Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Rechtsbegriffe (allgemein)»Deutsche Demokratische Republik (DDR)

Deutsche Demokratische Republik (DDR)


Begriff und rechtliche Einordnung der Deutschen Demokratischen Republik (DDR)

Die Deutsche Demokratische Republik (DDR) war ein völkerrechtlich anerkannter Staat auf dem Gebiet des östlichen Deutschlands, der von 1949 bis 1990 existierte. Die DDR entstand als Reaktion auf die politischen Entwicklungen nach dem Zweiten Weltkrieg und stellte einen sozialistischen Staat unter maßgeblicher Einflussnahme der Sowjetunion dar. Die rechtliche Betrachtung der DDR umfasst sämtliche Facetten ihrer Gründung, Verfassungsstruktur, internationalen Anerkennung, Staatsorgane, Gesetzgebung, Staatssymbole, Staatsangehörigkeit, Menschenrechte, das Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) sowie Auflösung und Nachwirkungen im wiedervereinigten Deutschland.

Historische und rechtliche Grundlagen der Staatlichkeit der DDR

Gründung und völkerrechtliche Stellung

Die Gründung der DDR erfolgte am 7. Oktober 1949 auf Grundlage der Verfassung von 1949, nachdem zuvor im sowjetischen Besatzungsgebiet die Deutsche Wirtschaftskommission als Verwaltungsorgan bestand. Die Souveränität der DDR war völkerrechtlich zunächst eingeschränkt und blieb bis zum Abschluss des Viermächteabkommens über Berlin (1971) sowie des Grundlagenvertrages mit der BRD (1972) international umstritten. Im Inneren verstand sich die DDR als sozialistischer Staat deutscher Nation mit eigener Staatlichkeit und eigenem Rechtssystem.

Die völkerrechtliche Anerkennung der DDR durch andere Staaten erfolgte ab den 1970er Jahren, darunter auch durch die Bundesrepublik Deutschland nach dem Grundlagenvertrag von 1972. Mit dem Beitritt zur UNO im Jahr 1973 war die DDR als eigenständiges Völkerrechtssubjekt international etabliert.

Verfassung und Grundprinzipien

Die DDR verfügte über zwei maßgebliche Verfassungen: die Verfassung von 1949 und die wesentlich geänderte Verfassung von 1968, die 1974 erneut überarbeitet wurde. Die Verfassungen etablierten den Aufbau eines sozialistischen Staates, beruhend auf der „führenden Rolle“ der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED), der Planwirtschaft und der Vergemeinschaftung der Produktionsmittel. Grundrechte waren in beiden Verfassungen enthalten, standen jedoch unter dem Vorbehalt der Staatssicherheit und des sozialistischen Gesellschaftssystems.

Staatsstruktur und Rechtssystem der DDR

Staatsorgane

Die staatliche Organisation der DDR war geprägt durch die Gliederung in Volkskammer (Parlament), Staatsrat (kollektives Staatsoberhaupt), Ministerrat (Regierung), Nationale Volksarmee (Streitkräfte), Staatssicherheitsdienst (Ministerium für Staatssicherheit, MfS) sowie die Demokratische Justiz. Das Regierungssystem beruhte auf dem Prinzip des „demokratischen Zentralismus“, einer Organisationsform, in der zentrale Leitungsorgane maßgeblichen Einfluss auf alle staatlichen Entscheidungen ausübten.

Gesetzgebung und Rechtsordnung

Die rechtliche Ordnung der DDR war eigenständig und umfasste sämtliche Rechtsgebiete. Bedeutende Gesetzbücher waren:

  • Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB DDR)
  • Strafgesetzbuch (StGB DDR)
  • Arbeitsgesetzbuch
  • Familiengesetzbuch
  • Verfassungsgesetze und Sondergesetze

Die Gesetzgebung richtete sich an den Normen des sozialistischen Gesellschaftsmodells aus. Die Rechtsprechung erfolgte durch ordentliche Gerichte, Militärgerichte und Sondergerichte, wobei das Oberste Gericht als höchste Instanz fungierte.

