Legal Lexikon

Wiki»Legal Lexikon»Strafrecht»Catcalling

Catcalling


Begriff und Definition von Catcalling

Catcalling bezeichnet abfällige, unerwünschte verbale oder nonverbale Kommentare, Pfiffe, Gesten oder sonstige Ansprachen, die überwiegend im öffentlichen Raum an (meist weibliche) Personen gerichtet sind. Ziel des Catcalling ist es, Aufmerksamkeit zu erlangen, häufig im Kontext sexueller Anspielungen oder Herabwürdigung. Neben der alltagssprachlichen Verwendung hat der Begriff im gesellschaftlichen und rechtlichen Diskurs zunehmend Bedeutung gewonnen, da Catcalling als eine Form geschlechtsbezogener Belästigung verstanden wird und sowohl den öffentlichen Anstand als auch die Persönlichkeitsrechte der Betroffenen betrifft.

Historische Entwicklung und gesellschaftliche Relevanz

Historischer Kontext

Die Erscheinungsform des Catcalling ist historisch gewachsen und wird heute verstärkt als gesellschaftliches Problem thematisiert. Erst in den vergangenen Jahren wurde der Begriff im deutschsprachigen Raum geläufig und in Debatten zu Gleichberechtigung, Geschlechterrollen sowie Prävention von sexueller Belästigung verstärkt verwendet.

Gesellschaftliche Bedeutung

Catcalling beeinflusst das Sicherheitsempfinden und die freie Beweglichkeit von Menschen im öffentlichen Raum. Verschiedene gesellschaftliche Initiativen und Bewegungen haben daher die rechtliche Aufarbeitung und Ahndung von Catcalling in den Fokus der Öffentlichkeit gerückt.

Rechtliche Aspekte des Catcallings

Strafrechtliche Einordnung

Strafbarkeit nach deutschem Recht

Catcalling stellt im deutschen Recht bislang keinen eigenen Straftatbestand dar, sondern kann – je nach Ausprägung und Intensität – unter verschiedene bestehende Straftatbestände subsumiert werden.

  • Beleidigung (§ 185 StGB): Wer mit Catcalling eine ehrverletzende Aussage trifft, könnte sich wegen Beleidigung strafbar machen. Hierbei kommt es auf die Äußerungen im Einzelfall und die spezifische Ehrverletzung an.
  • Sexuelle Belästigung (§ 184i StGB): Seit 2016 ist sexuelle Belästigung ausdrücklich strafbar. Voraussetzung ist jedoch, dass eine körperliche Berührung sexueller Natur vorliegt, was bei verbalem Catcalling regelmäßig nicht erfüllt ist.
  • Nötigung (§ 240 StGB): Bei besonders aufdringlichem Verhalten mit Drohcharakter, etwa in Verbindung mit Bedrohung oder Stalking, kann eine Strafbarkeit wegen Nötigung vorliegen.
  • Stalking (§ 238 StGB): Wiederholtes und systematisches Catcalling kann Bestandteil einer Nachstellung sein, wenn weitere Voraussetzungen des Stalking-Tatbestands vorliegen.

Ordnungswidrigkeitenrecht

In Einzelfällen kann Catcalling auch als Ordnungswidrigkeit gewertet werden, etwa wenn damit Belästigungen der Allgemeinheit einhergehen, beispielsweise über Ruhestörungen oder die Verletzung des § 118 OWiG (Belästigung der Allgemeinheit).

Aktuelle Gesetzesinitiativen und Entwicklungen

Immer mehr gesellschaftliche Gruppen fordern eine explizite strafrechtliche Regelung gegen Catcalling. In den Niederlanden, Frankreich und Spanien wurden spezielle Tatbestände geschaffen, die sogenannte Straßenbelästigung unter Strafe stellen. In Deutschland gibt es hierzu wiederkehrende Gesetzesinitiativen auf Landes- und Bundesebene, bislang aber keine explizite Rechtsnorm.

Rechtsprechung

Eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung speziell zum Catcalling existiert nicht. Fälle werden nach den bestehenden Vorschriften bewertet und richten sich nach deren jeweiligen Voraussetzungen. Gerichte prüfen im Einzelfall, ob die Äußerungen die Grenzen zur Strafbarkeit überschreiten.

Zivilrechtliche Ansprüche

Unterlassung und Schmerzensgeld

Im privaten Recht bestehen für Betroffene zivilrechtliche Ansprüche aus § 1004 BGB (Beseitigungs- und Unterlassungsanspruch) i.V.m. § 823 Abs. 1, 2 BGB (Schadensersatz wegen Verletzung absolut geschützter Rechtsgüter wie Ehre und allgemeines Persönlichkeitsrecht). Beleidigende Catcalls können die Grundlage für Schmerzensgeld- und Unterlassungsansprüche bilden, wenn die Schwelle der Persönlichkeitsrechtsverletzung überschritten wird.

