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Bundesgesetz

Bundesgesetz: Begriff, Bedeutung und Einordnung

Ein Bundesgesetz ist eine generell-abstrakte Regelung, die vom Bund in einem förmlichen Verfahren beschlossen und für das gesamte Bundesgebiet verbindlich gilt. Es schafft Rechte und Pflichten, ordnet staatliches Handeln und bildet einen wesentlichen Teil der Rechtsordnung. Bundesgesetze stehen in der Hierarchie der Normen über Rechtsverordnungen und Satzungen und unterhalb der Verfassung.

Stellung in der Normenhierarchie

Bundesgesetze sind an die Verfassung gebunden und müssen deren Vorgaben beachten. Gegenüber Rechtsverordnungen und Satzungen haben sie Vorrang. Stehen Bundes- und Landesrecht in einem Widerspruch, setzt sich grundsätzlich das höherrangige oder speziell kompetenzgemäß erlassene Recht durch.

Abgrenzung zu anderen Rechtsquellen

  • Rechtsverordnung: Wird von der Exekutive auf Grundlage eines Gesetzes erlassen und steht unter dem Bundesgesetz.
  • Satzung: Norm einer Körperschaft des öffentlichen Rechts mit Selbstverwaltung, ebenfalls unterhalb des Gesetzes.
  • Verwaltungsvorschrift: Interne Anweisung innerhalb der Verwaltung, ohne unmittelbare Außenwirkung.
  • Staatsvertrag des Bundes: Völkerrechtliche Vereinbarung, die in der Regel durch ein Bundesgesetz innerstaatlich anwendbar gemacht wird.

Zuständigkeiten und Gesetzgebungskompetenz

Ob der Bund ein Gesetz erlassen darf, richtet sich nach der Verteilung der Gesetzgebungskompetenzen. Der Bund ist zuständig, soweit ihm die Regelungskompetenz zugewiesen ist. In anderen Bereichen liegt die Zuständigkeit bei den Ländern. Teilbereiche können als ausschließliche Bundeszuständigkeit oder als konkurrierende Zuständigkeit ausgestaltet sein. Bei konkurrierender Zuständigkeit kann der Bund tätig werden, wenn bestimmte Erfordernisse vorliegen; ansonsten verbleibt die Regelung bei den Ländern.

Zustimmungspflicht und Mitwirkung der Länder

Ob ein Bundesgesetz der Zustimmung der Länder bedarf, hängt von seinem Inhalt ab, insbesondere wenn es Organisation und Aufgaben der Länder oder ihre Finanzen in besonderer Weise betrifft. Bei nicht zustimmungspflichtigen Gesetzen kann der Bundesrat Einwände erheben; der Bundestag kann diese regelmäßig überstimmen. Bei zustimmungspflichtigen Gesetzen ist die Zustimmung des Bundesrates erforderlich.

Das Gesetzgebungsverfahren

Initiativrecht

Vorschläge für Bundesgesetze können vom Bundestag, vom Bundesrat oder von der Bundesregierung eingebracht werden. Vorlagen durchlaufen ein geregeltes Beratungsverfahren.

Beratung und Beschluss im Bundestag

Im Bundestag erfolgt die Beratung in mehreren Lesungen. Ausschüsse bereiten die Entscheidungen vor, nehmen Stellungnahmen auf und formulieren Änderungsvorschläge. Am Ende steht der Beschluss über den Gesetzeswortlaut.

Rolle des Bundesrates und Vermittlungsausschuss

Der Bundesrat berät die Vorlage aus Sicht der Länder. Bei Meinungsverschiedenheiten kann der Vermittlungsausschuss angerufen werden, um Kompromisse zu finden. Je nach Gesetzestyp führt die Stellungnahme des Bundesrates entweder zu einer erneuten Befassung des Bundestages oder erfordert eine Einigung, wenn eine Zustimmung notwendig ist.

Ausfertigung, Verkündung und Inkrafttreten

Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens wird das Gesetz ausgefertigt und im amtlichen Verkündungsorgan veröffentlicht. Der Zeitpunkt des Inkrafttretens ist meist im Gesetz bestimmt; fehlt eine Angabe, gilt eine angemessene Frist zwischen Verkündung und Geltung, damit sich Betroffene auf die neue Rechtslage einstellen können.

Geltung und Anwendung

Sachlicher, räumlicher und persönlicher Geltungsbereich

Bundesgesetze regeln bestimmte Lebensbereiche (sachlich), gelten grundsätzlich im gesamten Bundesgebiet (räumlich) und binden alle Personen und Institutionen, die vom Regelungsinhalt erfasst sind (persönlich). Für bestimmte Gruppen können besondere Regelungen geschaffen werden, sofern der Gleichheitsgrundsatz beachtet wird.