Staatsbürgerrecht und Staatsangehörigkeitsrecht

Die DDR hatte ein eigenes Staatsangehörigkeitsrecht, das durch das „Gesetz über die Staatsangehörigkeit der Deutschen Demokratischen Republik“ geregelt wurde. Einwohner der DDR waren DDR-Staatsbürger, unabhängig von ihrer Abstammung oder früheren Reichsangehörigkeit. Doppelstaatsangehörigkeit war nicht vorgesehen.

Grundrechte und Menschenrechte

Die DDR-Verfassungen gewährten eine Reihe von Grundrechten wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit, Gleichberechtigung und Recht auf Arbeit. In der Realität wurden diese Rechte durch weitergehende Gesetze und Maßnahmen (etwa politische Überwachung durch das MfS, umfassende Zensur, Eingriffe in die persönliche Freiheit, Grenzregime mit Schießbefehl) zum Teil erheblich eingeschränkt. Die Menschenrechtssituation der DDR war international wiederholt Gegenstand von Kritik.

Verhältnis zur Bundesrepublik Deutschland (BRD) und völkerrechtliche Aspekte

Status der DDR im geteilten Deutschland

Rechtlich stritten DDR und BRD mehrere Jahrzehnte über den völkerrechtlichen Status der DDR. Während die Bundesrepublik ein fortbestehendes deutsches Reich repräsentierte und die DDR zunächst nicht als eigenständigen Staat annahm, argumentierte die DDR mit ihrer vollen Staatsgewalt. Durch den Grundlagenvertrag von 1972 und die Aufnahme beider Staaten in die UNO wurde das faktische Nebeneinander beider deutschen Staaten rechtlich und politisch bestätigt, jedoch nicht als abschließende Regelung der deutschen Frage anerkannt.

Rechtlich-internationale Beziehungen

Die DDR unterhielt eigene diplomatische Beziehungen und war Mitglied internationaler Organisationen (beispielsweise UNO, Warschauer Pakt, Rat für gegenseitige Wirtschaftshilfe – RGW). Die Souveränität der DDR wurde völkerrechtlich von über 130 Staaten anerkannt.

Auflösung und rechtliche Nachwirkungen der DDR

Beitritt zur Bundesrepublik Deutschland (Wiedervereinigung)

Die rechtliche Auflösung der DDR erfolgte im Zuge der Wiedervereinigung. Mit Inkrafttreten des Beitritts nach Art. 23 des Grundgesetzes (GG) der Bundesrepublik Deutschland am 3. Oktober 1990 hörte die DDR als eigenständiges Völkerrechtssubjekt auf zu bestehen, ihre Territorien wurden in die Bundesrepublik integriert. Der Einigungsvertrag vom 31. August 1990 und das Inkrafttreten des EinigG (Einigungsvertragsgesetz) regelten die konkrete Überleitung des Rechts und der staatlichen Strukturen in das westdeutsche System.

Fortgeltung und Überleitung von Rechtsakten

Der Einigungsvertrag bestimmte, dass DDR-Recht grundsätzlich außer Kraft trat, soweit es durch Bundesrecht ersetzt wurde, jedoch fortgalt, so weit eine Anpassung

noch nicht erfolgte oder besondere Übergangsregelungen getroffen wurden. Bis 1993 erfolgte eine umfassende Rechtsanpassung, in deren Rahmen tausende DDR-Normen abgelöst oder modifiziert wurden.

Rechtliche Nachwirkungen und besondere Rechtsbereiche

In bestimmten Bereichen wirken DDR-Rechtsakte bis heute nach, etwa im Rentenrecht (Rentenüberleitungsgesetz), im Bereich von Vermögensfragen (Vermögensgesetz, Entschädigungsrecht), im Familienrecht sowie im Bereich der Aufarbeitung politisch motivierter DDR-Unrechtshandlungen (Stasi-Unterlagen-Gesetz, Rehabilitierungsgesetze).

