Begriff und rechtliche Definition der DDR
Die Abkürzung DDR steht für „Deutsche Demokratische Republik“ und bezeichnet einen eigenständigen, völkerrechtlich anerkannten Staat auf dem Gebiet des heutigen Ostdeutschlands, der zwischen dem 7. Oktober 1949 und dem 3. Oktober 1990 existierte. Die DDR entstand im Zuge der politischen Nachkriegsordnung nach dem Zweiten Weltkrieg und stellte den östlichen Teil Deutschlands unter sowjetischer Besatzung dar. Ihre staatsrechtliche Entwicklung, die Verfassung, Verwaltung, das Rechtssystem sowie deren völkerrechtliche Einordnung bilden zentrale Aspekte für die Betrachtung des Begriffs DDR im rechtlichen Zusammenhang.
Staatsrechtliche Grundlagen der DDR
Entstehung und staatliche Organisation
Die Gründung der DDR basierte auf den Beschlüssen der sowjetischen Besatzungsmacht sowie der in der sowjetischen Besatzungszone eingesetzten Deutschen Volkskongresse. Am 7. Oktober 1949 trat die DDR als deutscher Teilstaat konstituiert unter Verabschiedung ihrer ersten Verfassung ins Leben.
Verfassung und Verfassungsorgane
Die initiale Verfassung der DDR orientierte sich formal an demokratischen Prinzipien, während die tatsächliche Machtstruktur durch eine führende Rolle der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) geprägt war. Die bedeutendste Verfassungsänderung erfolgte 1968, wonach die DDR explizit als sozialistischer Staat definiert wurde. Zentrale Verfassungsorgane waren die Volkskammer (Parlament), der Ministerrat (Regierung), der Staatsrat (Staatsoberhaupt) und die Nationale Front als gesellschaftliches Bündnis.
Grundrechte und Rechtsstellung der Bürger
Vergleichbar zu westlichen Demokratien enthielt die Verfassung der DDR Grundrechtskataloge, deren praktische Umsetzung jedoch stark durch staatliche Kontrolle und Eingriffe eingeschränkt war. Bürgerrechte wie Meinungs-, Presse- und Versammlungsfreiheit wurden durch das Prinzip der führenden Rolle der SED relativiert. Die individuelle Rechtsstellung des Bürgers war im Rechtssystem der DDR den Interessen des sozialistischen Staates untergeordnet.
Rechtssystem der DDR
System und Quellen des Rechts
Das Recht der DDR war geprägt durch eine Orientierung am sowjetischen Rechtsmodell. Die wichtigste Rechtsquelle bildete die Verfassung sowie Gesetze der Volkskammer und Verordnungen des Ministerrats. Die Rechtssetzung erfolgte zentral durch staatliche Organe, wobei Rechtsprechung und Verwaltung parteipolitisch gelenkt wurden.
Strafrecht
Im Strafrecht der DDR wurde zwischen staatsschädigenden und anderen Delikten unterschieden; politische Straftaten wurden besonders streng verfolgt. Die Strafprozessordnung der DDR ermöglichte es, politische Gegner durch Gesetzgebungen, Ermittlungen und Prozesse zu verfolgen.
Zivilrecht und Familienrecht
Das Zivilrecht war geprägt durch eine kollektivistische Ausrichtung. Eigentum an Produktionsmitteln lag vorwiegend in Staatshand, während privates Eigentum stark reglementiert war. Das Familienrecht orientierte sich am Leitbild der sozialistischen Gesellschaft, wobei Bereiche wie Eheschließung, Ehescheidung oder das Adoptionswesen gesetzlich geregelt waren.
Verwaltung und Verwaltungsrecht
Die Verwaltung war zentral organisiert und durchdrang nahezu alle Lebensbereiche, etwa in der Wohnraumvergabe, der Planwirtschaft, dem Arbeitsrecht und der sozialen Sicherung.
