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Bundessozialhilfegesetz


Bundessozialhilfegesetz (BSHG): Grundlagen und Entwicklung

Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) war ein bedeutendes deutsches Gesetz, das von 1961 bis 2004 das Recht der Sozialhilfe auf Bundesebene regelte. Es bildete die zentrale rechtliche Grundlage für die Gewährung von Hilfe zur Sicherung des Lebensunterhalts für bedürftige Personen. Mit der Einführung des Sozialgesetzbuchs Zwölftes Buch (SGB XII) am 1. Januar 2005 wurde das BSHG abgelöst. Dieser Text erläutert umfassend die Struktur, Regelungsinhalte, Entwicklungsgeschichte und die Bedeutung des BSHG für das deutsche Sozialrecht.


Historische Entwicklung des Bundessozialhilfegesetzes

Das Bundessozialhilfegesetz trat am 1. Juni 1962 in Kraft. Es schuf erstmals eine bundesweit einheitliche Regelung der Sozialhilfe und ersetzte die bis dahin geltenden, von den Ländern erlassenen Fürsorgegesetze. Ziel des BSHG war es, die soziale und wirtschaftliche Sicherheit hilfsbedürftiger Menschen durch konkrete Leistungen und Rechtsansprüche zu garantieren.

Der Gesetzgeber reagierte mit dem BSHG auf den gesellschaftlichen Wandel in der Bundesrepublik Deutschland nach dem Zweiten Weltkrieg. Die veränderten wirtschaftlichen und sozialen Bedingungen sowie der Anspruch auf ein menschenwürdiges Existenzminimum sollten verbindlich gewährleistet werden.

Das BSHG wurde im Lauf seines Bestehens mehrfach novelliert, um neuen gesellschaftlichen und politischen Entwicklungen Rechnung zu tragen. Am 1. Januar 2005 wurde das Gesetz durch das SGB XII (Sozialhilfe) abgelöst.


Systematik und Aufbau des Bundessozialhilfegesetzes

Das BSHG bestand zuletzt aus insgesamt 148 Paragraphen, die sich in neun Abschnitte gliederten. Die Vorschriften bestimmten detailliert die Voraussetzungen, Arten und Umfang der Sozialhilfeleistungen sowie das Verwaltungsverfahren.

Abschnittsweise Gliederung (Auswahl):

  • 1. Abschnitt: Allgemeine Vorschriften (§§ 1-7 BSHG)
  • 2. Abschnitt: Leistungen der Sozialhilfe (§§ 8-42 BSHG)
  • 3. Abschnitt: Zuständigkeit und Kosten (§§ 43-57 BSHG)
  • 4. Abschnitt: Durchführung der Sozialhilfe (§§ 58-70 BSHG)
  • 5. Abschnitt: Widerspruch und Klage (§§ 71-75 BSHG)
  • 6. Abschnitt: Übergang von Ansprüchen (§§ 76-91 BSHG)
  • 7. Abschnitt: Datenschutz (§§ 92-94 BSHG)
  • 8. Abschnitt: Sonderregelungen für Berlin-West (§§ 95-123 BSHG)
  • 9. Abschnitt: Schlussvorschriften (§§ 124-148 BSHG)


Inhaltliche Schwerpunkte des Bundessozialhilfegesetzes

Grundsatz der Sozialhilfe

Kernanliegen des BSHG war der Grundsatz, jedem Menschen, der in Not gerät und sich nicht selbst helfen kann, ein menschenwürdiges Existenzminimum zu sichern. Die Sozialhilfe war nachrangig gegenüber anderen Sozialleistungen, privatem Einkommen und Vermögen.

Anspruch und Nachrangigkeit

Sozialhilfe wurde nur gewährt, wenn die Betroffenen nicht in der Lage waren, ihren Lebensunterhalt aus eigenen Mitteln oder durch vorrangige Ansprüche (z.B. Unterhalt, Renten, Arbeitslosengeld) sicherzustellen. Dieser sogenannte Nachrangigkeitsgrundsatz war gesetzlich verankert.

Leistungsarten der Sozialhilfe im BSHG

Das BSHG unterschied zwischen verschiedenen Hilfearten, die jeweils bestimmte Bedarfe abdeckten.

1. Hilfe zum Lebensunterhalt:
Die Hilfe umfasste die grundlegenden Bedürfnisse wie Ernährung, Kleidung, Unterkunft, Hausrat, Heizung, Körperpflege und persönliche Bedürfnisse des täglichen Lebens.

