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CO2-Grenzausgleichssystem


Definition und Bedeutung des CO₂-Grenzausgleichssystems

Das CO₂-Grenzausgleichssystem (englisch: Carbon Border Adjustment Mechanism, CBAM) stellt ein handelspolitisches und klimapolitisches Instrument zur Vermeidung von sogenannten Carbon Leakage dar. Ziel ist es, hinsichtlich der Treibhausgasemissionen gleiche Wettbewerbsbedingungen zwischen inländischen und ausländischen Erzeugern zu schaffen. Importierende Unternehmen müssen dabei für bestimmte, emissionsintensive Waren beim Import in die Europäische Union (EU) den Unterschied der CO₂-Bepreisung ausgleichen, der im Vergleich zur europäischen Umweltgesetzgebung besteht.

Rechtliche Grundlagen des CO₂-Grenzausgleichssystems

Einführung auf europäischer Ebene

Das CO₂-Grenzausgleichssystem basiert im Wesentlichen auf der Verordnung (EU) 2023/956 des Europäischen Parlaments und des Rates vom 10. Mai 2023 zur Schaffung eines CO₂-Grenzausgleichssystems. Die Verordnung ist Teil des Green-Deal-Pakets „Fit for 55″, mit dem die EU ihre Klimaziele für 2030 und darüber hinaus erreichen will.

Zweck der Verordnung

Die Verordnung dient der Vermeidung von Carbon Leakage, das entsteht, wenn Unternehmen ihre Produktion aufgrund strenger Klimaauflagen ins Ausland verlagern. Durch den CO₂-Ausgleich beim Import sollen Anreize zur Dekarbonisierung auch auf globaler Ebene gesetzt werden.

Rechtsrahmen in Deutschland und der EU

Das CO₂-Grenzausgleichssystem ist unmittelbar geltendes Unionsrecht. Es wird durch weitere Durchführungsverordnungen und delegierte Rechtsakte konkretisiert, welche Details wie Berechnungsmethoden, Kontrollpflichten, Sanktionsmechanismen und Meldepflichten vorgeben. Nationale Umsetzungsgesetze sind daher grundsätzlich nicht erforderlich, jedoch können ergänzende Regelungen zur Koordination der zuständigen nationalen Behörden notwendig werden.

Anwendungsbereich des CO₂-Grenzausgleichssystems

Erfasste Waren und Sektoren

Das System betrifft zunächst bestimmte emissionsintensive Sektoren, darunter Eisen und Stahl, Aluminium, Zement, Düngemittel, Elektrizität und Wasserstoff. Der Warenaustausch unterliegt nur dann dem CO₂-Grenzausgleich, wenn Produkte aus Drittstaaten importiert werden, die nicht eigenen, gleichwertigen CO₂-Bepreisungsmechanismen unterliegen.

Personen- und Unternehmenskreis

Importierende Unternehmen mit Sitz in der EU müssen die CO₂-Emissionen, die bei der Herstellung der eingeführten Waren im Ausland freigesetzt wurden, deklarieren. Je nach Umfang und Art der Einfuhren können Registrierungspflichten, Meldepflichten und Sicherheitsleistungen bestehen.

Rechtspflichten und Verfahrensabläufe

Registrierung und Zulassung als deklarationspflichtiges Unternehmen

Importierende Unternehmen sind verpflichtet, sich als sogenannte „CBAM-zugelassene Anmelder“ zu registrieren. Dazu gehört die Offenlegung relevanter Informationen gegenüber der zuständigen nationalen Behörde für CBAM.

Deklaration der eingebetteten Emissionen

Unternehmen müssen jährlich die sogenannten „eingebetteten Emissionen“ der importierten Produkte deklarieren. Für diese Produkte müssen Emissionsdaten auf Einzelproduktbasis oder auf Basis von Standardwerten vorgelegt werden. Die Verlässlichkeit der Daten ist durch geeignete Nachweise sicherzustellen (zum Beispiel auf Basis von Zertifikaten oder unabhängigen Prüfungen).

