Legal Lexikon

Bundesgebiet


Begriff und rechtliche Verankerung des Bundesgebiets

Das Bundesgebiet ist ein rechtlich zentraler Begriff des deutschen Staats- und Verfassungsrechts. Er bezeichnet die räumliche Ausdehnung, in der die Bundesrepublik Deutschland ihre Hoheitsgewalt ausübt. Die Definition des Bundesgebiets ist grundlegend für das Anwendungsgebiet deutscher Gesetze, die Bestimmung der Staatlichkeit, das Staatsangehörigkeitsrecht, die Zuständigkeit deutscher Gerichte sowie die Abgrenzung zu anderen Hoheitsgebieten. Die Bedeutung des Begriffs umfasst verfassungsrechtliche, völkerrechtliche, europarechtliche sowie verwaltungsrechtliche Aspekte.

Rechtliche Grundlagen

Die maßgebliche normative Grundlage für das Bundesgebiet ist Art. 23 Abs. 1 Satz 1 und Art. 116 Abs. 1 Grundgesetz (GG). Während das Grundgesetz ursprünglich einen vorläufigen Geltungsbereich besaß, definiert Art. 116 Abs. 1 GG den Kreis der früher zum Deutschen Reich gehörenden Gebiete als maßgeblich. Der aktuelle rechtliche Zustand ergibt sich maßgeblich aus den Folgen des Zweiten Weltkriegs und dem Vereinten Deutschland nach 1990.

Art. 23 Grundgesetz (Fassungen vor und nach der Wiedervereinigung)

Vor der deutschen Wiedervereinigung war Art. 23 GG in einer Fassung in Kraft, die das Grundgesetz nur für die „im Bundesgebiet vereinigten Länder“ galten ließ. Nach dem Einigungsvertrag und dem Inkrafttreten des Zwei-plus-Vier-Vertrags wurde Art. 23 GG 1990 geändert. Seither ist das am 3. Oktober 1990 wiedervereinigte Bundesgebiet der räumliche Geltungsbereich des Grundgesetzes. İm derzeitigen Wortlaut definiert Art. 23 GG das Bundesgebiet als dasjenige, in dem das Grundgesetz ohne weiteres als Verfassungsgrundlage gilt.

Abgrenzung zu historischen und völkerrechtlichen Gebieten

Historische Entwicklung

Das Bundesgebiet war aufgrund der Ergebnisse des Zweiten Weltkriegs und der Gründung der Bundesrepublik Deutschland im Jahr 1949 zunächst auf die westdeutschen Bundesländer beschränkt. Mit dem Beitritt der fünf neuen Länder der ehemaligen DDR am 3. Oktober 1990 erstreckte sich das Bundesgebiet auf die heutige Fläche der Bundesrepublik Deutschland.

Grenz- und Gebietsfragen, insbesondere um die sogenannten „deutschen Ostgebiete“ (ehemals Teile von Ostpreußen, Pommern, Schlesien und Ostbrandenburg), wurden durch den Zwei-plus-Vier-Vertrag (Vertrag über die abschließende Regelung in Bezug auf Deutschland, 1990) sowie die bilateralen Verträge mit Polen und der Tschechischen Republik völkerrechtlich geklärt.

Völkerrechtliche Bewertung

Im völkerrechtlichen Sinn ist das Bundesgebiet identisch mit dem Staatsgebiet der Bundesrepublik Deutschland. Es umfasst das geografisch abgegrenzte Festlandsgebiet, die deutschen Hoheitsgewässer (Binnengewässer, Küstenmeer), den deutschen Luftraum sowie das Grund und Boden darunter. Rechtlich präzisiert wird dies auch durch das Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen, das die souveränen Rechte im Bereich des Küstenmeers und der ausschließlichen Wirtschaftszone regelt.

Komponenten des Bundesgebiets

Staatsgebiet und territorialer Umfang

Das Bundesgebiet setzt sich aus folgenden Elementen zusammen:

  • Die Flächen der 16 Bundesländer, einschließlich Städte, Gemeinden, Landkreise
  • Die Binnenseen, Flüsse und sonstigen Binnengewässer
  • Das angrenzende Küstenmeer einschließlich der Inseln im Bereich der Nord- und Ostsee
  • Die Hoheitsgewässer bis zur 12-Seemeilen-Zone gemäß Seerechtsübereinkommen
  • Der deutsche Luftraum und das unter dem Staatsgebiet befindliche Erdreich

Gemäß § 2 BWG (Bundeswahlgesetz) gelten auch bestimmte Regelungen speziell für das Bundesgebiet, insbesondere zur Festlegung der Wahlkreise.

