Legal Lexikon

Bohrinsel


Definition und rechtlicher Rahmen der Bohrinsel

Eine Bohrinsel ist eine stationäre oder bewegliche Plattform, die vorrangig zur Erschließung, Förderung und Weiterverarbeitung von Erdöl und Erdgaslagerstätten auf dem Festlandsockel über Meeren oder Seen dient. Aus rechtlicher Sicht sind Bohrinseln komplexe Strukturen, deren Betrieb, Errichtung, Nutzung und Stilllegung einer Vielzahl internationaler, supranationaler sowie nationaler Rechtsnormen unterliegen.

Internationale Rechtsgrundlagen

Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ)

Zentrale Bedeutung für die rechtliche Einordnung von Bohrinseln kommt dem Seerechtsübereinkommen der Vereinten Nationen (SRÜ, UNCLOS) zu. Das Übereinkommen definiert den rechtlichen Status von künstlichen Inseln, Anlagen und Bauwerken auf See in den Artikeln 60 und 80. Demnach genießen Bohrinseln keinen Inselstatus, sind also nicht Teil des Küstenstaates, verfügen über keine eigene Seezone und keine eigene Territorialsee.

Der Küstenstaat ist berechtigt, in seiner Ausschließlichen Wirtschaftszone (AWZ) und auf seinem Festlandsockel Bohrinseln zu errichten, zu genehmigen und zu regulieren. Er besitzt dort Hoheitsrechte betreffend Errichtung, Betrieb, Nutzung und Aufsicht sowie Maßnahmen zur Verhütung und Ahndung von Verstößen.

Internationale Umweltvorschriften

Internationale Verträge wie das Übereinkommen zum Schutz des Meeres vor der Verschmutzung durch das Ablassen von Schadstoffen und anderen Stoffen (Londoner Übereinkommen, 1972) sowie das Übereinkommen über die Haftung für Ölverschmutzungsschäden regeln Umwelthaftung und Umweltschutzmaßnahmen im Zusammenhang mit Offshore-Bohrinseln.

Weitere wichtige Instrumente sind das OSPAR-Übereinkommen (für den Nordostatlantik) und MARPOL (Anhang I und V), die Vorgaben zum Ausbringen und Umgang mit Abfällen und Schadstoffen machen.

Nationales Recht

Genehmigung und Betrieb

Der Betrieb und die Errichtung von Bohrinseln in der deutschen AWZ sowie auf dem deutschen Festlandsockel unterliegen dem Gesetz über die Umweltverträglichkeit von Offshore-Öl- und Gasaktivitäten (Offshore-UVPG), dem Bundesberggesetz (BBergG) und weiteren untergesetzlichen Regelungen. Genehmigungen werden erteilt, wenn die Einhaltung technischer, betrieblicher und umweltbezogener Anforderungen gewährleistet ist.

Umweltrechtliche Zulassungen

Im Rahmen des Genehmigungsverfahrens sind umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen sowie Maßnahmen zur Gefahrenabwehr nach dem Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG), dem Wasserhaushaltsgesetz (WHG) und weiteren spezialgesetzlichen Vorschriften notwendig.

Immissions- und Arbeitsschutz

Die Betreiber von Bohrinseln müssen zudem die Vorgaben des Bundesimmissionsschutzgesetzes (BImSchG), der Arbeitsstättenverordnung (ArbStättV) und einschlägiger Unfallverhütungsvorschriften erfüllen, um den Schutz von Beschäftigten und der Umwelt zu gewährleisten.

Eigentums- und Besitzrechte

Bohrinseln stehen in aller Regel im Eigentum privatrechtlicher Unternehmen. Die Nutzung von Flächen und Rohstoffen auf dem Meeresgrund unterliegt jedoch der staatlichen Reglementierung. Pacht- und Konzessionsverträge werden vergeben, wobei Rechte und Pflichten aus Nutzungsvereinbarungen, Betriebshaftung und Produktionserträgen resultieren.

Haftungs-, Versicherungs- und Sanktionsregelungen

Haftung für Umweltschäden

Verursacht der Betrieb einer Bohrinsel Umweltschäden, greifen die allgemeinen Regelungen des Umwelthaftungsrechts sowie spezifische Vorschriften, z. B. nach dem Umweltrechtsbehelfsgesetz (UmwRG) und dem Umweltschadensgesetz (USchadG). Bei Ölunfällen bestehen nach internationalen Regelungen Haftungsobergrenzen und Pflichtversicherungen, etwa gemäß dem Ölhaftungsübereinkommen (CLC).

Strafrechtliche und ordnungsrechtliche Sanktionen

Sicherheitswidrige oder umweltschädigende Betriebsweisen auf Bohrinseln werden nach Straf- und Ordnungswidrigkeitenrecht verfolgt, etwa nach dem Strafgesetzbuch (StGB) (§ 324 Gewässerverunreinigung), dem Umweltstrafrecht und entsprechenden Vorschriften des Ordnungswidrigkeitengesetzes (OWiG).

