Legaldefinition und Bedeutung des Begriffs „Deutscher“
Der Begriff „Deutscher“ besitzt im deutschen Recht eine klare und umfassend normierte Bedeutung. Er bezieht sich auf die rechtliche Zugehörigkeit zu der Staatsangehörigkeit der Bundesrepublik Deutschland und ist grundlegend für zahlreiche Rechtsfolgen, etwa im Staatsangehörigkeitsrecht, Verfassungsrecht, Ausländerrecht sowie im Wahlrecht und Sozialrecht. Die Definition und Abgrenzung der deutschen Staatsangehörigkeit erfolgt vor allem durch das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) und das Grundgesetz (GG).
Rechtsgrundlagen und Begriffsklärung
Verfassungsrechtliche Definition
Die maßgebliche verfassungsrechtliche Grundlage für den Begriff „Deutscher“ bildet das Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland:
Artikel 116 Absatz 1 GG
„Deutscher im Sinne dieses Grundgesetzes ist vorbehaltlich anderslautender gesetzlicher Regelung, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit oder als dessen Ehegatte oder Abkömmling in dem Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 aufgenommen worden ist.“
Damit werden zwei Gruppen unterschieden:
- Personen mit deutscher Staatsangehörigkeit,
- bestimmte Personenkreise deutschen Volkstums, die im Zusammenhang mit Flucht und Vertreibung nach dem Zweiten Weltkrieg Aufnahme fanden.
Das Staatsangehörigkeitsrecht knüpft überwiegend an die erste, die Staatsangehörigkeit, an.
Definition nach dem Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
Das Staatsangehörigkeitsgesetz regelt umfassend, wer über die deutsche Staatsangehörigkeit verfügt sowie den Erwerb, Verlust und die Feststellung der Staatsangehörigkeit.
- § 1 StAG: Bestimmt die deutsche Staatsangehörigkeit nach Maßgabe des Gesetzes.
- Zusatzerklärungen für Sondergruppen, z. B. Spätaussiedler (§ 4 Abs. 3 StAG, § 7 StAG).
Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit
Erwerb durch Abstammung (Abstammungsprinzip)
§ 4 Abs. 1 StAG
Ein Kind erwirbt mit der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, wenn ein Elternteil bei der Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt.
Erwerb durch Geburt im Inland (Geburtsortsprinzip)
§ 4 Abs. 3 StAG
Unter bestimmten Voraussetzungen erwirbt ein Kind bei Geburt im Bundesgebiet die Staatsangehörigkeit, auch wenn die Eltern nicht Deutsche sind (sog. ius soli), beispielsweise wenn ein Elternteil seit acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und ein unbefristetes Aufenthaltsrecht besitzt.
Erwerb durch Einbürgerung
Die deutsche Staatsangehörigkeit kann nach Antrag auf verschiedene Weise erworben werden:
- Reguläre Einbürgerung: Nach achtjährigem rechtmäßigem Aufenthalt, nachzuweisenden Integrationsleistungen, wirtschaftlicher Selbständigkeit und Loyalität gegenüber der freiheitlich-demokratischen Grundordnung (§ 10 StAG).
- Erleichterte Einbürgerung: Für Ehegatten und minderjährige Kinder von Deutschen (§§ 9, 6 StAG).
- Wiedereinbürgerung oder Optionsverfahren (z. B. für ehemalige Deutsche oder deren Nachkommen oder für bestimmte Nachkommen von NS-Verfolgten nach Art. 116 Abs. 2 GG).
Erwerb durch Annahme als Kind und Adoption
Ein minderjähriges ausländisches Kind erwirbt mit wirksamer Adoption durch deutsche Eltern automatisch die deutsche Staatsangehörigkeit (§ 6 StAG).
Verlust der deutschen Staatsangehörigkeit
Die deutsche Staatsangehörigkeit kann grundsätzlich nur unter bestimmten gesetzlich geregelten Voraussetzungen verloren gehen.
Wichtige Verlustgründe
- Erwerb einer ausländischen Staatsangehörigkeit auf eigenen Antrag unter bestimmten Voraussetzungen (§ 17 StAG), wobei Doppelstaatsangehörigkeit durch Ausnahmeregelungen zunehmen zulässig ist.