Sonderfälle: Exklaven, Enklaven, Gemeinschaftsgebiete

Im Zusammenhang mit dem Bundesgebiet bedürfen Sonderflächen besonderer Betrachtung:

  • Enklaven/Exklaven: Deutschland besitzt offiziell keine Ex- oder Enklaven, die eigenständig außerhalb des Bundesgebiets existieren. Es gibt allerdings Enklaven anderer Staaten auf deutschem Boden (z. B. Büsingen am Hochrhein als Schweizer Enklave).
  • Gemeinschaftsflächen: Bestimmte Einrichtungen (z. B. Botschaften) oder Gebiete gemäß NATO-Truppenstatut unterliegen besonderem völkerrechtlichem Status; diese befinden sich jedoch gem. Art. 13 NATO-Truppenstatut weiterhin auf deutschem Staatsgebiet, sind aber im Rahmen internationaler Vereinbarungen durch Sonderrechte und -pflichten geprägt. Die Souveränität der Bundesrepublik bleibt davon formal unberührt.

Bundesgebiet und Gesetzesanwendung

Geltungsbereich von Gesetzen

Die Mehrzahl deutscher Gesetze legt ihren räumlichen Geltungsbereich ausdrücklich auf das Bundesgebiet fest. Fehlt eine spezielle Bestimmung, gilt nach dem sogenannten Territorialitätsprinzip das gesamte Bundesgebiet als räumlicher Anwendungsbereich.

  • Strafrecht: Das deutsche Strafrecht (§ 3 StGB) gilt für alle Taten, die im Bundesgebiet begangen werden (Ubiquitätsprinzip, § 9 StGB).
  • Steuerrecht: Das deutsche Steuerrecht differenziert zwischen unbeschränkter und beschränkter Steuerpflicht je nach Wohnsitz oder gewöhnlichem Aufenthalt im Bundesgebiet (vgl. § 1 EStG).
  • Personenstandsgesetz: Auch für Personenstandsfälle ist das Bundesgebiet der Hauptregelungsbereich (§ 1 PStG).

Staatsgebiet, Hoheitsgebiet und Anwendungsbereich

Im deutschen Rechtsverständnis wird das Bundesgebiet häufig mit dem Staatsgebiet gleichgesetzt. Das Hoheitsgebiet ist die Sphäre, in der deutsche Staatsgewalt ausgeübt wird. Dies umfasst das Festland, die Land- und Binnengrenzen, Inseln im deutschen Hoheitsgebiet, die 12-Seemeilen-Zone sowie den Luftraum.

Sonderregelungen für Auslandssachverhalte

Während das Bundesgebiet grundsätzlich mit dem deutschen Staatsgebiet identisch ist, existieren insbesondere im internationalen Privatrecht sowie im Steuerrecht grenzüberschreitende Regelungen, die einen Bezug zum bzw. vom Bundesgebiet herstellen. Beispielsweise unterliegen Auslandstätigkeiten von Deutschen bestimmten Rückauswirkungen des deutschen Rechts, etwa bei der Feststellung von Doppelbesteuerungsabkommen.

Verfassungsrechtliche Aspekte

Bedeutung im Staatsorganisationsrecht

Das Bundesgebiet ist maßgebend für:

  • Die territoriale Struktur des Bundes (Verhältnis zwischen Bund, Ländern und Kommunen)
  • Die Verteilung von Zuständigkeiten im Föderalismus (z. B. Art. 30 ff. GG)
  • Die Durchführung von Wahlen und Volksabstimmungen (vgl. Bundeswahlgesetz, Grundgesetz)

Begriff in Zusammenhang mit Staatsangehörigkeit

Art. 116 GG bestimmt, dass im Bundesgebiet geborene oder lebende Personen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen oder als Flüchtlinge oder Vertriebene deutscher Volkszugehörigkeit aufgenommen wurden, als Deutsche im Sinne des Grundgesetzes gelten.

Grenzregelungen und Schutz des Bundesgebiets

Das Bundesgebiet ist zudem zentral für polizeiliche, sicherheitsrechtliche und militärische Schutzaufgaben. Der Schutz der Gebietsintegrität fällt in den Aufgabenbereich von Polizei, Zoll, Bundeswehr (Verteidigungsfall) und weiteren Behörden.

Bundesgebiet und Europäisches Recht

Mit dem Beitritt zur Europäischen Union ist das Bundesgebiet auch ein Teil des Unionsgebiets gemäß Art. 52 EUV, wodurch bestimmte Freiheiten, Rechte und Pflichten für Personen und Unternehmen im EU-internen Verkehr gelten.

Allerdings können unionsrechtlich bestimmte Gebiete des Bundesgebiets aus bestimmten Regelungskomplexen ausgeschlossen werden, etwa Steuer- oder Zollregelungen (Freihäfen, spezielle Zonen oder Überseegebiete anderer EU-Staaten).