Zeitliche Geltung und Rückwirkung

Ein Gesetz gilt ab seinem Inkrafttreten und für die Zukunft. Änderungen während eines laufenden Sachverhalts werden durch Übergangsregelungen abgefedert. Rückwirkende Belastungen sind nur in engen Grenzen zulässig; begünstigende Rückwirkungen können zulässig sein, wenn dadurch keine schutzwürdigen Belange beeinträchtigt werden.

Übergangsrecht und Befristungen

Gesetze enthalten häufig Übergangsvorschriften und Befristungsklauseln. Übergangsrecht ordnet an, wie mit Sachverhalten umzugehen ist, die vor dem Inkrafttreten begonnen haben. Befristete Gesetze enden automatisch, sofern sie nicht verlängert werden.

Verhältnis zur Verfassung, zu Landesrecht und zu Unionsrecht

Bindung an die Verfassung

Bundesgesetze müssen mit der Verfassung vereinbar sein. Sie haben die Grundrechte zu achten, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren und hinreichend bestimmt zu sein, damit Adressaten ihr Verhalten danach ausrichten können.

Normenkontrolle und gerichtliche Überprüfung

Gesetze können auf ihre Verfassungskonformität überprüft werden. Gerichte wenden bei Zweifeln an der Gültigkeit eines Bundesgesetzes ein geregeltes Prüfverfahren an und können eine Entscheidung des dafür zuständigen Verfassungsorgans herbeiführen. Subnormen wie Verordnungen können Gerichte unangewendet lassen, wenn sie gegen höherrangiges Recht verstoßen.

Bundesrecht und Landesrecht

Kommt es zu Kollisionen zwischen Bundes- und Landesrecht, gilt der Grundsatz, dass das kompetenzgemäß erlassene höherrangige Recht Vorrang hat. Soweit der Bund eine Materie abschließend regelt, ist für abweichendes Landesrecht kein Raum.

Bundesrecht und Unionsrecht

Unionsrecht kann Vorrang gegenüber nationalen Regelungen beanspruchen. Bundesgesetze dienen häufig der Umsetzung unionsrechtlicher Vorgaben. Bei Kollisionen berücksichtigen Verwaltung und Gerichte die unionsrechtlichen Vorgaben und legen Bundesrecht entsprechend aus oder wenden unmittelbar anwendbares Unionsrecht vorrangig an.

Völkerrecht und Transformationsgesetze

Völkerrechtliche Verträge werden im Innerstaatlichen durch ein Zustimmungsgesetz anwendbar gemacht, soweit sie nicht ohnehin unmittelbar wirken. Dadurch erhalten die Vertragsbestimmungen rechtliche Geltung im Bundesgebiet.

Arten von Bundesgesetzen

Gesetz im formellen und im materiellen Sinn

Gesetze im formellen Sinn sind in dem gesetzlich vorgesehenen Verfahren zustande gekommen. Gesetze im materiellen Sinn sind allgemeinverbindliche Normen unabhängig vom Erlassorgan. Bundesgesetze sind regelmäßig beides.

Inhalts- und Funktionsgruppen

  • Organisations- und Verfahrensgesetze: Regeln Aufbau und Zuständigkeiten der Bundesorgane sowie Abläufe.
  • Materielle Gesetze: Regeln Lebenssachverhalte in Bereichen wie Arbeit, Umwelt, Verkehr, Gesundheit oder Soziales.
  • Haushalts- und Finanzgesetze: Steuern, Abgaben, Haushalt und Finanzverfassung.
  • Sanktionsrecht: Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht mit Verhaltensnormen und Sanktionen.

Zustimmungs- und Einspruchsgesetze

Ein Teil der Bundesgesetze bedarf der ausdrücklichen Zustimmung der Länder, andere unterliegen nur einem Einspruchsrecht. Dies wirkt sich auf die Rolle des Bundesrates und das Vermittlungsverfahren aus.

Verkündung, Zitierweise und Konsolidierung

Amtliche Veröffentlichung

Bundesgesetze werden nach Ausfertigung im amtlichen Verkündungsorgan veröffentlicht. Erst die Verkündung setzt die Öffentlichkeit von Inhalt und Geltung in Kenntnis und ermöglicht die Rechtsanwendung. Amtliche und konsolidierte Fassungen werden über staatliche Informationsportale bereitgestellt.

Zitierweise und Abkürzungen

Bundesgesetze haben amtliche Kurztitel und gebräuchliche Abkürzungen. Artikelgesetze enthalten häufig mehrere Änderungen in verschiedenen Gesetzen und werden über die betroffenen Vorschriften erschlossen.

Konsolidierte Fassungen

Konsolidierungen stellen die geltende Fassung nach allen Änderungen übersichtlich dar. Maßgeblich ist jedoch die amtlich verkündete Fassung; redaktionelle Zusammenstellungen dienen der Information.

Änderung, Aufhebung und Evaluation

Novellierung und Artikelgesetze

Bundesgesetze werden durch spätere Gesetze geändert oder ergänzt. Artikelgesetze bündeln zahlreiche Einzeländerungen in verschiedenen Materien. Änderungen treten zu festgelegten Zeitpunkten in Kraft, teilweise gestaffelt.

