Begriff und Definition: Bundesgesetz
Das Bundesgesetz ist eine zentrale Rechtsnorm innerhalb des deutschen, österreichischen und schweizerischen Rechtssystems. Es handelt sich um ein Gesetz, das von Bundesorganen (zum Beispiel Bundestag und Bundesrat in Deutschland, Nationalrat in Österreich, Bundesversammlung in der Schweiz) im Rahmen der Bundeskompetenz erlassen wird. Bundesgesetze strukturieren und steuern das öffentliche sowie das private Leben maßgeblich und stehen in einer hierarchischen Rangfolge über den Rechtsnormen der Länder beziehungsweise Kantone. Sie sind im rechtsstaatlichen Gefüge ein vorrangiges Instrument der Gesetzgebung auf Bundesebene.
Bundesgesetz im deutschen Recht
Gesetzgebungsbefugnis und Verfahren
Im deutschen Rechtssystem ist die Gesetzgebungskompetenz grundsätzlich im Grundgesetz (GG) geregelt. Eine detaillierte Regelung über das Verfahren der Gesetzgebung findet sich ab Artikel 70 GG. Dort wird zwischen der ausschließlichen, konkurrierenden und Rahmengesetzgebung unterschieden, wobei auch ausschließliche Kompetenzen der Länder bestehen.
Das Gesetzgebungsverfahren läuft in mehreren Stufen ab:
- Initiative: Gesetzesvorlagen können durch die Bundesregierung, den Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden.
- Beratung und Beschlussfassung: Die Beratung erfolgt regelmäßig in drei Lesungen im Bundestag. Nach abschließender Beratung wird über die Annahme abgestimmt.
- Zustimmung des Bundesrates: Bundesgesetze bedürfen in bestimmten Fällen der Zustimmung des Bundesrates.
- Ausfertigung und Verkündung: Nach etwaigen Vermittlungsverfahren wird das Gesetz durch den Bundespräsidenten ausgefertigt und im Bundesgesetzblatt verkündet.
Ein Bundesgesetz tritt entweder zu einem im Gesetz benannten Zeitpunkt in Kraft oder, mangels besonderer Regelung, am vierzehnten Tag nach der Verkündung.
Geltungsbereich und Vorrang
Das Bundesgesetz gilt im Geltungsbereich der Bundesrepublik Deutschland, sofern nichts anderes bestimmt ist. Es steht im Rang über den Landesgesetzen (Art. 31 GG: „Bundesrecht bricht Landesrecht“). Ausnahmen ergeben sich nur, soweit das Grundgesetz den Ländern ausschließliche Kompetenzen zuweist.
Rechtliche Bindungswirkung
Bundesgesetze entfalten Bindungswirkung für sämtliche Staatsorgane und Bürger innerhalb ihres Anwendungsbereichs. Sie wirken allgemeinverbindlich, sofern nicht ausdrücklich als Individualgesetze ausgestaltet. Die Einhaltung wird durch die unabhängige Justiz kontrolliert; Verstöße können im Rahmen der Verfassungsbeschwerde (Art. 93 GG) dem Bundesverfassungsgericht vorgelegt werden.
Verhältnis zu anderen Rechtsquellen
Bundesgesetze stehen im Rang unterhalb des Grundgesetzes, jedoch oberhalb von Verordnungen, Satzungen sowie dem Landesrecht. Im Kollisionsfall findet das Bundesgesetz Anwendung, es sei denn, höherrangiges Recht (etwa das Grundgesetz oder die Europäische Menschenrechtskonvention) steht entgegen.
Änderbarkeit und Außerkrafttreten
Bundesgesetze können durch spätere Bundesgesetze geändert, ergänzt oder aufgehoben werden. Eine Aufhebung kann explizit durch ein Aufhebungsgesetz oder implizit durch widersprechende spätere Gesetzgebung erfolgen (lex posterior derogat legi priori).
Bundesgesetz im österreichischen Recht
Definition und Stellenwert
In Österreich bezeichnet das Bundesgesetz (§ 1 Bundes-Verfassungsgesetz, B-VG) jede von den Bundesorganen, insbesondere vom Nationalrat, im Rahmen ihrer Kompetenzen beschlossene generelle Norm. Es unterscheidet sich vom Landesgesetz, das von den Landtagen innerhalb der Länderkompetenzen erlassen wird.