2. Hilfe in besonderen Lebenslagen:
Umfasste z.B. Hilfe zur Gesundheit, Eingliederungshilfe für behinderte Menschen, Hilfe zur Pflege oder Hilfe zur Überwindung besonderer sozialer Schwierigkeiten.

Diese systematische Differenzierung ermöglichte eine passgenaue Förderung je nach individueller Bedarfslage.


Voraussetzungen und Anspruchsvoraussetzungen

Bedürftigkeit

Zentral für den Anspruch auf Sozialhilfe war die Bedürftigkeit im Sinne von § 1 BSHG. Voraussetzung war, dass die Person ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften oder mit Unterstützung Dritter sicherstellen konnte.

Obliegenheiten und Mitwirkung

Leistungsberechtigte waren verpflichtet, alle Möglichkeiten zur Selbsthilfe auszuschöpfen. Unter bestimmten Voraussetzungen wurde die Hilfe als Darlehen gewährt.

Dauer und Umfang der Hilfe

Die Hilfeleistung war grundsätzlich auf die Feststellung und Dauer der Bedürftigkeit begrenzt und endete, sobald der Hilfebedarf entfiel.


Organisation und Durchführung

Träger der Sozialhilfe

Träger der Sozialhilfe waren die örtlichen Träger (kommunale Ebene) für laufende Leistungen und die überörtlichen Träger für besondere Aufgaben.

Verwaltungsverfahren

Das BSHG regelte das Verwaltungsverfahren differenziert, darunter das Antragsrecht, die Entscheidungserfordernisse der Behörden, Rechtsmittel (Widerspruch und Klage) sowie Datenschutzvorgaben.


Verhältnis zu anderen Sozialleistungen und gesetzlichen Bedingungen

Das BSHG sah sich als „Auffanggesetz“ im System der Sozialen Sicherung und griff nur ein, wenn keine anderweitigen Ansprüche (z.B. SGB III, SGB VI) bestanden oder diese nicht ausreichten. Vermögenswerte und Einkommen wurden angerechnet, eigene Altersvorsorge blieb jedoch zu einem gewissen Teil geschützt.


Beendigung und Übergang zum SGB XII

Mit Inkrafttreten des SGB XII zum 1. Januar 2005 wurden die Regelungen des BSHG in modifizierter Form übernommen und weiterentwickelt. Das SGB XII präzisiert seither den Anspruch auf Sozialhilfe und stärkt das Prinzip des menschenwürdigen Existenzminimums.


Bedeutung und Wirkung des Bundessozialhilfegesetzes

Das Bundessozialhilfegesetz prägte die Entwicklung des deutschen Sozialrechts maßgeblich. Es setzte einen verbindlichen Rahmen für die staatliche Daseinsfürsorge und hatte großen Einfluss auf die Lebenssituation und gesellschaftliche Integration zahlreicher Menschen in Deutschland von 1962 bis 2004. Das Gesetz war zentral für die Weiterentwicklung hin zu den modernen Regelungen im SGB XII.


Literatur und Quellen

  • Bundessozialhilfegesetz vom 30. Juni 1961 (BGBl. I S. 815)
  • Bundestagsdrucksachen und Gesetzgebungsmaterialien
  • Kommentierungen zum Sozialhilferecht
  • Sozialgesetzbuch (SGB) Zwölftes Buch (SGB XII)

Mit dieser umfassenden Darstellung liefert der Artikel einen detaillierten Überblick über das Bundessozialhilfegesetz, dessen Inhalte und dessen Wirkungsweise im Kontext des deutschen Sozialrechts.

Häufig gestellte Fragen

Wann gilt das Bundessozialhilfegesetz noch und welche Vorschriften werden weiterhin angewandt?

Das Bundessozialhilfegesetz (BSHG) wurde mit dem Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches Zwölftes Buch (SGB XII) am 1. Januar 2005 grundsätzlich abgelöst. Allerdings finden einzelne Vorschriften des BSHG weiterhin Anwendung, insbesondere für vor dem 1. Januar 2005 eingetretene Sachverhalte oder laufende Verfahren, die noch nicht abgeschlossen sind oder für die in besonderen Übergangsregelungen auf das BSHG verwiesen wird. Beispielsweise betrifft dies Altfälle in Sachen Kostenersatz (§§ 91 ff. BSHG) sowie Rückforderungstatbestände, die auf Grundlage des alten Rechts zu beurteilen sind, sofern die anspruchsbegründenden Tatsachen vollständig vor dem Übergang zum SGB XII vorlagen. Außerdem finden bestimmte Auslegungsgrundsätze und Rechtsgedanken des BSHG nach wie vor Anwendung, wenn es um die Auslegung unbestimmter Rechtsbegriffe im SGB XII geht, weil das BSHG als historischer Bezugsrahmen oder „Vorbild“ für einige Regelungen dient.

