Legal Lexikon

Bürger


Begriff und Bedeutung des Bürgers im rechtlichen Kontext

Der Begriff Bürger spielt im öffentlichen Recht sowie im Verfassungsrecht eine zentrale Rolle. Im allgemeinen Sprachgebrauch bezeichnet „Bürger“ ein Mitglied einer politischen Gemeinschaft, häufig als Synonym für Einwohner oder Staatsangehöriger verwendet. Rechtswissenschaftlich ist der Begriff jedoch differenzierter ausgestaltet und bildet ein Schlüsselelement für die Gewährung und Ausübung staatsbürgerlicher Rechte und Pflichten.

Bürger im staatsrechtlichen Sinne

Im staatsrechtlichen Kontext ist der Bürger in erster Linie ein Individuum, das durch seine Staatsangehörigkeit einer bestimmten staatlichen Gemeinschaft – in Deutschland der Bundesrepublik Deutschland – zugeordnet ist. Die Bürgerstellung ist Voraussetzung für die Inanspruchnahme bestimmter verfassungsrechtlicher Rechte (Bürgerrechte) und kann auch besondere Pflichten nach sich ziehen.

Staatsangehörigkeit als zentrales Kriterium

Die Bürgerstellung im Rechtssinne ist grundsätzlich an die Staatsangehörigkeit geknüpft. In Deutschland wird sie durch das Staatsangehörigkeitsgesetz (StAG) gesetzlich geregelt. Danach sind deutsche Bürger diejenigen, die die deutsche Staatsangehörigkeit besitzen. Die Staatsangehörigkeit kann durch Geburt, Abstammung, Adoption, Eheschließung, Einbürgerung oder nach bestimmten gesetzlichen Vorgaben erworben werden.

Unionsbürger im europäischen Recht

Neben der nationalen Bürgerstellung existiert durch die Mitgliedschaft Deutschlands in der Europäischen Union eine weitere relevante Kategorie: der Unionsbürger. Jeder Staatsangehörige eines Mitgliedstaates der Europäischen Union ist gemäß Art. 20 AEUV (Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union) gleichzeitig Unionsbürger. Dieses Konzept erweitert die Bürgerstellung auf supranationaler Ebene und verschafft zusätzliche Rechte, insbesondere Freizügigkeit, Wahlrechte auf kommunaler Ebene und diplomatischen Schutz durch andere Mitgliedstaaten.

Bürgerrechte und -pflichten

Mit der Bürgerstellung sind sowohl besondere Rechte als auch Pflichten verbunden. Diese Unterscheidung ist wesentlich für das Verständnis der Rolle des Bürgers im rechtlichen Gefüge.

Bürgerrechte

Bürgerrechte sind verfassungsmäßige Grundrechte, die ausschließlich Bürgern zustehen. Hierzu zählen insbesondere:

  • Aktives und passives Wahlrecht: Die Möglichkeit, an nationalen Wahlen teilzunehmen oder sich zur Wahl zu stellen (Art. 38 GG für den Bundestag, Art. 28 GG für kommunale Wahlen).
  • Staatsbürgerliche Gleichheitsrechte: Das Recht auf Gleichbehandlung im öffentlichen Bereich (Art. 33 Abs. 1 GG).
  • Freizügigkeit innerhalb Deutschlands: Das Recht, sich innerhalb des Bundesgebiets frei zu bewegen und Wohnsitz zu nehmen (Art. 11 GG).
  • Versammlungsfreiheit und Vereinigungsfreiheit: Grundrechte, die teils Bürgern vorbehalten sind (z. B. Art. 8, 9 GG).

Viele weitere Grundrechte, etwa das Recht auf Meinungsfreiheit, gelten auch für Ausländer, lediglich ausgewählte Rechte sind exklusiv Bürgern vorbehalten.

Bürgerpflichten

Mit der Bürgerstellung gehen bestimmte Pflichten einher. Zu den bekanntesten zählen:

  • Treuepflicht gegenüber dem Staat: Bürger sind an Gesetze und Verfassungsordnung gebunden.
  • Wahlpflicht: In Deutschland besteht keine Wahlpflicht, wohl aber das Recht.
  • Wehrpflicht: Bis zu ihrer Aussetzung eine an die Bürgerstellung gekoppelte Pflicht, in der Bundeswehr Dienst zu leisten.
  • Steuerpflicht: Unabhängig von der Bürgerstellung, doch bei internationalen Sachverhalten können Bürger durch Besonderheiten bei der unbeschränkten Einkommensteuerpflicht betroffen sein.
  • Mitwirkungspflicht bei behördlichen Maßnahmen: Etwa im Rahmen einer Volkszählung oder von Wahlen.

Bürgerbegriff im kommunalen und öffentlichen Recht

Im öffentlichen Recht, insbesondere im kommunalen Kontext, wird der Bürgerbegriff häufig enger gefasst und auf die Mitglieder einer konkreten Gemeinde oder Kommune bezogen. Bürger einer Gemeinde sind in diesem Sinne diejenigen, die ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt in der Gemeinde haben und entsprechend im Melderegister eingetragen sind. Daraus resultieren kommunale Mitwirkungsrechte (z. B. Teilnahme an Bürgerbegehren und Bürgerentscheiden) wie auch Pflichten zur Zahlung kommunaler Abgaben.

