Begriff und rechtliche Grundlagen des Bundesinnungsverbands
Ein Bundesinnungsverband ist eine auf Bundesebene organisierte Körperschaft des privaten Rechts, welche in Deutschland die Interessen und Selbstverwaltungsaufgaben ihrer zugehörigen Landesinnungsverbände beziehungsweise der einzelnen Innungen eines bestimmten Handwerks oder Gewerbes wahrnimmt. Er bildet den obersten Zusammenschluss im mehrstufigen System der Handwerksorganisationen und Gewerbeverbände. Seine Aufgaben, Rechtsstellung und Organisationsform ergeben sich vor allem aus den Vorschriften der Handwerksordnung (HwO) sowie dem Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) für eingetragene Vereine.
Gesetzliche Grundlagen
Handwerksordnung (HwO)
Die maßgebliche gesetzliche Grundlage für den Bundesinnungsverband findet sich in der Handwerksordnung, insbesondere in den §§ 86 ff. HwO. Die Handwerksordnung unterscheidet zwischen Innungen (auf lokaler Ebene), Landesinnungsverbänden (auf Landesebene) und Bundesinnungsverbänden (auf Bundesebene).
- § 86 HwO: Regelt die Bildung und Aufgaben von Bundesinnungsverbänden.
- Bundesinnungsverbände sind als juristische Personen organisiert und dienen der freiwilligen Selbstverwaltung des Handwerks auf Bundesebene.
Bürgerliches Gesetzbuch (BGB)
Der Bundesinnungsverband wird in der Rechtsform des eingetragenen Vereins (e. V.) nach den §§ 21 ff. BGB geführt, sofern keine abweichenden Regelungen in der Handwerksordnung bestehen. Seine Satzung und interne Struktur müssen dem Vereinsrecht entsprechen, wobei die Handwerksordnung spezielle Regelungen erlaubt.
Abgrenzung und Stellung im System der Handwerksorganisation
Bundesinnungsverbände stehen auf der Spitzenebene der in Deutschland üblichen hierarchischen Gliederung der Handwerksorganisationen:
- Innung: Zusammenschluss von Handwerksbetrieben derselben Handwerksart auf lokaler Ebene (§ 52 HwO)
- Kreishandwerkerschaft: Zusammenschluss mehrerer Innungen eines Kreises
- Landesinnungsverband: Zusammenschluss mehrerer Innungen eines Bundeslandes (§ 79 HwO)
- Bundesinnungsverband: Zusammenschluss aller oder mehrerer Landesinnungsverbände bzw. der einzelnen Innungen eines Handwerks bestimmter Art (§ 86 HwO)
Der Bundesinnungsverband wirkt somit auf Bundesebene und stellt das höchste Organ im Innungswesen dar.
Aufgaben und Befugnisse des Bundesinnungsverbands
Allgemeine Aufgaben
Die Aufgaben des Bundesinnungsverbands sind in § 86 Absatz 2 HwO definiert. Sie umfassen insbesondere:
- Vertretung der Interessen des jeweiligen Handwerks auf Bundesebene
- Unterstützung bei der Gestaltung zentraler Rechts- und Verwaltungsvorschriften für das Handwerk
- Koordination und Förderungen der Fachkunde, Berufsausbildung und Weiterbildung
- Mitwirkung an der Entwicklung bundeseinheitlicher Prüfungsanforderungen und -ordnungen
- Beratung seiner Mitglieder in Angelegenheiten des wirtschaftlichen und sozialen Interesses
Öffentliche und hoheitliche Aufgaben
Auf Bundesinnungsverbände können bestimmte hoheitliche Aufgaben übertragen werden, etwa:
- Erlass von Empfehlungen und Richtlinien für das gesamte Handwerk ihres Bereichs
- Mitwirkung bei Erlass von Prüfungsordnungen und Durchführung von Zwischen- und Gesellenprüfungen
- Erteilung von Stellungnahmen für die Bundesministerien im Gesetzgebungsverfahren
- Organisation und Durchführung von Fachausstellungen sowie Information der Öffentlichkeit
Repräsentative Funktion
Bundesinnungsverbände vertreten das Handwerk in zahlreichen nationalen und internationalen Gremien, bei Messen, Verbandskonferenzen sowie bei anderen bundesweiten Institutionen und Organisationen. Sie tragen zur Öffentlichkeitsarbeit und Imagepflege des jeweiligen Handwerks bei.
