Was ist die BRRD?
Die BRRD ist eine EU-weite Richtlinie zur Sanierung und Abwicklung von Banken. Sie schafft ein einheitliches Regelwerk, um Kreditinstitute in Schieflage geordnet zu stabilisieren oder abzuwickeln, ohne die Stabilität des Finanzsystems zu gefährden. Zentrales Anliegen ist, dass Eigentümer und Gläubiger Verluste tragen und nicht die Allgemeinheit. Zugleich sollen sogenannte kritische Funktionen einer Bank, etwa Zahlungsverkehr und Einlagenzugang, möglichst aufrechterhalten werden.
Die BRRD wurde in allen Mitgliedstaaten in nationales Recht überführt. Sie ist ein Kernbaustein der Europäischen Bankenunion und ergänzt die europäische Bankenaufsicht sowie die Abwicklungsstrukturen auf europäischer und nationaler Ebene.
Ziele und Grundprinzipien
Die BRRD verfolgt mehrere miteinander verzahnte Ziele:
- Frühzeitige Vorbereitung auf Krisen durch Sanierungs- und Abwicklungsplanung
- Verlustbeteiligung von Eigentümern und Gläubigern (Bail-in) statt staatlicher Rettungen
- Aufrechterhaltung kritischer Bankfunktionen zum Schutz der Realwirtschaft
- Rechts- und Planungssicherheit für grenzüberschreitend tätige Bankengruppen
- Schutz von Einlegern und Wahrung des Vertrauens in das Finanzsystem
- Minimierung von Wettbewerbsverzerrungen durch einheitliche Standards
Anwendungsbereich und beteiligte Institutionen
Betroffene Institute
Erfasst sind Kreditinstitute und bestimmte Wertpapierfirmen, die für das Finanzsystem besonders relevant sind. Die Anforderungen gelten proportional: Größe, Komplexität und Geschäftsmodell bestimmen die Tiefe der Planungen und Maßnahmen. Auch Zweigniederlassungen aus Drittstaaten können erfasst sein, soweit sie innerhalb der EU tätig sind.
Zuständige Behörden
National zuständig sind Abwicklungsbehörden und Aufsichtsbehörden. Auf europäischer Ebene koordiniert der Einheitliche Abwicklungsausschuss die Abwicklung bedeutender Institute innerhalb der Bankenunion. Europäische und nationale Stellen arbeiten in Abwicklungskollegien eng zusammen, um grenzüberschreitende Fälle kohärent zu behandeln.
Instrumente der Sanierung und Abwicklung
Sanierungsplanung
Institute müssen Sanierungspläne erstellen, die Maßnahmen zur Wiederherstellung der finanziellen Gesundheit vorsehen, etwa Kapitalerhöhungen, Bilanzverkürzung oder Verkäufe von Geschäftsbereichen. Die Pläne werden regelmäßig aktualisiert und von den Behörden geprüft.
Frühintervention
Verschlechtert sich die Lage eines Instituts, können Aufseher frühzeitig eingreifen, etwa durch Auflagen, die Anpassung der Geschäftsstrategie oder Veränderungen in Leitungs- und Kontrollorganen. Ziel ist, eine Abwicklung möglichst zu vermeiden.
Abwicklungsinstrumente
Ist ein Institut gescheitert oder droht es zu scheitern, und sind private Lösungen nicht ausreichend, kann die Abwicklungsbehörde eingreifen, sofern ein öffentliches Interesse besteht. Dafür stehen mehrere Instrumente bereit:
Bail-in (interne Verlustbeteiligung)
Verbindlichkeiten werden herabgeschrieben oder in Eigenkapital umgewandelt. Eigentümer tragen Verluste zuerst, gefolgt von Gläubigern nach der gesetzlichen Rangfolge. Bestimmte Verbindlichkeiten sind geschützt und vom Bail-in ausgenommen.
Übertragung auf ein Brückeninstitut
Kritische Funktionen und werthaltige Vermögenswerte werden auf ein temporäres Institut übertragen, um den Betrieb zu stabilisieren und eine geordnete Verwertung zu ermöglichen.
Verkauf von Geschäftsbereichen
Solide Teile des Geschäfts werden an einen oder mehrere Erwerber verkauft, um Kontinuität zu sichern und Werte zu erhalten.
Ausgliederung von Vermögenswerten
Problematische oder schwer veräußerbare Vermögenswerte können ausgelagert werden, um die verbleibende Einheit zu stabilisieren und einen Wertverfall zu begrenzen.