Bürgerstatus und Verlust der Bürgerstellung

Die Bürgerstellung ist grundsätzlich beständig, kann jedoch unter bestimmten Voraussetzungen verloren gehen:

  • Verlust der Staatsangehörigkeit: Zum Beispiel durch Entlassung auf Antrag, durch Erwerb einer fremden Staatsangehörigkeit (sofern keine Mehrstaatigkeit erlaubt ist) oder durch Aberkennung.
  • Entziehung von Bürgerrechten: In besonders gelagerten Fällen, etwa durch eine strafgerichtliche Entscheidung, kann zeitweise das Wahlrecht oder die Wählbarkeit aberkannt werden (vgl. § 45 StGB).

Zudem endet die Bürgerstellung durch Tod oder durch grundlegende statusrechtliche Änderungen, wie der Änderung der Staatsbürgerschaft.

Unterschied zwischen Bürger, Einwohner und Ausländer

Das deutsche Recht differenziert zwischen dem Bürger (Staatsangehöriger), dem Einwohner (ortsansässige Person unabhängig von der Staatsangehörigkeit) und dem Ausländer (nicht deutsche Staatsangehörige). Ausländer können auch Einwohner im Melderegister sein, genießen jedoch nicht sämtliche den Bürgern vorbehaltenen Rechte.

Besonderheiten für Unionsbürger und Drittstaatsangehörige

Während Unionsbürger viele Rechte mit deutschen Bürgern teilen (z. B. Niederlassungs- und Freizügigkeitsrecht innerhalb der EU), gelten für Drittstaatsangehörige erweiterte aufenthaltsrechtliche Anforderungen und Einschränkungen bei politischen Beteiligungsrechten.

Begriffsgeschichte und Entwicklung

Der Bürgerbegriff entwickelte sich historisch aus der Unterscheidung gegenüber Untertanen und Nichtangehörigen. In vielen Verfassungen wird er als Träger staatsbürgerlicher Rechte definiert und als Integrationsfigur für politische Beteiligung und demokratische Legitimation genutzt. Im 19. Jahrhundert wurde mit der Entstehung moderner Nationalstaaten die Gleichstellung aller Bürger gesetzlich verankert.

Bedeutung des Bürgerbegriffs im Internationalen Recht

Auch das internationale Recht, insbesondere in Bezug auf diplomatischen Schutz (Art. 3 Genfer Konvention von 1930), knüpft Rechte und Verpflichtungen an die Bürgerstellung eines Staates an. Staaten können ausschließlich ihren eigenen Staatsbürgern Rechts- und Konsularschutz im Ausland bieten.

Zusammenfassung

Der Begriff des Bürgers ist im Recht vielschichtig verankert und umfasst weit mehr als lediglich die Staatsangehörigkeit. Er bildet das Fundament für individuelle politische Teilhabe, Mitwirkung an demokratischen Prozessen, staatliche Pflichten und internationale Rechtsbeziehungen. Präzise Regelungen im Staatsangehörigkeits- und Verfassungsrecht sorgen dafür, dass die Bürgerstellung eindeutig bestimmt ist und ihre Rechtsfolgen klar zugeordnet werden können. Die Unterscheidung von Bürger, Einwohner und Ausländer ist grundlegend für den Zugang zu spezifischen staatlichen Rechten und Pflichten.

Häufig gestellte Fragen

Welche Rechte stehen Bürgern in Deutschland nach dem Grundgesetz zu?

Die Bürger der Bundesrepublik Deutschland genießen eine Vielzahl von Rechten, die ihnen durch das Grundgesetz (GG) garantiert werden. Zentrale Bürgerrechte sind insbesondere die Grundrechte gemäß Artikel 1 bis 19 GG. Dazu zählen unter anderem das Recht auf freie Entfaltung der Persönlichkeit (Art. 2), die Gleichheit vor dem Gesetz (Art. 3), das Recht auf Glaubens-, Gewissens- und Bekenntnisfreiheit (Art. 4), die Meinungsfreiheit (Art. 5), die Versammlungsfreiheit (Art. 8) und die Vereinigungsfreiheit (Art. 9). Darüber hinaus haben deutsche Staatsbürger spezielle Rechte wie das aktive und passive Wahlrecht zu Bundestags-, Landtags- und Kommunalwahlen sowie das Recht auf Zugang zu öffentlichen Ämtern nach Eignung, Befähigung und fachlicher Leistung (Art. 33 GG). Einschränkungen dieser Rechte sind nur auf Basis eines formellen Gesetzes und unter den Voraussetzungen des jeweiligen Grundrechtsartikels zulässig. Die Grundrechte binden Gesetzgebung, vollziehende Gewalt und Rechtsprechung als unmittelbar geltendes Recht (Art. 1 Abs. 3 GG).

Unterliegen Bürger auch besonderen Pflichten gegenüber dem Staat?

