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Bundesverfassungsrichter


Definition und Stellung der Bundesverfassungsrichter

Ein Bundesverfassungsrichter ist ein Mitglied des Bundesverfassungsgerichts, dem höchsten deutschen Verfassungsorgan für die Verfassungsgerichtsbarkeit. Die Bundesverfassungsrichter nehmen zentrale Aufgaben bei der Wahrung des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland wahr. Sie wachen über dessen Einhaltung und entscheiden in Verfassungsstreitigkeiten von grundlegender Bedeutung für das staatliche Gemeinwesen.

Das Bundesverfassungsgericht besteht gemäß Art. 93 GG und dem Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) aus zwei Senaten mit jeweils acht Richterinnen und Richtern. Insgesamt gibt es somit 16 Bundesverfassungsrichter.


Rechtsgrundlagen

Verfassungsrechtliche Grundlagen

Die wesentlichen Regelungen über die Zusammensetzung, Wahl und Stellung der Bundesverfassungsrichter finden sich im Grundgesetz (insbesondere Art. 93 bis 94 GG) sowie im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG).

  • Artikel 94 Absatz 1 GG: Das Bundesverfassungsgericht besteht aus Bundesverfassungsrichterinnen und -richtern, die je zur Hälfte vom Bundestag und Bundesrat gewählt werden.
  • Artikel 94 Absatz 2 GG: Das Nähere regelt das BVerfGG.

Einfache Gesetzliche Regelungen

Das BVerfGG konkretisiert die Grundsatzvorgaben des Grundgesetzes zu Bestellung, Amtsausübung, Rechte, Pflichten, Unabhängigkeit und weiteren Aspekten der Richterinnen und Richter am Bundesverfassungsgericht.


Wahl, Ernennung und Amtszeit

Wahlverfahren

Die Wahl der Bundesverfassungsrichter erfolgt gemäß § 5 ff. BVerfGG je zur Hälfte durch den Bundestag sowie durch den Bundesrat. Der Bundestag wählt die Richter mit Zweidrittelmehrheit auf Vorschlag eines Wahlausschusses. Auch im Bundesrat ist eine Zweidrittelmehrheit der Stimmen erforderlich.

Das Verfahren gewährleistet eine breite parlamentarische Legitimation und dient der Sicherung einer überparteilichen Auswahl. Die Wahl gilt als abgeschlossen, wenn sowohl Bundestag als auch Bundesrat die jeweilige Hälfte der Richter gewählt haben.

Ernennung

Nach erfolgreicher Wahl werden die Bundesverfassungsrichter nach § 10 BVerfGG vom Bundespräsidenten ernannt. Nach der Ernennung leisten sie vor dem Bundespräsidenten den in § 10 Abs. 2 BVerfGG vorgeschriebenen Eid.

Amtszeit und Altersgrenzen

Die Amtszeit der Bundesverfassungsrichter beträgt zwölf Jahre, eine Wiederwahl ist ausgeschlossen (§ 4 Abs. 1 BVerfGG). Sie endet spätestens mit dem Erreichen der Altersgrenze von 68 Jahren.


Anforderungen und Voraussetzungen

Persönliche und fachliche Voraussetzungen

Nach § 3 BVerfGG umfasst die Zahl der Bundesverfassungsrichter 16 Personen. Mindestens drei Richter jedes Senats müssen dem Kreis der Richter der obersten Bundesgerichte entstammen. Im Übrigen sind zum Amt befähigt:

  • Vollendung des 40. Lebensjahres
  • Befähigung zum Richteramt gemäß Deutschem Richtergesetz (DRiG)
  • Wählbarkeit zum Bundestag

Unvereinbarkeitsregelungen

Um die Unabhängigkeit und Neutralität zu gewährleisten, gilt ein umfassendes Unvereinbarkeitsgebot (§ 3 Abs. 3 BVerfGG):

  • Während der Amtszeit darf kein anderes besoldetes Amt ausgeübt werden.
  • Eine Mitgliedschaft in parlamentarischen Versammlungen ist nicht zulässig.
  • Auch Tätigkeiten, die mit dem Richteramt nicht vereinbar sind oder die Unabhängigkeit beeinträchtigen könnten, sind ausgeschlossen.

Rechtsstellung und Unabhängigkeit

Unabhängigkeit der Bundesverfassungsrichter

Die Bundesverfassungsrichter sind gemäß Art. 97 GG sowie § 1 und § 2 BVerfGG unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen. Sie unterliegen keinem Weisungsrecht und sind ausschließlich an die verfassungsmäßige Ordnung gebunden.

Dienstrecht und Dienstaufsicht

Das Dienstrecht richtet sich eigenständig nach dem BVerfGG. Eine Dienstaufsicht übt der Präsident des Gerichts aus, beschränkt auf organisatorisch-administrative Fragen. Inhaltliche Vorgaben zur Rechtsfindung sind unzulässig.

