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Bundesverwaltungsgericht


Bundesverwaltungsgericht – Begriff, Aufgaben und rechtlicher Rahmen

Das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist das höchste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland. Seine wesentliche Funktion liegt in der Entscheidung über Rechtsstreitigkeiten auf dem Gebiet des öffentlichen Rechts, soweit nicht das Bundesverfassungsgericht oder andere Gerichte des Bundes oder der Länder zuständig sind. Das Bundesverwaltungsgericht sichert durch seine Rechtsprechung die einheitliche Auslegung und Anwendung des Verwaltungsrechts und entwickelt dieses fort.


Rechtsgrundlagen

Gesetzliche Verankerung

Das Bundesverwaltungsgericht ist im Grundgesetz (Art. 95 Abs. 1 GG) und im Gesetz zur Ausführung der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) normiert. Das Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) regelt ergänzend die Rahmenbedingungen für die Tätigkeit des BVerwG. Die verfahrensrechtlichen Grundsätze ergeben sich hauptsächlich aus der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO).

Sitz und Organisation

Das Bundesverwaltungsgericht hat seinen Sitz gemäß § 1 BVerwGG in Leipzig. Es ist als oberstes deutsches Verwaltungsgericht Teil der fünf obersten Gerichtshöfe des Bundes. Die Organisation des Gerichts ist in Senate gegliedert, welche jeweils aus mehreren Berufsrichterinnen und -richtern bestehen. Die genaue Bestimmung der Senate, ihrer Zuständigkeiten sowie die Regelungen zur Geschäftsverteilung werden im Geschäftsverteilungsplan des Gerichts festgelegt.


Aufgaben und Zuständigkeiten

Funktion im Instanzenzug

Das Bundesverwaltungsgericht nimmt die Funktion einer Revisionsinstanz ein. Es prüft im Revisionsverfahren vor allem, ob das Berufungsgericht Bundesrecht richtig angewendet hat. In wenigen gesetzlich geregelten Fällen ist das BVerwG außerdem erstinstanzlich zuständig.

Erstinstanzliche Zuständigkeit

Nach § 50 VwGO ist das Bundesverwaltungsgericht unmittelbar erstinstanzlich zuständig in bestimmten Angelegenheiten, etwa bei Streitigkeiten von Verfassungsorganen des Bundes oder von obersten Bundesbehörden mit Ländern in öffentlich-rechtlichen Angelegenheiten ohne verfassungsrechtlichen Charakter.

Revisionsinstanz

Im Regelfall ist das BVerwG als Revisionsinstanz für Urteile der Oberverwaltungsgerichte (OVG) beziehungsweise Verwaltungsgerichtshöfe (VGH) der Länder zuständig. Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht dient der Sicherung einer einheitlichen Rechtsanwendung und entwickelt das Verwaltungsrecht fort.

Weitere Aufgaben

Neben Entscheidungen in Revisions- und Erstinstanzverfahren befasst sich das BVerwG mit Beschwerden gegen die Nichtzulassung der Revision, Anträgen auf Prozesskostenhilfe, einstweiligen Anordnungen und anderen verfahrensrechtlichen Fragestellungen.


Aufbau und Organisation des Gerichts

Senate und Richterinnen sowie Richter

Das Bundesverwaltungsgericht ist in Fachsenate unterteilt. Die Senate sind auf bestimmte Rechtsgebiete spezialisiert, z. B. Baurecht, Ausländerrecht, Beamtenrecht oder Wehrdienstrecht. Jeder Senat besteht aus mindestens fünf Mitgliedern. Die genaue Zahl und Zusammensetzung der Senate wird im Geschäftsverteilungsplan geregelt.

Präsidentin oder Präsident und Verwaltung

An der Spitze des Gerichts steht die Präsidentin oder der Präsident des Bundesverwaltungsgerichts. Sie oder er wird vom Bundespräsidenten auf Vorschlag des Bundesjustizministeriums und nach Beteiligung des Richterwahlausschusses ernannt. Die Präsidentin oder der Präsident leitet die Verwaltung des Gerichts, überwacht die Geschäftsverteilung und repräsentiert das Gericht nach außen.

