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Convertible

Begriff und Grundprinzip des Convertible

Ein Convertible ist ein Finanzierungsinstrument, das zunächst als Fremdkapital gewährt wird und zu einem späteren Zeitpunkt in Eigenkapital des Unternehmens umgewandelt werden kann. Im deutschen Sprachgebrauch werden hierfür insbesondere die Begriffe Wandeldarlehen (bei jungen Unternehmen, häufig GmbH) und Wandelanleihe (bei größeren, häufig börsennotierten Gesellschaften) verwendet. Das gemeinsame Merkmal ist das vertraglich vereinbarte Recht oder der Mechanismus, die Geldforderung in Geschäftsanteile oder Aktien des Unternehmens umzuwandeln.

Rechtsnatur und Einordnung

Charakter als schuldrechtliches Instrument

Bis zur Wandlung handelt es sich um eine Forderung des Investors gegen das Unternehmen. Diese Forderung kann verzinst sein, eine Laufzeit haben und Rückzahlungsansprüche begründen. Mit der Wandlung erlischt die Forderung ganz oder teilweise, und der Investor erhält im Gegenzug Anteile am Unternehmen. Vor der Wandlung bestehen grundsätzlich keine Stimm- oder Gewinnbezugsrechte wie bei Gesellschaftern, sondern Gläubigerrechte.

Typische Ausprägungen

Wandeldarlehen

Bei Start-ups verbreitet: ein Darlehensvertrag mit vereinbarten Wandlungsauslösern (z. B. künftige Finanzierungsrunde). Häufig sind ein Bewertungsdeckel (Valuation Cap), ein Preisnachlass (Discount) und Zinsregelungen vorgesehen.

Wandelanleihe

Kapitalmarktfähiges Wertpapier, das nach einem festgelegten Verhältnis in Aktien gewandelt werden kann. Ausgabe, Handel und Informationserfordernisse folgen kapitalmarktrechtlichen Rahmenbedingungen.

Verwandte Instrumente

Instrumente wie vorweggenommene Zeichnungszusagen ohne Rückzahlungsanspruch sind verwandt, aber rechtlich anders strukturiert, da sie eher eigenkapitalähnlich sind und häufig ohne Verzinsung auskommen.

Vertragsinhalt und Wandlungsmechanik

Wandlungsauslöser (Trigger Events)

Häufige Auslöser sind eine künftige Eigenkapitalfinanzierung (qualifizierte Runde), der Ablauf der Laufzeit, ein Kontrollwechsel, ein Börsengang oder eine Liquidation. Je nach Ausgestaltung erfolgt die Wandlung automatisch oder nach Wahl des Investors beziehungsweise des Unternehmens.

Berechnung des Wandlungspreises

Der Wandlungspreis orientiert sich typischerweise am Preis der nächsten Finanzierungsrunde, vermindert um einen vertraglich vereinbarten Discount, oder ergibt sich aus einem Bewertungsdeckel. Teilweise gilt das für den Investor vorteilhaftere Ergebnis. Aufgelaufene Zinsen können in die Wandlung einbezogen werden.

Anteile und Rechte nach der Wandlung

Bei der Wandlung wird festgelegt, in welche Klasse von Anteilen konvertiert wird (z. B. Stamm- oder Vorzug). Damit verbunden sind Mitverwaltungs-, Vermögens- und Informationsrechte gemäß der jeweiligen Anteils- oder Aktienklasse. Vor der Wandlung bestehen diese typischerweise nicht.

Rang, Sicherheiten und Covenants

Convertibles sind häufig nachrangig ausgestaltet, um die Kapitalstruktur der Gesellschaft zu schützen und Insolvenzszenarien zu steuern. Sicherheiten sind im Frühphasenbereich unüblich, im Anleihebereich dagegen möglich. Informationspflichten, Negativerklärungen und Zustimmungsvorbehalte können vereinbart werden.

