Begriff und rechtliche Einordnung der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft
Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft (abgekürzt: DAG) war ein bedeutender Zusammenschluss von Arbeitnehmern in Deutschland, der als Interessenvertretung insbesondere der Angestellten diente. Die Organisation spielte eine zentrale Rolle in der deutschen Gewerkschaftslandschaft des 20. Jahrhunderts und war maßgeblich an der Ausgestaltung des kollektiven Arbeitsrechts, insbesondere im Bereich der Angestellten, beteiligt. Mit dem Zusammenschluss in die Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft (ver.di) im Jahr 2001 wurde die eigenständige Rechtsform der DAG beendet, jedoch besteht die historische und rechtliche Bedeutung des Zusammenschlusses fort.
Historische Entwicklung
Die DAG wurde im Jahr 1949 gegründet, um die spezifischen Interessen der Angestellten zu vertreten, welche sich von denen der gewerblichen Arbeitnehmer unterschieden. Im Fokus standen insbesondere Arbeitsbedingungen im nicht-technischen und nicht-produzierenden Sektor. Mit dem Zusammenschluss der DAG mit anderen Gewerkschaften zur ver.di im Jahre 2001, endete die eigenständige Existenz der DAG. Die rechtlichen und organisatorischen Grundlagen sowie das gewerkschaftliche Vermögen gingen in die neue Organisation über.
Rechtliche Grundlagen
Gewerkschaftsbegriff und Arbeitsrecht
Gewerkschaften wie die DAG waren in Deutschland Träger des Grundrechts auf Koalitionsfreiheit gemäß Artikel 9 Absatz 3 Grundgesetz (GG). Sie besaßen das Recht, Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen eigenständig zu wahren und zu fördern, insbesondere durch Abschluss von Tarifverträgen und die Wahrnehmung kollektiver Interessen der Angestellten.
Satzung und Organe der DAG
Die DAG verfügte als eingetragener Verein (e.V.) über eine eigene, durch die Mitgliederversammlung beschlossene Satzung, in der Aufbau, Aufgaben, Mitgliedschaftsrechte und -pflichten, Organe sowie Verfahren zur Willensbildung und -umsetzung geregelt waren. Zu den wichtigsten Organen zählten das Präsidium, die Bundesleitung, der Hauptvorstand sowie der Bundeskongress.
Tarifautonomie und Tarifvertragsrecht
Die Tarifautonomie beinhaltete das Recht, Tarifverhandlungen mit Arbeitgeberverbänden zu führen und Tarifverträge abzuschließen. Grundlage hierfür war das Tarifvertragsgesetz (TVG). Die DAG repräsentierte dabei die Angestellten als eigenständige Gruppe gegenüber dem Arbeitgeberlager. Mit der Mitgliedschaft in der DAG wurde den Angestellten die tarifliche Bindung ermöglicht, sofern deren Arbeitsverhältnisse vom jeweiligen Geltungsbereich des Tarifvertrages umfasst wurden.
Arbeitskampf und Streikrecht
Als Gewerkschaft konnte die DAG Arbeitskampfmaßnahmen, wie Streiks oder Warnstreiks, durchführen, um die Durchsetzung kollektiver Forderungen im Rahmen von Tarifauseinandersetzungen zu ermöglichen. Das deutsche Arbeitskampfrecht gestattete dabei nur gewerkschaftliche Streiks zur Unterstützung rechtmäßiger tariflicher Ziele.
Rechtstatsächliche Bedeutung und Auswirkungen
Rechtlicher Status als Koalition
Die DAG war eine tariffähige Koalition im Sinne des deutschen Arbeitsrechts. Dadurch verfügte sie über das Recht, Tarifverträge abzuschließen, sich an Schlichtungsverfahren zu beteiligen sowie die kollektiven Rechte der Angestellten gegenüber Arbeitgeberverbänden und Unternehmen durchzusetzen.
Mitgliederrechte und -pflichten
Mitglieder der DAG waren zur Zahlung von Beiträgen verpflichtet und erhielten im Gegenzug Unterstützung im Arbeitsleben, etwa bei Rechtsstreitigkeiten mit dem Arbeitgeber oder im Rahmen von Streikmaßnahmen. Zu den Mitgliederrechten gehörten insbesondere Mitbestimmungsrechte auf Versammlungen, das Wahlrecht zu den Organen der Gewerkschaft sowie Anspruch auf gewerkschaftliche Leistungen.
Auflösung und Rechtsnachfolge
Die Auflösung der DAG erfolgte im Zuge des historischen Zusammenschlusses mit anderen Gewerkschaften zur ver.di. Rechtlich wurde das Vermögen übertragen und die Mitgliedschaften gingen in die neue Organisation über. Die ver.di übernahm zahlreiche Tarifverträge und führte die gewerkschaftliche Arbeit im Angestelltenbereich weiter.