Erwerb und Abgabe von CBAM-Zertifikaten

Die Zahlungspflicht erfolgt durch den Erwerb und die Abgabe von CBAM-Zertifikaten. Die Anzahl der Zertifikate bemisst sich an den importierten Emissionen. Der Preis orientiert sich an den durchschnittlichen Kosten des europäischen Emissionshandels (EU ETS).

Prüfungs- und Sanktionsmechanismen

Sollten Unternehmen gegen die Melde- oder Zahlungspflichten verstoßen, sind in der Verordnung umfangreiche Sanktionsmechanismen vorgesehen. Dazu gehören Bußgelder, der temporäre oder dauerhafte Entzug der Importerlaubnis sowie zusätzliche Abgabenpflichten.

Kontrollbefugnisse der Behörden

Die zuständigen Behörden der EU-Mitgliedstaaten sind berechtigt, Überprüfungen durchzuführen. Ihnen steht ein weitreichendes Auskunftsrecht gegenüber den Unternehmen zu. Zur Sicherstellung der Umsetzung können auch unangekündigte Kontrollen und Inspektionen abgehalten werden.

Beziehungen zum internationalen Handelsrecht

Kompatibilität mit WTO-Recht

Das CO₂-Grenzausgleichssystem steht im Spannungsfeld zum Welthandelsrecht, insbesondere zum Allgemeines Zoll- und Handelsabkommen (GATT). Grundsätzlich muss sichergestellt werden, dass das System mit zentralen Prinzipien wie dem Inländerbehandlungsgrundsatz oder dem Meistbegünstigungsprinzip vereinbar ist. Die EU legitimiert den Mechanismus als zulässige Ausnahme zum Schutz der Umwelt und zur Erreichung internationaler Klimaziele.

Auswirkungen auf Drittländer

Drittländer, die keine hinreichenden CO₂-Bepreisungssysteme unterhalten, sind von der Maßnahme betroffen. Warenexporteure sind gehalten, die Emissionsdaten offenzulegen und ggf. Anpassungen im Exportprozess vorzunehmen. Die Maßnahme kann für Drittländer Anreize zur Einführung eigener Emissionssysteme schaffen.

Verhältnis zum Europäischen Emissionshandelssystem (EU ETS)

Ergänzung und Übergangsphase

Der CO₂-Grenzausgleich ist als Ergänzung zum bestehenden EU-Emissionshandel konzipiert. Während europäische Unternehmen Emissionszertifikate erwerben müssen, werden die gleichen Bedingungen schrittweise auch auf Importeure ausgedehnt. In einer Übergangsphase ab Oktober 2023 sind zunächst nur Meldepflichten vorgesehen. Die volle Zahlungspflicht für Importe tritt ab 2026 in Kraft und wird parallel in den schrittweisen Ausstieg aus der kostenlosen Zuteilung von EU-ETS-Zertifikaten eingebettet.

Wechselwirkungen und Konkurrenzschutz

Das System ist darauf ausgerichtet, einseitige Wettbewerbsnachteile für Unternehmen aus der EU zu verhindern. Durch diese Wechselwirkung wird ein Gleichgewicht zwischen internationalem Handel und Klimaschutzmaßnahmen geschaffen.

Datenschutz und Datenverwaltung

Umgang mit sensiblen Unternehmensdaten

Importverpflichtete Unternehmen und Drittländer müssen Emissionsdaten für Produkte bereitstellen, die in der CBAM-Datenbank der EU dokumentiert werden. Die Verarbeitung personenbezogener Daten erfolgt unter strikter Einhaltung der Datenschutzgrundverordnung (DSGVO).

Transparenzanforderungen und Datenzugänglichkeit

Transparenz ist ein zentrales Element des Systems. Die veröffentlichten Daten dienen der Nachvollziehbarkeit der Emissionswerte und der Kontrolle durch Behörden und Öffentlichkeit.

Ausblick und Weiterentwicklung

Geplante Ausweitung und Evaluierung

Die Europäische Kommission prüft regelmäßig die Ausweitung des Geltungsbereichs auf weitere Sektoren und Produkte. Perspektivisch ist eine Ausdehnung auf Kunststoffe und organische Chemikalien möglich.

