Begriffserklärung: Containern
Unter dem Begriff Containern (auch: „Dumpster Diving“) wird das Durchsuchen und Entnehmen von weggeworfenen Lebensmitteln oder anderen Gegenständen aus Abfallbehältnissen – meist Mülltonnen oder Containern von Supermärkten – verstanden. Ziel des Containerns ist es in der Regel, noch brauchbare bzw. genießbare Waren vor der Vernichtung zu bewahren und selbst zu verwenden oder weiterzugeben. Obwohl dieser Begriff im gesellschaftlichen Diskurs häufig mit Nachhaltigkeit und Lebensmittelverschwendung in Zusammenhang steht, ist er rechtlich anspruchsvoll und wird in Deutschland und vielen anderen Ländern überwiegend unter strafrechtlichen und zivilrechtlichen Gesichtspunkten betrachtet.
Rechtliche Einordnung des Containerns
Strafrechtliche Aspekte
Diebstahl (§ 242 StGB)
Das Containern stellt nach gegenwärtiger Rechtslage in Deutschland in der Regel eine strafbare Handlung nach § 242 StGB (Diebstahl) dar. Die Vorschrift schützt das Eigentum und verlangt, dass eine fremde bewegliche Sache gegen oder ohne den Willen des Berechtigten weggenommen wird.
Obwohl entsorgte Lebensmittel für den Eigentümer scheinbar keinen wirtschaftlichen Wert mehr haben, ist das Eigentum an diesen Waren häufig nicht vollständig aufgegeben, sondern wird nach vielen gerichtlichen Entscheidungen lediglich gelockert („Gewahrsamslockerung“). Supermärkte oder Besitzer der Mülltonnen bleiben demnach weiterhin Eigentümer der entsorgten Waren, bis sie durch die Entsorgung etwa in der Müllverbrennungsanlage endgültig vernichtet bzw. verwertet werden. Die Wegnahme kann somit als Diebstahl qualifiziert werden.
Hausfriedensbruch (§ 123 StGB)
Das Öffnen und Betreten von Supermarktgeländen außerhalb der Öffnungszeiten, das Überwinden von Zäunen oder das Eindringen in abgeschlossene Bereiche, kann den Hausfriedensbruch gemäß § 123 StGB erfüllen. Der Schutzbereich dieser Vorschrift umfasst befriedetes Besitztum, zu dem üblicherweise auch umfriedete Mülltonnenbereiche zählen.
Sachbeschädigung (§ 303 StGB)
Wird im Zuge des Containerns ein Behältnis – etwa Container oder Mülltonne – beschädigt, kann darüber hinaus der Tatbestand der Sachbeschädigung gemäß § 303 StGB verwirklicht sein.
Unterschlagung (§ 246 StGB)
Sofern der Eigentümer die weggeworfenen Sachen eindeutig aufgegeben hat (Dereliktion), kann nicht von Diebstahl ausgegangen werden. In solchen Fällen könnte jedoch eine Unterschlagung nach § 246 StGB in Betracht kommen, sofern ein fremdes Eigentum noch besteht.
Zivilrechtliche Aspekte
Eigentumsverhältnisse an weggeworfenen Sachen
Im Zivilrecht ist maßgeblich, ob der Supermarkt bzw. Eigentümer die Waren wirklich herrenlos gestellt hat. Die vollständige Aufgabe des Eigentums, die Dereliktion, setzt voraus, dass erkennbar kein Besitzwille mehr bestehe. Nach bisheriger Rechtsprechung und herrschender Meinung bleibt jedoch insbesondere bei Supermärkten das Eigentum bis zur regulären Müllentsorgung bestehen. Erst danach werden die Sachen als herrenlos angesehen und können von jedermann besitzergreifend übernommen werden.
Schadensersatzansprüche
Wird im Rahmen des Containerns das Eigentum des Supermarktes an den Behältern oder am Gelände verletzt, können im Zivilrecht Unterlassungs- und Schadenersatzansprüche entstehen. Diese richten sich in der Regel nach § 823 BGB (Schadensersatzpflicht).
Verwaltungsrechtliche Aspekte
Kommunale Satzungen und Abfallrecht
Nach Abfallrecht kann das Entnehmen von Abfällen aus Müllbehältern in bestimmten Kommunen eine Ordnungswidrigkeit darstellen. Dies ist insbesondere dort der Fall, wo kommunale Satzungen das unerlaubte Entnehmen von Abfällen, die ordnungsgemäß entsorgt werden sollen, untersagen. Die jeweilige Rechtslage variiert jedoch je nach Gemeinde oder Stadt.
Containern im Licht des Strafzumessung und Strafverfolgung
Strafzumessung
Im Fall einer strafrechtlichen Verfolgung wird die Geringwertigkeit des entwendeten Gutes regelmäßig bei der Strafzumessung berücksichtigt. In manchen Bundesländern wird ein Containern als sogenannter „minderschwerer Fall“ behandelt, sodass die Sanktionen oft gering ausfallen oder das Verfahren nach § 153 StPO (Geringfügigkeit) eingestellt werden kann.
