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Bundesbürgschaft


Begriff und rechtliche Einordnung der Bundesbürgschaft

Die Bundesbürgschaft ist eine besondere Form der öffentlich-rechtlichen Bürgschaft, bei der der Bund als Garantiegeber für Verbindlichkeiten Dritter gegenüber deren Gläubigern einsteht. Sie ist ein zentrales Instrument der staatlichen Risikoabsicherung im Bereich der Wirtschaftsförderung und Krisenintervention. Die rechtlichen Grundlagen der Bundesbürgschaft finden sich insbesondere in den Haushaltsordnungen des Bundes sowie in einer Vielzahl von Spezialgesetzen und Verordnungen.


Rechtliche Grundlagen und Rahmenbedingungen

Gesetzliche Grundlagen

Die Regelungen zur Übernahme von Bürgschaften durch den Bund sind insbesondere im § 39 Bundeshaushaltsordnung (BHO) verankert. Nach dieser Vorschrift darf der Bund Bürgschaften, Garantien oder sonstige Gewährleistungen grundsätzlich nur aufgrund eines Gesetzes oder mit besonderer Ermächtigung des Bundesministeriums der Finanzen (BMF) übernehmen. Diese Bestimmung dient der Haushaltsklarheit und -wahrheit, indem etwaige Ausfallrisiken transparent gemacht und parlamentarisch kontrolliert werden.

Subsidiaritätsprinzip

Die Übernahme von Bundesbürgschaften erfolgt regelmäßig nach dem Subsidiaritätsprinzip. Das bedeutet, dass eine Bürgschaft des Bundes grundsätzlich nur dann gewährt wird, wenn ein wirtschaftliches Vorhaben von erheblichem öffentlichen Interesse ist und die Finanzierung durch private Sicherheiten nicht oder nur zu unwirtschaftlichen Bedingungen ermöglicht werden kann.

Förderung und Zweckbindung

Bundesbürgschaften werden meist zur Förderung besonders bedeutsamer wirtschaftlicher Vorhaben, insbesondere in den Bereichen Außenwirtschaft, Großprojekte und Krisenmaßnahmen, eingesetzt. Typische Anwendungsbereiche sind etwa Exportkreditgarantien, Großbürgschaften für strukturbedeutende Unternehmen oder Spezialförderprogramme im Rahmen von Wirtschaftskrisen.


Formen der Bundesbürgschaft

Individualbürgschaft

Die Individualbürgschaft bezieht sich auf einen einzelnen Kredit oder eine spezifische Verbindlichkeit eines Begünstigten, z. B. für ein bestimmtes Investitionsvorhaben oder ein Exportgeschäft.

Rahmenbürgschaft

Rahmenbürgschaften sind Bürgschaften, die für eine Vielzahl gleichartiger Rechtsgeschäfte innerhalb eines vereinbarten Rahmens übernommen werden. Hierdurch kann insbesondere bei Exportkreditgarantien eine flexible Absicherung mehrerer Verträge gewährt werden.


Zustandekommen und Verfahren

Antragstellung und Prüfung

Die Übernahme einer Bundesbürgschaft erfolgt auf Antrag des potenziellen Begünstigten. Dem Antrag ist in der Regel eine umfassende Dokumentation zur wirtschaftlichen Lage, zum Vorhaben sowie zu den bestehenden Verbindlichkeiten beizufügen. Die Entscheidung über die Gewährung trifft regelmäßig das Bundesministerium der Finanzen, oft unter Mitwirkung weiterer Ministerien und nach Begutachtung durch öffentliche Förderinstitute oder fachkundige Stellen.

Vertragsabschluss

Die Bürgschaftserklärung des Bundes wird in einer förmlichen Urkunde abgegeben. Sie enthält neben den allgemeinen Bestimmungen insbesondere Angaben zu Höhe, Voraussetzungen und Umfang der Bürgschaftshaftung, den Sicherheiten sowie den Bürgschaftsbedingungen.

