Begriff und Bedeutung der Designstreitsachen
Designstreitsachen bezeichnen einen spezifischen Bereich innerhalb des gewerblichen Rechtsschutzes, der sich mit rechtlichen Auseinandersetzungen rund um eingetragene Designs – vormals Geschmacksmuster – befasst. Gegenstand von Designstreitsachen sind regelmäßig die Verletzung, Rechtsbeständigkeit oder Verwertung von Designrechten, die sowohl auf nationaler wie auch europäischer Ebene registriert sein können. Das rechtliche Fundament hierfür bildet insbesondere das Designgesetz (DesignG) in Verbindung mit einschlägigen europäischen Vorschriften wie der Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Verordnung (GGV).
Rechtliche Grundlagen der Designstreitsachen
Designgesetz (DesignG)
Das Designgesetz regelt in Deutschland die Eintragung sowie den Schutz von Designs. In Abschnitt 6 (§§ 51-55 DesignG) werden konkrete Verfahrensfragen zu Designstreitsachen und den zuständigen Gerichten behandelt. Nach § 52 DesignG fallen Streitigkeiten wegen Verletzung oder Nichtigkeit eines Designs unter die Designstreitsachen.
Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Verordnung (GGV)
Die GGV ist für Gemeinschaftsgeschmacksmuster maßgeblich. Streitigkeiten zu eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern oder nicht eingetragenen Gemeinschaftsgeschmacksmustern unterliegen besonderen Vorschriften und Zuständigkeiten auf europäischer Ebene. Für Designstreitsachen mit unionsweiter Bedeutung ist insbesondere Kapitel IX der GGV relevant.
Arten von Designstreitsachen
Designstreitsachen können folgende Hauptbereiche umfassen:
Designverletzungsklage
In Designverletzungsverfahren wird im Regelfall über das Bestehen, den Umfang und die Verletzung eines Designs gestritten. Typische Ansprüche sind Unterlassung, Schadensersatz und Auskunft.
Nichtigkeitsverfahren
Das Nichtigkeitsverfahren betrifft Streitigkeiten über die Rechtsgültigkeit eines eingetragenen Designs. Die Nichtigkeit kann etwa wegen fehlender Neuheit, Eigenart oder aufgrund entgegenstehender älterer Rechte begehrt werden.
Designbezogene Vertragsstreitigkeiten
Hierzu zählen Auseinandersetzungen um Lizenzverträge, Verwertung, Übertragung sowie arbeits- oder gesellschaftsrechtlich geprägte Dispute im Zusammenhang mit Designrechten.
Sonstige Designstreitigkeiten
Dazu gehören Fragen der Vergütung, Auskunft zu Designanmeldungen und weitere prozessuale Streitpunkte mit Designbezug.
Zuständigkeit der Gerichte bei Designstreitsachen
Örtliche und sachliche Zuständigkeit
Für Designstreitsachen in Deutschland sind ausschließlich die Landgerichte zuständig, unabhängig vom Streitwert (§ 52 DesignG). Innerhalb der Landgerichte gibt es Konzentrationsvorschriften: Die Bundesländer benennen bestimmte Landgerichte, die als Designstreitgerichte fungieren. In Verfahren zu Gemeinschaftsgeschmacksmustern gibt es zudem spezielle Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte.
Zuständigkeit in Europa
Bei Streitigkeiten betreffend Gemeinschaftsgeschmacksmuster (Unionsgeschmacksmuster) ist das Gericht des Mitgliedstaats zuständig, in dem eine Verletzungshandlung begangen wurde oder droht. Die Durchsetzung erfolgt nach Art. 80 ff. GGV. Internationale Sachverhalte unterliegen daneben dem Schutzbereich der Brüssel Ia-Verordnung.
Verfahrensrechtliche Besonderheiten
Parteien und Klagebefugnis
Zur Klage befugt ist grundsätzlich der Inhaber des eingetragenen Designs beziehungsweise der Gemeinschaftsgeschmacksmuster. Auch der ausschließliche Lizenznehmer kann unter bestimmten Umständen klagen, sofern dies im Lizenzvertrag vorgesehen ist.
Streitgegenstand und Streitwert
Der Streitgegenstand in Designstreitsachen richtet sich nach Art und Ausmaß der geltend gemachten Ansprüche (etwa Unterlassung, Auskunft, Schadensersatz). Der Streitwert wird vom Gericht festgesetzt und orientiert sich an der wirtschaftlichen Bedeutung des streitigen Designs.
Beweislast und Beweismittel
Grundsätzlich trägt der Anspruchsteller die Beweislast für die behauptete Verletzung oder den Rechtsbestand. Beweismittel sind insbesondere Urkunden (Designurkunde), Sachverständigengutachten, Zeugen sowie Augenschein des streitigen Designs.