Ermittlung und Verfolgung
Die Ahndung erfolgt meist nur auf Anzeige der Eigentümer. Teilweise zeigen Supermarktketten das Containern aktiv an, in anderen Fällen wird stillschweigend darauf verzichtet. Eine systematische Strafverfolgung ist daher nicht feststellbar, jedoch gibt es immer wieder medienwirksame Verfahren.
Debatte um die Entkriminalisierung des Containerns
Der Gesetzgeber diskutiert mehrfach Änderungen im Umgang mit dem Containern. Forderungen nach einer Entkriminalisierung etwa durch Ausnahmevorschriften im StGB oder durch explizite Regelungen zur Dereliktion werden immer wieder laut, bislang jedoch ohne Umsetzung. Die rechtliche Bewertung bleibt deshalb weiterhin streng an den gesetzlichen Vorgaben ausgerichtet.
Rechtsprechung zum Containern
In den vergangenen Jahren haben zahlreiche Gerichte Urteile zum Containern gefällt. Die Gerichte folgen in ihrer Begründung meist der Linie, dass das Eigentum an Waren im Müllcontainer solange dem Supermarkt oder ursprünglichen Besitzer zusteht, bis diese zur Abholung durch eine Entsorgungsfirma bereitstehen. Erst danach tritt die Herrenlosigkeit ein. Insbesondere die Verurteilungen von Personen, die Lebensmittel aus abgeschlossenen Müllcontainern entnommen haben, bestätigen diesen Ansatz.
Relevante Rechtsnormen im Zusammenhang mit Containern
- § 242 StGB (Diebstahl)
- § 123 StGB (Hausfriedensbruch)
- § 246 StGB (Unterschlagung)
- § 303 StGB (Sachbeschädigung)
- § 823 BGB (Schadensersatzpflicht)
Containern im internationalen Vergleich
In vielen Ländern wird das Containern ähnlich wie in Deutschland strafrechtlich verfolgt, in einigen Staaten – wie etwa Frankreich – bestehen zusätzliche spezifische Regelungen zum Schutz vor Lebensmittelverschwendung, die das Containern rechtlich günstiger stellen oder sogar fördern. Die jeweiligen Rahmenbedingungen sind dabei sehr unterschiedlich und hängen von den nationalen Eigentumsvorschriften und Abfallgesetzen ab.
Fazit
Containern bleibt in Deutschland nach der aktuellen Rechtslage überwiegend eine strafbare Handlung, wobei insbesondere Eigentums- und Hausfriedensbruchdelikte im Vordergrund stehen. Die Debatte um eine Lockerung dieser Vorschriften dauert an, eine gesetzliche Änderung ist allerdings bisher nicht erfolgt. Wer Containern praktiziert, bewegt sich somit weiterhin in einem strafrechtlichen Risikobereich. Die jeweiligen zivilrechtlichen und ordnungsrechtlichen Konsequenzen sind dabei stets im Einzelfall zu prüfen.
Häufig gestellte Fragen
Ist Containern in Deutschland strafbar?
Containern, also das Mitnehmen weggeworfener Lebensmittel aus Müllcontainern von Supermärkten oder anderen Geschäften, ist in Deutschland nach aktuellem Recht grundsätzlich strafbar. Der rechtliche Hauptvorwurf bezieht sich dabei auf den sogenannten Diebstahl gemäß § 242 StGB. Nach Auffassung von Gerichten behalten die Geschäfte trotz Entsorgung oftmals das Eigentum an den weggeworfenen Lebensmitteln oder haben dieses zumindest noch nicht eindeutig aufgegeben, sodass es sich um eine fremde bewegliche Sache handelt. Beim Wegnehmen dieser Sachen aus einem abgeschlossenen Müllcontainer oder aus einem Bereich, der erkennbar privat ist, wird der Tatbestand des Diebstahls regelmäßig als erfüllt angesehen. Häufig sind die Mülltonnen zudem verschlossen oder auf einem abgeschlossenen Gelände, was zusätzlich eine Strafbarkeit wegen Hausfriedensbruchs (§ 123 StGB) nach sich ziehen kann.
Muss für eine Strafverfolgung beim Containern ein Strafantrag gestellt werden?
Die Strafverfolgung beim Containern hängt insbesondere vom Tatvorwurf ab. Ein einfacher Diebstahl (§ 242 StGB) ist ein sogenanntes Antragsdelikt, wenn es sich um geringwertige Sachen handelt (also einen Wert von maximal 50 Euro). Das bedeutet, dass die Staatsanwaltschaft nur dann tätig wird, wenn ein Strafantrag – meist vom Eigentümer oder Berechtigten, also dem Ladenbetreiber – gestellt wird. Ohne Strafantrag kommt eine Verfolgung nur ausnahmsweise in Betracht, wenn die Staatsanwaltschaft ein „besonderes öffentliches Interesse“ an der Strafverfolgung bejaht. In der Praxis stellen viele Geschäfte dennoch einen Antrag, um Diebstähle grundsätzlich zu unterbinden oder ein Zeichen zu setzen.