Zusammenfassung und rechtshistorische Bewertung

Die DDR war ein eigenständiger, international anerkannter Staat mit sozialistischer Verfassungsstruktur und eigenem Rechtssystem. Während des gesamten Bestehens war die rechtliche Entwicklung stark durch politische Vorgaben und das gesellschaftliche Leitbild des Sozialismus geprägt. Die Wiedervereinigung brachte eine umfassende Auswirkung auf das deutsche Rechtssystem mit sich, da durch den Beitritt der DDR zur Bundesrepublik Deutschland die rechtlichen Strukturen und staatlichen Organe der DDR übergeleitet, geprüft und oftmals abgelöst oder integriert wurden. Die rechtshistorische Aufarbeitung der DDR und ihres Rechts nimmt bis heute breiten Raum im gesamtdeutschen Verständnis von Rechtsstaatlichkeit, Menschenrechten und der Überwindung diktatorischer Strukturen ein.

Häufig gestellte Fragen

Welche Bedeutung hatte das SED-Parteimonopol im Rechtssystem der DDR?

Das SED-Parteimonopol war grundlegend für das gesamte rechtliche Gefüge der DDR und stellte den zentralen Machtfaktor dar. Rechtlich manifestiert wurde die Führungsposition der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) in der Verfassung der DDR (insbesondere Art. 1 der Verfassung von 1968), die den Führungsanspruch der Partei kodifizierte. Alle legislativen, exekutiven und judikativen Organe waren der Parteilinie verpflichtet, was eine Gewaltenteilung im westlichen Sinne verhinderte. Die staatlichen Institutionen arbeiteten systematisch nach den Weisungen der Parteiorgane, insbesondere des Politbüros und des Zentralkomitees. Daraus folgte, dass auch die Justiz in ihrer Rechtsprechung und Auslegung von Gesetzen stets den politischen Vorgaben der SED unterlag. Die Bindung aller Staatsorgane an Beschlüsse der Partei bedeutete, dass Rechtssicherheit und individuelle Grundrechte im Sinne politischer Zielsetzungen der Partei relativiert oder eingeschränkt wurden.

Wie war das Recht auf Eigentum in der DDR ausgestaltet?

Das Recht auf Eigentum war in der DDR grundlegend anders ausgestaltet als in westlichen Rechtsstaaten. Während in der BRD Privateigentum umfassend durch das Grundgesetz geschützt wurde, unterlag Eigentum in der DDR der sozialistischen Wirtschaftsordnung. Die zentrale Rolle spielte das Volkseigentum, das nach der Verfassung als höchste Eigentumsform galt. Privateigentum wurde anerkannt, jedoch stark begrenzt und in seiner Nutzung kontrolliert. Privateigentum an Produktionsmitteln war nahezu vollständig ausgeschlossen, allenfalls im Bereich kleiner Handwerks- oder Landwirtschaftsbetriebe in engen Grenzen gestattet (Genossenschaftseigentum, Privateigentum an Konsumgütern). Bodenreform, Enteignungen und Verstaatlichungen nach sowjetischem Vorbild führten zur umfassenden Kontrolle der Produktionsmittel durch den Staat. Über das Eigentum an Wohnraum bestimmte der Staat weitreichend durch das Wohnraumlenkungsrecht und die Überführung von Häusern in Volkseigentum.

Welche Funktion hatte die Verfassung der DDR im Rechtssystem?

Die Verfassung der DDR war zwar formal das höchste Gesetz, faktisch stand sie jedoch ständig unter Vorbehalt der Auslegung und Anwendung im Sinne der SED. Mit der ersten Verfassung von 1949 und insbesondere der neuen sozialistischen Verfassung von 1968 wurde nicht nur die Rolle der Partei festgelegt, sondern auch das Recht in den Dienst des sozialistischen Aufbaus gestellt. Verfassungsmäßig garantierte Rechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Freizügigkeit waren stets unter den Vorbehalt der Übereinstimmung mit den gesellschaftlichen Zielen des Sozialismus gestellt. Ein unabhängiges Verfassungsgericht gab es nicht. Die Verfassung hatte so primär eine programmatische, weniger eine justiziable und schützende Funktion gegenüber dem Staat.

