CRR: Begriff, Hintergrund und Einordnung
Die Capital Requirements Regulation (CRR) ist eine unmittelbar in allen Mitgliedstaaten geltende Verordnung der Europäischen Union. Sie legt einheitliche aufsichtsrechtliche Anforderungen für Banken sowie bestimmte Wertpapierfirmen fest. Ziel ist es, die Stabilität des Finanzsystems zu stärken, Risiken in Instituten zu begrenzen und vergleichbare Wettbewerbsbedingungen im europäischen Binnenmarkt zu schaffen. Die CRR ist Teil des europäischen Aufsichtsrahmens für Kredit- und Finanzinstitute und ergänzt die hierzu erlassene Richtlinie, die von den Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt wird.
Definition und Zielsetzung
Die CRR regelt, über welche Qualität und Höhe an Eigenmitteln Institute verfügen müssen, wie Risiken zu messen sind und welche Transparenz gegenüber Aufsicht und Öffentlichkeit sicherzustellen ist. Sie verfolgt die Zielsetzung, Ausfälle von Instituten zu verhindern, die Einlagensicherung zu stützen und Ansteckungseffekte im Finanzsystem zu vermindern. Zugleich sorgt die CRR als Teil des sogenannten „Single Rulebook“ für harmonisierte, europaweit einheitliche Standards.
Geltungsbereich und Adressaten
Die CRR gilt für Kreditinstitute und – je nach Größe, Tätigkeit und Systemrelevanz – für ausgewählte Wertpapierfirmen mit Sitz in der EU. Viele kleinere und mittlere Wertpapierfirmen unterliegen inzwischen einem gesonderten Aufsichtsrahmen; besonders bedeutende Institute verbleiben im Anwendungsbereich der CRR. Die Vorschriften greifen auf Einzelinstitutsebene und, sofern eine Institutsgruppe besteht, auch auf konsolidierter Ebene. Niederlassungen aus Drittstaaten können in den Aufsichtsrahmen eingebunden werden, soweit sie Teil einer konsolidierten Gruppe sind oder nationale Regelungen dies vorsehen.
Systematik und zentrale Inhalte
Eigenmittel und Kapitalstruktur
- Kernkapital hoher Qualität (Common Equity Tier 1): insbesondere einbehaltene Gewinne und Stammaktien abzüglich bestimmter Abzüge und Wertberichtigungen.
- Ergänzendes Kernkapital (Additional Tier 1): nachrangige Kapitalinstrumente mit verlusttragenden Eigenschaften.
- Ergänzungskapital (Tier 2): weitere nachrangige Instrumente mit längerfristiger Laufzeit zur Verlustabsorption im Fall erhöhter Verluste.
Die CRR definiert die Kriterien, die Kapitalinstrumente erfüllen müssen, um den jeweiligen Kapitalbestandteilen zugerechnet zu werden. Sie verlangt eine fortlaufende Angemessenheit der Eigenmittelausstattung in Relation zu den eingegangenen Risiken.
Risikopositionen und Kapitalanforderungen
- Kreditrisiko: Anrechnungen nach standardisierten Verfahren oder – nach Zulassung – internen Modellen; berücksichtigt werden Bonität, Sicherheiten und Risikominderungstechniken.
- Marktrisiko: Eigenmittelanforderungen für Positionen in Handelsbüchern sowie für Zins-, Aktien-, Währungs- und Rohstoffrisiken.
- Operationelles Risiko: Kapitalanforderungen zur Abdeckung von Verlusten aus Prozessen, Menschen, Systemen oder externen Ereignissen.
- CVA- und Gegenparteiausfallrisiko: besondere Anforderungen für Derivatgeschäfte und Wertpapierfinanzierungstransaktionen.
Die CRR legt fest, wie Risiken zu ermitteln, zu gewichten und auf Eigenmittelanforderungen zu übertragen sind. Sie schafft so eine einheitliche Methodik zur Quantifizierung der Mindestkapitalunterlegung.
