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Bundesentschädigungsgesetz


Begriff und Allgemeine Einführung zum Bundesentschädigungsgesetz

Das Bundesentschädigungsgesetz (BEG) ist ein deutsches Gesetz, das die Entschädigung für Opfer nationalsozialistischer Verfolgungsmaßnahmen regelt. Es trat erstmals am 18. September 1953 in Kraft und wurde seither mehrfach geändert. Ziel des Gesetzes ist es, Personen, die während der Zeit des Nationalsozialismus aus politischen, rassischen oder religiösen Gründen verfolgt und geschädigt wurden, sowie deren Hinterbliebenen einen finanziellen Ausgleich zu gewähren.

Das Bundesentschädigungsgesetz stellt das zentrale Regelungswerk für die Wiedergutmachung von nationalsozialistischem Unrecht auf dem Gebiet der Bundesrepublik Deutschland dar. Es ist eines der wesentlichen Gesetze der sogenannten Wiedergutmachungsgesetzgebung, die seit den 1950er Jahren entstand.

Historische Entwicklung und Gesetzgebungshintergrund

Entstehung und Zielsetzung

Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges und der nationalsozialistischen Diktatur bestand große Einigkeit über die Notwendigkeit, den Opfern des NS-Regimes einen materiellen Ausgleich für erlittene Schäden zu gewähren. Bereits in den einzelnen Besatzungszonen wurden vorläufige Vorschriften zur Wiedergutmachung geschaffen. Die Bundesrepublik Deutschland übernahm diese Aufgabe mit Inkrafttreten des Bundesentschädigungsgesetzes und strebte damit eine systematisierte, einheitliche und abschließende Regelung an.

Gesetzgeberische Entwicklung

Das BEG wurde mehrfach novelliert und weiterentwickelt. Bedeutsame Änderungen erfolgten durch das Erste und Zweite Gesetz zur Änderung des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG-Novellen). 1965 wurde das Bundesentschädigungsschlussgesetz (BEG-SchlussG) erlassen, welches das BEG endgültig abschloss und den Rechtsfrieden sichern sollte.

Anwendungsbereich und Voraussetzungen

Persönlicher Anwendungsbereich

Das Gesetz richtet sich an Personen, die während der NS-Zeit im sogenannten Altreich (Gebiet des Deutschen Reiches vor dem 31. Dezember 1937) aus spezifischen Gründen verfolgt wurden. Dazu zählen insbesondere:

  • Politisch Verfolgte,
  • Opfer rassischer Verfolgung (vor allem jüdische Bürgerinnen und Bürger),
  • Personen, die aus Glaubens- oder Weltanschauungsgründen verfolgt wurden.

Voraussetzung ist grundsätzlich, dass die Verfolgungshandlungen zwischen dem 30. Januar 1933 und dem 8. Mai 1945 begangen wurden.

Sachlicher Anwendungsbereich

Das BEG regelt Ansprüche auf Entschädigung für Schäden an Leben, Körper, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen, Beruf und wirtschaftlichem Fortkommen, soweit diese aus Verfolgungsmaßnahmen resultieren. Es umfasst sowohl materielle als auch immaterielle Schäden.

Entschädigungsarten nach dem Bundesentschädigungsgesetz

Entschädigung in Geld

Das BEG unterscheidet zwischen Kapitalentschädigungen (Einmalzahlungen) und Rentenentschädigungen (wiederkehrende Leistungen). Entschädigungsleistungen werden insbesondere in folgenden Fällen gewährt:

  • Schaden an Leben: Entschädigungen für Hinterbliebene im Falle des Todes.
  • Schaden an Körper oder Gesundheit: Ausgleich für erlittene körperliche oder gesundheitliche Schäden.
  • Schaden an Freiheit: Entschädigung bei Freiheitsberaubung (z. B. Haft, Konzentrationslager).
  • Schaden an Eigentum oder Vermögen: Ersatz für enteignetes, beschädigtes oder verloren gegangenes Vermögen.
  • Schaden im beruflichen Fortkommen: Entschädigung für verpasste Berufschancen oder Einkommensverluste.

Besondere Regelungen für Hinterbliebene

Hinterbliebene von Opfern können unter bestimmten Voraussetzungen Ansprüche auf Witwen- und Waisengeld geltend machen. Voraussetzung ist zumeist, dass die Verfolgung ursächlich für den Tod des Opfers war.