Gläubigerhierarchie und Haftungskaskade
Verlusttragung und Reihenfolge
Verluste werden nach einer festen Rangfolge verteilt. Zuerst haften Anteilseigner, danach nachrangige Gläubiger, anschließend nicht besicherte vorrangige Gläubiger. Einlagen natürlicher Personen sowie kleinerer und mittlerer Unternehmen genießen einen besonderen Schutz. Einlagen bis 100.000 Euro sind durch die gesetzliche Einlagensicherung gedeckt und werden nicht zur Verlusttragung herangezogen.
Schutzmechanismen
Die Abwicklungsbehörde achtet darauf, dass kein Gläubiger schlechtergestellt wird als in einem regulären Insolvenzverfahren. Bewertungen durch unabhängige Gutachten und geregelte Einspruchsmöglichkeiten sichern diese Leitlinie ab.
MREL und verlusttragfähige Passiva
Institute müssen eine Mindestanforderung an Eigenmitteln und berücksichtigungsfähigen Verbindlichkeiten halten (MREL). Diese Anforderung sorgt dafür, dass im Krisenfall ausreichend verlusttragfähige Mittel vorhanden sind, um einen Bail-in rechtssicher durchführen zu können. Für international systemrelevante Gruppen gelten ergänzend global abgestimmte Standards, die innerhalb der EU mit den BRRD-Vorgaben verzahnt sind.
MREL kann je nach Institut in Höhe, Qualität (Eigenkapital vs. unbesicherte Anleihen) und Struktur (untergeordnete vs. vorrangige Instrumente) variieren. In Konzernen gibt es interne Anforderungen zwischen Tochter- und Muttergesellschaften, damit Verluste dorthin übertragen werden können, wo die Abwicklung vorgesehen ist.
Abwicklungsfonds und staatliche Unterstützung
Einheitlicher Abwicklungsfonds und nationale Finanzierung
Zur Unterstützung von Abwicklungsmaßnahmen existieren europäische und nationale Abwicklungsfonds, die aus Beiträgen der Institute gespeist werden. Sie können ergänzend eingesetzt werden, wenn Eigentümer und Gläubiger in ausreichendem Umfang zur Verlusttragung herangezogen wurden und weitere Maßnahmen erforderlich sind, um Stabilität zu gewährleisten.
Staatliche Maßnahmen als äußerstes Mittel
Eine unmittelbare staatliche Unterstützung ist nur unter strengen Voraussetzungen möglich und nachrangig gegenüber privatwirtschaftlichen Lösungen und dem Bail-in. Ziel ist die Wahrung der Finanzstabilität, ohne Anreize für riskantes Verhalten zu setzen.
Verhältnis zu anderen Regelwerken
Europäische Bankenunion
Die BRRD ist eng mit dem einheitlichen europäischen Abwicklungsmechanismus und der europäischen Bankenaufsicht verzahnt. Gemeinsam bilden sie ein kohärentes System für Krisenprävention, -management und -lösung.
Kapital- und Einlagensicherungsvorschriften
Die Anforderungen an Eigenmittel und Liquidität sowie die Einlagensicherung ergänzen die BRRD. Während Kapitalregeln Krisen vorbeugen sollen, sichert die Einlagensicherung den Schutz gedeckter Einlagen. Die BRRD regelt, wie eine Bank geordnet restrukturiert oder abgewickelt wird, wenn Prävention nicht ausreicht.
Praktische Auswirkungen
Für Einleger
Gedeckte Einlagen bis 100.000 Euro pro Person und Bank bleiben geschützt. Auch darüber hinaus sind bestimmte Einlagenarten in der Rangfolge bevorzugt, um das Vertrauen in den Zahlungsverkehr zu stärken.
Für Anleger und Gläubiger
Anleihen und andere nicht besicherte Verbindlichkeiten können zur Verlusttragung herangezogen werden. Seit Einführung spezifischer vorrangiger und nachrangiger Instrumente ist die Rangfolge klarer strukturiert, um die Abwicklung planbar zu machen.
Für Finanzmarktstabilität und Realwirtschaft
Durch geordnete Verfahren und klare Haftungsregeln sollen Schockwellen begrenzt und systemische Risiken reduziert werden. Kritische Funktionen sollen auch in der Abwicklung möglichst ohne Unterbrechung fortgeführt werden.
Grenzüberschreitende Aspekte
Abwicklung internationaler Bankengruppen
Für Gruppen mit Aktivitäten in mehreren Ländern werden Abwicklungspläne auf konsolidierter Basis erstellt. Abwicklungskollegien koordinieren Entscheidungen und schaffen Verfahren zur gegenseitigen Anerkennung und Kooperation.