Aufhebung und Außerkrafttreten

Gesetze können ausdrücklich aufgehoben oder befristet erlassen werden. Mit dem Außerkrafttreten enden die durch das Gesetz begründeten Pflichten und Rechte, soweit keine Übergangsregelungen bestehen.

Evaluation und Folgewirkungen

Gesetze enthalten häufig Evaluationsklauseln, um Wirkung, Vollzugstauglichkeit und Zielerreichung zu überprüfen. Ergebnisse können in weitere Novellierungen einfließen.

Vollzug und Rechtsschutz

Verwaltungsvollzug

Die Ausführung von Bundesgesetzen erfolgt je nach Materie durch Bundes- oder Landesbehörden. Diese wenden die Normen im Einzelfall an, erlassen Verwaltungsakte oder führen Maßnahmen durch.

Sanktionen und Durchsetzung

Gesetze können bei Verstößen Sanktionen vorsehen, etwa Bußgelder oder Strafen. Zudem ermöglichen sie behördliche Maßnahmen zur Gefahrenabwehr oder zur Sicherung des Vollzugs.

Rechtsschutz

Gegen belastende Maßnahmen und Entscheidungen bestehen geregelte Rechtsbehelfe. Gerichte überprüfen die Anwendung des Gesetzes im Einzelfall und sichern eine einheitliche Auslegung.

Historischer Überblick

Die bundesstaatliche Gesetzgebung knüpft an föderale Traditionen an. Mit der Entwicklung des modernen Sozial- und Wirtschaftsstaates nahm die Zahl und Komplexität der Bundesgesetze zu. Föderalismusreformen haben einzelne Zuständigkeiten neu geordnet und Prozesse angepasst.

Begriff in Österreich und der Schweiz

Auch in Österreich und der Schweiz bezeichnet „Bundesgesetz“ eine gesetzliche Norm, die auf Bundesebene erlassen wird. Die Zuständigkeitsverteilung und das Verfahren unterscheiden sich jedoch je nach Verfassungssystem. Allen gemeinsam ist, dass Bundesgesetze für das gesamte Bundesgebiet gelten und hierarchisch über untergesetzlichen Normen stehen.

Häufig gestellte Fragen (FAQ) zum Bundesgesetz

Was unterscheidet ein Bundesgesetz von einer Rechtsverordnung?

Ein Bundesgesetz wird durch das Parlament im förmlichen Gesetzgebungsverfahren beschlossen. Eine Rechtsverordnung erlassen Regierungs- oder Verwaltungsstellen auf Grundlage eines Gesetzes. Das Bundesgesetz steht in der Normenhierarchie höher und kann die Ermächtigung sowie Grenzen für Verordnungen festlegen.

Gilt ein Bundesgesetz immer im gesamten Bundesgebiet?

Grundsätzlich ja. Ein Bundesgesetz erstreckt sich auf das gesamte Bundesgebiet. Ausnahmen sind möglich, wenn das Gesetz räumlich differenziert oder besondere Zuständigkeitsgrenzen beachtet werden müssen.

Wer kann die Verfassungsmäßigkeit eines Bundesgesetzes überprüfen?

Für die verbindliche Entscheidung über die Vereinbarkeit eines Bundesgesetzes mit der Verfassung ist ein dazu bestimmtes Verfassungsorgan zuständig. Gerichte können Verfahren anstoßen, wenn sie ein Gesetz für verfassungswidrig halten, wenden es bis zur Entscheidung jedoch grundsätzlich weiter an.

Ab wann ist ein Bundesgesetz verbindlich?

Ein Bundesgesetz ist nach seiner Ausfertigung und amtlichen Verkündung verbindlich. Es tritt zu dem im Gesetz bestimmten Zeitpunkt in Kraft. Fehlt eine ausdrückliche Regelung, gilt eine angemessene Übergangsfrist.

Wie werden Bundesgesetze geändert oder aufgehoben?

Änderungen und Aufhebungen erfolgen durch spätere Gesetze im selben förmlichen Verfahren. Häufig werden mehrere Anpassungen in einem Artikelgesetz zusammengefasst. Übergangsregelungen steuern den Wechsel zur neuen Rechtslage.

Welches Recht gilt, wenn Bundes- und Landesrecht kollidieren?

Maßgeblich ist das kompetenzgemäß erlassene höherrangige Recht. Regelt der Bund eine Materie abschließend, geht Bundesrecht im Konfliktfall grundsätzlich vor. Abweichungsrechte oder Öffnungsklauseln können Besonderheiten vorsehen.

Welche Rolle spielt Unionsrecht für Bundesgesetze?

Unionsrecht kann Vorgaben für die Ausgestaltung von Bundesgesetzen enthalten und in bestimmten Fällen vorrangig sein. Bundesgesetze dienen häufig der Umsetzung unionsrechtlicher Richtlinien; unmittelbar anwendbares Unionsrecht ist zu beachten.