Verfahren und Anspruchsdurchsetzung

Antragstellung und Verfahrensregeln

Die Geltendmachung von Ansprüchen nach BEG erfolgt durch Antrag bei den zuständigen Landesämtern für zentrale Verwaltungsaufgaben oder Wiedergutmachung. Es gelten umfangreiche Antrags- und Nachweispflichten. Antragstellerinnen und Antragsteller müssen die Verfolgungstatsachen sowie erlittene Schäden und deren Folgen substantiiert darlegen und nachweisen.

Ausschluss- und Verjährungsfristen

Das BEG enthält detaillierte Ausschlussfristen für die Antragstellung; zahlreiche Fristen sind mit dem Erlass des BEG-Schlussgesetzes abgelaufen. Die Ansprüche sind weitgehend mit zum 31. Dezember 1969 oder spätestens mit dem 31. Dezember 1969 verjährt oder ausgeschlossen worden. Ausnahmen bestehen in Einzelfällen, etwa bei späteren Erkenntnissen zu Verfolgungsumständen.

Bedeutung und Kritik des Bundesentschädigungsgesetzes

Bedeutung für die Rechtsgeschichte

Das Bundesentschädigungsgesetz gilt als grundlegendes Element der deutschen Auseinandersetzung mit der nationalsozialistischen Vergangenheit und ist ein Meilenstein im Bereich der individuellen Wiedergutmachung. Es war Vorbild für ähnliche Entschädigungsregelungen auf internationaler Ebene.

Kontroverse und kritische Aspekte

Trotz seiner Pionierrolle blieb das BEG auch Kritik nicht erspart. Insbesondere wurden Fragen nach Angemessenheit, Ausschlussfristen, der Höhe der Leistungen sowie nach der erfassten Personenkreise gestellt. Viele Betroffene, die erst spät von ihrem Entschädigungsrecht erfuhren oder aus dem Ausland Antrag stellten, konnten von den Regelungen nicht profitieren.

Ein weiterer Kritikpunkt betrifft die Komplexität des Gesetzes und die Anforderungen an den Nachweis von Verfolgung und Schadensfolgen, die angesichts zerstörter oder nicht vorhandener Dokumente für viele Anspruchsberechtigte problematisch waren.

Verhältnis zu anderen Regelungen und aktueller Stand

Verhältnis zu Landesentschädigungsgesetzen und weiteren Wiedergutmachungsregelungen

Vor Inkrafttreten des BEG galten teils länderspezifische Entschädigungsgesetze. Das BEG ersetzte diese Regelungen und ist für den Bereich der Bundesrepublik Deutschland abschließende gesetzliche Grundlage. Darüber hinaus existieren internationale Abkommen, insbesondere das Luxemburger Abkommen mit Israel, sowie Sondergesetze wie das Bundesrückerstattungsgesetz und das Allgemeine Kriegsfolgengesetz.

Bedeutung heute

Mit dem Ende der Ausschluss- und Verjährungsfristen ist ein Großteil der Ansprüche nach dem BEG heute rechtlich erledigt. Allerdings kommt es vereinzelt noch zu Nach- oder Ergänzungsleistungen, etwa bei späteren Anerkennungen oder bislang nicht bekannten Verfolgungsfällen. Das Gesetz bleibt zudem ein historisches Referenzwerk mit rechtlicher Grundsatzbedeutung für den Umgang mit staatlichem Unrecht und nachfolgende Entschädigungsregelungen in Deutschland.

Literaturhinweise und weiterführende Informationen

  • Bundesgesetzblatt, BEG in der jeweils geltenden Fassung
  • Gesetzestexte und amtliche Begründungen
  • Aufsätze und Kommentare zur Wiedergutmachungsgesetzgebung
  • Dokumentationen zur Geschichte der materiellen Wiedergutmachung

Hinweis: Diese Zusammenfassung bietet einen detaillierten Überblick über das Bundesentschädigungsgesetz und seinen historischen, rechtlichen sowie gesellschaftlichen Kontext. Für individuelle Fragen zu Anspruchsvoraussetzungen, Fristen oder Antragsverfahren sind die einschlägigen Gesetzestexte und offiziellen Informationen der zuständigen Behörden zu konsultieren.