Unabhängigkeit und Unabsetzbarkeit

Die Mitglieder des Bundesverwaltungsgerichts sind unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Die Unabsetzbarkeit und Unversetzbarkeit sind durch das Grundgesetz und das Deutsche Richtergesetz garantiert.


Verfahrensarten und Verfahrensablauf

Revisionsverfahren

Das Revisionsverfahren hat die Kontrolle der Anwendung des Bundesrechts durch das vorinstanzliche Gericht zum Inhalt. Die Revision ist entweder durch Zulassung des Berufungsgerichts oder durch Zulassung auf Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht selbst möglich.

Erstinstanzliche Verfahren

In Verfahren, in denen das Bundesverwaltungsgericht originär zuständig ist, wird das vollständige Verfahren vor dem BVerwG durchgeführt. Dazu zählen unter anderem Verfahren gegen Verbotsverfügungen politischer Parteien oder Vereine durch das Bundesministerium des Innern.

Weitere Verfahrensarten

Zusätzlich kann das BVerwG über Beschwerde- und Unterlassungsverfahren sowie über Weiterverweisung von Anträgen innerhalb der Verwaltungsgerichtsbarkeit entscheiden.


Bedeutung für die Rechtsfortbildung und Einheit der Verwaltungspraxis

Leitentscheidungen und Grundsatzfragen

Das Bundesverwaltungsgericht prägt durch seine Entscheidungen die Auslegung des Verwaltungsrechts maßgeblich. Seine Urteile und Beschlüsse werden in der Regel von allen anderen Gerichten sowie der Verwaltung beachtet und wirken durch deren Verbindlichkeit für die nachgeordneten Instanzen über den Einzelfall hinaus.

Zusammenspiel mit anderen obersten Gerichtshöfen

Neben dem Bundesverwaltungsgericht bestehen das Bundesverfassungsgericht, der Bundesgerichtshof, das Bundessozialgericht, das Bundesarbeitsgericht und der Bundesfinanzhof. Das BVerwG arbeitet im Rahmen seiner Zuständigkeit mit diesen Gerichten zusammen, insbesondere wenn Fragestellungen mit grundsätzlicher Bedeutung für mehrere Gerichtszweige auftreten.


Rechtsmittel und Beschwerdemöglichkeiten

Revision und Nichtzulassungsbeschwerde

Das wichtigste Rechtsmittel ist die Revision, die nach Zulassung durch das Berufungsgericht oder auf Beschwerde beim Bundesverwaltungsgericht statthaft ist. Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision sind in § 132 VwGO geregelt. Erfolgt keine Zulassung, kann gegen die Versagung die sogenannte Nichtzulassungsbeschwerde eingelegt werden.

Anhörungsrüge und Wiederaufnahme

Nach rechtskräftigem Abschluss eines Verfahrens ist die Anhörungsrüge nach § 152a VwGO sowie in seltenen Ausnahmefällen die Wiederaufnahme des Verfahrens nach §§ 153 ff. VwGO möglich.


Sitz und Geschichte

Das bundesweite Verwaltungsgericht wurde 1953 mit Sitz in Berlin gegründet und 2002 nach Leipzig verlegt. Das Gebäude ist ein bedeutendes Zeugnis deutscher Architekturgeschichte; es beherbergte zuvor den Reichsgerichtshof.


Literatur und Quellen

  • Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO)
  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
  • Deutsches Richtergesetz (DRiG)
  • Website des Bundesverwaltungsgerichts: www.bverwg.de

Zusammenfassung:
Das Bundesverwaltungsgericht ist das oberste Gericht der Verwaltungsgerichtsbarkeit in Deutschland. Es sichert die Einheit der Verwaltungsrechtsprechung, entscheidet in Revisionen über Grundsatzfragen des Verwaltungsrechts und ist in bestimmten Fällen erstinstanzlich zuständig. Als eine tragende Säule des deutschen Rechtssystems gewährleistet es durch unabhängige, rechtlich fundierte Entscheidungen die konsequente Durchsetzung und Fortbildung des öffentlichen Rechts.