Gesetzgebungsverfahren
Die Gesetzgebungskompetenz des Bundes ist in der Bundesverfassung (B-VG) geregelt. Der Nationalrat beschließt Gesetze in der Regel mit einfacher Mehrheit, spezielle Bereiche (etwa Verfassungsrecht) benötigen jedoch eine qualifizierte Mehrheit. Das Verfahren umfasst Einbringung, Beratung, Beschlussfassung, Mitwirkung des Bundesrates, Beurkundung durch den Bundespräsidenten und Kundmachung im Bundesgesetzblatt.
Geltungsbereich und Vorrangregel
Das Bundesgesetz gilt im gesamten Bundesgebiet. Nach dem Grundsatz des Vorrangs des Bundesrechts verdrängt es widersprechendes Landesrecht, sofern die Materie in die Bundeskompetenz fällt.
Bundesgesetz im schweizerischen Recht
Begriff und Erlassverfahren
In der Schweiz bildet das Bundesgesetz die zweitoberste Stufe im Normengefüge, unterhalb der Bundesverfassung, jedoch vor den Verordnungen des Bundesrates. Es wird von der Bundesversammlung (National- und Ständerat) im ordentlichen Verfahren beschlossen.
Volksreferendum
Ein besonderes Merkmal stellt das fakultative Referendum gegen Bundesgesetze dar: Nach der Veröffentlichung kann innerhalb von 100 Tagen ein Referendum durch Unterschriftensammlung ergriffen werden, das zu einer Volksabstimmung führt. Wird es angenommen, tritt das Bundesgesetz in Kraft; lehnt das Volk es ab, unterbleibt die Gesetzesumsetzung.
Bindungswirkung und Verhältnis zu anderen Normen
Bundesrecht bricht kantonales Recht, sofern das Bundesgesetz in einem Bereich mit Bundeskompetenz verabschiedet wird. Weiter steht das Bundesgesetz über allgemeinen Regierungsverordnungen, unterliegt aber der Bundesverfassung.
Typen und Inhalte von Bundesgesetzen
Materielles Bundesgesetz
Ein materielles Bundesgesetz enthält generell-abstrakte Regelungen, die für eine Vielzahl von Fällen und Normadressaten gelten. Materielle Gesetze betreffen meist das Strafrecht, das Bürgerliche Recht, das Steuerrecht oder weitere zentrale Rechtsgebiete.
Formelles Bundesgesetz
In formeller Hinsicht bezeichnet das Bundesgesetz jedes Gesetz, das im jeweiligen Gesetzgebungsverfahren durch die zuständigen Organe zustande kommt. Diese Unterscheidung ist insbesondere für die Kontrolle der Gesetzmäßigkeit von untergesetzlichen Normen wichtig.
Einzelgesetz, Sammelgesetz und Änderungsgesetz
Ein Bundesgesetz kann als Einzelgesetz einen bestimmten Sachverhalt regeln (zum Beispiel das Bundesdatenschutzgesetz), als Sammelgesetz verschiedene Materien zusammenfassen (zum Beispiel das Gesetz über Ordnungswidrigkeiten) oder abgeänderte Normen in vorhandenen Gesetzen anpassen (sogenanntes Änderungsgesetz).
Publikation und Inkrafttreten
Die Veröffentlichung erfolgt im jeweiligen Amtsblatt des Bundes (Bundesgesetzblatt in Deutschland und Österreich, Amtliche Sammlung in der Schweiz). Das Inkrafttreten erfolgt nach den im Gesetz bestimmten oder den allgemeinen gesetzlichen Regelungen.
Bedeutung und Kontrolle von Bundesgesetzen
Bundesgesetze stellen das wesentliche Instrument zur Steuerung und Ordnung gesellschaftlicher sowie wirtschaftlicher Prozesse dar. Ihre Kontrolle erfolgt durch:
- Parlamente/Abstimmungen: Im Rahmen des Gesetzgebungsprozesses.
- Gerichtsbarkeit: Auf Einhaltung höherrangigen Rechts durch Gerichte, insbesondere Verfassungsgerichte.