Rechtsprechung
Gerichte der DDR waren in der Praxis nicht unabhängig, sondern unterlagen der Weisung der SED und des Staates. Die Rechtsprechung folgte dabei häufig politischen Zielsetzungen.
Völkerrechtliche Stellung der DDR
Anerkennung und internationale Beziehungen
Die DDR war ein völkerrechtlicher Staat mit reger diplomatischer Tätigkeit. Die vollständige völkerrechtliche Anerkennung begann 1973 insbesondere mit der Aufnahme in die Vereinten Nationen. Zentrale völkerrechtliche Aspekte betrafen die gegenseitige Anerkennung mit der Bundesrepublik Deutschland im Grundlagenvertrag (1972), wobei beide Staaten sich als eigenständige Staaten anerkannten, jedoch die gesamtdeutsche Frage offenhielten.
Staatsangehörigkeit und Implikationen
Die DDR verfügte über eine eigene Staatsangehörigkeit mit entsprechenden gesetzlichen Grundlagen. Der Erwerb, Verlust und Erhalt der Staatsbürgerschaft regelte das Staatsangehörigkeitsgesetz der DDR. Zugleich blieb aus Sicht der Bundesrepublik Deutschland die gesamtdeutsche Staatsangehörigkeit bestehen, was später rechtliche Fragen im Kontext der Wiedervereinigung nach sich zog.
Auflösung und rechtliche Nachwirkungen der DDR
Beitrittsprozess zur Bundesrepublik Deutschland
Mit der friedlichen Revolution und dem Einigungsvertrag von 1990 wurde die DDR am 3. Oktober 1990 gemäß Artikel 23 des Grundgesetzes in die Bundesrepublik Deutschland eingegliedert und hörte als eigene Rechtseinheit auf zu bestehen.
Fortgeltung und Überleitung von Rechtsakten
Der Einigungsvertrag regelte detailliert das Schicksal von Gesetzen, Verwaltungsakten und gerichtlichen Entscheidungen der DDR. Zahlreiche DDR-Normen blieben zunächst in Kraft, soweit sie nicht dem Grundgesetz widersprachen oder ausdrücklich aufgehoben wurden. Die Überleitung vieler Rechtsakte führte zu einer Vielzahl von Sonderregelungen mit Bedeutung für die Transformation von Eigentums-, Vermögens- sowie anderen Rechten.
Restitution und Rehabilitierung
Im Zuge der Wiedervereinigung entstanden komplexe Restitutionsverfahren zur Rückübertragung von enteigneten Vermögenswerten. Daneben wurden umfassende Gesetzgebungen zur strafrechtlichen und verwaltungsrechtlichen Rehabilitierung von durch die DDR verurteilten oder verfolgten Personen geschaffen.
Historische und rechtliche Bedeutung der DDR im heutigen Recht
Die Institutionen, Rechtsakte und die politische Entwicklung der DDR wirken bis in das heutige Recht nach. Fragen des Staatsangehörigkeitsrechts, der Rehabilitierung, der Anerkennung von Bildungsabschlüssen, Rentenansprüchen oder öffentlich-rechtlichen Verträgen werden im Lichte der Fortführung und Umwandlung von DDR-Recht analysiert und beurteilt.
Zusammenfassung
Die Deutsche Demokratische Republik stellt einen historisch und rechtlich eigenständigen Staat in der deutschen Nachkriegsgeschichte dar, dessen staatsrechtliche, völkerrechtliche und verwaltungsrechtliche Strukturen von grundlegender Bedeutung für die Rechtsentwicklung auf dem Gebiet der neuen Bundesländer und für das heutige deutsche Rechtssystem geblieben sind. Die umfassende Aufarbeitung und Überleitung der Rechtsverhältnisse der DDR stellt nach wie vor zentrale Herausforderungen für Wissenschaft und Praxis dar.
Häufig gestellte Fragen
Welche Rechtsquellen galten in der DDR und wie unterschieden sie sich von denen der Bundesrepublik Deutschland?
