Begriff und Bedeutung der cessio legis
Die cessio legis ist ein aus dem Lateinischen stammender Begriff, der im deutschen Recht die gesetzliche Forderungsübertragung bezeichnet. Es handelt sich dabei um eine spezielle Form der Forderungsabtretung (Zession), die nicht auf einer vertraglichen Vereinbarung zwischen dem bisherigen Gläubiger (Zedent) und dem neuen Gläubiger (Zessionar) beruht, sondern durch eine ausdrückliche gesetzliche Regelung angeordnet wird.
Im Rahmen einer cessio legis erwirkt eine gesetzlich bestimmte Person automatisch die Position eines Gläubigers gegenüber dem Schuldner, sobald die in der jeweiligen Norm beschriebenen Voraussetzungen erfüllt sind. Die Rechtsfolgen entsprechen grundsätzlich denjenigen einer vertraglichen Abtretung, allerdings ist für den Forderungsübergang keine Willenserklärung der beteiligten Personen notwendig.
Rechtliche Grundlagen und Anwendungsbereiche
Allgemeine Rechtsgrundlage
Die cessio legis ist kein eigenständiger Abschnitt im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB), sie ergibt sich vielmehr aus verschiedenen gesetzlichen Vorschriften, die einen gesetzlichen Forderungsübergang regeln. Die zentrale Rechtsfiguration besteht darin, dass eine Forderung kraft Gesetzes auf eine andere Person übergeht. Die Modalitäten und Voraussetzungen sind dabei jeweils in der einschlägigen gesetzlichen Norm geregelt.
Wichtige Anwendungsfälle im deutschen Recht
Regress im Versicherungsrecht (§ 86 VVG)
Einer der bekanntesten Anwendungsfälle findet sich im Versicherungsrecht: Nach § 86 Versicherungsvertragsgesetz (VVG) geht der Anspruch des Versicherungsnehmers auf Ersatz des Schadens gegen einen Dritten kraft Gesetzes auf den Versicherer über, soweit dieser den Schaden ersetzt hat. Dies betrifft etwa Fälle, in denen ein Versicherungsnehmer durch das Verhalten eines Dritten einen Schaden erleidet, den der Versicherer reguliert, und anschließend einen Ersatzanspruch gegen den Schädiger erwirbt.
Gesamtschuldnerausgleich (§§ 426, 774 BGB)
Im Schuldrecht ergeben sich weitere Anwendungsfelder aus den Regelungen über Gesamtschuldner und Bürgschaft:
- Gesamtschuldnerausgleich: Nach § 426 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) tritt ein Gesamtschuldner, der den Gläubiger ganz oder teilweise befriedigt hat, automatisch mit seinem Ausgleichsanspruch in diejenigen Rechte des Gläubigers gegen die anderen Gesamtschuldner ein (gesetzlicher Forderungsübergang).
- Bürgschaft: Nach § 774 BGB steht dem Bürgen nach Befriedigung des Gläubigers ein gesetzlicher Forderungsübergang zu. Er tritt dann kraft Gesetzes in die Rechte und Sicherheiten ein, die dem Gläubiger gegen den Hauptschuldner zustanden.
Schadensersatzrecht und Sozialrecht
Auch im Bereich des Schadensersatzrechts finden sich Beispiele: Ersetzt etwa ein Sozialversicherungsträger einem Geschädigten dessen Schaden (z.B. Heilbehandlungskosten nach einem Unfall), so gehen dessen Ansprüche gegen den Schädiger gemäß § 116 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) auf den Sozialleistungsträger über.
Rechtsfolgen der cessio legis
Übergang der Forderung
Die cessio legis bewirkt einen unmittelbaren Forderungsübergang von Gesetzes wegen, ohne dass eine besondere Vereinbarung oder Mitwirkung der beteiligten Parteien erforderlich ist. Die Forderung steht ab dem Zeitpunkt des gesetzlichen Übergangs ausschließlich dem neuen Gläubiger zu.
Eintritt in Sicherheiten und Nebenrechte
Grundsätzlich erfasst die cessio legis nicht nur die Hauptforderung selbst, sondern auch alle akzessorischen Sicherungsrechte und Nebenrechte, wie Hypotheken, Pfandrechte oder Bürgschaften, die dem ursprünglichen Gläubiger zur Sicherung der Forderung zustanden. Die entsprechenden Vorschriften bestimmen, in welchem Umfang und unter welchen Voraussetzungen diese Rechte auf den neuen Gläubiger übergehen.
Rechtsstellung des Schuldners
Für den Schuldner bedeutet die cessio legis, dass er seine Leistungen ab dem Zeitpunkt des Forderungsübergangs nur noch mit schuldbefreiender Wirkung an den neuen Gläubiger erbringen kann (§ 407 BGB analog). Der Schuldner ist jedoch – sofern keine gesetzliche Regelung dies ausdrücklich vorsieht – über den Übergang der Forderung zu informieren, damit er Kenntnis vom neuen Gläubiger erlangt. Eine Mitteilungspflicht kann sich u.a. aus Treu und Glauben (§ 242 BGB) ergeben.