Fazit

Das Bundesgebiet ist ein rechtsstaatlicher Schlüsselbegriff, der die räumliche Sphäre definiert, in der die Hoheitsgewalt der Bundesrepublik Deutschland besteht und ausgeübt wird. Die genaue Abgrenzung und Definition berühren vielfältige Rechtsfragen und sind von entscheidender Bedeutung für das Staats- und Verwaltungsrecht, das Steuerrecht, das Strafrecht, das Staatsangehörigkeitsrecht und das Völkerrecht. Änderungen oder Ausnahmen beziehen sich stets auf verfassungsgemäße und völkerrechtliche Grundlagen, sodass das Bundesgebiet eine der tragenden Säulen der deutschen Rechtsordnung darstellt.

Häufig gestellte Fragen

Gibt es Ausnahmen vom territorialen Geltungsbereich des Bundesgebiets im deutschen Recht?

Im deutschen Recht ist grundsätzlich festgelegt, dass sich die staatliche Hoheitsgewalt der Bundesrepublik auf das Bundesgebiet gemäß Art. 20 und 23 GG bezieht. Dennoch existieren Ausnahmen vom territorialen Geltungsbereich. Beispielsweise gelten bestimmte bundesdeutsche Gesetze oder Rechtsnormen aufgrund internationaler Übereinkommen, wie dem NATO-Truppenstatut, auf bestimmten Liegenschaften oder für Angehörige ausländischer Streitkräfte mit abweichenden Rechtsfolgen – etwa eingeschränkter deutscher Hoheitsausübung auf Truppenübungsplätzen. Zusätzlich können bilaterale oder multilaterale Staatsverträge zu vorübergehender oder dauerhafter rechtsregulatorischer Herausnahme kleinerer Flächen aus dem Geltungsbereich führen (sogenannte Exterritorialität), etwa bei Botschaftsgrundstücken, ohne dass hierbei jedoch das Bundesgebiet als solches rechtlich beschränkt wäre. Eine weitere Ausnahme stellt die Durchführung völkerrechtlicher Verträge dar, wenn deutsches Recht extraterritorial, also außerhalb des Bundesgebiets, ausnahmsweise zur Anwendung gelangt, beispielsweise beim Konsularschutz oder im Rahmen der Rechtshilfe.

Wie erfolgt die rechtliche Abgrenzung des Bundesgebiets gegenüber ausländischen Staatsgebieten?

Die Abgrenzung des Bundesgebiets zu fremden Staatsgebieten basiert auf völkerrechtlichen Prinzipien und Grenzverträgen. Das Bundesgebiet ist exakt durch völkerrechtlich anerkannte Grenzen umrissen, die im Wesentlichen durch zwischenstaatliche Abkommen festgelegt wurden. Veränderungen dieser Grenzen – etwa durch Gebietsaustausch, Neuziehung von Grenzen aufgrund politischer Entwicklungen oder infolge von Gerichtsentscheidungen (z.B. Internationale Gerichtshöfe) – bedürfen der Zustimmung des Bundes und oftmals eines Zustimmungsgesetzes nach Art. 59 GG. Grenzkonflikte oder -kooperationen werden auf der Grundlage bilateraler Verträge und internationaler Schiedsverfahren gelöst. Die Seegrenzen des Bundesgebiets entsprechen im Wesentlichen den Vorgaben des Seerechtsübereinkommens der Vereinten Nationen, beispielsweise hinsichtlich der Zwölfmeilenzone, angrenzenden Zonen und Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ); das Festlegungsrecht dieser Zonen unterliegt dabei strengen völkerrechtlichen Verfahren und Zustimmung benachbarter Staaten.

Welche Rolle spielt das Bundesgebiet bei der Anwendung deutschen Rechts?

Das Bundesgebiet definiert den räumlichen Geltungsbereich fast aller bundesdeutschen Gesetze. Die meisten Rechtsnormen, speziell im Bereich Strafrecht, Ordnungswidrigkeitenrecht, Verwaltungsrecht und Zivilrecht, beanspruchen Geltung innerhalb dieses Gebietes (§ 3 StGB: Territorialitätsprinzip). Allerdings werden vom Bundesgebiet aus auch Akte mit extraterritorialer Wirkung gesetzt, z.B. bei bestimmten Straftaten mit Auslandstangente (Weltrechtsprinzip) oder bei der diplomatischen Vertretung. Zudem ist die Zugehörigkeit zum Bundesgebiet maßgeblich für steuerliche Identifikation, Meldepflichten, Sozialversicherungsrecht und für den Zugang zu staatlichen Leistungen. So bestimmen sich auch kommunale Zuständigkeiten und Behördenkompetenzen stets an den festgelegten Grenzen des Bundesgebiets.

Haben ausländische Staatsbürger dieselben Rechte innerhalb des Bundesgebiets wie deutsche Staatsangehörige?