Europäisches Recht

Innerhalb der Europäischen Union finden die Richtlinie 2013/30/EU über Sicherheitsvorschriften für Offshore-Öl- und Gasaktivitäten sowie verschiedene Verordnungen zu Notfallplänen, Berichtswesen und Überwachung Anwendung. Die Mitgliedstaaten sind verpflichtet, Risikoanalysen, Katastrophenschutzmechanismen und Sicherungsmaßnahmen zu implementieren.

Sicherheit, Katastrophenschutz und Stilllegung

Notfall- und Sicherungsmaßnahmen

Vorschriften zur Risikoabwehr, Notfallmanagement, Evakuierung und Sicherung werden durch nationale und internationale Normen wie die International Organization for Standardization (ISO 19901-5) und das Internationale Seeschifffahrts-Übereinkommen zur Gefahrenabwehr (SOLAS) konkretisiert.

Stilllegung und Rückbau

Die rechtlichen Vorgaben für die Stilllegung und den Rückbau von Bohrinseln sehen vor, dass Anlagen nach Nutzungsende umweltgerecht entfernt oder umgestaltet werden müssen. Internationale Grundsätze, etwa nach OSPAR-Entscheidungen, verpflichten zur vollständigen Beseitigung und Verhinderung von Langzeitrisiken.

Steuer- und Abgabenrechtliche Aspekte

Auch steuerliche Fragen wie Lizenz- und Förderabgaben, Umsatzsteuer bei Dienstleistungen auf Bohrinseln, Gewinnbesteuerung und Förderabgaben unterliegen besonderen Regelungen, die sich nach Betriebsstandort und Zulassungsrecht richten.

Zusammenfassung

Bohrinseln sind im rechtlichen Sinne hochtechnisierte Anlagen, deren Betrieb und Existenz auf einem umfassenden Geflecht nationaler und internationaler Vorschriften basiert. Die rechtlichen Anforderungen umfassen Umwelt-, Sicherheits-, Haftungs-, Steuer- und Sozialvorschriften, deren Einhaltung fortlaufend überprüft und angepasst wird. Die Komplexität des Rechtsrahmens spiegelt die Vielschichtigkeit der technischen, wirtschaftlichen und ökologischen Interessen an der Nutzung maritimer Rohstofflagerstätten wider.

Häufig gestellte Fragen

Welche Arbeitsrechte und Arbeitsschutzbestimmungen gelten für Beschäftigte auf Bohrinseln?

Für Beschäftigte auf Bohrinseln, die im deutschen Rechtsraum oder unter deutscher Flagge betrieben werden, gelten grundsätzlich dieselben gesetzlichen Arbeitsrechte und Arbeitsschutzbestimmungen wie an Land. Dazu zählen insbesondere das Arbeitszeitgesetz (ArbZG), das Bundesurlaubsgesetz (BUrlG) sowie das Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG). Aufgrund der besonderen Gefährdungslage und der oftmals internationalen Arbeitsumgebung sind zusätzlich zahlreiche Sonderregelungen und tarifvertragliche Vereinbarungen zu berücksichtigen. Die maximale Arbeitszeit pro Woche kann, abhängig vom Einsatzmodell (z.B. Zwei-Wochen-Schichten mit anschließender Freistellung), anders geregelt sein, sofern Ausgleichszeiten gewährleistet werden. Ferner unterliegen Bohrinseln als „schwimmende Arbeitsstätten“ häufig den Vorschriften der Internationalen Arbeitsorganisation (ILO) und dem Seearbeitsgesetz (SeeArbG), falls sie außerhalb der deutschen Hoheitsgewässer operieren. Eine wichtige Rolle spielen außerdem verpflichtende Gefährdungsbeurteilungen, arbeitsmedizinische Vorsorgeuntersuchungen und umfassende Unfallverhütungsvorschriften, die auch regelmäßige Notfallübungen sowie Maßnahmen des Gesundheitsschutzes vorsehen.

Wie ist das Haftungsrecht bei Unfällen auf Bohrinseln geregelt?

Das Haftungsrecht bei Unfällen auf Bohrinseln richtet sich nach einer Vielzahl nationaler und internationaler Rechtsnormen. Innerhalb der deutschen Gerichtsbarkeit greift insbesondere das Sozialgesetzbuch VII über die gesetzliche Unfallversicherung, die Beschäftigte gegen Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten absichert. Daneben kommen die Bestimmungen des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) hinsichtlich zivilrechtlicher Haftung für Schadensersatzansprüche in Betracht. International operierende Bohrinseln fallen häufig unter die Vorschriften des International Maritime Organization (IMO) sowie spezieller Übereinkommen, wie der „Convention on Civil Liability for Oil Pollution Damage“. Haftungsfragen können durch das internationale Privatrecht sowie durch Flaggenstaatregelungen beeinflusst werden. Unternehmen sind verpflichtet, angemessene Versicherungen für Personen-, Sach- und Umweltschäden zu unterhalten. Bei grober Fahrlässigkeit oder Vorsatz kann die Haftung erweitert werden, sodass auch strafrechtliche Konsequenzen nach deutschem oder ausländischem Recht drohen.