Verschuldungsquote
Die CRR führt eine nicht risikogewichtete Verschuldungsquote ein. Sie begrenzt das Verhältnis von Gesamtexpositionen zu Eigenmitteln und dient als zusätzliche Sicherung gegenüber Unterschätzungen von Risiken durch risikobasierte Verfahren.
Großkreditvorschriften
Zur Begrenzung von Klumpenrisiken setzt die CRR Obergrenzen für Großkredite gegenüber einzelnen Kunden oder verbundenen Gruppen. Dies soll verhindern, dass Ausfälle einzelner bedeutender Gegenparteien ein Institut übermäßig belasten.
Liquiditätsanforderungen
Die CRR etabliert quantitative Liquiditätskennziffern. Kurzfristig misst eine Kennzahl, ob ein Institut über ausreichend hochwertige liquide Aktiva verfügt, um Nettoabflüsse in einem Stressszenario zu decken. Langfristig soll eine strukturelle Kennzahl die stabile Refinanzierung sicherstellen. Beide Kennziffern fördern eine konservative Liquiditätssteuerung.
Offenlegung und Berichterstattung
Institute müssen der Aufsicht umfangreiche Meldungen zu Risiken, Eigenmitteln, Liquidität und Verschuldung übermitteln. Zusätzlich sind periodische Offenlegungen gegenüber der Öffentlichkeit vorgeschrieben, um Markttransparenz herzustellen. Form und Inhalt dieser Berichte werden unionsweit harmonisiert.
Aufsichtsarchitektur und Umsetzung
Rolle der EU-Organe und nationalen Behörden
Die CRR gilt unmittelbar. Die laufende Aufsicht erfolgt durch nationale Behörden sowie – für bedeutende Institute in teilnehmenden Staaten – durch den europäischen Aufsichtsmechanismus. Die Behörden überwachen die Einhaltung, bewerten Risiken und setzen erforderlichenfalls Maßnahmen durch.
Technische Standards und Leitlinien
Zur Konkretisierung erarbeitet die europäische Bankenaufsichtsbehörde technische Standards und Auslegungen. Diese präzisieren etwa Meldeformate, Definitionen und Bewertungsmethoden und sorgen für eine einheitliche Anwendung in der EU.
Prudenzielle Konsolidierung und Gruppenaufsicht
Bestehen Institutsgruppen, finden die Anforderungen zusätzlich auf Gruppenebene Anwendung. Die CRR regelt, welche Unternehmen in den Konsolidierungskreis einzubeziehen sind und wie gruppenweite Risiken, Intra-Group-Exposures sowie verfügbare Eigenmittel zu berücksichtigen sind.
Abgrenzung und Zusammenspiel mit weiteren Regelwerken
Die CRR bildet zusammen mit der entsprechenden Richtlinie den Kern des europäischen Bankenaufsichtsrechts. Während die CRR unmittelbar anwendbare, quantitative Anforderungen enthält, regelt die Richtlinie unter anderem aufsichtliche Überprüfungsprozesse, Governance-Aspekte und Kapitalpuffer, die national umzusetzen sind. Weitere Regelwerke betreffen Sanierung und Abwicklung, die Tätigkeiten von Wertpapierfirmen sowie die Organisation der europäischen Aufsicht. Die CRR wird regelmäßig angepasst, um internationale Standards fortzuschreiben und neue Risiken zu adressieren.
Rechtsfolgen bei Verstößen
Bei Verstößen gegen CRR-Pflichten können die zuständigen Behörden Maßnahmen anordnen. Dazu zählen verwaltungsrechtliche Sanktionen, Auflagen zur Eigenmittel- oder Liquiditätsstärkung, Beschränkungen von Geschäftsaktivitäten oder Anforderungen an interne Prozesse. Schwere oder wiederholte Verstöße können zu weitergehenden Eingriffen führen. Die konkreten Befugnisse richten sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben und den ergänzenden nationalen Regelungen.
