. 503-510
  • Preußisches Konkordat von 1929
  • Staatskirchenverträge zwischen Bundesländern und Vatikan (insb. Art. 14 Bayerisches Konkordat)
  • Kirchliches Vermögensrecht (Kirchliches Gesetz über das Vermögen der Kirchengemeinden und kirchlichen Stiftungen)
  • Handbuch des katholischen Kirchenrechts (diverse Autoren)
  • Schütz, Franz: Handbuch des katholischen Kirchenrechts, 7. Auflage

Zusammenfassend ist das Domkapitel eine rechtlich komplex verfasste, organisatorisch wie verwaltungstechnisch bedeutsame Körperschaft, welche Verfassungs- und Vermögensfragen der Kathedralkirche selbständig verantwortet und im Rahmen kirchlicher wie staatlicher Rechtsordnung agiert.

Häufig gestellte Fragen

Wie ist das rechtliche Verhältnis zwischen Domkapitel und Bischof geregelt?

Das rechtliche Verhältnis zwischen Domkapitel und Bischof ist in den jeweiligen Landesdomkapitularstatuten sowie im übergeordneten Kirchenrecht, insbesondere im Codex Iuris Canonici (CIC), geregelt. Das Domkapitel besitzt eine eigenständige Körperschaftsstellung und ist weder dem Bischof noch dem Diözesanvermögen unmittelbar untergeordnet, sondern verwaltet seine eigenen Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der Dotationen, der Liturgie und der Ernennung von Domkapitularen. Dennoch steht es unter der Kontrolle und Mitwirkung des Bischofs in bestimmten kanonisch vorgegebenen Fällen, etwa bei der Ernennung neuer Mitglieder, der Verwaltung bestimmter Kirchengüter und bei liturgischen Handlungen im Dom. Das Kapitel besitzt gemäß dem Partikularrecht zudem bestimmte Mitspracherechte bei der Ernennung des Bischofs (Wahl- oder Präsentationsrecht) und in Statusfragen der Kathedrale. Die jeweilige rechtliche Verflechtung wird im Zusammenspiel von Kirchenrecht, landesstaatlichen Regelungen (Konkordaten) und den spezifischen Satzungen des Kapitels bestimmt.

Welche Aufgaben und Befugnisse hat das Domkapitel im Bereich der Vermögensverwaltung?

Das Domkapitel verwaltet nach kanonischem und partikulärem Recht das ihm zugewiesene Vermögen eigenständig, wobei es als juristische Person im Kirchenrecht firmiert. Dazu zählen Dotationen (Stiftungen), Grundstücke, Gebäude sowie sonstige Einkünfte, die traditionell dem Kapitel zugeordnet sind. Innerhalb der Vermögensverwaltung bedarf das Domkapitel je nach geltender Satzung bei außergewöhnlichen Rechtsgeschäften (wie Veräußerung umfangreicher Liegenschaften oder Aufnahme von Darlehen) gegebenenfalls der Zustimmung des Diözesanbischofs oder kirchlicher Behörden, während die laufende Verwaltung eigenverantwortlich geführt wird. Zudem ist es häufig verpflichtet, dem kirchlichen Oberen und gegebenenfalls der staatlichen Kirchenaufsicht über seine Vermögensverwaltung Rechnung zu legen sowie Bilanzen und Haushalte offenzulegen. Die Rechte und Pflichten ergeben sich insbesondere aus dem Codex Iuris Canonici (cc. 116, 1275, 1291-1295) und den Domkapitularstatuten.

Wie erfolgt die Wahl oder Präsentation neuer Domkapitulare aus rechtlicher Sicht?