Anerkennung ausländischer Maßnahmen
Abwicklungsanordnungen anderer Staaten können anerkannt werden, sofern übergeordnete Kriterien wie Gleichbehandlung der Gläubiger und Finanzstabilität gewahrt sind. Ziel ist, Fragmentierung zu vermeiden und Rechtssicherheit zu schaffen.
Durchsetzung und Aufsicht
Institute haben umfassende Mitteilungs- und Dokumentationspflichten. Behörden können Informationsrechte ausüben, Prüfungen durchführen und bei Nichtbefolgung verwaltungsrechtliche Maßnahmen ergreifen. Anforderungen werden proportional angewendet, bleiben jedoch verbindlich und sanktionsbewehrt.
Historische Einordnung und Weiterentwicklung
Die BRRD entstand als Antwort auf die globale Finanzkrise, in der staatliche Rettungen verbreitet waren. Seither wurde der Rahmen weiterentwickelt, etwa durch verfeinerte Verlusthierarchien, strengere Anforderungen an verlusttragfähige Passiva und präzisere Regeln für grenzüberschreitende Abwicklung. Die Diskussion über eine weitere Vertiefung der Bankenunion, einschließlich einer stärkeren gemeinsamen Einlagensicherung, wird fortgeführt.
Häufig gestellte Fragen (FAQ)
Worin unterscheidet sich die BRRD von einem gewöhnlichen Insolvenzverfahren?
Die BRRD ermöglicht Eingriffe der Abwicklungsbehörden mit speziellen Instrumenten, um kritische Funktionen aufrechtzuerhalten und die Finanzstabilität zu sichern. Anders als bei einer herkömmlichen Insolvenz kann die Behörde Vermögenswerte übertragen, Verbindlichkeiten umwandeln und den Betrieb geordnet fortführen.
Sind Einlagen durch die BRRD geschützt?
Ja. Einlagen bis 100.000 Euro pro Person und Bank sind gesetzlich gedeckt. Darüber hinaus genießen bestimmte Einlagenarten eine bevorzugte Behandlung in der Rangfolge, sodass sie nachrangig zur Verlusttragung herangezogen werden.
Wann kommt ein Bail-in zum Einsatz?
Ein Bail-in wird eingesetzt, wenn ein Institut gescheitert ist oder zu scheitern droht, keine hinreichenden privaten Alternativen verfügbar sind und ein öffentliches Interesse an geordneten Maßnahmen besteht. Er dient der internen Rekapitalisierung, damit kritische Funktionen fortgeführt werden können.
Welche Verbindlichkeiten sind typischerweise vom Bail-in ausgenommen?
Ausgenommen sind in der Regel gedeckte Einlagen, durch Sicherheiten besicherte Verbindlichkeiten, treuhänderisch verwahrte Kundengelder sowie bestimmte kurzfristige Verbindlichkeiten. Die genaue Abgrenzung richtet sich nach der Rangfolge und gesetzlichen Ausnahmen.
Welche Rolle spielt der Einheitliche Abwicklungsausschuss?
Der Einheitliche Abwicklungsausschuss koordiniert die Abwicklung bedeutender Institute in der Bankenunion, legt Abwicklungspläne fest und entscheidet über den Einsatz des europäischen Abwicklungsfonds. Er arbeitet eng mit nationalen Behörden zusammen.
Was bedeutet MREL für Banken und ihre Gläubiger?
MREL verpflichtet Institute, ausreichend verlusttragfähige Mittel zu halten. Für Gläubiger bedeutet dies, dass bestimmte Anleihen ausdrücklich zur Verlusttragung vorgesehen sein können, wodurch die Abwicklung planbar und rechtssicher umgesetzt werden kann.
Gilt die BRRD auch für Wertpapierfirmen?
Die BRRD erfasst bestimmte Wertpapierfirmen, insbesondere solche mit besonderer Systemrelevanz oder solchen, die den bankaufsichtlichen Eigenmittelregeln unterliegen. Der Anwendungsumfang ist im Vergleich zu Kreditinstituten eingegrenzt und hängt von Größe und Tätigkeit ab.
Wie fügt sich die BRRD in das nationale Recht ein?
Die BRRD wurde in nationales Recht umgesetzt. Nationale Vorschriften konkretisieren Zuständigkeiten, Verfahren und Sanktionen, müssen jedoch mit den europäischen Vorgaben im Einklang stehen, um eine einheitliche Anwendung sicherzustellen.