Verschwiegenheitspflicht

Den Bundesverfassungsrichtern obliegt strenge Verschwiegenheitspflicht über die Beratungen und Abstimmungen im Senat (§ 30 BVerfGG). Dies dient dem Schutz der Unabhängigkeit und der Vertraulichkeit der Entscheidungsfindung.


Aufgabenbereiche und Zuständigkeiten

Mitwirkung an den Entscheidungen

Die Bundesverfassungsrichter entscheiden in Senaten oder Kammern über die ihnen nach Art. 93 GG und BVerfGG zugewiesenen Fälle und Verfahren, insbesondere

  • Verfassungsbeschwerden
  • Organstreitverfahren
  • Normenkontrollverfahren
  • Bund-Länder-Streitigkeiten
  • Wahlprüfungsbeschwerden
  • Parteiverbotsverfahren

Jede Entscheidung des Gerichts ergeht im Namen des Volkes.

Mitwirkung in Kammern

Kammern bestehen aus drei Richtern einer Senate und entscheiden über besonders gelagerte Verfassungsbeschwerden und Eilanträge mit geringer Reichweite und Bedeutung (§ 93 BVerfGG).


Immunität und Disziplinarrecht

Immunität

Die Bundesverfassungsrichter genießen für die Dauer der Amtszeit Immunität entsprechend der für Bundestagsabgeordnete geltenden Vorschriften (Art. 46 GG in Verbindung mit § 18 BVerfGG). Strafrechtliche Verfolgung, Freiheitsentziehung oder sonstige Beschränkungen bedürfen der Zustimmung des Gerichts.

Disziplinarmaßnahmen und Amtsenthebung

Eine Amtsenthebung ist gemäß § 12 BVerfGG möglich, wenn das Gericht feststellt, dass ein Richter schuldhaft seine Amtspflichten verletzt hat oder sich einer würdelosen Handlung schuldig gemacht hat.


Ende des Amtes und Nachfolge

Beendigung des Richteramtes

Das Amt des Bundesverfassungsrichters endet durch

  • Ablauf der Amtszeit oder Erreichen der Altersgrenze
  • Tod
  • Rücktritt
  • Amtsenthebung durch das Gericht

Nachfolgeregelung

Für nachrückende Richterinnen und Richter findet ein analoges Wahlverfahren statt. Bis zur Nachbesetzung bleibt das Amt vakant.


Bedeutung und Wirkung der Bundesverfassungsrichter

Bedeutung für die Rechtsprechung und das Staatsgefüge

Die Bundesverfassungsrichter sind maßgeblich dafür verantwortlich, die Verfassungsgarantie und den Schutz der Grundrechte im bundesdeutschen Rechtssystem zu sichern. Ihren Entscheidungen kommt Bindungswirkung für alle Staatsorgane zu (§ 31 BVerfGG), sie prägen maßgeblich die Rechtsentwicklung in der Bundesrepublik Deutschland.

Öffentliches Ansehen und Kontrolle

Aufgrund ihrer überragenden Bedeutung und Unabhängigkeit stehen die Bundesverfassungsrichter unter besonderer öffentlicher Beobachtung. Sie sind jedoch in ihrer Amtsausübung nur dem Gesetz und ihrem Gewissen verpflichtet.


Literatur und weiterführende Regelungen

  • Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (GG)
  • Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG)
  • Deutsches Richtergesetz (DRiG)
  • Veröffentlichungen des Bundesverfassungsgerichts

Fazit

Bundesverfassungsrichter bilden das Rückgrat der verfassungsgerichtlichen Kontrolle in Deutschland. Ihre umfassende Unabhängigkeit, ihre spezifischen Rechte und Pflichten sowie die hohen Anforderungen an Wahl und Auswahl sichern die Neutralität und Qualität der verfassungsgerichtlichen Rechtsprechung und damit die Stabilität der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland.

Häufig gestellte Fragen

Wie erfolgt die Wahl der Bundesverfassungsrichter?

Die Wahl der Bundesverfassungsrichter ist im Grundgesetz, insbesondere in Artikel 94, und im Bundesverfassungsgerichtsgesetz (BVerfGG) geregelt. Das Gericht besteht aus zwei Senaten mit jeweils acht Richtern. Die Hälfte der Richter eines Senates wird vom Deutschen Bundestag, die andere Hälfte vom Bundesrat gewählt. Für die Wahl ist eine Zwei-Drittel-Mehrheit der abgegebenen Stimmen erforderlich, was Verhandlungen und Konsens zwischen den Fraktionen notwendig macht. Die Wahl im Bundestag erfolgt seit 2015 in geheimer Abstimmung durch das Plenum, zuvor bestimmte ein Wahlausschuss. Im Bundesrat wird die Wahl in geheimer Sitzung durchgeführt. Die Bundesverfassungsrichter müssen mindestens 40 Jahre alt und zur Ausübung der höchsten richterlichen Ämter befähigt sein; zudem dürfen sie nicht bereits dem Gericht angehört haben. Nach der Wahl werden sie vom Bundespräsidenten ernannt und leisten vor Beginn ihrer Amtsführung einen Eid.