Welche Auswirkungen hatte die Einführung des SGB XII auf bestehende Sozialhilfeansprüche nach dem BSHG?

Mit Inkrafttreten des SGB XII wurden bestehende Ansprüche aus dem BSHG grundsätzlich nach den neuen Vorschriften fortgeführt. Nach Art. 68 Abs. 1 Satz 1 EGBGB i.V.m. §§ 140 ff. SGB XII bleiben begonnene Verwaltungsverfahren und laufende Leistungen, die nach dem BSHG gewährt wurden, in der Regel von Amts wegen an die Vorschriften des SGB XII angepasst. Allerdings wurde für bestimmte Fallgestaltungen eine Übergangsregelung geschaffen: Unter bestimmten Voraussetzungen, beispielsweise bei analoger Normverweisung, können Altfälle (z.B. bei Erstattungsforderungen oder ehemals übernommene Beihilfen) weiterhin nach Maßgabe des BSHG beurteilt werden, wenn dies ausdrücklich geregelt ist oder sich aus dem Tatbestand ergibt. Gleichwohl erfolgte der Wechsel in das neue Recht grundsätzlich automatisch. Neue Anträge oder Fälle nach dem 1. Januar 2005 sind ausschließlich nach dem SGB XII zu beurteilen.

Wie ist das Verhältnis des Bundessozialhilfegesetzes zu anderen Sozialgesetzbüchern geregelt?

Das BSHG stand als eigenständiges Gesetz neben den übrigen Sozialgesetzbüchern, insbesondere dem SGB I (Allgemeiner Teil) und SGB X (Sozialverwaltungsverfahren). Mit dem Übergang zum SGB XII ist das Verhältnis nunmehr klar als Teil des Sozialgesetzbuches geregelt. Das SGB XII ersetzt das BSHG vollständig, soweit es um die Hilfe zum Lebensunterhalt und die Grundsicherung für Arbeitssuchende geht. Spezielle Hilfen, etwa für Pflegebedürftige, werden dem SGB XI (Pflegeversicherung) entnommen, Leistungen für Arbeitssuchende aus dem SGB II. Altrechte aus dem BSHG können zudem durch zwischenzeitliche Gesetzesänderungen und spezialgesetzliche Normen (z.B. Asylbewerberleistungsgesetz, OEG) verdrängt werden. Die Prinzipien der Subsidiarität und Nachrangigkeit in der Leistungserbringung bleiben im System des SGB zentral und sind aus dem BSHG übernommen worden.

Welche Möglichkeiten des Rechtsbehelfs gab es nach dem Bundessozialhilfegesetz?

Nach dem BSHG galten für Sozialhilfeberechtigte die im Sozialverwaltungsrecht vorgesehenen Rechtsmittel. Widerspruch gegen Bescheide stellte das primäre Rechtsbehelfsmittel dar und musste gemäß § 84 SGG innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts schriftlich oder zur Niederschrift bei der Verwaltung eingelegt werden. Kam keine Abhilfe, konnte Klage beim Sozialgericht erhoben werden. Die Verfahrensweise entsprach grundsätzlich bereits der heutigen im SGB X und SGG verankerten Systematik. Auch die Möglichkeit der einstweiligen Anordnung zur Sicherung existenzsichernder Leistungen war gegeben, wobei die Maßstäbe dafür durch die Rechtsprechung und teilweise durch Verwaltungsvorschriften konkretisiert wurden. Wichtige Verfahrensgrundsätze wie das Untersuchungsgrundsatzprinzip (§ 20 SGB X) oder die Pflicht zur Anhörung vor belastenden Entscheidungen stammen überwiegend aus der BSHG-Ära und wurden ins SGB X überführt.

Wie war die Zuständigkeit für Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz geregelt?