- Austrittserklärung (§ 26 StAG), durch formelle Erklärung vor einer deutschen Behörde.
- Entlassung auf Antrag (zum Beispiel bei bevorstehendem Erwerb einer anderen Staatsangehörigkeit, § 18 StAG).
- Nichtannahme eines Kindes durch einen Deutschen nach Geburt im Ausland (§ 4 Abs. 4 StAG).
- Widerruf bei Einbürgerungserschleichung (§ 35 StAG).
- Ausscheiden aus dem deutschen Staatsverband durch Annahme einer fremden Staatsangehörigkeit ohne behördliche Genehmigung (doppelter Staatsangehörigkeit), sofern keine Ausnahme greift.
Ein automatischer Verlust nach Ablauf eines längeren Auslandsaufenthaltes findet im deutschen Recht grundsätzlich nicht statt.
Entziehung der Staatsangehörigkeit
Ein Entzug der deutschen Staatsangehörigkeit gegen den Willen des Betroffenen ist nur unter sehr engen verfassungsrechtlichen Vorgaben zulässig (Art. 16 GG, § 28 StAG). Der Entzug ist beispielsweise seit Juni 2019 bei Zugehörigkeit zu einer terroristischen Vereinigung unter bestimmten Voraussetzungen möglich (§ 28 StAG).
Rechte und Pflichten von Deutschen
Die deutsche Staatsbürgerschaft begründet vielfältige Rechte und Pflichten, die maßgeblich das Verhältnis zwischen dem Einzelnen und dem Staat bestimmen:
Wesentliche Rechte
- Freizügigkeit im gesamten Bundesgebiet (Art. 11 GG).
- Wahlrecht auf allen politischen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen, Europawahlen).
- Zugang zu öffentlichen Ämtern (Art. 33 GG).
- Diplomatischer und konsularischer Schutz im Ausland.
Wesentliche Pflichten
- Treue zum Grundgesetz, Gehorsam gegenüber den Gesetzen.
- Wehrpflicht (heute ausgesetzt, Art. 12a GG).
- Dienstpflichten im Katastrophenfall.
Sonderstatus: Statusdeutsche, Vertriebene, Spätaussiedler
Einige Personenkreise genießen unter Berufung auf Art. 116 GG besonderen Schutz als „Deutsche im Sinne des Grundgesetzes“, auch wenn sie die deutsche Staatsangehörigkeit formal nicht oder noch nicht erworben haben. Dazu zählen insbesondere Vertriebene und Spätaussiedler gemäß Bundesvertriebenengesetz (BVFG). Näheres regelt § 6 BVFG.
Doppel- und Mehrstaatigkeit
Das deutsche Recht sieht grundsätzlich das Vermeiden von Mehrstaatigkeit vor (§ 10 Abs. 1 Nr. 4 StAG). Davon gibt es Ausnahmen, etwa bei EU-Bürgern, Schweizern, deutschen Kindern aus bi-nationalen Ehen oder im fallweisen öffentlichen Interesse.
Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit
Die Feststellung der deutschen Staatsangehörigkeit erfolgt im Zweifel durch Ausstellung eines Staatsangehörigkeitsausweises (§ 30 StAG), sofern der Nachweis zum Beispiel für Behörden, für den Zugang zu bestimmten Rechten oder für das Ausland erforderlich ist.
Nachweis: Ausweispapiere
Die deutsche Staatsangehörigkeit wird durch Besitz eines gültigen deutschen Passes oder Personalausweises vermutet (§ 18 PAuswG, § 4 Abs. 1 PassG).
Historische Entwicklung
Die Staatsangehörigkeit im heutigen Sinn entstand in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg, entwickelte sich jedoch aus historischen Vorformen (zum Beispiel im Deutschen Kaiserreich: Reichs- und Staatsangehörigkeit). Der Begriff „Deutscher“ blieb durchgehend eng an die Staatsangehörigkeit und die Zugehörigkeit zur deutschen Volksgruppe gebunden.
Abgrenzung zu anderen Personenkreisen
Nicht-Deutsche im deutschen Recht sind in der Regel Ausländer oder Staatenlose, deren rechtlicher Status insbesondere im Aufenthaltsgesetz (AufenthG), Asylgesetz (AsylG) und Staatsangehörigkeitsgesetz geregelt ist.