Abgrenzung zur vertraglichen Zession
Die cessio legis unterscheidet sich von der vertraglichen Forderungsübertragung (Zession gemäß §§ 398 ff. BGB) wesentlich durch ihren Rechtsgrund. Während die vertragliche Abtretung auf einer Willenserklärung zwischen den Beteiligten beruht, erfolgt die cessio legis ausschließlich aufgrund einer Gesetzesvorschrift. Die Wirkung beider Rechtsinstitute ist jedoch vergleichbar: Der neue Gläubiger kann die Forderung selbstständig geltend machen und sämtliche Rechte aus ihr herleiten.
Anderssprachige und historische Bezüge
Der Ausdruck cessio legis leitet sich aus dem Lateinischen her. In einigen anderen Rechtssystemen existieren vergleichbare Institute, beispielsweise im französischen Recht („subrogation légale“) oder im anglo-amerikanischen Rechtskreis als „statutory assignment“ oder „statutory subrogation“. Die Rechtswirkungen entsprechen jeweils im Wesentlichen dem deutschen Verständnis der cessio legis.
Bedeutung und praktische Relevanz
Die cessio legis besitzt erhebliche praktische Bedeutung im modernen Zivil-, Versicherungs-, Sozial- und Handelsrecht. Ihre Funktion liegt in der Ermöglichung eines effizienten Forderungsmanagements, wobei sie die Position des ausgleichspflichtigen Dritten, Rückversicherers, Gesamtschuldners oder Erfüllungsgehilfen sichert und einen geregelten Regress zulässt.
Literaturhinweise
- Palandt/Grüneberg, Bürgerliches Gesetzbuch, Kommentar, aktuelle Auflagen, § 398 ff. BGB
- Looschelders, Schuldrecht Allgemeiner Teil, Grundrisse des Rechts
- Medicus/Lorenz, Schuldrecht I, Allgemeiner Teil
Weblinks
- 426.html“>Bürgerliches Gesetzbuch: § 426 Ausgleichung zwischen Gesamtschuldnern
- Häufig gestellte Fragen
In welchen Rechtsgebieten findet die cessio legis Anwendung?
Die cessio legis findet insbesondere im Zivilrecht Anwendung, wobei sie vorrangig im Schuldrecht von Bedeutung ist. Am häufigsten begegnet sie im Zusammenhang mit der gesetzlichen Abtretung von Ansprüchen nach der Leistung durch einen Dritten, etwa im Versicherungsrecht, Sozialrecht oder im Insolvenzrecht. Hierbei gehen die bestehenden Forderungen des Gläubigers gegen den eigentlichen Schuldner aufgrund gesetzlicher Vorschriften – und nicht aus vertraglicher Vereinbarung – automatisch auf einen Dritten über, beispielsweise bei Zahlung einer Versicherungssumme an den Geschädigten, bei der ein Übergang des Ersatzanspruchs gegen den Schädiger auf den Versicherer stattfindet. Im Sozialrecht tritt etwa der Sozialversicherungsträger an die Stelle des ursprünglich Berechtigten, wenn er Leistungen erbracht hat. Auch im Kontext der Bürgschaft (§ 774 BGB) oder bei spezialgesetzlichen Vorschriften wie § 86 VVG sowie § 116 SGB X ist die cessio legis ein wichtiges Instrument zur Sicherstellung des Regresses. Somit spielt die cessio legis in all den Rechtsgebieten eine Rolle, in denen kraft Gesetzes eine Legalzession an die Stelle einer vertraglichen Abtretung tritt.
Welche Rechtsfolgen hat die cessio legis für den ursprünglichen Gläubiger?
Durch die cessio legis wird der ursprüngliche Gläubiger hinsichtlich des abgetretenen Anspruchs weitgehend aus dem Schuldverhältnis entlassen, da allein der neue Gläubiger – also der durch Gesetz eintretende Zessionar – berechtigt ist, den Anspruch gegenüber dem Schuldner geltend zu machen. Der ursprüngliche Gläubiger verliert insoweit seine Durchsetzungsbefugnis hinsichtlich des abgetretenen Anspruchs. Allerdings kann der ursprüngliche Gläubiger, sofern der übergegangene Anspruch nur teilweise den Gläubiger betrifft (beispielsweise wenn die Leistung des Dritten nicht den gesamten Schaden abdeckt), für den verbliebenen Teil weiterhin berechtigt bleiben. Die cessio legis hat somit unmittelbar Einfluss auf die Beteiligtenstellung und Prozessführungsbefugnis im Rahmen eines etwaigen gerichtlichen Verfahrens.
Wie wirkt sich eine cessio legis auf bereits bestehende Einreden und Einwendungen des Schuldners aus?