Mitgliedschaft, Organisation und Organe
Mitgliedschaft
Die Mitglieder eines Bundesinnungsverbands sind in der Regel die entsprechenden Landesinnungsverbände, können im Einzelfall aber auch direkt einzelne Innungen sein, sofern kein Landesinnungsverband existiert. Die Aufnahmebedingungen, Rechte und Pflichten der Mitglieder werden durch die Satzung geregelt.
Satzung
Die Satzung ist das grundlegende Organisationsstatut des Bundesinnungsverbands. Sie muss gemäß § 86 Absatz 3 HwO von der zuständigen Behörde genehmigt werden und regelt:
- Name und Sitz des Verbands
- Aufgabenbereich und organschaftliche Struktur
- Rechte und Pflichten der Mitglieder
- Organe und deren Zuständigkeiten
- Form und Fristen der Einberufung von Versammlungen
- Art und Umfang der Beitragspflicht
Organe
Die typischen Organe des Bundesinnungsverbands sind:
- Mitgliederversammlung (höchstes Organ)
- Vorstand
- Geschäftsführung
- ggf. besondere Ausschüsse (z. B. Prüfungsausschüsse, Fachausschüsse)
Die Aufgaben der Organe ergeben sich aus der Satzung sowie aus den gesetzlichen Vorgaben der Handwerksordnung und des Bürgerlichen Gesetzbuchs.
Aufsicht und Eingriffsbefugnisse
Die Aufsicht über Bundesinnungsverbände übt das für Wirtschaft zuständige Bundesministerium aus. Die Aufsicht erstreckt sich insbesondere auf die rechtmäßige Einhaltung der Satzung, die Erfüllung der übertragenen Aufgaben und die Einhaltung der Handwerksordnung. Bei gravierenden Pflichtverstößen kann die Aufsichtsbehörde Maßnahmen wie Verwarnungen, Abberufungen oder im Extremfall die Auflösung des Verbands anordnen.
Finanzierung und Beitragswesen
Die Finanzierung des Bundesinnungsverbands erfolgt in der Regel durch:
- Mitgliederbeiträge (Umlagen)
- Einnahmen aus Dienstleistungen, Informationsangeboten oder materielle Zuwendungen
- Eventuell Fördermittel des Bundes oder anderer öffentlicher Stellen (projektbezogen)
Die Beitragshöhe sowie die Modalitäten der Zahlung sind in der Verbandssatzung geregelt.
Rechtsstellung des Bundesinnungsverbands
Rechtsfähigkeit
Der Bundesinnungsverband ist eine rechtsfähige Körperschaft des privaten Rechts. Er kann Rechte erwerben, Verpflichtungen eingehen sowie am Rechtsverkehr eigenständig teilnehmen.
Vertretung nach außen
Der Verband wird nach außen in der Regel durch den Vorstand oder die Geschäftsführung gemäß Satzung vertreten. Die Vertretungsmacht ist in der Satzung zu fixieren und kann im Vereinsregister geprüft werden.
Haftung
Für Verbindlichkeiten des Bundesinnungsverbands haftet grundsätzlich nur das Verbandsvermögen. Einzelne Mitglieder haften nicht für Verpflichtungen des Verbands.
Bedeutung und Einfluss des Bundesinnungsverbands
Bundesinnungsverbände nehmen in Deutschland eine bedeutende Rolle in der Organisation des Handwerks und in der Vertretung seiner Interessen gegenüber der Politik und Verwaltung ein. Sie sind häufig zentraler Ansprechpartner für Ministerien, Behörden, Sozialpartner sowie die breite Öffentlichkeit, insbesondere wenn es um rechtliche, wirtschaftliche oder technische Belange des jeweiligen Handwerks geht.
Darüber hinaus prägen sie maßgeblich die Normierung, Fortbildung und Professionalisierung ihrer jeweiligen Branchen.