Die DDR (Deutsche Demokratische Republik) entwickelte ein eigenständiges Rechtssystem, das sich grundlegend von dem der Bundesrepublik Deutschland unterschied. Zentrale Rechtsquelle war die Verfassung der DDR von 1949, die 1968 und zuletzt 1974 umfassend novelliert wurde. Daneben galten spezifische Gesetzbücher wie das Zivilgesetzbuch der DDR (ZGB, eingeführt 1976), das Strafgesetzbuch der DDR (StGB-DDR, eingeführt 1968) sowie zahlreiche Sondergesetze, etwa zum Familien-, Arbeits-, und Verwaltungsrecht. Die DDR war ein sozialistischer Staat, weshalb das Recht in Auslegung und Anwendung den politischen Vorgaben der Sozialistischen Einheitspartei Deutschlands (SED) unterworfen war. Der Rechtsschutz orientierte sich am Prinzip der sozialistischen Rechtspflege, sodass beispielsweise Rechtsmittel und richterliche Unabhängigkeit stark eingeschränkt waren. Internationale Verträge galten nur, sofern sie in die nationale Gesetzgebung übernommen wurden, und das System des geschriebenen Rechts hatte Vorrang vor dem Richterrecht, das in der Bundesrepublik durch Präzedenzfälle eine größere Bedeutung besaß. Nach dem Beitritt der DDR zur Bundesrepublik 1990 wurden die DDR-Gesetze weitgehend außer Kraft gesetzt oder durch bundesdeutsche Normen ersetzt.
Wie war die Eigentumsordnung in der DDR rechtlich geregelt?
Die Eigentumsordnung der DDR unterschied sich signifikant von westlichen Ordnungen. Laut DDR-Verfassungen gab es verschiedene Eigentumsformen: Volkseigentum (staatliches Eigentum), genossenschaftliches Eigentum (vor allem in Landwirtschaft und Wohnungswesen) und persönliches Eigentum. Das private Eigentum an Produktionsmitteln wurde durch das Gesetz über die sozialistische Umgestaltung der Wirtschaft ab den 1950er Jahren systematisch reduziert, teils auch enteignet. Volkseigentum bildete die rechtliche Grundlage für die Durchführung der zentral geplanten Wirtschaftsordnung. Privatpersonen konnten zwar persönliches Eigentum an beweglichen Sachen und Wohneigentum haben, aber der Erwerb von Eigenheimen war streng limitiert und unterlag engen gesetzlichen Vorgaben. Mit dem Inkrafttreten des ZGB wurde der Schutz des Eigentums auf das persönliche Eigentum begrenzt, wobei der Umfang und Gebrauchszweck staatlich reguliert und kontrolliert wurden.
Welche Rolle spielte die Verfassungsgerichtsbarkeit in der DDR?
Die DDR verfügte über kein Verfassungsgericht nach westlichem Vorbild. Verfassungsfragen wurden nicht von unabhängigen Gerichten, sondern allenfalls durch politische Instanzen wie die Volkskammer oder den Staatsrat entschieden. Eine konkrete Normenkontrolle oder Verfassungsbeschwerde existierte nicht. Streitigkeiten über die Auslegung von Verfassungsrecht wurden intern, unter Aufsicht der dominanten Staatspartei SED, geregelt. Die Gerichte waren verpflichtet, Gesetze stets im Sinne der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu interpretieren und das Wohl der Arbeiter- und Bauernklasse zu wahren. Eine substanzielle gerichtliche Überprüfung staatlicher Maßnahmen unter verfassungsrechtlichen Gesichtspunkten war ausgeschlossen.
Wie war der Zugang zur Justiz in der DDR geregelt?