Internationale Kooperation und Harmonisierung

Langfristig zielt das System auf die weltweite Harmonisierung der CO₂-Bepreisung ab. Über Kooperationen mit Drittstaaten können bestehende Bepreisungssysteme gegenseitig anerkannt werden, wodurch Doppelregulierung vermieden werden kann.


Fazit:
Das CO₂-Grenzausgleichssystem der Europäischen Union stellt einen zentralen Baustein zur Erreichung von Klimaneutralität und Wettbewerbsfähigkeit dar. Erhebliche rechtliche Verpflichtungen und Kontrollmechanismen, begleitet von detaillierten Sanktionsmechanismen sowie spürbaren Auswirkungen im internationalen Handel, kennzeichnen das System. Seine Weiterentwicklung und die Einbindung internationaler Partner markieren die zukünftigen Handlungsschwerpunkte.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Pflichten ergeben sich für Importeure im Rahmen des CO2-Grenzausgleichssystems (CBAM)?

Im Rahmen des CO2-Grenzausgleichssystems (Carbon Border Adjustment Mechanism – CBAM) sind Importeure bestimmter Warenarten verpflichtet, sich vor Aufnahme ihrer geschäftlichen Tätigkeit als autorisierte CBAM-Anmelder bei der zuständigen nationalen Behörde registrieren zu lassen. Diese Registrierungspflicht dient der behördlichen Kontrolle und Nachverfolgung der am CBAM beteiligten Wirtschaftsakteure. Importeure müssen für alle von ihnen eingeführten CBAM-pflichtigen Produkte den CO2-Gehalt in standardisierten Einheiten (Tonnen CO2-Äquivalent) dokumentieren und nachweisen sowie elektronische CBAM-Berichte erstellen, die je Quartal einzureichen sind. Darüber hinaus haben Importierende zum jeweiligen Fälligkeitszeitpunkt digitale CBAM-Zertifikate in entsprechender Anzahl zu erwerben und gegenüber der Behörde abzugeben, um die errechnete Emissionsmenge auszugleichen. Die rechtliche Pflicht umfasst ferner die Dokumentation und Aufbewahrung aller emissionsrelevanten Nachweise und Berichte für Prüfungszwecke über mehrere Jahre hinweg. Bei Verstößen gegen diese Pflichten wie verspäteter oder unterlassener Registrierung, fehlerhafter Emissionsmeldung oder Missbrauch von Zertifikaten drohen erhebliche Geldbußen und im Einzelfall weitergehende Sanktionen nach nationalem und europäischem Recht.

Wer ist für die Überwachung und Durchsetzung der CBAM-Vorschriften zuständig?

Für die Überwachung und Durchsetzung der CBAM-Vorschriften sind in erster Linie die zuständigen Behörden der jeweiligen Mitgliedstaaten der Europäischen Union verantwortlich. In Deutschland etwa übernimmt diese Funktion die Deutsche Emissionshandelsstelle (DEHSt) im Umweltbundesamt. Diese nationale Behörde ist für die Registrierung und Zulassung von Importeuren als autorisierte CBAM-Anmelder, die Kontrolle der eingereichten Emissionsberichte, die Überprüfung der Korrektheit der angegebenen Daten sowie die Überwachung der fristgerechten Einreichung und Einlösung der CBAM-Zertifikate zuständig. Die Europäische Kommission übernimmt übergeordnet koordinierende und überwachende Aufgaben, etwa durch die Festlegung technischer Standards, die Harmonisierung der Meldeverfahren und ggf. die Initiierung von Vertragsverletzungsverfahren bei systematischen Verstößen durch Mitgliedstaaten. Bei festgestellten Verstößen kann die nationale Behörde Sanktionen verhängen, diese öffentlich machen und die betroffenen Importeure auch vom weiteren CBAM-Verfahren ausschließen.

Welche Sanktionen drohen bei Verstößen gegen CBAM-rechtliche Pflichten?