Dokumentations- und Kontrollpflichten

Der Bürgschaftsnehmer ist verpflichtet, regelmäßig Bericht über die wirtschaftliche Entwicklung sowie über die gesicherte Forderung zu erstatten. Darüber hinaus hat der Bund umfassende Kontrollrechte und kann zusätzliche Sicherheiten verlangen oder die Bürgschaftsanerkennung widerrufen, sofern wesentliche Änderungen eintreten.


Rechtsfolgen und Umfang der Haftung

Akzessorietät der Bundesbürgschaft

Die Bundesbürgschaft ist wie jede Bürgschaft akzessorisch; sie besteht nur, solange und soweit auch die gesicherte Hauptverbindlichkeit wirksam ist. Im Fall eines Zahlungsausfalls des Hauptschuldners haftet der Bund entsprechend den vertraglich vereinbarten Bedingungen als Bürge und Zahler (selbstschuldnerische Bürgschaft).

Höchstbetragsbürgschaft

Oftmals ist die Haftung des Bundes auf einen bestimmten Höchstbetrag begrenzt. Nur in außergewöhnlichen Einzelfällen kann eine unbeschränkte Bürgschaft übernommen werden. Ausschluss- und Befristungsklauseln können die Haftung weiter einschränken.

Regress des Bundes

Wird der Bund aus einer Bundesbürgschaft in Anspruch genommen, so besitzt er einen gesetzlichen Rückgriffsanspruch (Regressanspruch) gegen den Hauptschuldner entsprechend § 774 BGB. Zur Sicherung dieser Ansprüche werden regelmäßig Sicherheiten (z. B. Grundschulden, Garantien Dritter) gefordert.


Wirtschaftliche und haushaltsrechtliche Bedeutung

Auswirkungen auf den Bundeshaushalt

Bundesbürgschaften stellen Eventualverbindlichkeiten dar, da der Eintritt einer Zahlungsverpflichtung nur im Schadensfall erfolgt. Nach Haushaltsrecht sind diese Risiken umfassend zu dokumentieren und im Bundeshaushalt als Gewährleistungsvolumen auszuweisen, um eventuellen Belastungen für die öffentliche Hand vorzubeugen.

Beihilferechtliche Implikationen

Bundesbürgschaften können als staatliche Beihilfe im Sinne des europäischen Wettbewerbsrechts (Art. 107 AEUV) gelten und bedürfen daher teils einer Genehmigung durch die Europäische Kommission, sofern sie den Wettbewerb im Binnenmarkt verfälschen könnten.


Besondere Anwendungsfälle und Beispiele

Krisenmaßnahmen

In wirtschaftlichen Krisenzeiten, wie etwa während der COVID-19-Pandemie oder der Finanzmarktkrise, hat der Bund umfangreiche Bürgschaftsprogramme zur Absicherung von Unternehmen und Finanzinstituten etabliert. Diese Bürgschaften dienten überwiegend der Stabilisierung von systemrelevanten Unternehmen sowie der Aufrechterhaltung der Kreditversorgung.

Exportkreditgarantien („Hermesdeckungen“)

Ein traditionelles Anwendungsfeld der Bundesbürgschaft ist die Absicherung von Exportgeschäften durch sogenannte Hermesdeckungen, bei denen der Bund Zahlungsausfallrisiken bei Ausfuhren vor allem in politisch oder wirtschaftlich unsichere Märkte übernimmt.


Unterschiede zu anderen staatlichen Gewährleistungen

Bundesbürgschaften sind von anderen staatlichen Gewährleistungen wie Bundesgarantien oder Bundeshaftungen abzugrenzen. Während die Bürgschaft eine subsidiäre Verpflichtung im Fall des Ausfalls eines Dritten darstellt, kann die Garantie unabhängig vom Ausfallereignis fällig werden. Die Bundeshaftung wiederum ist eine direkte Einstandspflicht des Bundes ohne das Erfordernis einer vorherigen Inanspruchnahme eines Dritten.