Gegendarstellung und Widerruf

In bestimmten Fällen kann eine Gegendarstellung oder ein Widerruf von ehrverletzenden Aussagen verlangt werden, sofern diese öffentlichkeitswirksam erfolgt sind.

Rechtliche Bewertung und Grenzen

Abgrenzung zur klassischen Beleidigung

Nicht jede als störend empfundene Ansprache erfüllt den Tatbestand der Beleidigung oder anderer Straftatbestände. Die Schwelle zur strafbaren Handlung ist insbesondere im Hinblick auf den Schutzbereich des Grundrechts auf Meinungsfreiheit nach Art. 5 GG und der allgemeinen Handlungsfreiheit auszubalancieren.

Bedeutung für Betroffene

Fehlt ein spezifischer Straftatbestand, kann die Rechtsdurchsetzung erschwert sein. Für Betroffene bleibt häufig nur die Möglichkeit, Anzeige wegen Beleidigung oder sonstiger relevanter Tatbestände zu erstatten oder zivilrechtlich vorzugehen.

Internationale Perspektiven

Vergleichend sei auf die Rechtslage in anderen Staaten hingewiesen, in denen Catcalling explizit unter Strafe gestellt wurde und konsequente Ahndung erfolgt. Die Entwicklungen in den Niederlanden, Frankreich oder Spanien dienen als Diskussionsgrundlage für Reformansätze im deutschen Recht.

Fazit

Catcalling ist eine gesellschaftlich problematisierte Form der Belästigung, die im deutschen Recht bislang nicht explizit geregelt ist. Eine strafrechtliche Ahndung ist gegenwärtig nur über bestehende Tatbestände wie Beleidigung, Nötigung oder sexuelle Belästigung möglich, deren Voraussetzungen im Einzelfall genau zu prüfen sind. Im zivilrechtlichen Bereich können Unterlassungs- und Schadensersatzansprüche bestehen. Die gesellschaftliche Debatte und politische Initiativen auf Bundes- und Landesebene zeigen, dass eine gesetzliche Klarstellung zur effektiveren Bekämpfung von Catcalling diskutiert wird. Internationale Regelungen könnten hier künftig als Vorbild dienen.

Häufig gestellte Fragen

Ist Catcalling in Deutschland strafbar?

Catcalling, das in der Regel das unerwünschte und belästigende Rufen, Pfeifen oder Kommentieren gegenüber einer oft weiblich gelesenen Person im öffentlichen Raum beschreibt, ist derzeit in Deutschland nicht explizit unter dem Begriff „Catcalling“ strafbar. Rechtsgrundlagen ergeben sich jedoch aus bestehenden Gesetzen, insbesondere § 185 Strafgesetzbuch (StGB) über Beleidigungen. Übergriffige Äußerungen oder Gesten können als Beleidigung bewertet werden, wenn sie die Ehre der betroffenen Person verletzen. Auch der § 118 des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG) über Belästigung der Allgemeinheit kann in seltenen Fällen herangezogen werden. Jedoch fehlt bislang eine spezielle gesetzliche Regelung, wie sie in manchen anderen EU-Ländern bereits existiert. Die rechtliche Bewertung hängt stark von den Umständen des Einzelfalles ab und ist häufig Ermessenssache der zuständigen Behörden.

Können Betroffene von Catcalling rechtlich gegen die Täter*innen vorgehen?

Betroffene haben grundsätzlich die Möglichkeit, gegen Belästigungen im öffentlichen Raum straf- oder zivilrechtlich vorzugehen. Besonders wenn Catcalling die Schwelle zur Beleidigung (§ 185 StGB), sexuellen Belästigung (§ 184i StGB) oder Nötigung (§ 240 StGB) überschreitet, kann Strafanzeige gestellt werden. Die Hürden für eine erfolgreiche Strafverfolgung sind allerdings hoch, da es häufig an eindeutigen Beweisen oder Zeugen mangelt und viele Fälle als „geringfügig“ eingestuft werden. Zivilrechtlich könnten Unterlassungsansprüche oder Schmerzensgeld geltend gemacht werden, etwa wenn die Persönlichkeitsrechte schwerwiegend verletzt wurden, jedoch sind auch hier gerichtsfeste Beweise unabdingbar.

Gibt es in Deutschland gesetzliche Initiativen oder Beschlüsse zur expliziten Ahndung von Catcalling?

