Was bedeutet „DMA“?
Der Digital Markets Act (DMA) ist ein europäischer Rechtsrahmen, der große digitale Plattformen mit besonders gefestigter Marktmacht reguliert. Ziel ist es, faire Wettbewerbsbedingungen im Binnenmarkt zu sichern, Abhängigkeiten zu begrenzen und die Wahlfreiheit sowie Innovation zu stärken. Der DMA richtet sich an Unternehmen, die als sogenannte Gatekeeper („Torwächter“) auftreten, weil ihre Dienste für das Erreichen von Endnutzenden und Geschäftsanwendenden besonders wichtig sind.
Zielsetzung und Grundidee
Warum der DMA eingeführt wurde
Digitale Ökosysteme werden oft von wenigen Unternehmen geprägt, deren Plattformdienste zentrale Zugänge zu Märkten und Nutzenden bilden. Der DMA soll verhindern, dass solche Plattformen ihre Stellung ausnutzen, indem etwa eigene Angebote bevorzugt, Daten ungleich verteilt oder Zugänge beschränkt werden.
Regulierungsansatz: Vorbeugende Regeln
Im Gegensatz zur nachträglichen Missbrauchskontrolle setzt der DMA auf vorausschauende Regeln. Bestimmte Verhaltensweisen sind festgelegt, die Gatekeeper einhalten müssen, ohne dass zuvor ein Einzelfallverstoß nachgewiesen werden muss.
Anwendungsbereich
Kernplattformdienste
Der DMA erfasst ausgewählte digitale Dienste, die als „Kernplattformdienste“ gelten. Dazu zählen typischerweise:
- Online-Vermittlungsdienste (z. B. Marktplätze, App-Stores)
- Online-Suchmaschinen
- Soziale Netzwerke
- Video-Sharing-Dienste
- Interpersonelle Kommunikationsdienste (z. B. Messenger)
- Betriebssysteme
- Webbrowser
- Virtuelle Assistenten
- Cloud-Computing-Dienste
- Online-Werbedienste
Wer kann Gatekeeper werden?
Gatekeeper sind Unternehmen, die eine gefestigte und dauerhafte Position innehaben, eine erhebliche Nutzerreichweite erreichen und einen oder mehrere Kernplattformdienste betreiben. Die Einstufung erfolgt anhand qualitativer Kriterien und quantitativer Schwellenwerte.
Räumlicher Geltungsbereich
Der DMA gilt für den europäischen Binnenmarkt. Unternehmen außerhalb der EU können erfasst sein, wenn ihre Dienste in der EU angeboten oder genutzt werden.
Bestimmung als Gatekeeper
Kriterien und Schwellen
Zur Benennung prüft die Europäische Kommission insbesondere Größe, Nutzerzahlen, Marktdurchdringung, Vernetzungsgrad und die Rolle des Dienstes als Zugangspunkt zwischen Unternehmen und Endnutzenden. Erreichen Unternehmen bestimmte veröffentlichte Schwellenwerte, werden sie in der Regel als Gatekeeper vermutet.
Verfahren der Benennung
Unternehmen melden der Kommission, wenn sie die Anforderungen voraussichtlich erfüllen. Die Kommission führt daraufhin ein Prüfverfahren durch und erlässt gegebenenfalls eine Benennungsentscheidung. Betroffene Unternehmen können hierzu Stellung nehmen.
Ausnahmen und Neubewertung
Unternehmen können Einwände gegen die Benennung vorbringen. Zudem kann die Kommission Marktuntersuchungen durchführen, um die Einstufung zu bestätigen, zu ändern oder zu erweitern. Wiederholte Überprüfungen stellen sicher, dass die Einstufung an Marktentwicklungen angepasst wird.
Pflichten und Verbote für Gatekeeper
Fairer Zugang und Interoperabilität
Gatekeeper müssen unter bestimmten Voraussetzungen Interoperabilität ermöglichen, etwa für Nachrichtenfunktionen, und dürfen den Zugang zu ihren Plattformen nicht unangemessen beschränken.
Daten und Transparenz
Die Nutzung und Kombination personenbezogener und nicht-personenbezogener Daten ist nur in klar geregeltem Rahmen zulässig. Geschäftsanwendende sollen Zugang zu Daten erhalten, die sie durch ihre Tätigkeit auf der Plattform generieren. Transparenzpflichten betreffen zudem Ranking-Parameter und Werbedienstleistungen.