Literatur und Rechtsquellen

  • Bundeshaushaltsordnung (BHO), insbesondere §§ 39, 49 ff.
  • Gesetz über die Übernahme von Gewährleistungen (z. B. Exportkreditgarantien)
  • Europäisches Beihilferecht (Art. 107 AEUV)
  • Bürgerliches Gesetzbuch (BGB), §§ 765 ff. (allgemeine Bürgschaftsregelungen)

Fazit

Die Bundesbürgschaft ist ein vielschichtiges rechtliches Instrument der Risikoabsicherung und Wirtschaftsförderung. Ihre Übernahme ist an enge haushaltsrechtliche, beihilferechtliche und verfahrensrechtliche Anforderungen geknüpft. Die sachgerechte Ausgestaltung und Kontrolle von Bundesbürgschaften dienen sowohl dem Schutz des Bundeshaushalts als auch der gezielten Förderung volkswirtschaftlich relevanter Projekte.

Häufig gestellte Fragen

Wer ist im rechtlichen Sinne berechtigt, eine Bundesbürgschaft zu beantragen?

Eine Bundesbürgschaft kann ausschließlich von natürlichen oder juristischen Personen mit Sitz oder Betriebsstätte in Deutschland beantragt werden, sofern sie die rechtlichen Voraussetzungen gemäß § 1 Bürgschaftsrichtlinien des Bundes (BürgsRL Bund) erfüllen. Dazu gehören insbesondere Unternehmen, die ein wirtschaftliches Interesse an der Durchführung eines förderungswürdigen Vorhabens haben und deren Zahlungsfähigkeit durch die zusätzliche Absicherung eines Kreditinstituts mittels Bundesbürgschaft gewährleistet wird. Öffentliche Unternehmen können unter Umständen ebenfalls berechtigt sein, sofern keine Beihilferegelungen der EU verletzt werden. Der Bürgschaftsantrag ist regelmäßig an die beauftragte Mandatarbank beziehungsweise das Konsortium zu stellen, welche die Bonität und Förderwürdigkeit im Vorfeld prüft, bevor der Antrag an die zuständige Bewilligungsstelle des Bundes weitergeleitet wird.

Welche rechtlichen Verpflichtungen entstehen für den Antragsteller einer Bundesbürgschaft?

Mit der Beantragung einer Bundesbürgschaft geht der Antragsteller mehrere rechtliche Verpflichtungen ein. Zunächst verpflichtet er sich, alle für die Prüfung des Bürgschaftsantrags erforderlichen Unterlagen vollständig und wahrheitsgemäß einzureichen. Im weiteren Verlauf wird der Antragsteller im Falle der Bürgschaftsübernahme Vertragspartner eines Bürgschaftsvertrags (mehrheitlich Dreiparteienverhältnisse: Bürge/Bund – Gläubiger/Kreditinstitut – Hauptschuldner/Antragsteller) und damit an sämtliche Vereinbarungen der Bürgschaftsbedingungen gebunden. Hierzu gehören insbesondere die Zahlung von Avalgebühren, die Einhaltung bestimmter Berichtspflichten sowie das unverzügliche Anzeigen wesentlicher Veränderungen der wirtschaftlichen Lage. Zudem kann es zu zusätzlichen Nebenbestimmungen, wie beispielsweise Auflagen zur Eigenkapitalausstattung oder zur Besicherung, kommen. Eine Verletzung dieser Verpflichtungen kann zum Widerruf oder zur Kündigung der Bürgschaft durch den Bund führen.

In welchen Fällen wird die Haftung des Bundes aus einer Bundesbürgschaft rechtlich wirksam?