- Verwaltung: Umsetzung und Anwendung in der Exekutive.
Grenzen und verfassungsrechtliche Kontrolle
Bundesgesetze sind an das jeweilige Verfassungsrecht gebunden. Verstoßen sie gegen Bundesverfassung oder Grundrechte, kann eine Aufhebung durch das zuständige Verfassungsgericht erfolgen (z.B. Bundesverfassungsgericht, Verfassungsgerichtshof, Schweizer Bundesgericht). Auch die Anwendungspflicht kann entfallen, wenn ein Gesetz für verfassungswidrig erklärt wird.
Verhältnis zu internationalem und europäischem Recht
Bundesgesetze sind innerhalb der nationalen Rechtsordnung grundsätzlich vorrangig. Überschneidungen mit internationalem oder europäischem Recht führen jedoch dazu, dass Bundesgesetze im Zweifel dem höherrangigen Völkerrecht oder supranationalen Recht weichen müssen, etwa durch Anwendungsvorrang des Unionsrechts in Deutschland und Österreich.
Literatur und Weblinks
- Gesetzestexte im Bundesgesetzblatt (Deutschland), RIS (Österreich) oder der Amtlichen Sammlung der Schweiz
- Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland (Art. 70 ff.)
- Bundes-Verfassungsgesetz (BGBl. Nr. 1/1930)
- Schweizer Bundesverfassung
Häufig gestellte Fragen
Welche Rolle spielen Bundesgesetze im deutschen Rechtssystem?
Bundesgesetze nehmen im deutschen Rechtssystem eine herausragende Stellung ein, da sie auf der Grundlage der deutschen Verfassung, dem Grundgesetz (GG), erlassen werden und für das gesamte Bundesgebiet gelten. Ihre Gesetzgebungskompetenz richtet sich nach Art. 70 ff. GG, der die Verteilung der Zuständigkeiten zwischen Bund und Ländern regelt. Während der Bund für bestimmte Materien die ausschließliche Gesetzgebungskompetenz innehat (etwa Verteidigung, Währung), gibt es viele Bereiche der konkurrierenden Gesetzgebung, in denen der Bund Gesetze erlassen darf, solange die Länder nicht davon Gebrauch gemacht haben oder bundesgesetzliche Regelungen erforderlich sind (Art. 72 GG). Bundesgesetze stehen in einer Hierarchie unterhalb des Grundgesetzes, jedoch oberhalb der Landesgesetze, sodass sie bei einem Normwiderspruch Vorrang haben. Im föderalen System der Bundesrepublik Deutschland gewährleisten sie die einheitliche Rechtsanwendung zu zentralen Fragen, beispielsweise im Strafrecht, beim Steuersystem oder hinsichtlich sozialer Sicherungssysteme. Aus praktischer Sicht bieten Bundesgesetze durch ihre bundesweite Geltung Rechtssicherheit und Schutz vor regionalen Rechtsunterschieden.
Wie werden Bundesgesetze erlassen?
Der Gesetzgebungsprozess für Bundesgesetze ist im Grundgesetz geregelt und zeichnet sich durch mehrere Stufen aus. Gesetzesinitiativen können von der Bundesregierung, dem Bundesrat oder aus der Mitte des Bundestages eingebracht werden (Art. 76 GG). Nach der Einbringung durchläuft ein Gesetzentwurf typischerweise drei Lesungen im Deutschen Bundestag, in welchen der Entwurf beraten, diskutiert und gegebenenfalls geändert wird. Anschließend befasst sich der Bundesrat mit dem Gesetz. Bei zustimmungsbedürftigen Gesetzen – insbesondere solchen, die die Interessen der Länder wesentlich berühren – muss der Bundesrat ausdrücklich zustimmen. Lehnt der Bundesrat ein solches Gesetz ab, kann es vollständig scheitern oder der Vermittlungsausschuss wird angerufen, um einen Kompromiss zu erzielen. Nach erfolgreichem Gesetzgebungsverfahren folgt die Ausfertigung durch den Bundespräsidenten nach verfassungsrechtlicher Prüfung und die anschließende Verkündung im Bundesgesetzblatt; das Gesetz tritt dann zum festgelegten Zeitpunkt in Kraft.