Fortgeltung bestehender Tarifverträge
Die im Zeitpunkt der Auflösung existierenden Tarifverträge der DAG blieben grundsätzlich gültig, bis sie entweder durch neue Verträge ersetzt oder durch Kündigung beendet wurden. Die Rechtsnachfolge der DAG innerhalb der Gewerkschaft ver.di war für die Tarifbindung und die Wirksamkeit bestehender Vereinbarungen von maßgeblicher Bedeutung.
Abgrenzung zu anderen Gewerkschaften
Die DAG war im Gegensatz etwa zu den Industriegewerkschaften nicht branchen-, sondern statusorientiert, das heißt, sie organisierte Angestellte aus verschiedenen Branchen, jedoch unter dem gemeinsamen Merkmal des Angestelltenstatus. Die spezifische Interessenvertretung für Angestellte, beispielsweise hinsichtlich Vergütung, Arbeitszeit und Sozialleistungen, hob die DAG innerhalb der deutschen Gewerkschaftslandschaft hervor.
Rechtliche Bewertung
Die DAG stellt einen wichtigen Baustein im deutschen Kollektivarbeitsrecht dar und prägt bis heute das Verständnis von gewerkschaftlicher Tätigkeit, Mitgliederrechten, Tarifautonomie sowie Arbeitskampfrecht im Angestelltenbereich. Die rechtlichen Regelungen zur Gründung, Organisation, Willensbildung und Rechtsnachfolge der DAG fanden und finden ihre Grundlage im Vereinsrecht, im Tarifvertragsrecht sowie im Grundgesetz.
Literatur
- Tarifvertragsgesetz (TVG)
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
- Bundesarbeitsgericht (Urteile zur Tarifzuständigkeit)
- ver.di: Historie der Gewerkschaften
Hinweis: Dieser Artikel bietet eine umfassende und sachlich-rechtliche Darstellung des Begriffs Deutsche Angestellten-Gewerkschaft und behandelt alle wesentlichen rechtlichen Aspekte, die im Zusammenhang mit dieser früheren deutschen Gewerkschaftsorganisation stehen.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechte besitzen Mitglieder der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft nach deutschem Recht?
Mitglieder der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft (DAG) genießen verschiedene vom Gesetzgeber gewährte Rechte. Nach dem Grundgesetz (Art. 9 Abs. 3 GG) steht ihnen die Koalitionsfreiheit zu, das heißt, sie dürfen sich zur Wahrung und Förderung ihrer Arbeits- und Wirtschaftsbedingungen in Gewerkschaften zusammenschließen und diesen beitreten. Mitglieder haben im Rahmen der Satzung ein Mitspracherecht über wesentliche Gewerkschaftsangelegenheiten, wie etwa die Wahl von Vorständen und die Festlegung des Tarifverhandlungsmandats. Während Tarifverhandlungen oder Arbeitskämpfen genießen sie besonderen Kündigungsschutz (§ 15 KSchG, § 134 InsO bezüglich betriebsbedingter Kündigungen während Streiks) und dürfen sich an rechtmäßigen Streiks beteiligen, ohne arbeitsrechtliche Nachteile befürchten zu müssen. Ferner erhalten sie im Falle individueller arbeitsrechtlicher Streitigkeiten Rechtsberatung und in der Regel auch Rechtsschutz durch die Gewerkschaft (§ 3 ArbGG: Vertretungsbefugnis). Diese Rechte sind stets an die satzungsgemäße Mitgliedschaft gebunden und können bei satzungswidrigem Verhalten reduziert oder entzogen werden.
Unter welchen rechtlichen Voraussetzungen kann die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft Tarifverträge aushandeln und abschließen?
Die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft ist nach § 2 Tarifvertragsgesetz (TVG) eine tariffähige Partei, sofern sie soziale Mächtigkeit besitzt, d.h. eine ausreichende Anzahl an Mitgliedern, die sich auf das tariflich geregelte Gebiet erstreckt. Sie muss in der Lage sein, eigenständig Tarifverhandlungen durchzuführen und ggf. auch einen Arbeitskampf zu führen. Ein abgeschlossener Tarifvertrag wirkt nach § 4 TVG normativ zwischen den Tarifvertragsparteien sowie deren Mitgliedern – auch im Hinblick auf Arbeitsverhältnisse, sofern deren Arbeitsverhältnis vom Geltungsbereich des Tarifvertrags umfasst ist. Die Gewerkschaft muss dabei auf gewerkschaftsrechtlicher Grundlage, insbesondere nach ihrer eigenen Satzung, ordnungsgemäß vertreten werden. Die Rechtsprechung verlangt hierbei die Verfolgung von Arbeitnehmerinteressen und organisatorische Durchsetzungsfähigkeit.