Verstöße gegen die CBAM-rechtlichen Pflichten, insbesondere fehlerhafte, nicht fristgemäße oder unterlassene Meldungen sowie das Fehlen oder der Missbrauch von CBAM-Zertifikaten, können gravierende Sanktionen nach sich ziehen. Je nach Schwere des Verstoßes und nationaler Umsetzung können Bußgelder verhängt werden, deren Höhe sich oftmals an der jeweiligen Menge der nicht ordnungsgemäß gemeldeten oder ausgeglichenen Emissionen orientiert. In schwerwiegenden Fällen können zusätzliche Maßnahmen wie das vorübergehende Handelsverbot für betroffene Waren, die Aberkennung des Status als autorisierter CBAM-Anmelder oder die Einleitung von Strafverfahren folgen. Die jeweiligen Bußgeldrahmen sind in der CBAM-Verordnung und den nationalen Umsetzungsgesetzen geregelt und orientieren sich an der vergleichbaren Missachtung im europäischen Emissionshandel.

Welche rechtlichen Anforderungen bestehen an die Emissionsnachweise und die zur Berechnung herangezogenen Daten?

Das CBAM schreibt vor, dass sämtliche emissionsbezogenen Daten, die zur Bemessung der CO2-Last eines Importguts herangezogen werden, nach strengen technischen und rechtlichen Vorgaben zu ermitteln und zu dokumentieren sind. Importeure müssen primäre Emissionsdaten der ausländischen Hersteller verwenden, wo dies möglich ist, ansonsten sind von der Europäischen Kommission festgelegte Standardwerte zu nutzen. Alle Daten müssen durch geeignete, unabhängige Prüfer gemäß den Vorgaben der CBAM-Verordnung (EU) verifiziert und die entsprechenden Nachweise zusammen mit den Meldeunterlagen eingereicht werden. Importierende Unternehmen sind zudem verpflichtet, ihre Dokumentation sicher aufzubewahren, um diese auf behördliches Verlangen hin zur Verfügung stellen zu können. Die Nichteinhaltung dieser Dokumentationspflichten kann zu Sanktionen führen.

Welche rechtlichen Besonderheiten gelten für Importeure aus Drittländern mit eigenen CO2-Bepreisungsmechanismen?

Besondere Regelungen gelten für Importeure, deren Waren ursprünglich aus Drittländern stammen, die bereits eigene CO2-Bepreisungssysteme implementiert haben. In diesen Fällen sieht die CBAM-Verordnung vor, dass bereits im Ursprungsland gezahlte CO2-Abgaben oder CO2-Preise auf den im Rahmen des CBAM zu zahlenden Betrag angerechnet werden können. Allerdings müssen Importeure dafür den Nachweis über die tatsächliche Höhe und Zahlung der entsprechenden CO2-Bepreisung lückenlos und rechtsverbindlich gegenüber der zuständigen nationalen Behörde erbringen. Insbesondere müssen die Nachweise klar den exportierten Waren und den bereits entrichteten Abgaben zuordenbar sein, da andernfalls keine Anrechnung möglich ist. Diese Anrechnungsregelung dient der Vermeidung von Doppelerfassungen und ist im Detail durch Ausführungsrechtsakte der Europäischen Kommission geregelt.

Welche datenschutzrechtlichen Aspekte sind im CBAM-Kontext zu beachten?

Im Rahmen des CBAM-Prozesses werden zahlreiche unternehmensbezogene und zum Teil personenbezogene Daten erhoben, verarbeitet und gespeichert. Die rechtlichen Anforderungen an den Datenschutz ergeben sich aus der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) der EU, die auch im Kontext der Emissionsberichterstattung und -kontrolle uneingeschränkt anwendbar bleibt. Besonders zu beachten ist, dass alle bei der Registrierung, Berichterstattung und Überwachung erhobenen Daten zweckgebunden nur für den CBAM-Prozess genutzt und insbesondere vor unberechtigtem Zugriff geschützt werden müssen. Importeure sind verpflichtet, die betroffenen Personen, deren Daten verarbeitet werden, über Umfang und Zweck der Datenverarbeitung zu informieren und geeignete technische und organisatorische Maßnahmen zur Datensicherheit einzuhalten. Verstöße gegen Datenschutzpflichten können zusätzlich zu CBAM-spezifischen Sanktionen unter Umständen auch separate Bußgelder nach der DSGVO nach sich ziehen.