Häufig gestellte Fragen

Wie ist das Berufungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht geregelt?

Das Berufungsverfahren vor dem Bundesverwaltungsgericht (BVerwG) ist im Wesentlichen in der Verwaltungsgerichtsordnung (VwGO) geregelt. Zunächst ist Voraussetzung, dass gegen ein Urteil eines Oberverwaltungsgerichts oder Verwaltungsgerichtshofs die Revision zum Bundesverwaltungsgericht zugelassen wird (§ 132 VwGO). Die Zulassung kann entweder das Gericht des vorangegangenen Rechtszugs aussprechen oder auf Nichtzulassungsbeschwerde durch das Bundesverwaltungsgericht selbst erfolgen. Zulassungsgründe sind insbesondere die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, Abweichungen von höchstrichterlicher Rechtsprechung oder Verfahrensmängel. Das Berufungsverfahren ist formalistisch und knüpft an die Revisionsbegründung an, womit das Gericht inhaltlich auf die gerügten Revisionsgründe beschränkt ist. Neue Tatsachen und Beweismittel werden grundsätzlich nicht mehr zugelassen, da der Schwerpunkt auf der Überprüfung der Rechtsanwendung und nicht auf der Tatsachenfeststellung liegt. Die Entscheidung des Bundesverwaltungsgerichts wirkt im Regelfall nur inter partes, hat aber durch ihre Leitfunktion erhebliche Bedeutung für die künftige Rechtsprechung.

Unter welchen Voraussetzungen kann eine Beschwerde zum Bundesverwaltungsgericht geführt werden?

Eine Beschwerde an das Bundesverwaltungsgericht kann insbesondere gegen Entscheidungen der Vorinstanzen, die die Hauptsache nicht betreffen (z. B. Zwischenentscheidungen, Prozesskostenhilfe, Aussetzung des Verfahrens), eingelegt werden. Die Beschwerde ist in der VwGO abschließend aufgelistet (§§ 146 ff. VwGO). Für ihre Zulässigkeit ist maßgeblich, dass ein nach dem Gesetz statthafter Beschwerdegrund vorliegt und die Beschwerdefrist von zwei Wochen eingehalten wird. Beschwerdebefugt sind im Wesentlichen die am Vorverfahren Beteiligten. Das Bundesverwaltungsgericht prüft dabei, ob eine Verletzung von Verfahrensgrundrechten oder anderen justiziablen Rechtspositionen vorliegt, wobei die Prüfung regelmäßig auf Rechtsfragen begrenzt ist. Die Zulassung der Beschwerde hat im Regelfall keine aufschiebende Wirkung, es sei denn, das Gericht ordnet diese ausdrücklich an (§ 80 Abs. 7 VwGO).

Inwieweit ist das Bundesverwaltungsgericht an Tatsachenfeststellungen der Vorinstanzen gebunden?

Das Bundesverwaltungsgericht ist im Revisionsverfahren grundsätzlich an die tatsächlichen Feststellungen der Vorinstanz gebunden (§ 137 Abs. 2 VwGO). Eine Durchbrechung dieser Bindung ist nur möglich, wenn durch die Vorinstanz Verfahrensmängel begangen wurden, beispielsweise bei einer fehlerhaften oder nicht erschöpfenden Beweisaufnahme oder einer Verletzung der Amtsermittlungspflicht. In diesen Ausnahmefällen kann das Bundesverwaltungsgericht die Sache an die Vorinstanz zurückverweisen oder in seltenen Fällen selbst Beweise erheben. In der Rechtspraxis werden jedoch neue Tatsachen oder abweichende Feststellungen eher restriktiv zugelassen, um die klare Trennung zwischen Tatsacheninstanz und Rechtsinstanz zu erhalten.

Welche Rechtsmittel stehen gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Verfügung?