Die Wahl oder Präsentation neuer Mitglieder des Domkapitels richtet sich nach den Satzungen des jeweiligen Kapitels und den Vorgaben des partikularen Kirchenrechts. Häufig wurde das Recht, neue Domkapitulare zu wählen, dem Domkapitel selbst vorbehalten, wobei der Bischof ein Ernennungs- oder Präsentationsrecht besitzt oder die Wahl bestätigen muss. Im Falle vakant gewordener Domherrenstellen schreibt das Statut meist einen Wahlgang, gegebenenfalls unter Mitwirkung externer kirchlicher Gremien, vor. Die formelle Übertragung des Amtes erfolgt durch kanonische Investitur, teils auch unter Einflussnahme durch den Heiligen Stuhl oder die Landesregierung im Rahmen konkordatärer Regelungen. In jedem Fall ist die Wahl rechtlich an bestimmte Prozeduren und Zustimmungserfordernisse gebunden (vgl. cc. 179 und 147 CIC). Insbesondere zu beachten sind Sperrfristen, Mindestalter und Eignungsvoraussetzungen, die vorab geprüft werden müssen.

Welche rechtlichen Mitentscheidungsrechte hat das Domkapitel bei der Bestellung eines Bischofs?

Das Mitentscheidungsrecht des Domkapitels bei der Bestellung eines Bischofs ist vom jeweiligen Konkordat, landeskirchlichen Rechten und dem universalen Kirchenrecht abhängig. In einigen deutschen Diözesen obliegt dem Domkapitel ein Wahl- oder zumindest Vorschlagsrecht bei der Ernennung des Diözesanbischofs. Dies bedeutet, dass das Domkapitel entweder eine Liste geeigneter Kandidaten anfertigt, aus der der Papst wählt, oder aber eine Wahl durchführt, die der päpstlichen Bestätigung bedarf. Die rechtlichen Grundlagen dafür finden sich in partikularrechtlichen Normen (meist in den Domkapitularstatuten aufgrund staatskirchenrechtlicher Verträge wie dem Preußischen Konkordat 1929, dem Badischen Konkordat und anderen). Der Codex Iuris Canonici erkennt solche partikulären Rechte an, soweit sie nicht ausdrücklich vom universalen Recht ausgeschlossen sind (c. 377 §1-5 CIC).

Unter welchen rechtlichen Rahmenbedingungen kann das Domkapitel als Körperschaft klagen oder verklagt werden?

Das Domkapitel ist, soweit das innerkirchliche und staatliche Recht es vorsehen, als juristische Person eigentums-, rechts- und prozessfähig. Im kanonischen Recht ist seine Fähigkeit, Rechte zu erwerben, Pflichten einzugehen sowie als Partei vor kirchlichen Gerichten aufzutreten, ausdrücklich anerkannt (c. 113 CIC). Im staatlichen Recht wird das Domkapitel vielfach als öffentlich-rechtliche Körperschaft behandelt und ist daher in der Lage, Eigentum zu halten, Verträge abzuschließen und vor Zivilgerichten aufzutreten oder verklagt zu werden. Bestehen Streitigkeiten über Vermögenswerte oder Dienstverhältnisse, kann das Kapitel, vertreten durch den Dechanten oder ein anderes ordentliches Organ, prozessrechtlich handeln. Die genaue Ausgestaltung kann durch stiftungs- oder körperschaftsrechtliche Besonderheiten im jeweiligen Bundesland ergänzt werden.

Wie gestaltet sich die interne Rechtsordnung und Satzungsautonomie des Domkapitels?

Das Domkapitel ist befugt, eigene Statuten und Geschäftsordnungen zu erlassen, sofern diese nicht universalkirchlichem Recht oder partikularrechtlichen Bestimmungen (z. B. durch das Bistum oder das Konkordat) widersprechen. Diese Satzungen regeln interne Abläufe wie Wahlmodalitäten, Disziplinarverfahren, Kompetenzen der Kapitelämter (z. B. Dechant, Scholaster, Kantor), Entscheidungsfindung, Finanzverwaltung und Vertretungsregelungen. Die Statutshoheit wird allerdings vom zuständigen Bischof, teilweise auch durch höhere kirchliche Stellen, genehmigt und überwacht, um die Vereinbarkeit mit dem Kirchenrecht sicherzustellen. Innerhalb dieser Autonomie kann das Kapitel seine Geschäftsabläufe und Sitzungsregelungen weitgehend selbstbestimmen, wodurch eine weitreichende rechtliche Selbstständigkeit im Rahmen der übergeordneten kirchlichen Ordnung gewährleistet ist.