Bundessozialhilfegesetz: Begriff, Einordnung und Bedeutung
Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) war bis Ende 2004 das zentrale Regelwerk der staatlichen Sozialhilfe in Deutschland. Es ordnete die öffentliche Hilfe für Menschen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenen Mitteln bestreiten konnten. Seit 2005 ist es durch Regelungen im Zwölften Buch des Sozialgesetzbuchs (Sozialhilfe) abgelöst. Dennoch prägt das BSHG bis heute die Grundstrukturen der Sozialhilfe, insbesondere den Charakter als letztes Auffangnetz zur Wahrung eines menschenwürdigen Lebens.
Zweck und Leitprinzipien
Das BSHG verfolgte das Ziel, materiellen Mangel zu vermeiden oder zu beseitigen und eine Teilhabe am gesellschaftlichen Leben zu ermöglichen. Es beruhte insbesondere auf folgenden Grundsätzen:
- Nachrang der Sozialhilfe: Vorrangig waren Eigenhilfe sowie vorrangige Ansprüche, etwa aus Arbeit, Unterhalt oder anderen Sozialleistungen.
- Individuelle Bedarfsgerechtigkeit: Leistungen wurden am Einzelfall ausgerichtet, um die konkrete Lebenslage zu berücksichtigen.
- Hilfe zur Selbsthilfe: Unterstützung sollte in die Lage versetzen, vorhandene Kräfte zu nutzen und Abhängigkeiten zu vermeiden.
- Einsatz eigener Mittel: Einkommen und Vermögen waren grundsätzlich vor Inanspruchnahme öffentlicher Hilfe einzusetzen, soweit zumutbar.
Geltungsbereich und Abgrenzung
Das BSHG war auf Personen im Inland ausgerichtet, die sich in einer Notlage befanden und keine andere ausreichende Absicherung hatten. Es stand in einem abgestimmten Verhältnis zu anderen Rechtsbereichen, etwa zur gesetzlichen Kranken-, Renten- und Arbeitslosenversicherung sowie zum Recht der Grundsicherung für Arbeitsuchende. Für bestimmte Personengruppen galten gesonderte Regelungen außerhalb des BSHG.
Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz
Das BSHG fasste unterschiedliche Hilfen zusammen, die entweder den grundlegenden Lebensunterhalt sicherstellten oder besondere Lebenssituationen abdeckten.
Hilfe zum Lebensunterhalt
Diese Hilfe deckte laufende Bedarfe wie Ernährung, Kleidung, Hausrat sowie Unterkunft und Heizung ab. Grundlage waren pauschalierte Regelsätze ergänzt um Mehrbedarfe in besonderen Situationen. Daneben konnten einmalige Leistungen, etwa für Erstausstattungen, in Betracht kommen. Die Hilfe konnte als Geldleistung, Sachleistung oder in Form von Dienstleistungen erbracht werden.
Hilfen in besonderen Lebenslagen
Unter diesem Sammelbegriff erfasste das BSHG Unterstützungen, die über den laufenden Lebensunterhalt hinausgingen. Dazu zählten insbesondere Hilfen zur Überwindung sozialer Schwierigkeiten, Hilfen zur Weiterführung des Haushalts, Hilfen für Alleinerziehende in besonderen Situationen sowie Hilfen in außergewöhnlichen Notlagen. Der Zuschnitt war stark am Einzelfall orientiert.
Gesundheits- und pflegebezogene Hilfen
Das BSHG umfasste Hilfen zur Gesundheit, wenn kein ausreichender anderweitiger Schutz bestand. Dazu gehörten etwa Vorsorge, Behandlung und Versorgung mit notwendigen Heilmitteln. Daneben konnten Hilfen zur Pflege gewährt werden, soweit die Pflege nicht anderweitig sichergestellt war. Ziel war die Sicherstellung einer bedarfsgerechten Versorgung.
Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen
Ein zentrales Feld war die Eingliederungshilfe, um Menschen mit Behinderungen eine selbstbestimmte und gleichberechtigte Teilhabe zu ermöglichen. Die Hilfen reichten von heilpädagogischen Leistungen über Hilfen zur Teilhabe am Arbeitsleben bis hin zu Unterstützungen für selbstständiges Wohnen. Der Fokus lag auf der Stärkung individueller Fähigkeiten und Teilhabechancen.
Trägerschaft, Finanzierung und Verwaltung
Zuständige Stellen
Die Durchführung lag überwiegend bei kommunalen Trägern, insbesondere Kreisen und kreisfreien Städten. Die Länder übten die Fachaufsicht aus und konnten Ausführungsbestimmungen erlassen. Vor Ort waren Sozialämter und vergleichbare Behörden für die Antragsbearbeitung und Leistungsgewährung zuständig.
Finanzierung und Kostentragung
Die Finanzierung erfolgte im Wesentlichen aus kommunalen Haushalten, ergänzt um landesrechtliche Ausgleichsmechanismen. Je nach Art der Hilfe und landesrechtlicher Ausgestaltung waren unterschiedliche Kostenträger beteiligt. Dies führte zu einer starken finanziellen Verantwortung der Kommunen.
Steuerung und Aufsicht
Die inhaltliche Ausgestaltung wurde durch bundeseinheitliche Regeln vorgegeben, während Organisation und Detailfragen in der Zuständigkeit der Länder und Kommunen lagen. Aufsicht und Steuerung sollten eine gleichmäßige Anwendung des Rechts gewährleisten und zugleich regionale Besonderheiten berücksichtigen.
Anspruchsvoraussetzungen und Verfahren
Bedürftigkeit und Einsatz von Einkommen und Vermögen
Voraussetzung war eine bestehende Notlage. Einkommen und verwertbares Vermögen waren vor Leistungsbezug zu berücksichtigen, wobei Schonvermögen unberührt blieb. Unterhaltsansprüche gegenüber Angehörigen konnten die Bedürftigkeit mindern. Die Bewertung richtete sich nach Zumutbarkeit und tatsächlicher Verfügbarkeit.
Nachrang gegenüber anderen Leistungen
Die Sozialhilfe war nachrangig. Vorrangige Leistungen wie Renten, Leistungen der Arbeitsförderung oder andere Ansprüche mussten zuerst ausgeschöpft werden. Erst wenn diese nicht bestanden oder nicht ausreichten, kam Hilfe nach dem BSHG in Betracht.
Antrag, Mitwirkung und Entscheidungsverfahren
Leistungen wurden in der Regel auf Antrag gewährt. Die Behörde ermittelte den Sachverhalt eigenständig und berücksichtigte die Mitwirkung der betroffenen Person, insbesondere durch Angaben zu Einkommens- und Vermögensverhältnissen. Entscheidungen wurden schriftlich mitgeteilt und begründet. Datenschutz und Vertraulichkeit spielten eine zentrale Rolle.
Rechtsschutzmöglichkeiten
Gegen Entscheidungen bestanden verwaltungsrechtliche Rechtsschutzmöglichkeiten. Dabei konnten Betroffene behördliche Entscheidungen überprüfen lassen. Die Ausgestaltung folgte den allgemeinen Regeln des Verwaltungsverfahrens und des Verwaltungsrechtsschutzes.
Historische Entwicklung und Ablösung
Entstehung und Reformen
Das BSHG trat Anfang der 1960er Jahre in Kraft. Es wurde fortlaufend weiterentwickelt, um gesellschaftliche Veränderungen und neue Bedarfe abzubilden. Wichtige Impulse betrafen die Modernisierung von Regelsätzen, die stärkere Ausrichtung auf Teilhabe und die Ausdifferenzierung besonderer Hilfen.
Übergang zum Sozialgesetzbuch
Mit Wirkung ab 2005 wurden die materiellen Regelungen der Sozialhilfe in das Sozialgesetzbuch überführt. Seitdem regelt das Zwölfte Buch die Sozialhilfe, während die Grundsicherung für Arbeitsuchende in einem eigenen Regelwerk erfasst ist. Die Systematik des BSHG lebt in weiten Teilen fort, wurde aber strukturell und inhaltlich weiterentwickelt.
