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Bundesversorgungsgesetz


Bundesversorgungsgesetz (BVG)

Das Bundesversorgungsgesetz (BVG) ist ein deutsches Gesetz, das die rechtlichen Grundlagen für die Versorgung der Opfer kriegsbedingter Gesundheitsschäden und deren Hinterbliebener regelt. Es wurde im Jahr 1950 verabschiedet und hat seine Wurzeln in der deutschen Sozialgesetzgebung nach dem Zweiten Weltkrieg. Das Bundesversorgungsgesetz ist zentral für das deutsche Soziale Entschädigungsrecht und bildet den Grundpfeiler für verschiedene weitere Versorgungsgesetze.


Historische Entwicklung des Bundesversorgungsgesetzes

Das Bundesversorgungsgesetz trat am 20. Dezember 1950 in Kraft (BGBl. I S. 791) und hatte das Ziel, eine umfassende Fürsorge für Menschen sicherzustellen, die durch Kriegseinwirkung gesundheitliche Schäden erlitten hatten. Zunächst bezog sich das Gesetz auf Kriegsbeschädigte des Zweiten Weltkriegs sowie deren Witwen und Waisen. Im Laufe der Jahrzehnte wurde der Geltungsbereich mehrfach angepasst, ergänzt und erweitert, um unterschiedlichen gesellschaftlichen, rechtlichen und politischen Entwicklungen gerecht zu werden.


Anwendungsbereich und persönliche Anspruchsberechtigung

Kreis der Anspruchsberechtigten

Nach § 1 BVG stehen die Leistungen grundlegend folgenden Personengruppen zu:

  • Kriegsgeschädigte (insbesondere Soldaten und Zivilpersonen, die durch Kriegsereignisse Gesundheitsschäden erlitten haben),
  • Witwen, Witwer, Waisen und Eltern von Getöteten,
  • Spätaussiedler und deren Angehörige, soweit sie in den geltenden Regelungen berücksichtigt sind.

Anspruchsvoraussetzungen

Für einen Leistungsanspruch nach dem Bundesversorgungsgesetz sind folgende Voraussetzungen notwendig:

  1. Vorliegen eines Gesundheitsschadens infolge eines unmittelbar durch militärische oder kriegsähnliche Dienstpflicht verursachten Ereignisses,
  2. Kausalität zwischen dem schädigenden Ereignis und dem Gesundheitsschaden,
  3. Gültigkeit des Ereignisses im Sinne des BVG (z. B. im Auslandseinsatz der Bundeswehr).

Das konkrete Ausmaß der Schädigungsfolgen wird anhand medizinischer Begutachtung ermittelt (MdE – Minderung der Erwerbsfähigkeit).


Leistungsarten nach dem Bundesversorgungsgesetz

Das Bundesversorgungsgesetz sieht vielfältige Leistungen für Berechtigte vor. Diese können nach Art der Versorgung differenziert werden:

Heil- und Krankenbehandlung

Anspruchsberechtigte erhalten notwendige medizinische Heil- und Krankenbehandlung gemäß § 10 BVG. Dazu zählen:

  • Ärztliche und zahnärztliche Leistungen,
  • Arznei-, Verband-, Heil- und Hilfsmittel,
  • Krankenhausbehandlung,
  • Kur- und Rehabilitationsmaßnahmen.

Versorgungsrente

Die zentrale Leistung ist die Versorgungsrente (§§ 30 ff. BVG). Sie wird in Abhängigkeit von:

  • Grad und Folgen der Schädigung (MdE),
  • Familienstand,
  • Lebensalter,

gewährt. Die Rente kann als Grund-, Ausgleichs- und Schadensausgleichsrente gewährt werden. Zudem erhalten Hinterbliebene, wie Witwen, Witwer und Waisen, entsprechende Rentenleistungen.

Weitere Leistungen

Dazu gehören:

  • Fortzahlung von Urlaubsgeld und Weihnachtszuwendungen,
  • Bestattungsgeld (§ 36 BVG),
  • Pflegezulagen,
  • Bereitstellung von Haushaltshilfen und Unterstützung für Berufsförderung.


Verfahren der Leistungsgewährung

Antragstellung und Feststellungsverfahren

Die Leistungen nach dem Bundesversorgungsgesetz werden auf Antrag gewährt. Zuständig sind die jeweiligen Versorgungsbehörden der Länder. Das Verfahren ist im Verwaltungsverfahrensgesetz sowie im Zehnten Buch Sozialgesetzbuch geregelt, soweit nicht abweichende Spezialregelungen im BVG bestehen.

Das Feststellungsverfahren sieht u. a. eine medizinische Begutachtung vor, um den Zusammenhang zwischen Schädigung und Gesundheitsschaden sowie die Höhe der MdE zu bestimmen.

Rechtsmittel und Rechtsschutz

Entscheidungen der Versorgungsbehörden können mit Widerspruch und Klage vor den Sozialgerichten überprüft werden. Das Rechtsschutzsystem entspricht den allgemeinen Regelungen der Sozialgerichtsbarkeit.