Entwicklung und Aktualisierung
Die CRR wurde mehrfach überarbeitet, um Erfahrungen aus der Finanzkrise, internationale Vereinbarungen und technische Weiterentwicklungen aufzunehmen. Anpassungen betreffen insbesondere die Ausgestaltung von Marktrisiken, die Verschuldungsquote, Liquiditätskennziffern, die Behandlung von Verbriefungen und die Risikomessung mittels interner Modelle. Dadurch bleibt der Rahmen dynamisch und an neue Marktgegebenheiten anschlussfähig.
Bedeutung in der Praxis
Die CRR prägt das Geschäftsmodell, die Kapital- und Liquiditätsplanung sowie die Risikosteuerung von Instituten. Sie beeinflusst mittelbar die Kreditvergabe, die Bepreisung von Finanzprodukten und die Stabilität des Finanzsystems. Für Marktteilnehmende schafft sie Transparenz und Vergleichbarkeit, indem zentrale Kennzahlen einheitlich definiert und offengelegt werden.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur CRR
Was bedeutet CRR und wofür steht sie?
CRR steht für Capital Requirements Regulation. Es handelt sich um eine EU-weit unmittelbar geltende Verordnung, die quantitative Aufsichtsanforderungen an Banken und bestimmte Wertpapierfirmen festlegt, insbesondere zu Eigenmitteln, Risiken, Liquidität, Großkrediten, Verschuldungsquote sowie Offenlegung.
Auf wen findet die CRR Anwendung?
Die CRR gilt für Kreditinstitute mit Sitz in der EU und für ausgewählte, besonders bedeutende Wertpapierfirmen. Viele kleinere Wertpapierfirmen unterliegen einem gesonderten Rahmen. Die Anforderungen greifen sowohl auf Einzelinstituts- als auch auf Gruppenebene.
Welche Kapitalarten unterscheidet die CRR?
Die CRR unterscheidet Kernkapital hoher Qualität, ergänzendes Kernkapital und Ergänzungskapital. Jedes Segment unterliegt spezifischen Qualitäts- und Anerkennungskriterien, sodass Verluste in unterschiedlicher Reihenfolge und Intensität aufgefangen werden.
Welche Rolle spielen Liquiditätskennziffern in der CRR?
Die CRR verankert eine kurzfristige Kennziffer zur Sicherstellung ausreichender Liquidität in Stressphasen und eine strukturelle Kennziffer für stabile Refinanzierung. Beide sollen kurzfristige Engpässe und strukturelle Ungleichgewichte im Liquiditätsprofil begrenzen.
Wie unterscheidet sich die CRR von der begleitenden Richtlinie?
Die CRR enthält unmittelbar geltende, quantifizierbare Vorgaben. Die begleitende Richtlinie regelt ergänzend die aufsichtliche Überprüfung, Kapitalpuffer und organisatorische Anforderungen, die durch die Mitgliedstaaten in nationales Recht umgesetzt werden.
Gilt die CRR auch für Tochterunternehmen und Gruppen?
Ja. Neben der Anwendung auf Einzelinstitute erfasst die CRR auch Institutsgruppen im Wege der prudenziellen Konsolidierung. Dadurch werden gruppenweite Risiken, Intra-Group-Beziehungen und die Verteilung von Eigenmitteln berücksichtigt.
Welche Konsequenzen drohen bei Verstößen gegen die CRR?
Die Aufsichtsbehörden können Sanktionen verhängen und Maßnahmen anordnen, etwa zusätzliche Kapital- oder Liquiditätsanforderungen, Beschränkungen von Geschäften oder Auflagen zur Verbesserung interner Prozesse. Das konkrete Vorgehen richtet sich nach den unionsrechtlichen Vorgaben und nationalen Bestimmungen.