Legal Lexikon

Delcredere


Begriff und Grundlagen des Delcredere

Unter dem Begriff Delcredere (auch „Delkredere“ geschrieben) wird im Recht die Übernahme eines Kreditrisikos durch einen Dritten, insbesondere durch Kommissionäre, Handelsvertreter oder andere Vermittler, verstanden. Das Delcredere stellt eine besondere Art der Haftung dar, bei der der Handelnde für die Zahlungsfähigkeit eines Dritten einsteht. Der Dritte übernimmt somit eine selbständige Garantie, dass die Forderung aus einem vermittelten Vertrag vom Schuldner beglichen wird. Die rechtlichen Grundlagen dazu finden sich insbesondere im deutschen Handelsrecht (§ 396 ff. HGB), vergleichbaren Regelungen in anderen Rechtsordnungen und teilweise im Zivilrecht.


Rechtsnatur des Delcredere

Das Delcredere begründet eine eigene, zusätzliche Haftungsverpflichtung des Vermittlers gegenüber dem Prinzipal oder Auftraggeber. Aus rechtlicher Sicht handelt es sich um eine Sonderform der Bürgschaft, jedoch ohne die hier sonst üblichen Schutzvorschriften. Die Abgrenzung zur Bürgschaft (§ 765 BGB) liegt darin, dass Delcredere-Übernahmen typischerweise im Rahmen von Handelsgeschäften und zu gewerblichen Zwecken erfolgen.

Unterschied zur Bürgschaft

Im Unterschied zur Bürgschaft ist das Delcredere geschäftstypisch für Handelsvertreter und Kommissionäre. Bürgschaftsrechtliche Vorschriften, wie etwa die Formvorschrift des § 766 BGB (Schriftform der Bürgerklärung) und Verbraucherschutzregeln, finden auf das Delcredere grundsätzlich keine Anwendung, da es sich um ein Handelsgeschäft handelt.


Bedeutung und Funktion im Handelsrecht

Handelsvertreterrecht (§ 86b HGB)

Im Handelsvertreterrecht (§ 86b HGB) wird das Delcredere häufig als zusätzliche Leistung vereinbart. Der Handelsvertreter verpflichtet sich, neben der bloßen Vermittlung des Geschäfts die Gefahr der Zahlungsunfähigkeit des Kunden zu übernehmen. Im Gegenzug erhält er zum Ausgleich eine sogenannte Delcrederevergütung oder eine erhöhte Provision.

Kommissionsrecht (§§ 383 ff. HGB)

Im Kommissionsrecht regelt § 396 HGB explizit die Delcrederehaftung des Kommissionärs. Vereinbart der Kommissionär ein Delcredere, haftet er gegenüber dem Kommittenten für die Erfüllung der Forderung des Dritten in voller Höhe.

Vermittlerrecht

Im allgemeinen Vermittlerrecht wird das Delcredere als selbständige Gewährleistung gegenüber dem Prinzipal behandelt. Diese Übernahme des Risikos ist meist entgeltlich und bildet oft die Grundlage für spezielle Vergütungsmodelle.


Voraussetzungen und Inhalt einer Delcrederehaftung

Entstehung der Haftung

  • Ausdrückliche oder konkludente Vereinbarung: Die Delcrederehaftung entsteht in der Regel nur, wenn sie ausdrücklich oder zumindest konkludent (z. B. durch branchenübliche Gepflogenheiten) vereinbart wird.
  • Verhältnis zwischen Vermittler und Prinzipal: Die Haftung bezieht sich stets auf das Verhältnis zwischen dem haftenden Dritten (Vermittler, Kommissionär, Handelsvertreter) und seinem Geschäftsherrn, nicht auf das Verhältnis zum eigentlichen Schuldner.

Umfang der Haftung

  • Höhe der Haftung: Der Delcrederehaftende haftet auf die vollständige Erfüllung der Forderung.
  • Fälligkeit: Die Haftung wird in der Regel mit Fälligkeit der Forderung wirksam und umfasst nicht die Zahlung durch Dritte, sondern ausschließlich die garantierte Forderung gegenüber dem eigentlichen Schuldner.
  • Anspruchsdurchsetzung: Der Geschäftsherr kann den Delcredereanspruch unmittelbar gegen den Haftenden geltend machen, wenn der Schuldner – etwa wegen Insolvenz, Zahlungsunwilligkeit oder -unfähigkeit – die Forderung nicht bezahlt.

Abgrenzungen und Sonderfälle

Versicherung und Garantie

Das Delcredere ist von der Kreditversicherung und von Garantien zu unterscheiden. Während das Delcredere die Erfüllung garantiert, sichert die Kreditversicherung lediglich den Ausfallausgleich gegen Prämienzahlung zu und der Garant gibt ein eigenständiges Zahlungsversprechen.