Wie war das Gerichtswesen organisiert und welche Rolle spielte die Unabhängigkeit der Justiz?

Das Gerichtswesen der DDR war zentralistisch organisiert; an der Spitze stand der Oberste Gerichtshof der DDR. Die Gerichte unterlagen der sogenannten „sozialistischen Gesetzlichkeit“, das heißt, sie mussten Gesetze und staatliche wie auch parteiliche Weisungen im Einklang anwenden. Richter und Staatsanwälte waren in der Regel Mitglieder der SED oder linientreuer Massenorganisationen und politisch überprüft. Die Unabhängigkeit der Justiz war zwar formal in Gesetzen erwähnt, de facto jedoch eingeschränkt, da Richter an Weisungen gebunden sein konnten. Die Rechtsprechung sollte nicht unabhängig kontrollieren, sondern sozialistische Gesellschaftsziele durchsetzen; dies galt auch für Strafsachen, bei denen „staatsgefährdende Taten“ besonders streng verfolgt wurden.

Inwiefern war das Strafrecht der DDR politisch geprägt?

Das Strafrecht der DDR diente wesentlich dem Schutz des sozialistischen Staates und seiner Ordnung. Politische Delikte – wie „staatsfeindliche Hetze“, „Republikflucht“ oder „ungesetzlicher Grenzübertritt“ – wurden mit teils drakonischen Strafen belegt. Der Straftatenkatalog zur Bekämpfung „staatsfeindlicher Handlungen“ wurde bewusst weit gefasst, um oppositionelle oder staatskritische Betätigung zu kriminalisieren. Das Strafprozessrecht ermöglichte der Staatssicherheit (MfS) als Ermittlungs- und Verfolgungsbehörde umfassende Kompetenzen, insbesondere durch die enge Verzahnung von Justiz, Polizei und Geheimdienst. Politisch motivierte Prozesse waren häufig und wiesen meist erhebliche Mängel hinsichtlich des rechtsstaatlichen Verfahrens auf.

Welche Rolle spielten Grundrechte in der Praxis des DDR-Rechts?

Grundrechte waren in den DDR-Verfassungen zwar niedergeschrieben, etwa auf Meinungs-, Presse-, Religions- oder Versammlungsfreiheit, sie standen jedoch stets unter dem Vorbehalt des „sozialistischen Aufbaus“ und der „Übereinstimmung mit den Interessen des Arbeiter- und Bauernstaates“. Die Auslegung und Anwendung oblag den Staatsorganen unter Parteihoheit. De facto konnte die Ausübung praktisch jedes Grundrechts eingeschränkt oder verboten werden, sobald sie als staatsgefährdend eingestuft wurde. Eine Durchsetzung individueller Rechte vor unabhängigen Gerichten war nicht möglich, sodass Grundrechte letztlich eher deklaratorische Wirkung hatten.

Welche besonderen Rechtsformen gab es im Arbeitsrecht der DDR?

Das Arbeitsrecht der DDR war geprägt durch das Prinzip der „Arbeitspflicht“ und der Vollbeschäftigung. Jedes arbeitsfähige Mitglied der Gesellschaft war verpflichtet, einer gesellschaftlich nützlichen Arbeit nachzugehen. Arbeitsverhältnisse unterlagen keiner freien Vertragsschließung, sondern wurden stark staatlich gelenkt; Arbeitsplatzwechsel oder -kündigungen waren an enge gesetzliche Vorschriften gebunden. Arbeitsrechtliche Auseinandersetzungen wurden vorrangig durch sogenannte Konfliktkommissionen gelöst, die ebenfalls unter staatlicher Kontrolle standen. Gewerkschaftliche Organisationen (FDGB) waren Bestandteil des politischen Machtsystems und keine unabhängigen Vertreter der Beschäftigteninteressen.