Häufig gestellte Fragen

Welche Personen sind nach dem Bundesentschädigungsgesetz anspruchsberechtigt?

Anspruchsberechtigt nach dem Bundesentschädigungsgesetz (BEG) sind insbesondere Personen, die in der Zeit des Nationalsozialismus aus Gründen der politischen Gegnerschaft, der rassischen Gründe, aus religiöser Überzeugung oder aufgrund bestimmter weiterer vom Gesetz genannter Verfolgungsmotive durch nationalsozialistische Gewaltmaßnahmen Nachteile erlitten haben. Dazu zählen beispielsweise deutsche Staatsangehörige oder ehemalige deutsche Staatsangehörige, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Geltungsbereich des Gesetzes hatten, aber auch bestimmte ausländische Staatsangehörige gemäß den im Gesetz geregelten Voraussetzungen. Auch Hinterbliebene von Verfolgten, wie Ehegatten, Lebenspartner, Kinder oder unter bestimmten Umständen auch Eltern, können unter bestimmten Bedingungen anspruchsberechtigt sein. Die Berechtigung ist zudem an bestimmte Fristen und weitere Nachweispflichten geknüpft, etwa dass die Verfolgung tatsächlich auf den im Gesetz genannten Gründen beruhte. Die Anspruchsberechtigung umfasst sowohl Personen, die gesundheitlichen oder wirtschaftlichen Schaden erlitten haben, als auch solche, deren Gesundheit geschädigt wurde und bei denen eine Kausalität zur Verfolgungsmaßnahme festgestellt werden kann.

Welche Leistungen sieht das Bundesentschädigungsgesetz vor?

Das Bundesentschädigungsgesetz gewährt verschiedene Arten von Entschädigungsleistungen. Grundlegend wird zwischen Entschädigung für Schaden an Leben, Gesundheit, Freiheit, Eigentum, Vermögen und beruflichem bzw. wirtschaftlichem Fortkommen unterschieden. Dazu gehören einmalige Kapitalzahlungen, laufende Rentenzahlungen (z. B. für Erwerbsschädigung oder Hinterbliebenenrenten), Wiedergutmachungsleistungen für enteignete Vermögenswerte, Sachentschädigungen und Erstattung von entstandenem Schaden durch Freiheitsentzug oder erlittene Diskriminierung. Auch Kosten für Heilbehandlungen oder berufsbezogene Nachteile können teilweise übernommen werden. Die Leistungsarten und deren Höhe richten sich nach gesetzlichen Tarifen und werden im Einzelfall unter Berücksichtigung des nachzuweisenden Schadens sowie unter Abzug von anderweitigen Ersatzleistungen festgelegt.

Welche Fristen sind bei der Geltendmachung von Ansprüchen zu beachten?

Das Bundesentschädigungsgesetz sieht verschiedene Fristen für die Geltendmachung von Ansprüchen vor. Ursprünglich mussten Entschädigungsanträge bis zum 31. Dezember 1969 gestellt werden. Für bestimmte Fallgruppen oder Ergänzungsleistungen gab und gibt es teilweise verlängerte oder rückwirkende Fristen. Fristversäumnisse führen in der Regel zum vollständigen Anspruchsverlust, es sei denn, die versäumte Frist wurde unverschuldet überschritten und es liegt ein gesetzlich anerkannter Hinderungsgrund vor, der eine Wiedereinsetzung in den vorigen Stand erlaubt. Auch für Änderungsanträge, Nachweise weiterer Schäden oder Leistungsänderungen bestehen Fristen, die je nach Art des Anspruchs und Zeitpunkt der geltend gemachten Rechte unterschiedlich ausfallen können.

Wie wird die Höhe der Entschädigungsleistungen ermittelt?