Marktplatz- und App-Store-Regeln
Bestimmungen untersagen Selbstbevorzugung, diskriminierende Bedingungen und ungerechtfertigte Beschränkungen alternativer Vertriebskanäle. Entwicklerinnen und Entwickler sollen faire Bedingungen für App-Veröffentlichung, In-App-Zahlungen und Updates erhalten.
Werbung und Ranking
Gatekeeper müssen nachvollziehbare Informationen über Preise und Leistungen der Werbedienste bereitstellen und dürfen eigene Angebote in Rankings nicht unbillig bevorzugen.
Vertragsklauseln und Bündelungen
Die Kopplung von Diensten und erzwungene Paketierungen sind nur in zulässigem Umfang möglich. Unfaire Vertragsklauseln, die Geschäftsanwendende oder Endnutzende unangemessen binden, sind untersagt.
Voreinstellungen und Deinstallation
Voreingestellte Standardanwendungen dürfen die Wahlfreiheit nicht übermäßig einschränken. Endnutzende sollen vorinstallierte Apps deinstallieren und alternative Dienste auswählen können, soweit dies die Funktionsfähigkeit nicht beeinträchtigt.
Zugang für Geschäftsanwendende
Geschäftsanwendende sollen mit Endnutzenden außerhalb der Plattform kommunizieren und Verträge abschließen dürfen. Die Nutzung konkurrierender Dienste darf nicht durch unfaire Bedingungen behindert werden.
Informations- und Berichtspflichten
Gatekeeper unterliegen regelmäßigen Berichtspflichten zur Einhaltung der Regeln. Zudem besteht eine Pflicht, die Kommission über geplante Übernahmen in einschlägigen Bereichen zu informieren, auch wenn keine gesonderte Fusionskontrolle ausgelöst wird.
Durchsetzung
Zuständige Behörde
Die Europäische Kommission setzt den DMA durch, koordiniert die Aufsicht und trifft Entscheidungen gegenüber Gatekeepern. Nationale Behörden unterstützen die Durchsetzung.
Ermittlungsinstrumente
Der DMA sieht Auskunftsverlangen, Befragungen, Vor-Ort-Prüfungen, Anfragen an Dritte sowie Marktuntersuchungen vor. Unternehmen müssen notwendige Informationen bereitstellen und mitwirken.
Sanktionen und Abhilfemaßnahmen
Bei Verstößen sind empfindliche Geldbußen und Zwangsgelder möglich. Bei systematischen Verstößen können weitergehende Abhilfemaßnahmen angeordnet werden, einschließlich verhaltensbezogener und – in engen Grenzen – struktureller Maßnahmen.
Zusammenarbeit und Rechtsdurchsetzung
Die Kommission arbeitet mit nationalen Behörden zusammen und kann Eingaben Dritter berücksichtigen. Entscheidungen der Kommission sind verbindlich; gegen Entscheidungen stehen Rechtsbehelfe auf EU-Ebene offen.
Verhältnis zu anderem Recht
Abgrenzung zum Wettbewerbsrecht
Der DMA ergänzt die allgemeine Missbrauchs- und Kartellkontrolle. Während diese eine fallbezogene Prüfung verlangt, legt der DMA abstrakt-generelle Verhaltenspflichten für Gatekeeper fest. Beide Regime können nebeneinander Anwendung finden.
Verhältnis zum Digital Services Act (DSA)
Der DSA regelt vor allem Pflichten zu Sicherheit, Transparenz und Sorgfaltspflichten in Bezug auf Inhalte. Der DMA zielt auf Marktstrukturen und faire wirtschaftliche Bedingungen. Beide Instrumente greifen ineinander, verfolgen aber unterschiedliche Zwecke.
Beziehung zum Datenschutzrecht
Der DMA ändert nicht die Anforderungen des Datenschutzrechts. Pflichten zur Datenverarbeitung, Einwilligung und Transparenz bleiben unberührt. Wo der DMA Datennutzung oder Datenteilung anspricht, gilt ergänzend das Datenschutzrecht.