Die Haftung des Bundes tritt ausschließlich dann ein, wenn der Kreditnehmer/die Kreditnehmerin als Hauptschuldner seinen/ihren Zahlungsverpflichtungen aus dem zugrunde liegenden Kreditvertrag gegenüber dem Kreditinstitut nicht nachkommt und sämtliche vertraglich vereinbarten Sicherheiten erfolglos verwertet wurden. Voraussetzung ist zunächst das Vorliegen eines formell und materiell gültigen Bürgschaftsvertrages, einschließlich der Aushändigung der Bürgschaftsurkunde. Sodann muss der Gläubiger (die Bank) dem Bund gemäß den einschlägigen Vorschriften nachweislich erfolglos die Zwangsvollstreckung und Verwertung sämtlicher banküblicher Sicherheiten angezeigt haben. Erst nach erfolgter Inanspruchnahme prüft der Bund die Rechtmäßigkeit der Forderung und begleicht im Rahmen des Bürgschaftsbetrags den offenen Betrag. Der Rückgriff auf den Hauptschuldner bleibt stets vorbehalten.

Welche rechtlichen Folgen ergeben sich bei einer missbräuchlichen Inanspruchnahme der Bundesbürgschaft?

Wird eine Bundesbürgschaft missbräuchlich in Anspruch genommen, etwa infolge unvollständiger, irreführender oder unwahrer Angaben im Bürgschaftsantrag oder im weiteren Verfahren, drohen erhebliche rechtliche Konsequenzen. Hierzu zählt die unmittelbare Rückforderung bereits ausgezahlter Bürgschaftsbeträge durch den Bund sowie die Beendigung des Bürgschaftsverhältnisses mit sofortiger Wirkung. Zugleich können strafrechtliche Ermittlungen wegen Betrugs (§ 263 StGB), Subventionsbetrugs (§ 264 StGB) oder falscher Angaben gegenüber Behörden (§ 156 StGB) eingeleitet werden. Ferner besteht ein Anspruch des Bundes auf Schadensersatz gegenüber dem Antragsteller. Die betroffene Person beziehungsweise das Unternehmen kann für zukünftige Förderungen ausgeschlossen werden (Negativbescheid in Förderdateien).

Welche speziellen rechtlichen Vorschriften sind im Zusammenhang mit der Übertragung oder Abtretung einer Bundesbürgschaft zu beachten?

Die Übertragung oder Abtretung von Ansprüchen aus einer Bundesbürgschaft ist rechtlichen Restriktionen unterworfen. Im Allgemeinen ist eine Abtretung durch den Begünstigten (zum Beispiel das Kreditinstitut) ohne ausdrückliche schriftliche Zustimmung des Bürgen – in diesem Fall des Bundes – unwirksam. Hierzu regeln die einschlägigen Bürgschaftsbedingungen unter Verweis auf §§ 398 ff. BGB ein Abtretungsverbot, um die Kontrolle der Forderungskette und die Wahrung bundespolitischer Interessen zu gewährleisten. Eine Ausnahme besteht, wenn die Übertragung im Rahmen einer Refinanzierungsmaßnahme zwingend notwendig ist und das zuständige Bundesministerium (in der Regel das BMWK) zustimmt. Ohne diese Genehmigung entfaltet eine Abtretung keine Rechtswirkung gegenüber dem Bund.

Wie erfolgt die rechtliche Kontrolle und Überwachung während der Laufzeit einer Bundesbürgschaft?

Während der Laufzeit einer Bundesbürgschaft unterliegen der Hauptschuldner sowie das begünstigte Kreditinstitut strengen Kontroll- und Überwachungspflichten. Gesetzlich vorgesehen ist mindestens eine jährliche Berichterstattung über die Wirtschaftslage und die Einhaltung etwaiger Auflagen. Darüber hinaus ist der Bundesbürge – vertreten durch das jeweils zuständige Bundesministerium – berechtigt, jederzeit Einsicht in Bücher, Aufstellungen und weitere relevante Dokumente zu nehmen. Bei Verstößen, wie unzureichender Nachweisführung oder Nichterfüllung von Auflagen, kann der Bund von seinem Sonderkündigungsrecht Gebrauch machen und die Bürgschaft vorzeitig beenden (§ 314 BGB analog). Die rechtliche Überwachung erstreckt sich ferner auf die Einhaltung nationaler und EU-rechtlicher Beihilfevorschriften.