Gegen Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts stehen grundsätzlich keine weiteren ordentlichen Rechtsmittel mehr zur Verfügung, da es sich um die höchste Instanz der Verwaltungsgerichtsbarkeit handelt. Möglich bleiben jedoch außerordentliche Rechtsbehelfe wie die Verfassungsbeschwerde zum Bundesverfassungsgericht oder in seltenen Fällen die Anhörungsrüge (§ 152a VwGO), falls das rechtliche Gehör verletzt wurde. Ebenso möglich ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens bei Vorliegen von Wiederaufnahmegründen nach den §§ 153 ff. VwGO. Außerdem kann in Fällen, die das Unionsrecht betreffen, ein Vorabentscheidungsersuchen an den Europäischen Gerichtshof gestellt werden.

Wie gestaltet sich die mündliche Verhandlung vor dem Bundesverwaltungsgericht?

Vor dem Bundesverwaltungsgericht besteht grundsätzlich die Pflicht zur Durchführung einer mündlichen Verhandlung (§ 101 VwGO). Die Beteiligten haben Gelegenheit, ihre Rechtsauffassung ausführlich darzulegen. Die Verhandlung verläuft streng formalisiert: Zunächst wird das Verfahren durch die Vorsitzende eröffnet, der Sachverhalt und die Hauptstreitpunkte werden referiert, sodann werden die Rechtmittelbegründung und die wesentlichen Argumente der Beteiligten sowie insbesondere die Rechtsfragen umfassend erörtert. Während der mündlichen Verhandlung kann das Gericht vorläufige Hinweise zur Rechtsauslegung geben. In seltenen Fällen kann das Gericht mit Zustimmung der Beteiligten auf eine mündliche Verhandlung verzichten, dies ist zumeist aber auf reine Rechtsfragen und unstreitige Sachverhalte beschränkt (§ 101 Abs. 2 VwGO).

Welche Rechtskraft entfalten Urteile des Bundesverwaltungsgerichts?

Urteile des Bundesverwaltungsgerichts entfalten grundsätzlich formelle und materielle Rechtskraft. Formelle Rechtskraft bedeutet, dass die Entscheidung im konkreten Verfahren nicht mehr mit ordentlichen Rechtsmitteln angegriffen werden kann. Materielle Rechtskraft bezeichnet die Bindung der Beteiligten und der Gerichte an die festgestellte Rechtslage in der konkreten Streitsache (ne bis in idem). Darüber hinaus kommt den Urteilen eine erhebliche Leitwirkung für die Auslegung von Bundesrecht zu, sodass nachgeordnete Gerichte und Behörden die Grundsätze der Entscheidung regelmäßig beachten. Eine Durchbrechung der Rechtskraft ist – wie bereits erwähnt – nur in eng begrenzten Ausnahmefällen möglich (z. B. bei Wiederaufnahmeverfahren oder erfolgreichen Verfassungsbeschwerden).

Was sind die Anforderungen an die Zulässigkeit einer Revision zum Bundesverwaltungsgericht?

Die Revision zum Bundesverwaltungsgericht ist nur dann zulässig, wenn sie entweder vom Berufungsgericht oder auf Beschwerde hin vom Bundesverwaltungsgericht selbst zugelassen wird (§§ 132, 133 VwGO). Voraussetzungen sind die grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache, eine Divergenz in der Rechtsprechung, also das Abweichen des Berufungsurteils von Entscheidungen des Bundesverwaltungsgerichts, des Bundesverfassungsgerichts oder eines obersten Gerichtshofs des Bundes, oder ein Verstoß gegen Verfahrensrecht. In der Revisionsbegründung sind die maßgeblichen Gründe darzulegen, insbesondere muss präzise benannt werden, warum einer der Zulassungsgründe vorliegt und inwiefern sich daraus ein revisibler Rechtsfehler ergibt. Die Fristen und Formerfordernisse sind strikt einzuhalten; insbesondere gelten Fristen von einem Monat für die Einlegung und von zwei Monaten für die Begründung der Revision ab Zustellung des Berufungsurteils.