Bedeutung im internationalen Kontext
Viele Rechte und Privilegien nach dem Grundgesetz und einfachen Gesetzen stehen ausschließlich „Deutschen“ zu. Gleichwohl sichert das Recht der Europäischen Union allen Unionsbürgern zahlreiche vergleichbare Freiheiten und Rechte zu.
Literatur- und Gesetzesverweise
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
- Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG)
- Personalausweisgesetz (PAuswG) und Passgesetz (PassG)
- Bundesvertriebenengesetz (BVFG)
- Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
- Bundeswahlgesetz (BWahlG)
Fazit
Der Begriff „Deutscher“ definiert sich im deutschen Recht im Wesentlichen über die Staatsangehörigkeit und erfasst – in spezifischen Ausnahmefällen – weitere volksgruppenbezogene Personenkreise. Die damit verbundenen Rechte, Pflichten und rechtlichen Implikationen werden von zahlreichen gesetzlichen Regelungen detailliert ausgestaltet. Die Staatsangehörigkeit ist für das moderne Staatswesen ein grundlegendes Ordnungsprinzip und Gegenstand des besonderen rechtlichen Schutzes.
Häufig gestellte Fragen
Wer gilt rechtlich als Deutscher nach dem Grundgesetz?
Nach Artikel 116 Absatz 1 des Grundgesetzes (GG) ist Deutscher, wer die deutsche Staatsangehörigkeit besitzt oder wem als Flüchtling oder Vertriebener deutscher Volkszugehörigkeit die Rechtsstellung als Deutscher im Gebiet des Deutschen Reiches nach dem Stand vom 31. Dezember 1937 verliehen wurde. Der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit erfolgt hauptsächlich durch Abstammung (ius sanguinis), das heißt durch die Geburt von mindestens einem deutschen Elternteil, oder durch Einbürgerung. Darüber hinaus sind Personen, die als Spätaussiedler nach dem Bundesvertriebenengesetz anerkannt wurden, ebenfalls rechtlich als Deutsche zu betrachten, selbst wenn sie im Ausland geboren wurden. Diese Einordnung hat erhebliche rechtliche Konsequenzen insbesondere im Hinblick auf Wahlrecht, Freizügigkeit innerhalb der Europäischen Union, Zugang zu bestimmten öffentlichen Ämtern und die Inanspruchnahme diplomatischen Schutzes durch die Bundesrepublik Deutschland.
Wie erfolgt der Erwerb der deutschen Staatsangehörigkeit durch Geburt im Inland (ius soli)?
Seit der Reform des Staatsangehörigkeitsrechts im Jahr 2000 gilt neben dem ius sanguinis auch in eingeschränktem Umfang das ius soli. Kinder ausländischer Eltern erwerben die deutsche Staatsangehörigkeit durch Geburt in Deutschland, wenn ein Elternteil seit mindestens acht Jahren rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat und im Besitz eines unbefristeten Aufenthaltsrechts ist (z. B. Niederlassungserlaubnis oder EU-Daueraufenthaltserlaubnis). Die betroffenen Kinder erhalten somit automatisch bei Geburt die deutsche Staatsangehörigkeit, sie müssen jedoch zwischen dem 18. und 23. Lebensjahr erklären, welche Staatsangehörigkeit sie behalten möchten (Optionspflicht, die 2014 gelockert wurde und unter bestimmten Voraussetzungen entfällt). Die genaue Prüfung erfolgt durch die Standesämter und Einbürgerungsbehörden.
Unter welchen Voraussetzungen kann ein Ausländer eingebürgert werden?
Die Einbürgerung setzt nach § 10 StAG (Staatsangehörigkeitsgesetz) grundsätzlich voraus, dass der Antragsteller seit mindestens fünf Jahren (bis Juni 2024 waren es acht Jahre) rechtmäßig seinen gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, sich zur freiheitlich-demokratischen Grundordnung des Grundgesetzes bekennt, grundsätzlich seinen Lebensunterhalt eigenständig sichern kann, keine schwerwiegenden Straftaten begangen hat und ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache sowie grundlegende Kenntnisse der deutschen Rechts- und Gesellschaftsordnung und Lebensverhältnisse nachweist (Einbürgerungstest). In der Regel verlangt das Gesetz zudem, dass die bisherige Staatsangehörigkeit aufgegeben wird, es bestehen jedoch Ausnahmen, insbesondere für EU-Bürger und Staatsangehörige von Ländern, in denen die Aufgabe kaum möglich oder mit erheblichen Nachteilen verbunden ist.