Abgrenzung zu anderen Organisationen
Bundesinnungsverbände sind abzugrenzen von:
- Bundeszünften: Traditionelle, u. U. in andere Rechtsformen überführte Organisationen des Handwerks
- Handwerkskammern: Körperschaften des öffentlichen Rechts mit Zwangsmitgliedschaft, die nach §§ 90 ff. HwO gegründet wurden und hoheitliche Aufgaben erfüllen
- Fachverbände und Wirtschaftsverbände: Zusammenschlüsse auf freiwilliger Basis, die andere oder weitere Aufgabenbereiche abdecken können
Literatur und Normquellen
- Handwerksordnung (HwO)
- Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 21 ff.
- einschlägige Inhalte in den Satzungen der jeweiligen Bundesinnungsverbände
Fazit
Der Bundesinnungsverband bildet die bundesweite zentrale Organisation im System der handwerklichen Selbstverwaltung Deutschlands. Seine rechtliche Stellung, Aufgaben, Organisation sowie Finanzierung sind in der Handwerksordnung und im Vereinsrecht detailliert geregelt. Bundesinnungsverbände tragen als Interessenvertretung, Ordnungsinstanz und Dienstleister maßgeblich zur Entwicklung, Normierung und öffentlichen Wahrnehmung ihrer Handwerksbereiche bei und sind unverzichtbarer Bestandteil der deutschen Wirtschafts- und Verwaltungsstruktur.
Häufig gestellte Fragen
Welche rechtlichen Grundlagen regeln die Aufgaben des Bundesinnungsverbands?
Die Aufgaben und Zuständigkeiten der Bundesinnungsverbände werden im Wesentlichen durch das Gesetz zur Ordnung des Handwerks (Handwerksordnung, HwO) bestimmt, insbesondere in den §§ 87-91 HwO. Diese Paragraphen regeln die Gründung, Aufgabenbereiche, Rechtsfähigkeit sowie das Verhältnis zu anderen Organisationsebenen des Handwerks. Ein Bundesinnungsverband ist in der Regel ein Zusammenschluss mehrerer Landesinnungsverbände oder direkt von Innungen, er besitzt kraft Gesetzes die Stellung eines rechtsfähigen Vereins, sofern in der Satzung nichts Abweichendes geregelt ist. Die Bundesinnungsverbände sind verpflichtet, die Gesamtinteressen ihrer Mitglieder auf Bundesebene wahrzunehmen und im Rahmen ihrer Satzung die fachlichen, wirtschaftlichen und sozialen Interessen zu vertreten. Sie nehmen zudem hoheitliche Aufgaben wahr, etwa im Bereich der beruflichen Ausbildung, und sind in bestimmten Bereichen an Gesetzgebungsverfahren beteiligt, soweit sie im jeweiligen Gewerk berührt werden.
Welche besondere Stellung hat der Bundesinnungsverband innerhalb der Handwerksorganisation?
Der Bundesinnungsverband steht an der Spitze der auf das jeweilige Handwerk oder das jeweilige Gewerbe ausgerichteten Verbandsstruktur in Deutschland, die auf vier Ebenen gegliedert ist: Innungen, Kreishandwerkerschaften, Landesinnungsverbände und Bundesinnungsverbände. Rechtlich gesehen verantwortet der Bundesinnungsverband die bundesweite Koordination und Vertretung der Belange seines Handwerkszweiges. Er agiert als Ansprechpartner gegenüber Bundesbehörden, Ministerien, der Politik, Sozialversicherungsträgern sowie anderen bundesweit tätigen Stellen und Organisationen. Seine Satzung und interne Willensbildung müssen gesetzlichen Vorgaben (Vereinsrecht nach BGB, Spezialbestimmungen der HwO) entsprechen, sodass eine verlässliche und demokratisch legitimierte Interessenvertretung gesichert ist.
Unterliegt der Bundesinnungsverband einer staatlichen Aufsicht?
Ja, der Bundesinnungsverband unterliegt gemäß § 92 HwO der staatlichen Rechtsaufsicht. Diese wird in der Regel durch das jeweils zuständige Bundesministerium ausgeübt, meist das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz. Die staatliche Aufsicht beschränkt sich grundsätzlich auf die Einhaltung der gesetzlichen Vorschriften und der eigenen Satzung des Verbands. Sie umfasst nicht die fachpolitischen Inhalte oder die innere Willensbildung, sondern bezieht sich rein auf die Rechtmäßigkeit der Handlungen und Beschlüsse des Verbandes. Verstöße können von Amts wegen geprüft werden, und es besteht für betroffene Mitglieder die Möglichkeit, die Aufsicht nach Erschöpfung des vereinsinternen Rechtswegs anzurufen.