Delcredere im Auslandsgeschäft

Internationale Kaufverträge kennen vergleichbare Formen der Haftungsübernahme, z. B. die „Delcredere commission“ im englischen und internationalen Recht. Auch dort gilt, dass besondere Vereinbarungen über das Delcredere getroffen werden können, sodass internationale Handelsbräuche und ausländische Gesetzgebungen zu beachten sind.


Vergütung und Rechtsfolgen

Delcrederevergütung

Die Übernahme eines Delcrederes ist in der Regel mit einer erhöhten Provision oder einer besonderen Vergütung verbunden. Die Höhe richtet sich meist nach dem Risiko und dem Umfang des übernommenen Risikos.

Rechtsfolgen bei Eintritt des Haftungsfalls

Tritt der Haftungsfall ein, also bleibt der Schuldner die Zahlung schuldig, kann der Prinzipal unmittelbar den haftenden Dritten in Anspruch nehmen. Erst dann kommt auch dessen Verpflichtung zur Zahlung zum Tragen. Etwaige Einreden des Schuldners greifen nur, soweit auch der Delcrederepflichtige sie geltend machen kann.


Delcredere in der Praxis: Typische Anwendungsbereiche

Das Delcredere wird besonders häufig in folgenden Konstellationen eingesetzt:

  • Kommissionsgeschäfte (z. B. im Immobilien- und Kunsthandel)
  • Handelsvertretung im Rahmen internationaler Warenvermittlungen
  • Vermittlungsgeschäfte im Bereich Finanzdienstleistungen

Zusammenfassung

Das Delcredere ist ein bedeutendes Rechtsinstitut des Handelsrechts, das dem Prinzipal eine selbständige Garantie für die Erfüllung von Forderungen gegen Dritte sichert. Es unterliegt speziellen handelsrechtlichen Regelungen und unterscheidet sich insbesondere durch die strikte Haftung und den Ausschluss vieler verbraucherschützender Vorschriften von der klassischen Bürgschaft. Die Partei, die das Delcredere übernimmt, trägt das Risiko der Zahlungsunfähigkeit des Schuldners und erhält hierfür in der Regel eine erhöhte Vergütung. Die genaue Ausgestaltung der Delcredere-Haftung ist regelmäßig Gegenstand von individuellen, oft vertraglichen Vereinbarungen und spielt in der kommerziellen Vermittlertätigkeit eine zentrale Rolle.


Siehe auch:

  • Kommissionär
  • Handelsvertreter
  • Vermittlervertrag
  • Bürgschaft
  • Kreditversicherung

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Verpflichtungen übernimmt der Delcredere-Übernehmer gegenüber dem Prinzipal?

Durch die Vereinbarung eines Delcredere übernimmt der Delcredere-Übernehmer (oft ein Handelsvertreter oder Kommissionär) gegenüber dem Prinzipal eine zusätzliche, über die normale Vermittlungs- oder Abschlussverpflichtung hinausgehende rechtliche Verpflichtung. Im Regelfall verpflichtet sich der Delcredere-Übernehmer, für die Zahlungsfähigkeit und Zahlungsbereitschaft des Dritten (Käufer) einzustehen. Das bedeutet konkret, dass der Delcredere-Übernehmer dem Prinzipal den Ausfall ersetzt, den dieser durch die Nichtleistung des Dritten erleidet, obwohl er selbst kein Vertragspartner der Hauptschuld geworden ist. Voraussetzung ist in der Regel, dass der Ausfall trotz ordnungsgemäßer Vermittlung entstanden ist. Das Delcredere begründet somit eine selbstständige Garantiehaftung, die regelmäßig verschuldensunabhängig ist, es sei denn, vertraglich anderes bestimmt wird. Die rechtlichen Pflichten ergeben sich aus §§ 384, 350 HGB (Handelsgesetzbuch), wobei auch allgemeine Vorschriften des BGB zur Garantie Anwendung finden können.

Muss das Delcredere ausdrücklich vereinbart werden oder genügt auch eine konkludente Vereinbarung?

Grundsätzlich kann eine Delcredere-Haftung ausdrücklich oder stillschweigend (konkludent) vereinbart werden. Im Handelsvertreterrecht (§ 384 Abs. 1 Satz 2 HGB) ist allerdings geregelt, dass die Übernahme der Delcredere-Haftung ausdrücklich zu vereinbaren ist; eine bloß konkludente Übernahme reicht hier grundsätzlich nicht aus. Die ausdrückliche Vereinbarung dient dem Schutz des Handelsvertreters, da mit der Delcredere-Übernahme erhebliche wirtschaftliche Risiken verbunden sind. Im Kommissionsrecht hingegen kann das Delcredere auch stillschweigend übernommen werden, sofern nach den Umständen davon auszugehen ist, dass eine solche Haftung gewollt ist. Im Zweifel sind aber die Umstände und der Parteiwille im Einzelfall sorgfältig zu ermitteln.

Welche Formvorschriften gelten für die Vereinbarung eines Delcredere?