Verhältnis zu anderen Versorgungsvorschriften

Das Bundesversorgungsgesetz ist das Stammgesetz des Sozialen Entschädigungsrechts. Es bildet die Grundlage für:

  • Opferentschädigungsgesetz (OEG),
  • Häftlingshilfegesetz,
  • Soldatenversorgungsgesetz,
  • Zivildienstgesetz (Versorgungsteilbereich).

Außerdem genießt das BVG Nachrang gegenüber dem Allgemeinen Sozialrecht (z. B. SGB XII), soweit eine vorrangige Versorgung nicht gegeben ist.


Rechtsgrundlagen und Reformbestrebungen

Gesetzliche Grundlagen

Das Bundesversorgungsgesetz befindet sich regelmäßig im Wandel, um modernen gesellschaftlichen Anforderungen zu genügen. Der Gesetzestext und die dazugehörigen Anlagen inklusive Durchführungsverordnungen und Verwaltungsvorschriften sind für die Auslegung des Gesetzes maßgeblich.

Reform des Sozialen Entschädigungsrechts

In den letzten Jahren wurde das Soziale Entschädigungsrecht in Deutschland grundlegend mit dem Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts (SGB XIV, Entwurf 2019, Geltung ab 2024) reformiert. Künftig werden zentrale Teile des BVG in das neue SGB XIV überführt, das eine zeitgemäßere und systematischere Strukturierung der Leistungen sowie des Verfahrens vorsieht. Das BVG bleibt jedoch für Altfälle weiterhin maßgeblich.


Bedeutung und praktische Relevanz

Das Bundesversorgungsgesetz ist eines der bedeutendsten Gesetze im deutschen System der sozialen Entschädigung. Es dient als Grundlage für die Wahrung der Fürsorgepflicht des Staates gegenüber Menschen, die für das Gemeinwesen wesentliche Opfer erbracht haben. Das BVG trägt maßgeblich zur gesellschaftlichen Anerkennung und sozialen Sicherheit der betroffenen Personenkreise bei und ist bis heute von hoher praktischer Relevanz, insbesondere für Kriegs- und Wehrdienstopfer sowie deren Hinterbliebene.


Literatur und weiterführende Quellen

  • Bundesministerium für Arbeit und Soziales: Bundesversorgungsgesetz (BVG) – Gesetzestext und Informationen
  • SGB XIV – Gesetz zur Regelung des Sozialen Entschädigungsrechts
  • Kommentar zum Bundesversorgungsgesetz (u. a. Trenk-Hinterberger, Bundesversorgungsgesetz)
  • Bundeszentralamt für Steuern: Begriffserläuterung und Informationen zur Versorgungsrente
  • Soziale Entschädigung in Deutschland, Bundesministerium für Arbeit und Soziales

Dieser Artikel bietet einen umfassenden Überblick über das Bundesversorgungsgesetz und dessen rechtliche Bedeutung im Kontext des Sozialen Entschädigungsrechts. Bei spezifischen Anfragen sollte stets der aktuelle Gesetzestext sowie einschlägige Verwaltungsvorschriften herangezogen werden.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist anspruchsberechtigt nach dem Bundesversorgungsgesetz?

Anspruchsberechtigt nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG) sind in erster Linie Personen, die durch eine Wehrdienstbeschädigung oder durch eine schädigende Auswirkung im Sinne des Gesetzes gesundheitlich beeinträchtigt wurden. Dazu zählen insbesondere Wehrdienstleistende der Bundeswehr, Zivildienstleistende sowie bestimmte Zivilschutz- und Katastrophenschutzkräfte. Angehörige, wie Hinterbliebene von verstorbenen Berechtigten, sind ebenfalls anspruchsberechtigt, wenn die gesetzlichen Voraussetzungen – insbesondere der ursächliche Zusammenhang zwischen Schädigung und Tod – erfüllt werden. Die Rechte und Leistungen nach dem BVG gelten nur, wenn der Schaden kausal auf einem Ereignis im Sinne des Gesetzes beruht und der Antragssteller innerhalb der vorgeschriebenen Fristen einen Antrag stellt. Auch Ausländer und Staatenlose können anspruchsberechtigt sein, wenn sie unter die im Gesetz exakt beschriebenen Personenkreise fallen.

Welche Leistungen können nach dem Bundesversorgungsgesetz beansprucht werden?

Das BVG sieht ein umfassendes Leistungssystem vor, das insbesondere Heil- und Krankenbehandlung, Rentenleistungen, Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben sowie Hilfsmittelversorgung umfasst. Für Geschädigte besteht Anspruch auf Heilverfahren zur gesundheitlichen Wiederherstellung, auf orthopädische und sonstige Hilfsmittel sowie Ersatz von Kosten aufgrund der Schädigungsfolgen, wie zum Beispiel Pflegezulagen oder Fahrtkosten. Bei dauerhaften Schädigungen erhalten Berechtigte Beschädigtenrente, deren Höhe sich nach dem Grad der Schädigungsfolgen richtet. Für Hinterbliebene besteht Anspruch auf Witwen- oder Witwerrente, Waisenrente sowie Bestattungs- und Sterbegeld. Weiterhin gibt es Leistungen bei besonderem Bedarf, wie etwa Wohnungs- oder Kraftfahrzeughilfen.