Welche Amtszeit gilt für Bundesverfassungsrichter und gibt es Möglichkeiten der Wiederwahl?

Die Amtszeit der Bundesverfassungsrichter beträgt gemäß § 4 Abs. 1 BVerfGG zwölf Jahre. Eine Verlängerung der Amtszeit oder Wiederwahl der Richter ist ausdrücklich ausgeschlossen, um die Unabhängigkeit zu sichern und eine Verfestigung der Macht zu verhindern. Die Amtszeit endet vorzeitig, wenn der Richter das 68. Lebensjahr vollendet, sein Amt niederlegt, stirbt oder dienstunfähig wird. Scheidet ein Richter vor Ablauf der regulären Amtszeit aus, wird für den Rest der Amtszeit ein Nachfolger gewählt.

Welche Unabhängigkeiten genießen Bundesverfassungsrichter während ihrer Amtsausübung?

Bundesverfassungsrichter sind während ihrer gesamten Amtszeit in ihrer richterlichen Tätigkeit unabhängig und an keinerlei Weisungen gebunden, wie es in Artikel 97 GG festgelegt ist. Ihre richterliche Unabhängigkeit umfasst persönliche, sachliche und institutionelle Aspekte. Persönliche Unabhängigkeit bedeutet, dass sie rechtliche und tatsächliche Sicherungen gegen Abberufung und Versetzungen besitzen. Sachliche Unabhängigkeit bedeutet Entscheidungsfreiheit nur nach Gesetz und Recht; äußere Einflüsse – insbesondere politische – müssen ferngehalten bleiben. Zudem genießen sie richterliche Immunität, können also nur mit Genehmigung des Gerichts selbst strafrechtlich verfolgt werden.

Welche Qualifikationen müssen Bundesverfassungsrichter mitbringen?

Die rechtlichen Voraussetzungen für das Amt eines Bundesverfassungsrichters sind in Art. 94 GG und § 3 BVerfGG geregelt. Erforderlich ist insbesondere die Befähigung zum Richteramt gemäß Deutschem Richtergesetz, also eine abgeschlossene juristische Ausbildung mit beiden Staatsexamina. Mindestens drei der acht Richter jedes Senats müssen aus den obersten Bundesgerichten kommen (z.B. Bundesgerichtshof, Bundesarbeitsgericht). Das Mindestalter beträgt 40 Jahre, die Staatsbürgerschaft muss deutsch sein, und der Kandidat muss die Gewähr bieten, jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung einzutreten.

Wie ist das Verfahren bei vorzeitigem Ausscheiden eines Bundesverfassungsrichters geregelt?

Scheidet ein Bundesverfassungsrichter vor Ablauf seiner regulären Amtszeit aus, ist unverzüglich ein Nachfolger durch das jeweils zuständige Wahlgremium (Bundestag oder Bundesrat) zu wählen. Die Nachwahl folgt den gleichen rechtlichen Bestimmungen wie die Wahl zu Amtsbeginn. Der Nachfolger tritt das Amt unverzüglich nach Ernennung an und bleibt für den Rest der ursprünglichen Amtszeit des Vorgängers im Amt, eine Verlängerung oder Wiederwahl ist auch dann ausgeschlossen. In der Zwischenzeit bleibt das Gericht beschlussfähig, solange jeweils mindestens sechs Richter pro Senat anwesend sind.

Wie unterliegen Bundesverfassungsrichter dienstlichen Pflichten und Disziplinarmaßnahmen?

Bundesverfassungsrichter sind zur Verschwiegenheit über Beratungen verpflichtet und unterliegen den allgemeinen Dienstpflichten, soweit diese mit ihrer richterlichen Unabhängigkeit vereinbar sind (§ 9 BVerfGG). Disziplinargewalt übt ausschließlich das Bundesverfassungsgericht in seiner Vollbesetzung aus. Bei Verstößen gegen Amtspflichten kann das Gericht je nach Schwere vom Verweis bis zur Amtsenthebung entscheiden, wobei das Verfahren und die Sanktionen detailliert in den §§ 9-12 BVerfGG geregelt sind. Eine externe Kontrolle, beispielsweise durch das Bundesministerium der Justiz, ist ausgeschlossen, um die richterliche Unabhängigkeit strikt zu wahren.

Welche Möglichkeiten des Rechtsschutzes gegen Maßnahmen gegenüber Bundesverfassungsrichtern bestehen?

Bundesverfassungsrichter genießen gerichtlichen Rechtsschutz hinsichtlich ihrer eigenen Rechte aus dem Dienstverhältnis. Streitigkeiten, beispielsweise über Dienstbezogene Entscheidungen oder disziplinarische Maßnahmen, sind innergerichtlich vor dem Plenum des Bundesverfassungsgerichts auszutragen, gegebenenfalls in besonders geregelten Spruchkörpern. Eine Anrufung anderer Gerichte ist grundsätzlich ausgeschlossen, um eine Fremdbestimmung durch die ordentliche Gerichtsbarkeit und damit eine Einschränkung der Unabhängigkeit zu verhindern.