Mit dem gesetzlichen Forderungsübergang steht dem Schuldner grundsätzlich das Recht zu, dem neuen Gläubiger (Zessionar) sämtliche Einreden und Einwendungen entgegenzuhalten, die ihm auch gegenüber dem ursprünglichen Gläubiger zustanden (§ 404 BGB). Hierzu zählen sowohl materielle Einwendungen (wie etwa Erfüllung oder Erlass), als auch prozessuale Einreden (wie Verjährung). Neuerstehende Einreden nach dem Forderungsübergang kann der Schuldner hingegen grundsätzlich nur gegenüber dem neuen Gläubiger geltend machen. Eine Besonderheit besteht bei Splittingfällen, in denen der Anspruch nur teilweise übergeht. In solchen Fällen müssen möglicherweise Ansprüche aufgeteilt und entsprechend verteidigt werden, wobei die genaue Rechtslage von der jeweiligen Gesetzesvorschrift bestimmt wird, welche die cessio legis anordnet.
Müssen für den Eintritt einer cessio legis besondere Formerfordernisse beachtet werden?
Im Unterschied zur vertraglichen Abtretung nach § 398 BGB setzt die cessio legis keine besondere, insbesondere keine schriftliche Form voraus, da sie kraft Gesetzes eintritt und nicht auf einer Willenserklärung der Beteiligten beruht. Voraussetzung ist einzig, dass die im jeweiligen Gesetz geregelten Tatbestandsvoraussetzungen erfüllt sind. Der Übergang erfolgt automatisch mit Eintritt des vom Gesetz vorgeschriebenen Ereignisses, beispielsweise mit der Leistung durch einen Versicherer oder eine Sozialleistungsträgers. Jedoch kann es im Verhältnis zum Schuldner erforderlich sein, dass dieser über den Forderungsübergang in Kenntnis gesetzt wird, um klarzustellen, an wen künftig mit befreiender Wirkung geleistet werden kann.
Können mit der cessio legis auch Sicherungsrechte wie Hypotheken oder Pfandrechte übergehen?
Gemäß § 401 BGB gehen mit der cessio legis auch die zu der Forderung gehörenden Sicherungsrechte auf den neuen Gläubiger über, sofern das Gesetz nichts anderes bestimmt. Dies betrifft beispielsweise Hypotheken, Grundschulden, Pfandrechte oder Bürgschaften, die zur Sicherung der ursprünglichen Forderung bestellt wurden. Der Übergang der Sicherheiten dient dem Zweck, dem neuen Gläubiger dieselben rechtlichen Positionen zur Durchsetzung des Anspruchs zu verschaffen, wie sie dem ursprünglichen Gläubiger zustanden. Es ist jedoch zu beachten, dass für den tatsächlichen Übergang von Hypotheken oder anderen Grundpfandrechten spezielle Eintragungen im Grundbuch noch erforderlich sein können, um die Rechtsstellung nach außen (Publizität) zu gewährleisten.
Wie unterscheidet sich die cessio legis von der vertraglichen Abtretung im Hinblick auf ihre Wirkungen?
Während die vertragliche Abtretung nach §§ 398 ff. BGB auf einer rechtsgeschäftlichen Vereinbarung zwischen Altgläubiger und Neugläubiger beruht, tritt die cessio legis aufgrund einer gesetzlichen Regelung und ohne Mitwirkung der Parteien ein. Dies hat zur Folge, dass der Zustimmung des Schuldners nicht bedarf und auch etwaige formale Voraussetzungen der Abtretung, wie eine Abtretungsanzeige, nicht wirken müssen. Zudem ist der Forderungsübergang bei der cessio legis zwingend, sofern die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllt sind, wohingegen die vertragliche Abtretung der Dispositionsfreiheit der Parteien unterliegt. Rechtlich erstreckt sich der Forderungsübergang bei beiden Formen in gleicher Weise auf sämtliche Nebenrechte und Einreden, wobei die cessio legis explizit der von §§ 412, 401 BGB unterliegt.
Gibt es Ausnahmen, bei denen eine cessio legis nicht zum Forderungsübergang führt?
Ja, auch wenn eine gesetzliche Vorschrift grundsätzlich einen Forderungsübergang vorsieht, kann es im Einzelfall Ausnahmen geben. Das kann beispielsweise dann der Fall sein, wenn der Anspruch höchstpersönlicher Natur ist und somit nicht übergehen kann (z.B. Unterhaltsansprüche mit persönlichem Charakter) oder gesetzlich bestimmte Ausschlussgründe greifen, wie Insolvenzausnahmen, etwa durch besondere Vorschriften in der Insolvenzordnung. Ebenso kann ausgeschlossen sein, dass bedingte oder künftige Forderungen übertragen werden, wenn der Zweck der gesetzlichen Vorschrift dies verbietet. Außerdem können individuell laut Gesetz weitergehende Formerfordernisse für den Übergang von Sicherheiten vorgeschrieben sein, wie beispielsweise eine Eintragung ins Grundbuch für Grundpfandrechte.