Wie erfolgt die Feststellung der Schädigungsfolgen nach dem Bundesversorgungsgesetz?

Die Feststellung der Schädigungsfolgen erfolgt durch ein förmliches Anerkennungsverfahren, das in der Regel von den Versorgungsämtern oder anderen zuständigen Behörden durchgeführt wird. Grundlage ist in der Regel ein ärztliches Gutachten, das den ursächlichen Zusammenhang zwischen dem schädigenden Ereignis und den festgestellten Gesundheitsschäden bewertet. Maßgeblich ist das medizinische Sachverständigengutachten, das den Grad der Schädigungsfolgen (GdS) in Zehnerschritten bemisst. Die Feststellung erfolgt durch einen Verwaltungsakt, gegen den der Antragsteller Rechtsmittel einlegen kann. Das Verfahren ist von Amts wegen möglichst umfassend zu betreiben; tatsächliche Zweifel gehen zu Lasten der Behörde.

Welche Fristen gelten für die Beantragung von Leistungen nach dem BVG?

Grundsätzlich gilt, dass der Antrag auf Versorgung innerhalb angemessener Frist gestellt werden muss, wobei das Gesetz keine starre Ausschlussfrist vorschreibt. Allerdings können Verspätungen im Einzelfall dazu führen, dass Leistungen erst ab Antragstellung und nicht rückwirkend gewährt werden. Im Fall von Hinterbliebenenleistungen sieht das Gesetz konkret eine Frist von zwölf Monaten ab dem Tod des Geschädigten vor, wobei unter bestimmten Voraussetzungen eine Antragstellung auch später noch möglich ist. Fristversäumnisse können dabei im Einzelfall zu Nachteilsausgleichsansprüchen führen, wenn eine unverschuldete Verspätung nachgewiesen wird. Die genauen Fristen ergeben sich aus den jeweiligen Vorschriften des BVG und müssen individuell geprüft werden.

Wie wird der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) bestimmt und warum ist dieser wichtig?

Der Grad der Schädigungsfolgen (GdS) ist ein zentrales Kriterium bei der Bemessung der Versorgungsleistungen nach dem BVG. Die Feststellung des GdS erfolgt durch ärztliche Sachverständigengutachten, meist unter Hinzuziehung von Spezialärzten oder Gutachterkommissionen. Die Bewertung orientiert sich an der Versorgungsmedizin-Verordnung (VersMedV), die tabellarisch typische Gesundheitsschäden und deren Beurteilung als allgemeine Bewertungsmaßstäbe vorgibt. Entscheidend ist, welche dauerhaften Einschränkungen in der Teilhabe am gesellschaftlichen Leben oder in der Erwerbsfähigkeit bestehen. Der GdS wird in Zehnerschritten von 10 bis 100 festgesetzt. Die Höhe der Beschädigtenrente, der Pflegezulagen und weiterer ergänzender Leistungen richtet sich unmittelbar nach dem festgestellten GdS.

Welche Rechtsmittel stehen zur Verfügung, wenn ein Antrag nach dem BVG abgelehnt wird?

Wird ein Antrag nach dem BVG ganz oder teilweise abgelehnt, steht dem Betroffenen der Weg des förmlichen Widerspruchs offen. Der Widerspruch gegen den ablehnenden Bescheid ist innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe schriftlich oder zur Niederschrift bei der zuständigen Behörde einzulegen. Im Widerspruchsverfahren prüft die Behörde den Vorgang erneut, nimmt ggf. weitere Ermittlungen – insbesondere medizinischer Art – vor und erlässt einen Widerspruchsbescheid. Gegen diesen Bescheid kann der Berechtigte Klage beim zuständigen Sozialgericht erheben. Das gerichtliche Verfahren ist kostenfrei und unterliegt nicht dem Anwaltszwang. Weitere Instanzen sind das Landessozialgericht sowie das Bundessozialgericht, wobei die Zulässigkeit der Berufung und Revision von verschiedenen Voraussetzungen abhängig sein kann.

Wer ist für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständig?

Für die praktische Durchführung des BVG sind die Versorgungsämter beziehungsweise die Landesbehörden zuständig, soweit nicht besondere Zuständigkeiten des Bundes gegeben sind (etwa beim Bundesversorgungsgesetz für die ehemalige DDR oder im Bereich des Zivildienstgesetzes). Die Behörden arbeiten dabei eng mit den ärztlichen Sachverständigen zusammen und bedienen sich zur Leistungsbearbeitung verbindlicher Verfahrens- und Bewertungsrichtlinien. Im Widerspruchs- und Klageverfahren wirken sie an der Sachverhaltsaufklärung mit und sind verpflichtet, alle relevanten medizinischen und sozialen Fakten in die Entscheidung einzubeziehen. Zudem sind sie gesetzlich zur Beratung und Aufklärung der Antragsteller verpflichtet.