Kann die deutsche Staatsangehörigkeit entzogen oder aberkannt werden?
Gemäß Artikel 16 Absatz 1 GG darf die deutsche Staatsangehörigkeit grundsätzlich nicht entzogen werden. Allerdings kann nach § 17 StAG die Staatsangehörigkeit verloren gehen, wenn der Betroffene eine freiwillige Annahme einer ausländischen Staatsangehörigkeit erklärt und hierfür keine Beibehaltungsgenehmigung beantragt oder erhalten hat. Ebenfalls kommt der Verlust durch Verzicht (§ 26 StAG), Adoption durch einen Ausländer (§ 27 StAG) oder nachträgliche Rücknahme einer erschlichenen Einbürgerung (§ 35 StAG) in Betracht. Ein aktiver Entzug ist hingegen verfassungsrechtlich nicht zulässig, mit Ausnahme bestimmter, seit 2019 geltenden Sonderregelungen etwa bei Anschluss an terroristische Vereinigungen – dies ist allerdings eng begrenzt und abgesichert durch Rechtsschutzmechanismen.
Welche rechtlichen Besonderheiten gelten für Deutsche mit doppelter Staatsangehörigkeit?
Das deutsche Recht erlaubt die doppelte Staatsangehörigkeit grundsätzlich nur in Ausnahmefällen. Besondere Regelungen gelten für Kinder, die durch Geburt mehrerer Nationalitäten erhalten und in Deutschland aufwachsen („Optionspflicht“), sowie für Staaten, bei denen die Aufgabe der bisherigen Staatsangehörigkeit unmöglich oder unzumutbar ist. In diesen Fällen behalten die Betroffenen beide Staatsangehörigkeiten rechtswirksam. Für diese Personen gelten insbesondere im Ausland besondere rechtliche Situationen, da je nach Aufenthaltsstaat unterschiedlich beurteilt wird, welches Recht anzuwenden ist. In Deutschland werden sie stets als Deutsche behandelt (§ 3 Abs. 2 StAG), was für Rechte und Pflichten (z. B. Wehrpflicht, Zugang zu öffentlichen Ämtern, Schutz durch deutsche Konsulate) eine hohe Bedeutung hat.
Welche Rechte und Pflichten resultieren aus dem Status als Deutscher im rechtlichen Sinne?
Deutschen Staatsangehörigen stehen verfassungsrechtlich garantierte Rechte zu, etwa das Wahlrecht auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene (je nach Wohnsitz), Freizügigkeit innerhalb Deutschlands und der Europäischen Union, das Recht auf Ausstellung eines deutschen Reisepasses und Personalausweises sowie auf konsularischen Schutz im Ausland durch die Bundesrepublik Deutschland. Gleichzeitig treffen sie staatsbürgerliche Pflichten, zum Beispiel Steuergesetze, allgemeine staatsbürgerliche Treuepflichten und das Ausfüllen von amtlichen Ausweisdokumenten. Früher galt auch die Wehrpflicht, die derzeit nur ausgesetzt und nicht abgeschafft ist.
Können frühere Deutsche die Staatsangehörigkeit wiedererlangen?
Ehemalige Deutsche, die ihre Staatsangehörigkeit etwa durch Annahme einer fremden Staatsbürgerschaft ohne Beibehaltungsgenehmigung oder durch Verzicht verloren haben, können unter bestimmten Voraussetzungen erneut eingebürgert werden. § 13 StAG erlaubt die Wiedereinbürgerung ohne Einbürgerungsvoraussetzungen unter bestimmten historischen oder familiären Bedingungen (insbesondere bei Verfolgungen wegen NS-Unrechts oder aus politischen Gründen). Die Entscheidung liegt im Ermessen der zuständigen Staatsangehörigkeitsbehörde, wobei insbesondere Integrationskriterien und das Vorliegen öffentlicher Interessen geprüft werden.