Rechtlich unterscheidet das Bundesgebiet bezüglich der persönlichen Rechte und Pflichten nicht zwischen deutschen und ausländischen Staatsbürgern hinsichtlich der Anwendbarkeit von Gesetzen: Jeder, der sich im Bundesgebiet aufhält, ist grundsätzlich an die deutschen Rechtsordnungen gebunden (Personalitätsprinzip, Territorialitätsprinzip). Allerdings ergeben sich Einschränkungen aus dem Staatsangehörigkeitsprinzip, insbesondere bei politischer Teilhabe (z.B. Wahlrecht), Zugang zu bestimmten Berufen oder sicherheitsrelevanten staatlichen Aktivitäten, die ausschließlich Deutschen vorbehalten sind. Aufenthaltsrechtliche Vorschriften, Einreiseverbote und spezielle Schutzbestimmungen für Minderjährige oder Flüchtlinge zeigen zudem, dass im Anwendungsbereich des Bundesgebiets differenziert wird, ohne jedoch generell Ausländer vom deutschen Recht ausnehmen zu können. Völkerrechtliche Regelungen, wie diplomatische Immunität, können daneben insbesondere für Angehörige von Botschaften oder konsularischen Vertretungen bestimmte Sonderrechte schaffen.

Wie wird das Bundesgebiet bei der Durchführung von Bundeswahlen berücksichtigt?

Das Bundesgebiet bildet die raumbezogene Grundlage für die Durchführung von Bundestagswahlen und anderen bundesweiten Abstimmungen. Die Einteilung in Wahlkreise, Landeslisten und die organisatorische Zuständigkeit von Bundes- und Landeswahlbehörden orientieren sich an den administrativen und rechtlichen Grenzen des Bundesgebiets. Auslandsdeutsche, die außerhalb des Bundesgebiets leben, müssen sich nach Maßgabe spezifischer Vorschriften in das Wählerverzeichnis eintragen lassen, wenn sie weiterhin an Wahlen teilnehmen wollen und dürfen, wobei hier eine Frist und Verknüpfung zu früherem Aufenthalt im Bundesgebiet besteht. Zudem werden bei veränderten Grenzziehungen Maßnahmen ergriffen, um die korrekte Zuordnung von Einwohnern aus Grenzregionen sicherzustellen. Das Bundeswahlgesetz regelt explizit, wer auf Grundlage eines Wohnsitzes im Bundesgebiet wahlberechtigt ist.

Unterliegt das Bundesgebiet besonderen völkerrechtlichen Verpflichtungen?

Das Bundesgebiet als Hoheitsraum der Bundesrepublik Deutschland unterliegt vielfältigen völkerrechtlichen Verpflichtungen. Hierzu zählen die Einhaltung von Menschenrechten, der Schutz von Minderheiten, die völkerrechtlich anerkannte Unverletzlichkeit der Grenzen und Verpflichtungen aus internationalen Verträgen wie etwa den Genfer Abkommen, dem NATO-Statut oder der Europäischen Menschenrechtskonvention. Internationale Organisationen und Vertragsstaaten erkennen das Bundesgebiet als rechtliche Bezugsgröße für Kontroll- und Schiedsmechanismen an. Verstöße gegen völkerrechtliche Verpflichtungen auf dem Bundesgebiet können zu Klageverfahren vor internationalen Gerichten (z.B. EGMR, IGH) führen. Staatenlose oder Flüchtlinge werden durch das deutsche Asylgesetz und internationale Abkommen im Bundesgebiet geschützt.

Können Teile des Bundesgebiets an andere Staaten abgetreten werden?

Die Abtretung von Teilen des Bundesgebiets an andere Staaten wurde in der deutschen Geschichte nur sehr selten durchgeführt und ist heute verfassungsrechtlich restriktiv geregelt. Gemäß Art. 29 und Art. 23 GG ist jede Gebietsveränderung, die das Bundesgebiet betrifft, an enge Voraussetzungen gebunden und bedarf in der Regel eines völkerrechtlichen Vertrages, der innerstaatlich die Zustimmung durch ein Bundesgesetz nach Art. 59 Abs. 2 GG benötigt. Für eine solche Abtretung ist zudem häufig ein entsprechender Volksentscheid vorgesehen, sofern dies die Verfassung oder spezielle Ausführungsgesetze verlangen. Das Grundgesetz schützt damit das Bundesgebiet in hohem Maße vor willkürlichen oder unilateralen Veränderungen. Bekannte Ausnahmefälle ergaben sich nur durch den Abschluss von Friedensverträgen oder durch übergeordnete völkerrechtliche Entwicklungen, wie etwa nach dem Zweiten Weltkrieg durch den Zwei-Plus-Vier-Vertrag.