Eilrechtsschutz
Im Designrecht besteht die Möglichkeit eines einstweiligen Verfügungsverfahrens, insbesondere zur schnellstmöglichen Durchsetzung von Unterlassungsansprüchen bei drohender Verletzung.
Rechtsfolgen von Designstreitsachen
Unterlassungsanspruch
Wird eine Verletzung des Designs festgestellt, besteht ein Anspruch auf Unterlassung gegen den Verletzer.
Schadensersatzanspruch
Der Inhaber kann Ersatz des ihm entstandenen materiellen Schadens verlangen. Die Schadenshöhe kann wie im Marken- und Patentrecht nach üblichem Lizenzsatz, entgangenem Gewinn oder Verletzergewinn berechnet werden.
Vernichtungsanspruch
Materielle Gegenstände, die das geschützte Design widerrechtlich verkörpern, können zur Vernichtung oder Herausgabe an den Rechteinhaber verlangt werden.
Auskunfts- und Rechnungslegungsanspruch
Zur Bezifferung des Schadensersatzes besteht ein Anspruch auf Auskunft über Herkunft und Vertriebswege der Verletzungsprodukte.
Abgrenzung zu anderen Streitgegenständen
Designstreitsachen sind klar von Streitigkeiten zu Markenrechten, Patenten oder Urheberrechten abzugrenzen. Während diese andere Immaterialgüter zum Gegenstand haben, fokussieren Designstreitsachen ausschließlich auf das Recht am ästhetischen Aussehen eines Produktes, geprägt durch seine Linienführung, Form, Farben und Oberflächenstruktur.
Bedeutung für die Praxis
Designstreitsachen nehmen in der modernen Wirtschaft einen hohen Stellenwert ein, da der ästhetische Wiedererkennungswert von Produkten zunehmend als Wettbewerbsfaktor dient. Der gerichtliche Schutz ist ein zentrales Instrument, um Nachahmungen zu verhindern und den wirtschaftlichen Wert eines Designs zu sichern.
Literaturhinweise und Weblinks
- Designgesetz (DesignG) https://www.gesetze-im-internet.de/designg/
- Gemeinschaftsgeschmacksmuster-Verordnung (GGV)
- Bundesjustizministerium: Informationen zum Designrecht https://www.bmj.de/DE/themen/technologie/designrecht_node.html
- Deutsches Patent- und Markenamt (DPMA): Designrecht https://www.dpma.de/designs
Hinweis: Dieser Beitrag dient der allgemeinen Information und stellt keine Rechtsberatung dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche Gerichte sind bei Streitigkeiten über eingetragene Designs zuständig?
Für Streitigkeiten im Zusammenhang mit eingetragenen Designs sind in Deutschland ausschließlich die sogenannten Designstreitgerichte zuständig. Dies sind speziell bestimmte Landgerichte, die über Erfahrung im gewerblichen Rechtsschutz verfügen. Die sachliche Zuständigkeit liegt demnach regelmäßig beim Landgericht. In der Regel ist die Zivilkammer für gewerblichen Rechtsschutz als Designstreitkammer zuständig. Die örtliche Zuständigkeit richtet sich nach den allgemeinen Zivilprozessregeln, insbesondere dem Sitz des Beklagten oder dem Ort der (mutmaßlichen) Rechtsverletzung. Bei europäischen Gemeinschaftsgeschmacksmustern sind die Gemeinschaftsgeschmacksmustergerichte (bestimmte Landgerichte) zuständig. Die Berufung gegen erstinstanzliche Urteile erfolgt beim nächst höheren Oberlandesgericht.
Welche Ansprüche können im Rahmen von Designstreitigkeiten geltend gemacht werden?
Im Rahmen von Designstreitigkeiten können verschiedene zivilrechtliche Ansprüche erhoben werden. Hierzu zählen insbesondere Unterlassungsansprüche, mit denen dem Verletzer die weitere Nutzung des streitgegenständlichen Designs verboten werden kann (§ 42 DesignG). Daneben bestehen Beseitigungsansprüche, zum Beispiel auf Vernichtung der rechtsverletzenden Ware. Weitergehende Ansprüche umfassen Auskunfts- und Rechnungslegungsansprüche, die zur Vorbereitung von Schadensersatzforderungen dienen. Schadensersatz kann entweder nach der konkreten Schadensberechnung, dem entgangenen Gewinn, der Lizenzanalogie oder der Herausgabe des Verletzergewinns verlangt werden (§ 42 Abs. 2 DesignG). Ergänzend können Ansprüche auf Rückruf sowie auf Veröffentlichung des Urteils bestehen.
Welche Verteidigungsmöglichkeiten hat der Beklagte in einem Designstreitverfahren?