In den letzten Jahren gab es politische Bestrebungen, Catcalling als eigene Ordnungswidrigkeit oder Straftat zu erfassen. Einzelne Bundesländer haben sich für eine Gesetzesverschärfung ausgesprochen, bislang blieb aber auf Bundesebene eine explizite gesetzliche Regelung aus. Diskutiert werden derzeit Anpassungen der Ordnungswidrigkeitengesetze, die sexuell belästigendes Verhalten ausdrücklich erfassen sollen. Vereinzelt wurden Petitionen oder Gesetzesinitiativen eingebracht, die sich für eine konsequentere Bestrafung von Catcalling nach dem Vorbild Frankreichs oder der Niederlande aussprechen. Diese sind derzeit jedoch noch nicht umgesetzt.

Welche rechtlichen Unterschiede bestehen zwischen Catcalling und sexueller Belästigung?

Sexuelle Belästigung ist seit 2016 in § 184i StGB als Straftatbestand geregelt und umfasst Handlungen, die eine sexuelle Handlung an einer anderen Person ohne deren Einwilligung beinhalten, wie zum Beispiel unerwünschtes Berühren. Catcalling bleibt in vielen Fällen unter dieser Schwelle, da es sich meist „nur“ auf verbale Äußerungen oder Gesten beschränkt. Rechtlich relevant wird Catcalling regelmäßig erst, wenn die verbalen Übergriffe eine beleidigende Qualität erreichen und damit unter § 185 StGB fallen oder in besonders schwerwiegenden Fällen zur Nötigung (§ 240 StGB) werden.

Wie ist die Beweislage im Falle von Catcalling, und wie können Betroffene Beweise sichern?

Die Beweissicherung stellt das größte Hindernis dar, um Catcalling juristisch zu verfolgen. Aussagen der betroffenen Person bilden oft das einzige Beweismittel; Zeugen sind selten oder nicht greifbar. Um die Erfolgsaussichten zu verbessern, sollten Betroffene nach Möglichkeit unmittelbar Beweise sichern: Hierzu zählen Zeugenbefragungen, Notizen zu Zeitpunkt, Ort und Art des Vorfalls, sowie – soweit rechtlich zulässig – Ton- oder Videoaufnahmen. Geschilderte Vorfälle bei der Polizei müssen möglichst detailliert dokumentiert werden. Die Chancen einer erfolgreichen Strafverfolgung steigen, je mehr konkrete Informationen vorliegen.

Können auch Männer rechtlich gegen Catcalling vorgehen?

Grundsätzlich sind alle Personen, unabhängig von ihrem Geschlecht, rechtlich geschützt und können gegen Catcalling vorgehen, sofern die Äußerungen den Straftatbestand einer Beleidigung (§ 185 StGB) oder einer anderen einschlägigen Norm erfüllen. Das Geschlecht spielt vor dem Gesetz keine Rolle; entscheidend ist die Rechtsgutverletzung. In der Praxis richten sich Catcalling-Vorfälle zwar überwiegend gegen weiblich gelesene Personen, Männer und nicht-binäre Personen sind jedoch ebenfalls geschützt und können entsprechende Vorfälle anzeigen oder zivilrechtliche Schritte einleiten.

Welche Strafen drohen für Catcalling im rechtlichen Rahmen Deutschlands?

Wird Catcalling als Beleidigung im Sinne des § 185 StGB gewertet, reicht das Strafmaß von Geldstrafen bis zu Freiheitsstrafen von bis zu zwei Jahren. Bei besonders schweren Beleidigungsformen können sogar bis zu fünf Jahre Freiheitsstrafe verhängt werden (§ 185, § 200 StGB). Ordnungswidrigkeiten nach § 118 OWiG können mit einer Geldbuße geahndet werden. Da Catcalling jedoch selten vor Gericht landet und die meisten Verfahren mangels öffentlichem Interesse oder Beweisen eingestellt werden, kommt es nur in Ausnahmefällen zu Gerichtsverfahren und spürbaren Strafen.

Bestehen Unterschiede zwischen den Bundesländern bei der rechtlichen Bewertung von Catcalling?

In Deutschland gelten zwar bundesweite Gesetze, doch bei der Verfolgung und Ahndung von Ordnungswidrigkeiten und Beleidigungen existieren regionale Unterschiede in der Praxis. Die Polizeibehörden und Staatsanwaltschaften der einzelnen Bundesländer entscheiden im Rahmen ihres Ermessensspielraums über die Einleitung und Fortführung von Ermittlungen. Einige Städte und Länder haben darüber hinaus lokal begrenzte Maßnahmen ergriffen (z. B. Aufklärungskampagnen oder spezifische Meldeplattformen), jedoch sind bundeseinheitliche Unterschiede in der reinen Gesetzesanwendung bislang nicht feststellbar. Regionale Schwerpunktsetzungen können jedoch Einfluss auf die Verfolgungspraxis haben.