Die Höhe der Entschädigungsleistungen nach dem BEG ist differenziert geregelt und hängt von der Schadensart, dem Ausmaß des erlittenen Nachteils, dem Einkommen des Antragstellers sowie weiteren individuellen Faktoren ab. Für Schäden an Gesundheit oder Freiheit gibt es festgelegte Tabellenwerte, die den Umfang des Schadens und die bleibenden Beeinträchtigungen berücksichtigen. Wirtschaftliche Schäden, insbesondere in Vermögensangelegenheiten oder beim Verlust beruflicher Möglichkeiten, werden anhand konkreter Nachweise beziffert, wobei Ersatzleistungen von dritter Seite (z. B. Versicherungen oder andere staatliche Leistungen) angerechnet werden. Die genaue Berechnung richtet sich nach den gesetzlichen Vorgaben und Verordnungsermächtigungen, häufig unter Zuziehung medizinischer Gutachten, Arbeitgeberauskünften und weiterer Beweismittel.

Gibt es Möglichkeiten einer Rechtsmittel- oder Widerspruchseinlegung gegenüber BEG-Bescheiden?

Gegen Entscheidungen der Entschädigungsbehörden nach dem BEG steht der Rechtsweg offen. Innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe eines ablehnenden oder den ursprünglichen Antrag nicht vollumfänglich anerkennenden Bescheides kann beim zuständigen Verwaltungsgericht Klage erhoben werden. Aufgrund der historischen Entwicklung war im ursprünglichen Verfahren zunächst ein Vorverfahren mit Widerspruch erforderlich, doch mit Inkrafttreten der Verwaltungsgerichtsordnung wurde dieses Erfordernis zum Teil verändert. Darüber hinaus besteht die Möglichkeit, bei später bekannt gewordenen Ansprüchen bzw. nachträglich nachweisbaren Schäden einen Änderungsantrag zu stellen. Für die Rechtsmittelverfahren gelten die allgemeinen Verfahrensvorschriften des Verwaltungsrechts.

Welche Nachweispflichten bestehen für Antragsteller?

Antragsteller nach dem BEG sind verpflichtet, die anspruchsbegründenden Tatsachen glaubhaft zu machen. Hierzu zählt insbesondere der Nachweis der Verfolgungstatbestände, wie etwa persönliche Dokumentationen, amtliche Unterlagen, Zeugenaussagen oder – wo dies nicht möglich ist – glaubhafte Darstellung der Ereignisse unter Berücksichtigung der historischen Umstände. Für Gesundheits- oder Vermögensschäden sind ergänzend ärztliche Gutachten, Nachweise früherer Besitzverhältnisse oder Arbeitsdokumente notwendig. Die Nachweispflichten richten sich nach dem Verursachungszusammenhang zwischen Verfolgung und Schaden. Fehlt der Nachweis, kann dies zu Ablehnung oder Kürzung der beantragten Leistungen führen.

Inwieweit bestehen Rückzahlungs- oder Anrechnungspflichten bei Mehrfachentschädigung?

Das BEG sieht im Rahmen der sogenannten Ausschluss- und Anrechnungsvorschriften vor, dass Leistungen aus anderen Entschädigungs- oder Wiedergutmachungsregelungen auf Ansprüche nach dem BEG anzurechnen sind. Bestehen entsprechende Doppelleistungen, kann es zu Rückforderungsvorbehalten kommen. Die Regelungen sollen eine Überkompensation verhindern und gelten insbesondere bei Versicherungsleistungen, ausländischen Entschädigungszahlungen oder anderen deutschen Gesetzen, soweit diese denselben Schaden abdecken. Rückzahlungsverpflichtungen können durch Bescheid angeordnet und auch gegen den Rechtsnachfolger geltend gemacht werden.

Welche Besonderheiten gelten für Auslandsverfolgte?

Für Personen, die nach damaligem Recht zum Zeitpunkt der Verfolgung ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Ausland hatten, gelten nach dem BEG Besonderheiten. Grundsätzlich ist das Gesetz in erster Linie auf Inlandsverfolgte zugeschnitten. Auslandsverfolgte können unter speziellen Voraussetzungen Leistungen beziehen, etwa wenn sie deutsche Staatsangehörige oder Staatenlose mit früherem ordentlichen Wohnsitz in Deutschland waren. Die Leistungsansprüche werden jedoch in solchen Fällen teils eingeschränkt gewährt, insbesondere hinsichtlich Vermögensschäden, denn für Auslandsverfolgte sind nicht alle Leistungsarten des BEG in vollem Umfang vorgesehen. Maßgeblich sind hierfür die jeweiligen Aufenthaltsbedingungen, die Staatsangehörigkeit sowie ergänzende völkerrechtliche Vereinbarungen.