Welche rechtlichen Risiken bestehen neben Diebstahl noch beim Containern?
Neben dem regelmäßigen Vorwurf des Diebstahls kann Containern auch weitere rechtliche Risiken mit sich bringen. Besonders relevant ist der Hausfriedensbruch nach § 123 StGB, beispielsweise wenn Mülltonnen auf einem umzäunten oder deutlich abgegrenzten Privatgrundstück stehen und dieses unbefugt betreten wird, um an die Abfälle zu gelangen. In Einzelfällen kann auch Sachbeschädigung (§ 303 StGB) vorgeworfen werden, etwa wenn Behältnisse gewaltsam geöffnet oder beschädigt werden. Auch zivilrechtliche Forderungen wie Schadenersatz oder Unterlassungsansprüche können von Ladenbesitzern geltend gemacht werden.
Gibt es rechtliche Ausnahmen oder Privilegierungen für Containern, wenn die Lebensmittel verderblich sind?
Das deutsche Strafrecht kennt keine expliziten Ausnahmen beim Diebstahl für Lebensmittel, die entsorgt oder bereits verdorben sind. Auch bei verdorbenen oder unbrauchbaren Lebensmitteln bleibt die rechtliche Bewertung dieselbe, sofern der Eigentümer das Gewahrsam (also die tatsächliche Kontrolle) an der Ware nicht eindeutig aufgegeben hat. In Einzelfällen kann aber das fehlende Interesse am Eigentum durch die Entsorgung eine Rolle spielen – eine sogenannte Eigentumsaufgabe („Dereliktion“). Die Gerichte sind allerdings meist sehr streng in der Annahme, wann eine solche Eigentumsaufgabe tatsächlich vorliegt, weshalb die Strafbarkeit in der Praxis eher selten entfällt.
Wie sieht die Rechtsprechung zu Containern in der Praxis aus?
Tatsächlich gibt es zu Containern einzelne Gerichtsentscheidungen, die bundesweit größere Beachtung gefunden haben. Ein prominentes Beispiel ist das Urteil des Bayerischen Obersten Landesgerichts aus dem Jahr 2020, in dem die Strafbarkeit zweier Studentinnen wegen Diebstahls beim Entnehmen weggeworfener Lebensmittel aus einem Supermarkt-Müllcontainer bestätigt wurde. Das Gericht stellte dabei insbesondere darauf ab, dass das Eigentum am Müll trotz Entsorgung nicht eindeutig aufgegeben war und die Lebensmittel in einem verschlossenen Bereich lagen. Das Urteil machte deutlich, dass es im bestehenden Recht keine Ausnahmen für solches Verhalten gibt und der Gesetzgeber (und nicht die Justiz) für eine mögliche Änderung zuständig ist.
Welche Strafen drohen beim Containern im Falle einer Verurteilung?
Die gesetzlichen Strafrahmen für Diebstahl reichen von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu fünf Jahren (§ 242 StGB). In Fällen des Containerns, wo oft nur geringwertige Sachen betroffen sind, bleibt es in der Regel bei einer Geldstrafe. Das Strafmaß hängt von verschiedenen Faktoren ab, zum Beispiel dem Wert der entwendeten Waren, möglichen Vorstrafen und den genauen Umständen der Tat (etwa das Vorliegen von Hausfriedensbruch oder Wiederholungstaten). In seltenen Fällen und bei Ersttätern kann ein Verfahren auch gegen Auflagen oder zur Erteilung eines Verwarnungsgeldes eingestellt werden. Trotzdem bleibt ein Eintrag im polizeilichen Führungszeugnis möglich, der insbesondere im Wiederholungsfall oder bei erheblichen Delikten zur Belastung werden kann.
Gibt es politische Initiativen zur Legalisierung oder Entkriminalisierung des Containerns?
In der politischen Diskussion gibt es immer wieder Vorstöße, Containern zu entkriminalisieren – insbesondere angesichts der Diskussion um Lebensmittelverschwendung und Nachhaltigkeit. Einige Bundesländer, wie beispielsweise Hamburg, forderten bereits eine entsprechende Gesetzesänderung auf Bundesebene. Auch Bundesministerien diskutierten über eine mögliche Umwandlung des Diebstahls von entsorgten Lebensmitteln in eine Ordnungswidrigkeit. Aktuell existiert jedoch kein Gesetz, das Containern ausdrücklich erlaubt oder straffrei stellt. Bis zu einer gesetzlichen Änderung bleibt das Containern weiterhin eine grundsätzlich strafbare Handlung nach deutschem Recht.