Wie erfolgt die Mitgliedschaft und Beitragsregelung im Bundesinnungsverband rechtlich?
Die Mitgliedschaft im Bundesinnungsverband ist grundsätzlich freiwillig und wird durch die Satzung geregelt. Mitglieder können nach Maßgabe der Satzung Landesinnungsverbände oder einzelne Innungen sein. Die Beitragspflicht ergibt sich ebenfalls aus der Satzung und ist rechtlich als privatrechtliche Leistungsverpflichtung ausgestaltet. Die Festsetzung von Beiträgen muss transparent, diskriminierungsfrei und nachvollziehbar geregelt sein, wobei häufig Staffelungen nach Größe der Mitgliederverbände oder dem Umfang der Inanspruchnahme von Verbandsleistungen vorgesehen sind. Bei Streitigkeiten über Beitragshöhe und -pflichten sind in der Regel die vereinsinternen Schiedsgerichte zuerst anzurufen; erst anschließend ist der Zivilrechtsweg eröffnet.
Welche rechtlichen Pflichten und Haftungsfragen bestehen für den Vorstand eines Bundesinnungsverbands?
Der Vorstand eines Bundesinnungsverbands ist nach § 26 BGB das vertretungsberechtigte Organ. Seine Aufgaben und Pflichten leiten sich aus dem Vereinsrecht, der jeweiligen Verbandssatzung und der Handwerksordnung ab. Er ist verpflichtet, die Geschäfte des Verbands mit der gebotenen Sorgfalt eines ordentlichen und gewissenhaften Geschäftsleiters zu führen (§ 27 Absatz 3 BGB). Bei Pflichtverletzungen, insbesondere bei Verstößen gegen gesetzliche oder satzungsrechtliche Bestimmungen, haftet der Vorstand grundsätzlich persönlich gegenüber dem Verband. Jedoch wird unter Umständen die Haftung gemäß § 31a BGB auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit beschränkt, sofern es sich um einen unentgeltlichen Vorstand handelt. Besonders streng sind die Regelungen im Hinblick auf die Einhaltung der Vorgaben zur Mittelverwendung und Transparenz.
Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Mitglieder bei Streitigkeiten mit dem Verband?
Im Fall von Streitigkeiten zwischen Mitgliedern und dem Bundesinnungsverband ist zunächst der mitgliedschaftliche Rechtsweg zu beachten, der durch die Vereinssatzung regulär vorgegeben wird. Das umfasst in der Regel vereinsinterne Schlichtungsstellen oder Schiedsgerichte. Erst nachdem diese internen Instanzen ausgeschöpft wurden, steht der ordentliche Rechtsweg vor staatlichen Gerichten offen. Bei vereinsrechtlichen Streitigkeiten gelten die §§ 21 ff. BGB, die insbesondere für die Anfechtung von Beschlüssen oder die Durchsetzung von Auskunftsrechten relevant sein können. Für Klagen gegen Beitragsbescheide oder Ausschlussverfahren ist zudem auf die gesetzliche Fristwahrung sowie gegebenenfalls auf aufschiebende Wirkung zu achten.
Wie erfolgt die Mitwirkung des Bundesinnungsverbands im Gesetzgebungsverfahren?
Die rechtliche Grundlage für die Beteiligung des Bundesinnungsverbands an Gesetzgebungsverfahren liegt in der Handwerksordnung und in einschlägigen Verwaltungsvorschriften. Der Verband hat ein Anhörungsrecht bei allen Gesetzes- und Verordnungsentwürfen, die das jeweilige Handwerk betreffen. Die Stellungnahmen werden im Gesetzgebungsprozess von Ministerien eingeholt, insbesondere wenn es um Regelungen mit unmittelbaren Auswirkungen auf das Handwerk geht. Dabei ist die Mitwirkung rein beratender und empfehlender Natur; der Verband selbst hat kein eigenes Initiativrecht im Gesetzgebungsverfahren, kann jedoch Vorschläge und Gutachten einreichen und im Rahmen von Anhörungen Einfluss nehmen.