Nationale Regelungen
Nationale Vorschriften bleiben anwendbar, soweit sie nicht im Widerspruch zu den unionsweit einheitlichen DMA-Regeln stehen. Der DMA zielt auf kohärente Vorgaben im Binnenmarkt.
Rechte und Position von Betroffenen
Geschäftsanwendende
Unternehmen, die Dienste eines Gatekeepers nutzen, profitieren von Transparenz- und Datenzugangsrechten sowie von Beschränkungen unfaire Praktiken. Sie können Hinweise auf mögliche Verstöße über vorgesehene Kanäle an die Kommission geben.
Endnutzende
Endnutzende werden durch mehr Wahlfreiheit, Informationen und Interoperabilität geschützt. Vorgaben zu Voreinstellungen, Deinstallation und Datenverwendung sollen Abhängigkeiten reduzieren.
Zeitlicher Rahmen und Umsetzung
Benennung und Fristen
Nach der Benennung haben Gatekeeper definierte Umsetzungsfristen für die Einhaltung der Pflichten. Es besteht die Pflicht, regelmäßig über den Stand der Umsetzung zu berichten.
Laufende Aufsicht
Die Kommission überwacht die Einhaltung fortlaufend. Marktuntersuchungen dienen der Anpassung von Pflichten und der Reaktion auf neue Geschäftsmodelle.
Diskussion und Auswirkungen
Chancen und Herausforderungen
Der DMA soll Marktzutritt erleichtern, Innovation fördern und faire Bedingungen schaffen. Zugleich erfordert die Umsetzung technische Anpassungen, klare Prozesse und belastbare Nachweise für Compliance.
Internationale Dimension
Die Vorgaben haben Einfluss über die EU hinaus, da globale Plattformen ihre Systeme häufig europaweit einheitlich gestalten. Der DMA wirkt damit auch auf internationale Geschäftsstrategien und Standardsetzungen.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Was ist der DMA in einfachen Worten?
Der DMA ist ein EU-Regelwerk, das besonders mächtige digitale Plattformen verpflichtet, faire Bedingungen für Geschäftsanwendende und Endnutzende zu gewährleisten und wettbewerbsbeschränkende Praktiken zu unterlassen.
Wer gilt als Gatekeeper?
Gatekeeper ist ein Unternehmen, das einen oder mehrere zentrale Plattformdienste betreibt, sehr viele Nutzende erreicht und eine gefestigte, dauerhafte Position innehat. Die Einstufung erfolgt durch die Europäische Kommission nach festgelegten Kriterien.
Welche Pflichten haben Gatekeeper?
Gatekeeper müssen unter anderem faire Zugangsbedingungen bieten, bestimmte Formen der Selbstbevorzugung unterlassen, Transparenz bei Werbung und Rankings herstellen, Interoperabilität ermöglichen, Datenzugänge gewähren und Voreinstellungen so gestalten, dass Wahlfreiheit besteht.
Wie wird der DMA durchgesetzt und wer ist zuständig?
Die Europäische Kommission setzt den DMA durch, führt Ermittlungen und Marktuntersuchungen, trifft Entscheidungen und kann Sanktionen verhängen. Nationale Behörden unterstützen die Durchsetzung.
Welche Sanktionen sind möglich?
Bei Verstößen drohen spürbare Geldbußen und Zwangsgelder. Bei wiederholten oder systematischen Verstößen können weitergehende Abhilfemaßnahmen bis hin zu strukturellen Vorgaben angeordnet werden.
Wie verhält sich der DMA zum DSA und zum Datenschutzrecht?
Der DMA befasst sich mit fairen Marktbedingungen und Gatekeeper-Verhalten. Der DSA regelt Inhalte- und Vermittlungsfragen, während das Datenschutzrecht die Verarbeitung personenbezogener Daten bestimmt. Die Regelwerke ergänzen sich.
Gilt der DMA auch für kleine Unternehmen?
Der DMA richtet sich an große Plattformunternehmen mit erheblicher Reichweite und gefestigter Marktstellung. Kleine und mittlere Unternehmen sind typischerweise nicht als Gatekeeper adressiert.
Können Betroffene Verstöße melden?
Hinweise auf mögliche Verstöße können der Europäischen Kommission zugeleitet werden. Diese kann Informationen von Betroffenen und Dritten in ihre Ermittlungen einbeziehen.