Ja, Bürger stehen im rechtlichen Verhältnis zum Staat nicht nur Rechte, sondern auch Pflichten gegenüber. Zu den wichtigsten staatsbürgerlichen Pflichten zählt die Beachtung und Einhaltung der Rechtsordnung. Weiterhin besteht für männliche Bürger bis 2011 in Friedenszeiten und weiterhin in einem Spannungs- oder Verteidigungsfall eine Wehrpflicht gemäß Art. 12a GG, wobei aktuell die Wehrpflicht ausgesetzt ist. Zudem besteht unter bestimmten Voraussetzungen Dienstpflicht im Katastrophenfall. Eine zentrale Pflicht ist außerdem die Steuerpflicht nach Art. 104a ff. GG und dem jeweiligen Steuerrecht. Bürger sind verpflichtet, im Rahmen des Meldewesens ihren Wohnsitz an- und abzumelden. Schließlich besteht die Pflicht zur Mitwirkung in bestimmten Verfahren, beispielsweise als Zeuge vor Gericht oder im Rahmen der Volkszählung. Wer sich diesen Pflichten entzieht, muss mit Sanktionen rechnen.

Wer gilt im rechtlichen Sinne als Bürger in Deutschland?

Im deutschen Recht wird zwischen Bürgern und Einwohnern beziehungsweise Personen unterschieden, insbesondere nach Staatsangehörigkeit. Bürger im engeren Sinne sind alle deutschen Staatsangehörigen gemäß Art. 116 Abs. 1 GG. Die deutsche Staatsangehörigkeit ist Voraussetzung für eine Vielzahl staatsbürgerlicher Rechte, etwa das Wahlrecht oder den Zugang zu bestimmten öffentlichen Ämtern. Neben Staatsangehörigen bestehen Sonderregelungen für Unionsbürger der EU; diese genießen bestimmte Gleichstellungsrechte, wie das Kommunalwahlrecht (Art. 28 Abs. 1 GG in Verbindung mit EU-Recht). Staatsangehörige anderer Staaten sind formal keine Bürger im verfassungsrechtlichen Sinne, jedoch genießen auch sie bestimmte grundrechtsgleiche Rechte, sofern sie sich rechtmäßig in Deutschland aufhalten.

Welche rechtlichen Möglichkeiten haben Bürger, sich gegen staatliche Maßnahmen zu wehren?

Bürger haben verschiedene rechtliche Instrumente, um sich gegen staatliches Handeln zu wehren. Das wichtigste Rechtsmittel ist der sogenannte Verwaltungsrechtsweg, bei dem die Bürger vor den Verwaltungsgerichten klagen können, wenn sie durch eine Maßnahme der öffentlichen Gewalt in ihren Rechten verletzt sind (Art. 19 Abs. 4 GG). Darüber hinaus steht bei Verletzungen von Grundrechten die Möglichkeit der Verfassungsbeschwerde vor dem Bundesverfassungsgericht offen (Art. 93 Abs. 1 Nr. 4a GG, §§ 90 ff. BVerfGG). Auch auf Länderebene bestehen eigene Verfassungsgerichte. Bei Verletzungen unionsrechtlicher Vorschriften kann der Bürger teilweise auch direkt den Europäischen Gerichtshof anrufen. Weitere Rechtsschutzmöglichkeiten bestehen beispielsweise durch Beschwerden bei Datenschutzbeauftragten oder Petitionen an Parlamente.

Besteht für Bürger eine Ausweispflicht?

Nach deutschem Recht sind deutsche Staatsbürger ab dem 16. Lebensjahr verpflichtet, einen gültigen Personalausweis oder – alternativ – einen Reisepass zu besitzen (§ 1 PAuswG, § 1 PassG). Diese Verpflichtung dient der Identifizierbarkeit der Bürger und der öffentlichen Sicherheit. Die Ausweispflicht bedeutet jedoch nicht, dass Ausweisdokumente stets mitgeführt werden müssen; lediglich bestimmte Situationen, etwa bei Amtsgeschäften oder polizeilichen Kontrollen, erfordern das Vorzeigen eines Ausweises. Die Missachtung der Ausweispflicht kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden.

Welche Unterschiede bestehen zwischen Bürgerrechten und Menschenrechten im deutschen Recht?

Menschenrechte sind allgemeine Rechte, die jedem Menschen unabhängig von seiner Staatsangehörigkeit zustehen und unmittelbar aus Art. 1 bis 19 GG resultieren, wie zum Beispiel das Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit (Art. 2 GG) oder die Meinungsfreiheit (Art. 5 GG). Bürgerrechte hingegen sind Rechte, die ausschließlich deutschen Staatsbürgern vorbehalten sind, was insbesondere für das Wahlrecht (Art. 38, 28 GG), die Freizügigkeit (Art. 11 GG) und das Recht, öffentliche Ämter zu bekleiden (Art. 33 GG), gilt. Die Unterscheidung begründet sich im Schutz der staatlichen Selbstbestimmung und der demokratischen Mitwirkung durch die Staatsangehörigen.