In welchem Umfang ist die Deutsche Angestellten-Gewerkschaft berechtigt, zum Streik aufzurufen und welchen gesetzlichen Regelungen unterliegt dieser Vorgang?
Die Befugnis, zum Streik aufzurufen, ergibt sich vorrangig aus dem Grundrecht auf Koalitionsfreiheit (Art. 9 Abs. 3 GG) und wird vom Bundesarbeitsgericht konkretisiert. Streikrecht besteht nur zur Durchsetzung tariflicher Ziele, da es sich ausschließlich im Rahmen von Tarifverhandlungen realisiert. Ein Streikaufruf ist nur dann rechtmäßig, wenn die DAG tariffähig ist und ein Streik verhältnismäßig sowie durch die zuständigen satzungsgemäßen Organe beschlossen wurde. Außerdem muss zuvor das Scheitern der Verhandlungen mittels einer sogenannten „Erklärten Verhandlungssperre“ dokumentiert werden. Streikmaßnahmen dürfen nur durch Tarifparteien geführt werden und müssen verhältnismäßig und verhältniswahrend sein, was bedeutet, dass das Arbeitskampfmittel im Verhältnis zur verfolgten Forderung angemessen ist.
Welche rechtlichen Schutzmechanismen bestehen für Funktionäre und Mitglieder der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft im Rahmen ihrer gewerkschaftlichen Betätigung?
Das Betriebsverfassungsgesetz (§§ 15, 103 BetrVG) sieht speziellen Kündigungsschutz für gewerkschaftlich aktive Mitarbeiter (Betriebsrats- und Personalratsmitglieder, Wahlvorstände) vor. Auch einfache Mitglieder genießen während eines rechtmäßigen Arbeitskampfes Schutz vor benachteiligenden Maßnahmen durch den Arbeitgeber. Jede Benachteiligung wegen der Gewerkschaftszugehörigkeit oder Betätigung ist nach § 612a BGB unzulässig. Disziplinarische und vertragliche Schritte, welche sich ausdrücklich auf die Gewerkschaftszugehörigkeit oder -tätigkeit beziehen, sind rechtlich anfechtbar. Dieser Schutz erstreckt sich außerdem auf den Bereich des Antidiskriminierungsrechts (§§ 1, 7 Abs. 1 AGG).
Inwiefern sind Tarifverträge der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft allgemeinverbindlich und was ist die rechtliche Grundlage dafür?
Tarifverträge der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft sind grundsätzlich nur für deren Mitglieder sowie die entsprechenden Arbeitgeberparteien bindend (§ 3 TVG). Eine Allgemeinverbindlicherklärung nach § 5 TVG kann allerdings vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales ausgesprochen werden, wenn ein öffentliches Interesse besteht und eine überdurchschnittliche Verbreitung des Tarifvertrags vorliegt. Nach Erlass der Allgemeinverbindlicherklärung gelten die tariflichen Regelungen für alle einschlägigen Arbeitsverhältnisse im jeweiligen Geltungsbereich, unabhängig von einer Mitgliedschaft in der Gewerkschaft oder Arbeitgebervereinigung. Die rechtliche Grundlage für diese Erstreckung ist der entsprechende Verwaltungsakt, gegen dessen Erlass ein Widerspruchs- und ggf. ein Klageverfahren eröffnet ist.
Unter welchen Bedingungen kann die Mitgliedschaft in der Deutschen Angestellten-Gewerkschaft rechtlich beendet werden, und welcher Schutz besteht diesbezüglich?
Die Beendigung der Mitgliedschaft ist primär in der jeweiligen Satzung der DAG geregelt und erfolgt üblicherweise durch freiwilligen Austritt, Tod oder durch Ausschluss nach satzungsmäßigen Verfahren. Rechtlich zu beachten ist, dass der Ausschluss eines Mitglieds nur aus wichtigen Gründen und unter Wahrung des Grundsatzes rechtlichen Gehörs erfolgen darf, wie ihn Art. 103 GG garantiert. Maßnahmen gegen Mitglieder sind gerichtlich überprüfbar (vgl. § 73 BGB analog für Vereine). Im Fall freiwilligen Austritts bestehen keine darüber hinausgehenden rechtlichen Verpflichtungen, zu beachten sind jedoch satzungsgemäße Kündigungsfristen sowie etwaige Nachhaftung für noch offene Mitgliedsbeiträge. Ein willkürlicher oder diskriminierender Ausschluss wäre rechtlich angreifbar.