Welche Bedeutung haben Bundesgesetze im Verhältnis zu europäischem Recht?
Mit dem Beitritt Deutschlands zur Europäischen Union entstand ein komplexes Zusammenspiel zwischen Bundesgesetzen und EU-Recht. Das Grundgesetz sieht nach ständiger Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts sowie gemäß Art. 23, 24, 25 und 59 GG ausdrücklich vor, dass das Völkerrecht und das Unionsrecht besondere Bedeutung genießen. Vorrangig zu beachten ist dabei der Grundsatz des Anwendungsvorrangs des Unionsrechts: Steht ein Bundesgesetz im Widerspruch zu unmittelbar anwendbarem EU-Recht (z. B. einer Verordnung), so ist das deutsche Gericht verpflichtet, das europäische Recht anzuwenden und das betroffene Bundesgesetz insoweit unangewendet zu lassen. Gleichwohl bleibt das Bundesgesetz nach nationalem Recht bestehen, wird aber von den Gerichten nicht angewendet, solange der Konflikt zu europäischem Recht besteht. Bei Richtlinien obliegt es dem Gesetzgeber, diese durch entsprechende Bundesgesetze umzusetzen.
Wie können Bundesgesetze geändert oder aufgehoben werden?
Bundesgesetze können jederzeit durch ein neues Gesetz geändert oder aufgehoben werden, sofern die verfassungsrechtlichen Voraussetzungen eingehalten werden. Das Änderungs- oder Aufhebungsgesetz muss denselben Gesetzgebungsprozess wie ein neues Gesetz durchlaufen – also Vorlage, Beratung im Bundestag, Mitwirkung des Bundesrates, Ausfertigung und Verkündung. Für Gesetze, die das Grundgesetz berühren, ist eine qualifizierte Mehrheit erforderlich (Art. 79 GG). Aufhebung bedeutet die vollständige Abschaffung eines Gesetzes (Gesetzesaufhebung), während Änderung die Modifikation einzelner Vorschriften beinhaltet. Weiterhin können Bundesgesetze auch durch Zeitablauf („Sunset-Klauseln“) oder aufgrund einer Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts aufgehoben werden, falls sie gegen das Grundgesetz verstoßen.
Welche Möglichkeiten bestehen, um die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes überprüfen zu lassen?
Die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes kann durch das Bundesverfassungsgericht im Rahmen der abstrakten oder konkreten Normenkontrolle geprüft werden. Die abstrakte Normenkontrolle (Art. 93 Abs. 1 Nr. 2 GG) kann entweder von der Bundesregierung, einer Landesregierung oder einem Viertel der Mitglieder des Bundestages initiiert werden, wenn Zweifel an der Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes mit dem Grundgesetz bestehen. Bei der konkreten Normenkontrolle (Art. 100 GG) setzt ein Gericht, das ein Bundesgesetz für verfassungswidrig hält, das Verfahren aus und legt die Frage dem Bundesverfassungsgericht zur Entscheidung vor. Zudem können Bürgerinnen und Bürger im Wege der Verfassungsbeschwerde geltend machen, dass ein Bundesgesetz in ihre Grundrechte eingreift; dies jedoch nur, wenn sie persönlich, unmittelbar und gegenwärtig betroffen sind.
Wie werden Bundesgesetze veröffentlicht und ab wann gelten sie?
Bundesgesetze werden im Bundesgesetzblatt (BGBl.) veröffentlicht, was als Verkündung des Gesetzes gilt. Gemäß Art. 82 GG tritt ein Bundesgesetz, sofern kein anderer Zeitpunkt bestimmt ist, am vierzehnten Tag nach Ablauf des Tages in Kraft, an dem das Bundesgesetzblatt ausgegeben wurde. Es ist jedoch möglich, einen expliziten Zeitpunkt im Gesetz festzulegen, zu dem das Gesetz in Kraft tritt („Inkrafttretensregelung“). Erst mit der Veröffentlichung und dem festgelegten Inkrafttreten erlangen Bundesgesetze Rechtskraft und können durch die Exekutive und Judikative angewendet werden. Diese Publikationspflicht garantiert Transparenz und Rechtssicherheit für Bürger und Rechtssubjekte.