Welche Umweltschutzauflagen gelten beim Betrieb einer Bohrinsel?

Bohrinseln unterliegen strengen nationalen und internationalen Umweltschutzauflagen. Im deutschen Rechtsraum gelten insbesondere das Bundes-Immissionsschutzgesetz (BImSchG), das Wasserhaushaltsgesetz (WHG) sowie das Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG). Zudem sind zahlreiche EU-Richtlinien, etwa die Richtlinie 2013/30/EU über die Sicherheit von Offshore-Öl- und Gasaktivitäten, verbindlich. International sind Konventionen wie MARPOL (International Convention for the Prevention of Pollution from Ships) einzuhalten. Bohrinselbetreiber müssen umfangreiche Umweltverträglichkeitsprüfungen (UVP) vor Betriebsstart vorlegen, Notfall- und Löschpläne ausarbeiten und regelmäßige Inspektionen durchführen. Verstöße können zu erheblichen Bußgeldern, Betriebseinstellungen oder strafrechtlichen Maßnahmen führen.

Nach welchem Recht erfolgt die Zulassung und Überwachung von Bohrinseln?

Die Zulassung und laufende Überwachung von Bohrinseln ist ein komplexes Rechtsgebiet, das durch nationale, europäische und internationale Vorschriften geprägt ist. In Deutschland obliegt die Genehmigung in der Regel der zuständigen Bergbehörde unter Berücksichtigung des Bundesberggesetzes (BBergG) sowie umweltrechtlicher Bestimmungen. Ist die Bohrinsel in internationalen Gewässern oder unter ausländischer Flagge registriert, gelten die Zulassungsverfahren und Kontrollpflichten des jeweiligen Flaggenstaates sowie internationale Abkommen, etwa das UN-Seerechtsübereinkommen (UNCLOS). Die Überwachung erfolgt durch staatliche und unabhängige Klassifikationsgesellschaften, die regelmäßige technische Inspektionen, Sicherheitsüberprüfungen und Umweltkontrollen durchführen. Missachtungen von Auflagen führen zu Sanktionen, Entzug der Betriebserlaubnis oder strafrechtlicher Verfolgung.

Wie werden Streitigkeiten im Zusammenhang mit Bohrinseln rechtlich geklärt?

Rechtliche Streitigkeiten, die im Zusammenhang mit Bohrinseln entstehen, werden – abhängig von der Art des Konflikts und dem Geltungsbereich – vor nationalen Zivil-, Sozial- oder Verwaltungsgerichten bzw. internationalen Schiedsstellen ausgetragen. Bei arbeitsrechtlichen Auseinandersetzungen ist in der Regel das Arbeitsgericht zuständig, während Umwelt- und Genehmigungsfragen meist in die Zuständigkeit der Verwaltungsgerichte fallen. Vertragsstreitigkeiten unter internationalen Partnern werden oft durch Schiedsgerichte (z.B. ICDR, ICC) oder gemäß den Regularien des internationalen privaten Rechts geregelt. Die Frage des anwendbaren Rechts richtet sich dabei nach dem Ort des Geschehens (Territorialitätsprinzip), der Staatszugehörigkeit der Parteien sowie spezifischen internationalen Verträgen.

Welche besonderen Meldepflichten bestehen für Betreiber von Bohrinseln?

Betreiber von Bohrinseln sind gesetzlich verpflichtet, zahlreiche Meldepflichten einzuhalten. Dazu zählt insbesondere die unverzügliche Meldung von Arbeitsunfällen und Störfällen an die zuständigen Behörden (in Deutschland: Zentralstelle der Länder für Sicherheit der Offshore-Öl- und Gasaktivitäten, Berufsgenossenschaften und Unfallkassen sowie das Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie). Ferner greifen Meldepflichten bei der Einführung, Lagerung und Entsorgung gefährlicher Stoffe sowie bei Störungen des normalen Betriebsablaufs oder bei Emissionen, die über die genehmigten Grenzwerte hinausgehen. Diese Pflichten ergeben sich aus dem Arbeitsschutzgesetz, diversen Umweltschutzgesetzen und spezialgesetzlichen Vorgaben für Offshore-Betriebe. Verstöße gegen die Meldepflichten werden empfindlich sanktioniert und können bußgeld- oder strafbewehrt sein.