Der Beklagte kann im Rahmen eines Designstreitverfahrens sowohl materielle als auch verfahrensrechtliche Einwendungen erheben. Häufigste Einwendung ist der Angriff auf die Schutzfähigkeit des Designs, z.B. durch die Vorlage älterer Gestaltungen, die die Neuheit und Eigenart des angegriffenen Designs in Frage stellen. Ebenso kann die fehlende Benutzung des Designs geltend gemacht werden. Weitere Verteidigungsoptionen bestehen in der Einrede der Verjährung oder dem Hinweis auf eine etwaige Erschöpfung der Rechte. Zudem kann geltend gemacht werden, dass die geltend gemachten Ansprüche (z. B. auf Unterlassung) mangels Wiederholungsgefahr nicht begründet sind. Verfahrensrechtlich sind die klassischen Prozessverteidigungen wie Zuständigkeitsrügen, Bestreiten der Anspruchsvoraussetzungen oder substantielle Angriffe auf die Klageanträge möglich.
Welche Bedeutung haben Schutzumfang und Schutzschranken bei Designstreitigkeiten?
Der Schutzumfang eines Designs ergibt sich aus der Anmeldung und der in den Anmeldungsunterlagen dokumentierten Erscheinungsform. Entscheidend ist der Gesamteindruck, den das eingetragene Design beim informierten Benutzer hervorruft (§ 38 DesignG). Der Vergleich mit der angegriffenen Ausführungsform erfolgt unter Berücksichtigung des bei der Anmeldung bestehenden Formenschatzes. Schutzschranken ergeben sich insbesondere bei technischen Gestaltungen, bei denen der Schutz für Merkmale ausgeschlossen ist, die ausschließlich technisch bedingt sind (§ 3 DesignG). Auch Gestaltungen, die gegen die öffentliche Ordnung oder gegen die guten Sitten verstoßen, sind von der Schutzfähigkeit ausgenommen (§ 7 DesignG). Im Streitfall ist daher stets der konkrete Schutzumfang im Einzelfall zu bestimmen und zu prüfen, ob Schutzschranken einer Anspruchsdurchsetzung im Wege stehen.
Wie läuft das Verfahren zur Löschung eines eingetragenen Designs ab?
Das Löschungsverfahren kann sowohl vor dem Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA) als auch im Rahmen eines gerichtlichen Verfahrens eingeleitet werden. Beim DPMA erfolgt die Löschung auf Antrag, wenn etwa die Voraussetzungen für die Designschutzfähigkeit von Anfang an nicht vorlagen oder nachträglich entfallen sind (§ 34 DesignG). Im gerichtlichen Verfahren ist eine Nichtigkeitswiderklage möglich, welche im Rahmen eines Verletzungsprozesses erhoben wird. Hierbei kann der Beklagte die Nichtigkeit des eingetragenen Designs geltend machen. Die Löschung hat Rückwirkung (ex tunc) und beseitigt den Schutz des Designs mit Wirkung für die Vergangenheit und Zukunft. Maßgeblich sind die gesetzlichen Löschungsgründe, insbesondere fehlende Neuheit, fehlende Eigenart oder Ausschluss von der Schutzfähigkeit.
Welche Fristen sind in Designstreitigkeiten zu beachten?
Für die Geltendmachung von Ansprüchen aus einem eingetragenen Design gelten unterschiedliche Fristen. Grundsätzlich verjähren Ansprüche auf Unterlassung und Schadensersatz gem. § 31 DesignG in drei Jahren ab Kenntnis der Verletzung und der Person des Verletzers. Unabhängig von dieser Kenntnisregelung tritt die absolute Verjährung spätestens zehn Jahre nach dem Verletzungsereignis ein. Im Löschungsverfahren kann ein Antrag grundsätzlich während der gesamten Schutzdauer des Designs gestellt werden, solange keine rechtskräftige Entscheidung entgegensteht. Bei Einspruchs- oder Nichtigkeitsverfahren können kürzere gesetzliche Fristen Anwendung finden. Versäumte Fristen können in Ausnahmefällen bei unverschuldeter Versäumung und Beantragung der Wiedereinsetzung in den vorigen Stand nachgeholt werden.
Können einstweilige Verfügungen auch in Designstreitigkeiten erlassen werden?
Ja, im Rahmen von Designstreitigkeiten besteht die Möglichkeit, im einstweiligen Rechtsschutz eine vorläufige Unterlassungsverfügung zu erwirken, um eine fortwährende oder drohende Verletzung des Designs schnell zu unterbinden. Voraussetzung ist die Glaubhaftmachung sowohl des Verfügungsanspruchs (bestehender Designschutz und Anspruch auf Unterlassung wegen Verletzung) als auch des Verfügungsgrundes (Dringlichkeit, z.B. drohender schwerwiegender Schaden). Die Anforderungen an die Eilbedürftigkeit und die Glaubhaftmachung sind insbesondere im Bereich des gewerblichen Rechtsschutzes hoch und müssen sorgfältig beachtet werden. Das Gericht prüft im summarischen Verfahren, ob die Voraussetzungen für die vorläufige Maßnahme vorliegen; die endgültige Klärung erfolgt ggf. im Hauptsacheverfahren.