Die örtliche Zuständigkeit für Sozialhilfeleistungen nach BSHG richtete sich grundlegend nach dem tatsächlichen Aufenthalt (§ 97 BSHG). Dies bedeutete, dass die Sozialhilfe durch den Träger am Ort der Bedürftigkeit geleistet wurde. Für einzelne Hilfen, etwa in Fällen der Hilfe zur Pflege oder Eingliederungshilfe für Menschen mit Behinderung, galten Sonderregelungen, die die überörtlichen Träger der Sozialhilfe (in der Regel die überörtlichen Sozialhilfeträger/Landesämter oder Bezirksregierungen) einbanden. Die Regelungen zur Kostenerstattung zwischen Trägern, insbesondere bei Wechsel des Aufenthaltsorts während laufender Hilfen oder bei bundeslandübergreifenden Sachverhalten, waren zum Teil komplex und wurden im SGB XII klarer gefasst. Bei Streitigkeiten zwischen den Sozialhilfeträgern existierten spezielle Verfahren zur Zuständigkeitsklärung und Kostenverteilung.

In welchen Fällen wurden Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz als Darlehen gewährt?

Nach dem BSHG konnten bestimmte Sozialhilfeleistungen als Darlehen und nicht als Zuschuss erbracht werden, wenn eine sofortige Gewährung zur Sicherung des Lebensunterhalts notwendig war, jedoch zu erwarten war, dass der Hilfesuchende später zur Rückzahlung in der Lage sein würde (§ 89 BSHG). Dies galt insbesondere bei unabhängig von Vermögen oder Einkommen bestehenden, aber behebbaren Notlagen (z.B. Vorschussgewährung, Überbrückungshilfen), für Fälle, in denen eine Aussicht auf baldigen Bezug eigener Mittel bestand, oder wenn dem Antragsteller wegen „verschuldeter“ Hilfebedürftigkeit Leistungen nur darlehensweise erbracht werden sollten. Darüber hinaus war die Darlehensvergabe zwingend vorgesehen, wenn Vermögen bestand, das nicht sofort verwertet werden konnte, aber voraussichtlich zu einem späteren Zeitpunkt realisierbar war (etwa Grundbesitz oder Lebensversicherungen). Die Einzelheiten, etwa Verzinsung oder Rückzahlungsmodus, waren im Einzelfall durch Verwaltungsentscheidung festzulegen. Der Rückforderungsanspruch war dabei nachrangig gegenüber existenzsichernden Rechten des Leistungsbeziehers.

Welche Pflichten zur Mitwirkung und Auskunftserteilung trafen Leistungsberechtigte nach dem Bundessozialhilfegesetz?

Das BSHG verpflichtete Leistungsberechtigte umfassend zur Mitwirkung bei der Aufklärung des leistungsrelevanten Sachverhalts (§ 66 BSHG). Dazu gehörten insbesondere die Pflicht, alle Tatsachen offen zu legen, die für die Sozialhilfegewährung von Bedeutung waren, und die Vorlage von Beweismitteln (z.B. Einkommens- und Vermögensnachweisen, Mietverträge, Bestätigungen Dritter). Außerdem konnten Angehörige und Dritte, die zum Unterhalt verpflichtet waren oder konkrete Informationen für die Leistungsbeurteilung beitragen konnten, ebenfalls zur Auskunftserteilung herangezogen werden. Verstöße gegen die Mitwirkungspflichten konnten zur Versagung oder Entziehung der Leistungen führen. Diese Mitwirkungsregelungen wurden im Zuge der gesetzlichen Neuregelung mit SGB I und SGB X detailliert ausgestaltet und dort systematisch verankert.

Wie verhielt sich das Bundessozialhilfegesetz zur Heranziehung von Unterhaltspflichtigen und dem Kostenersatz?

Das BSHG sah vor, dass Dritte, insbesondere unterhaltspflichtige Angehörige, im Wege des Kostenersatzes gemäß §§ 91 ff. BSHG nachträglich zur Kostentragung herangezogen werden konnten, sobald und soweit sie zur Leistung fähig waren. Das bedeutete, dass etwa erwachsene Kinder oder Ehegatten nach den Sozialhilfegewährungen zur Deckung der geleisteten Hilfen in Anspruch genommen werden konnten, sofern sie über ausreichende Mittel verfügten. Die Grenze der wirtschaftlichen Zumutbarkeit richtete sich nach den damaligen zivilrechtlichen Unterhaltsregelungen sowie nach leistungsrechtlichen Vorschriften über das Schonvermögen. Diese Regelungen galten fort bis zum Systemwechsel im Jahr 2005 mit Einschränkungen, z.B. Wegfall der Heranziehung von Eltern volljähriger Kinder bei der Eingliederungshilfe ab 2023 gemäß BTHG. Im Rahmen von Altfällen ist die entsprechende Anwendung der BSHG-Normen weiterhin möglich, sofern kein anderes Recht greift oder eine ausdrückliche Übergangsregelung besteht.