Das deutsche Recht schreibt für die Vereinbarung eines Delcredere grundsätzlich keine bestimmte Form (z.B. Schriftform) vor, es sei denn, die Parteien haben dies individuell geregelt oder eine Form ist im Vertrag vorgesehen. Nach § 384 Abs. 1 Satz 2 HGB im Rahmen der Handelsvertretung ist jedoch die „ausdrückliche“ Übernahme notwendig, was faktisch meist eine schriftliche oder zumindest mündliche, aber eindeutig formulierte Erklärung voraussetzt. Im Kommissions- und Maklerrecht genügt ebenfalls jede Form, sofern die Parteien sich über die Delcrederehaftung eindeutig einig sind. In der Praxis wird aus Beweisgründen regelmäßig die Schriftform gewählt, um spätere Streitigkeiten über das Bestehen und den Inhalt der Haftung zu vermeiden.

Welche Ansprüche hat der Delcredere-Übernehmer gegenüber dem Prinzipal?

Der Delcredere-Übernehmer hat aus rechtlicher Sicht verschiedene Ansprüche gegenüber dem Prinzipal. Wichtigster Anspruch ist der auf Zahlung einer gesonderten Provision – der sogenannten Delcredere-Provision -, die als Ausgleich für das erhöhte Haftungsrisiko gewährt wird. Dieser Anspruch ergibt sich aus § 387 HGB im Handelsvertreterrecht und § 399 HGB im Kommissionsrecht. Die Höhe der Delcredere-Provision ist, sofern keine Vereinbarung getroffen wurde, nach billigem Ermessen zu bestimmen. Neben der Provision kann der Delcredere-Übernehmer auch Ersatz seiner Aufwendungen verlangen, falls er durch die Erfüllung der Delcredere-Verpflichtung wirtschaftliche Nachteile erleidet, soweit diese nicht von der vereinbarten Provision abgedeckt werden.

Wann haftet der Delcredere-Übernehmer nicht für den Forderungsausfall?

Die Haftung aus dem Delcredere erstreckt sich grundsätzlich nur auf den Forderungsausfall, der auf mangelnde Leistungsfähigkeit oder Zahlungsbereitschaft des Dritten zurückzuführen ist. Für andere Ausfälle, wie solche durch Rechtsmängel, Anfechtung, Aufrechnung oder Fälle höherer Gewalt, haftet der Delcredere-Übernehmer in der Regel nicht, sofern keine anderweitige Vereinbarung getroffen wurde. Ebenso entfällt die Haftung, wenn der Prinzipal selbst durch sein Verhalten den Forderungsausfall herbeigeführt hat, beispielsweise durch Verzicht auf Sicherheiten oder durch Änderung der Vertragsbedingungen gegenüber dem Dritten nachträglich ohne Zustimmung des Delcredere-Übernehmers. Die Haftung kann zudem vertraglich begrenzt oder ausgeschlossen werden.

Wie unterscheidet sich die rechtliche Behandlung des Delcredere im Handelsvertreterrecht vom Kommissionsrecht?

Im Handelsvertreterrecht ist die Delcredere-Übernahme in § 384 HGB geregelt und setzt eine ausdrückliche und individuelle Vereinbarung voraus. Der Handelsvertreter haftet nur für den Ausfall der Forderung und erhält im Gegenzug eine gesonderte Provision. Im Kommissionsrecht (§ 396 ff. HGB) kann das Delcredere auch stillschweigend übernommen werden und wird häufiger praktiziert. Die Delcredere-Haftung des Kommissionärs wird als stärkere Stellung im Vergleich zum Handelsvertreter angesehen, da der Kommissionär ohnehin im eigenen Namen, auf fremde Rechnung tätig wird und unmittelbarer involviert ist. Die einzelnen Rechtsfolgen und Voraussetzungen können daher abweichen, insbesondere hinsichtlich des Umfangs der Haftung und der Art der Vergütung.

Kann die Delcredere-Haftung ausgeschlossen, beschränkt oder befristet werden?

Grundsätzlich steht es den Parteien frei, die Delcredere-Haftung individuell zu gestalten, sofern keine zwingenden gesetzlichen Vorschriften entgegenstehen. Die Haftung kann sowohl teilweise ausgeschlossen (z.B. bis zu einem Höchstbetrag, für bestimmte Schuldner oder für einen bestimmten Zeitraum) als auch beschränkt (etwa auf bestimmte Forderungen oder Ereignisse) oder zeitlich befristet werden. Die entsprechende Ausgestaltung bedarf allerdings klarer und eindeutiger Vereinbarungen, um im Streitfall Bestand zu haben. Auch eine vollständige Abbedingung der Delcredere-Haftung ist rechtlich möglich, sofern dies beiderseitig vereinbart wurde. Die Parteien sollten jedoch darauf achten, dass keine unzulässigen Klauseln verwendet werden, die gegen das AGB-Recht (insbesondere §§ 305 ff. BGB) verstoßen.