Zugang zur Justiz stand grundsätzlich allen Bürgern offen, jedoch war das Verfahren durch das demokratisch-zentrale Prinzip geprägt, das die Parteilinie strikt bevorzugte. Die Gerichte, insbesondere die Bezirks- und Kreisgerichte, hatten den Auftrag, die Politik der SED umzusetzen und soziale Konflikte im Sinne der sozialistischen Gesellschaftsordnung zu lösen. Anwälte waren zwar zugelassen, jedoch wurde die Zulassung durch den Staat überwacht, und sie waren in der „Collegien der Rechtsanwälte der DDR“ zwangskollektiviert. Beschwerden gegen staatliches Handeln oder Missstände waren oftmals nur durch Eingaben und Petitionen möglich, deren Bearbeitung fernab jedes rechtsstaatlichen Verständnisses lag. Die Unabhängigkeit der Justiz war de facto nicht gegeben.
Welche Besonderheiten wies das Strafrecht der DDR auf?
Das Strafrecht der DDR war wesentlich vom politischen System geprägt. Es existierten spezielle Tatbestände wie „staatsfeindliche Hetze“, „Republikflucht“ oder „ungesetzliche Verbindungsaufnahme“, um politisch unerwünschtes Verhalten zu sanktionieren. Die Verfahren waren stark vereinfacht und die Verfahrensrechte der Beschuldigten eingeschränkt; die Strafgerichtsbarkeit unterstand maßgeblich der Kontrolle durch das Ministerium für Staatssicherheit (MfS). Rechtsschutz durch unabhängige Anwälte war im politischen Strafrecht kaum gegeben. Außerdem war das Strafmaß häufig unbestimmt und konnte nach Ermessen des Gerichts im Sinne der Staatsraison verhängt werden. Nach der Wiedervereinigung wurde das Strafrecht der DDR für verfassungswidrige Praktiken umfangreich aufgearbeitet (z.B. durch das Strafrechtliche Rehabilitierungsgesetz).
Wie wurden internationale Abkommen und Menschenrechte in der DDR rechtlich umgesetzt?
Internationale Abkommen, darunter auch solche über Menschenrechte, wurden nur dann in der DDR berücksichtigt, wenn sie explizit in innerstaatliches Recht umgesetzt wurden. Die Universalität der Menschenrechte nach westlichem Verständnis war eingeschränkt, die DDR definierte Rechte wie Meinungsfreiheit, Versammlungsfreiheit oder Freizügigkeit eng und mit zahlreichen Einschränkungen. Internationale Menschenrechtsübereinkommen wie der Internationale Pakt über bürgerliche und politische Rechte wurden zwar ratifiziert, in der juristischen Praxis aber dem Vorrang des sozialistischen Rechts unterstellt. Die Kontrolle über internationale Vereinbarungen lag beim Ministerrat, und Durchsetzungsmechanismen wie internationale Beschwerden existierten nicht für DDR-Bürger. Gleichsam war die DDR nicht Mitglied des Europäischen Gerichtshofs für Menschenrechte.
Welche Rolle spielten Staatsanwaltschaft und Staatssicherheit (MfS) im Rechtssystem der DDR?
Die Staatsanwaltschaft der DDR war Teil des einheitlichen sozialistischen Staates und rechtlich den politischen Zielsetzungen der SED verpflichtet. Sie überwachte die Einhaltung aller Gesetze, kontrollierte die Justiz und wirkte eng mit dem Ministerium für Staatssicherheit (MfS) zusammen. Das MfS war keine formelle Justizbehörde, sondern eine politische Polizei mit weitgehenden Eingriffs-, Überwachungs- und Ermittlungsbefugnissen, die ohne richterliche Kontrolle tätig werden konnte. Die Zusammenarbeit beider Institutionen ermöglichte ein repressionsgestütztes System, in dem politisch motivierte Strafverfolgung üblich und rechtlich abgesichert war. Die Trennung von Ermittlungs- und Strafverfolgungsbehörde, wie sie etwa im bundesdeutschen Rechtsstaat existiert, war in der DDR weitgehend aufgehoben.