Fortwirkende Bedeutung des Begriffs
Der Begriff Bundessozialhilfegesetz wird weiterhin genutzt, wenn ältere Rechtsverhältnisse, historische Entwicklungen oder Grundprinzipien der Sozialhilfe erläutert werden. Viele Begriffe, Abwägungsmaßstäbe und Leistungsarten aus dem BSHG prägen die heutige Rechtslage.
Abgrenzungen zu benachbarten Rechtsbereichen
Verhältnis zur Arbeitsförderung und Grundsicherung
Für erwerbsfähige Personen standen Leistungen der Arbeitsförderung und später die Grundsicherung für Arbeitsuchende im Vordergrund. Die Sozialhilfe war in diesen Fällen nachrangig und überwiegend für nicht erwerbsfähige Personen oder besondere Bedarfslagen zuständig.
Verhältnis zum Asylbewerberleistungsrecht
Für bestimmte ausländische Staatsangehörige, insbesondere Asylsuchende und Geduldete, galt ein gesondertes Leistungsrecht. Dieses regelte eigenständig die Art und den Umfang der Leistungen und grenzte sich gegenüber der allgemeinen Sozialhilfe ab.
Häufig gestellte Fragen zum Bundessozialhilfegesetz
Was ist das Bundessozialhilfegesetz?
Das Bundessozialhilfegesetz war das frühere Rahmengesetz der Sozialhilfe in Deutschland. Es regelte, unter welchen Voraussetzungen Menschen in einer Notlage öffentliche Hilfe zum Lebensunterhalt und für besondere Lebenssituationen erhalten konnten.
Gilt das Bundessozialhilfegesetz heute noch?
Nein. Es wurde mit Wirkung ab 2005 durch Regelungen im Sozialgesetzbuch ersetzt. Die Grundidee der Sozialhilfe als letztes Auffangnetz besteht fort, ist aber in aktueller Form in anderen Gesetzen geregelt.
Wer war nach dem Bundessozialhilfegesetz leistungsberechtigt?
Leistungsberechtigt waren Personen, die ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht aus eigenem Einkommen oder Vermögen und nicht durch vorrangige Ansprüche decken konnten. Maßgeblich war die individuelle Bedürftigkeit.
Welche Leistungen umfasste das Bundessozialhilfegesetz?
Es umfasste die Hilfe zum Lebensunterhalt, Hilfen in besonderen Lebenslagen, Hilfen zur Gesundheit, Hilfen zur Pflege sowie die Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderungen. Die Leistungen konnten in Geld, als Sachleistungen oder als Dienstleistungen erbracht werden.
Wie wurde die Bedürftigkeit festgestellt?
Die Behörden prüften Einkommen, Vermögen und vorrangige Ansprüche. Bestimmte Vermögenswerte blieben unberührt, soweit sie als geschützt galten. Außerdem wurde die Zumutbarkeit des Einsatzes eigener Mittel berücksichtigt.
Wer trug die Kosten der Sozialhilfe nach dem Bundessozialhilfegesetz?
Die Finanzierung lag vorwiegend bei den Kommunen, ergänzt um landesrechtliche Ausgleichsmechanismen. Die Zuständigkeit richtete sich nach der Art der Hilfe und der örtlichen Zuständigkeit.
Wie verhielt sich das Bundessozialhilfegesetz zu anderen Sozialleistungen?
Die Sozialhilfe war nachrangig. Leistungen aus anderen Systemen wie Renten-, Kranken- oder Arbeitsförderungsrecht waren vorrangig in Anspruch zu nehmen. Reichten sie nicht aus, konnte Hilfe nach dem BSHG gewährt werden.
Welche Bedeutung hat das Bundessozialhilfegesetz heute noch?
Obwohl es nicht mehr gilt, sind seine Grundsätze und Strukturen prägend für die heutige Sozialhilfe. Der Begriff wird verwendet, um historische Entwicklungen, Übergangsregelungen und die Kontinuität sozialhilferechtlicher Prinzipien zu erläutern.