Gesellschaftsrechtliche Aspekte

GmbH

Die Wandlung in Geschäftsanteile erfordert regelmäßig eine Kapitalerhöhung und entsprechende Gesellschafterbeschlüsse. Formvorschriften wie notarielle Beurkundung, die Anpassung der Gesellschafterliste und die Eintragung im Handelsregister sind zu beachten. Vorerwerbsrechte bestehender Gesellschafter können berührt sein und werden vertraglich adressiert.

AG

Für Wandelanleihen sind besondere gesellschaftsrechtliche Strukturen vorgesehen, die eine spätere Ausgabe von Aktien ermöglichen. Erforderlich sind Beschlüsse der Organe, ein festgelegtes Umtauschverhältnis sowie klare Bedingungen der Anleihe. Zeichnungsrechte bestehender Aktionäre und deren Behandlung sind zu berücksichtigen.

Cap Table und Verwässerung

Convertibles beeinflussen die Beteiligungsstruktur häufig zeitversetzt: Die Verwässerung tritt erst mit der Wandlung ein. Der Vertrag regelt, wie sich spätere Strukturänderungen, Mitarbeiterbeteiligungen oder weitere Finanzierungsrunden auf das Wandlungsverhältnis auswirken.

Kapitalmarkt- und Aufsichtsrecht

Öffentliche Angebote und Informationserfordernisse

Wandelanleihen und ähnliche Instrumente können aufsichtsrechtliche Anforderungen auslösen, insbesondere bei öffentlichen Angeboten oder bei der Ansprache einer großen Anzahl von Anlegern. In bestimmten Fällen sind Informationsunterlagen vorzusehen; Ausnahmen sind möglich. Privatplatzierungen unter professionellen Investoren unterliegen anderen Maßstäben als breite Publikumsangebote.

Vertrieb, Vermittlung und Zielmarkt

Der Vertrieb an verschiedene Anlegergruppen kann zusätzlichen Anforderungen unterliegen, etwa im Hinblick auf Produktgovernance, Angemessenheit und Zielmarktabgrenzung. Vermittlungs- und Beratungstätigkeiten können Erlaubnistatbestände berühren.

Insolvenzrechtliche Einordnung

Vor der Wandlung ist der Investor Gläubiger. Ohne besondere Vereinbarung nimmt die Forderung am Insolvenzverfahren teil. Bei vertraglicher Nachrangigkeit wird die Forderung erst nach Befriedigung vorrangiger Gläubiger berücksichtigt. Die Wandlung selbst setzt die ausreichende Fortführung des Unternehmens voraus; im Insolvenzfall entfällt sie regelmäßig.

Steuer- und Bilanzaspekte (Überblick)

Vor der Wandlung

Zinsen aus dem Convertible sind grundsätzlich ertragswirksam beim Investor und aufwandswirksam beim Unternehmen. Die bilanzielle Einordnung kann zwischen Schuld- und Eigenkapitalbestandteilen differenzieren, abhängig von den vertraglichen Bedingungen.

Bei und nach der Wandlung

Die Umwandlung der Forderung in Anteile stellt einen Tausch dar. Daraus können steuerliche Folgen entstehen, etwa im Hinblick auf stille Reserven, Anschaffungskosten der Anteile und die Behandlung von Zinsen, die mitgewandelt werden. Die Bilanz der Gesellschaft verändert sich durch Eigenkapitalzuführung und Forderungserlass.

Internationale und digitale Ausgestaltungen

Rechtswahl und Gerichtsstand

Bei grenzüberschreitenden Finanzierungen wird oft eine Rechtswahl getroffen. Entscheidend ist die Anerkennung der Wandlung im Sitzstaat der Gesellschaft, da die Ausgabe neuer Anteile dem Gesellschaftsrecht dieses Staates folgt.

Tokenisierte Convertibles

Digitale oder tokenisierte Ausgestaltungen können zusätzliche Anforderungen an Technik, Verwahrung, Handelbarkeit und Offenlegung begründen. Die rechtliche Qualifikation hängt von der konkreten Ausgestaltung ab.

Typische Risiko- und Konfliktfelder

  • Unklare oder widersprüchliche Wandlungsformeln und Auslöser
  • Konflikte mit bestehenden Gesellschafterrechten (Vorerwerbsrechte, Zustimmungsvorbehalte)
  • Fehlende Deckung durch gesellschaftsrechtliche Beschlüsse bei Wandlung
  • Rangfragen gegenüber Banken oder anderen Gläubigern
  • Aufsichtsrechtliche Missklassifikation bei Anlegeransprache
  • Steuerliche Fehlallokation von Zinsen und Wandlungskomponenten

Dokumentation und Ablauf

Wesentliche Unterlagen

Üblicherweise werden ein Term Sheet, der Convertible-Vertrag, etwaige Gesellschafter- oder Anleihebedingungen, Zustimmungs- und Beschlussdokumente sowie Registerunterlagen erstellt. Cap-Table-Modelle und Informationsdokumente unterstützen die Verständlichkeit der Wandlungsfolgen.

Wandlungsdurchführung

Die technische Durchführung umfasst die Berechnung des Wandlungspreises, die Festlegung der Anteilszahl, die Abwicklung der Kapitalmaßnahme und die Dokumentation im Gesellschafts- und gegebenenfalls Wertpapierregister.

Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was bedeutet Convertible rechtlich gesehen?

Ein Convertible ist eine schuldrechtliche Finanzierung, die das Recht oder den Mechanismus vorsieht, die Geldforderung zu einem späteren Zeitpunkt in Anteile am Unternehmen umzuwandeln. Bis zur Wandlung bestehen Gläubigerrechte; danach Gesellschafter- oder Aktionärsrechte.

Worin liegt der Unterschied zwischen Wandeldarlehen und Wandelanleihe?

Das Wandeldarlehen ist ein individuell verhandelter Darlehensvertrag, der typischerweise von nicht börsennotierten Gesellschaften genutzt wird. Die Wandelanleihe ist ein wertpapierförmiges Instrument, das nach festen Bedingungen emittiert und häufig am Kapitalmarkt platziert oder gehandelt wird.

Welche Rechte hat der Investor vor der Wandlung?

Vor der Wandlung stehen dem Investor grundsätzlich Rückzahlungs- und Zinsansprüche sowie etwaige vertragliche Informations- und Zustimmungsvorbehalte zu. Mitverwaltungsrechte wie Stimmrechte bestehen regelmäßig nicht.

Wie wird der Wandlungspreis bestimmt?

Üblich sind zwei Methoden: ein Discount auf den Preis einer späteren Finanzierungsrunde oder ein Bewertungsdeckel, der eine maximale Bewertung festlegt. Häufig gilt die für den Investor vorteilhafte Variante; aufgelaufene Zinsen können in die Berechnung einfließen.

Welche Formvorschriften gelten bei einer GmbH?

Die Ausgabe neuer Geschäftsanteile im Zuge der Wandlung erfordert regelmäßig eine Kapitalerhöhung mit notarieller Beurkundung, entsprechende Gesellschafterbeschlüsse, die Aktualisierung der Gesellschafterliste und die Handelsregistereintragung.

Wann können aufsichtsrechtliche Pflichten relevant werden?

Bei öffentlichen Angeboten, breiter Anlegeransprache oder Handelbarkeit können Informations- und Zulassungspflichten entstehen. Privatplatzierungen unter professionellen Investoren unterliegen anderen Anforderungen als Angebote an die Allgemeinheit.

Wie wird ein Convertible in der Insolvenz behandelt?

Vor der Wandlung ist die Forderung insolvenzrechtlich eine Gläubigerforderung, deren Rang je nach vertraglicher Ausgestaltung (insbesondere bei Nachrang) variiert. Eine Wandlung findet im Insolvenzverfahren in der Regel nicht mehr statt.

Welche steuerlichen Folgen kann eine Wandlung haben?

Die Umwandlung der Forderung in Anteile kann steuerlich als Tausch wirken. Relevanz haben die Behandlung von Zinsen, die Ermittlung der Anschaffungskosten der Anteile sowie mögliche stille Reserven. Die konkrete Einordnung hängt von der Ausgestaltung ab.