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Blue Card, Blue Card EU


Begriff und Rechtsgrundlagen der Blue Card EU

Die Blue Card EU ist ein Aufenthaltstitel, der qualifizierten Drittstaatsangehörigen den Zugang zum Arbeitsmarkt eines EU-Mitgliedstaates ermöglicht. Ziel der Blue Card EU ist die Förderung der Zuwanderung hochqualifizierter Fachkräfte aus Nicht-EU-Staaten nach Europa, um dem Fachkräftemangel in verschiedenen Branchen entgegenzuwirken.

Der Rechtsrahmen für die Blue Card EU wird auf europäischer Ebene primär durch die Richtlinie 2009/50/EG des Rates vom 25. Mai 2009 über die Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung geschaffen. Eine novellierte Fassung trat mit der Richtlinie (EU) 2021/1883 vom 20. Oktober 2021 in Kraft, mit der insbesondere die Attraktivität und Flexibilität der Blue Card EU gesteigert werden soll.

Im deutschen Recht ist die Blue Card EU hauptsächlich im Aufenthaltsgesetz (AufenthG), insbesondere in den §§ 18g ff. AufenthG, umgesetzt.

Voraussetzungen für die Erteilung der Blue Card EU

Allgemeine Voraussetzungen

Die Erteilung der Blue Card EU setzt neben den allgemeinen aufenthaltsrechtlichen Voraussetzungen nach nationalem Recht insbesondere folgende Bedingungen voraus:

  • Nachweis einer qualifizierten Hochschulausbildung: Der Antragsteller muss einen Hochschulabschluss oder eine mindestens gleichwertige Qualifikation besitzen. In Einzelfällen kann auch eine mindestens fünfjährige Berufserfahrung, die mit einem Hochschulabschluss vergleichbar ist, ausreichend sein.
  • Vorliegen eines Arbeitsvertrags oder eines verbindlichen Stellenangebots: Es muss ein Arbeitsverhältnis mit einer Mindestlaufzeit zumeist von mindestens sechs Monaten bestehen.
  • Mindestgehaltsschwelle: Die angebotene Vergütung muss eine bestimmte, jährlich angepasste Gehaltsschwelle überschreiten. Die Gehaltsschwelle unterscheidet sich je nach Berufsfeld und kann für sogenannte Mangelberufe niedriger liegen.
  • Staatsangehörigkeit: Die Blue Card EU steht nur Drittstaatsangehörigen offen, das heißt Personen, die keine Staatsangehörigen eines EU-Mitgliedstaates, des EWR oder der Schweiz sind.

Besondere Anforderungen und Abweichungen

Mit der Novellierung der Richtlinie wurden die Voraussetzungen flexibilisiert:

  • Das Erfordernis der qualifizierten Beschäftigung kann in einigen Mitgliedstaaten national erweitert werden.
  • Für Engpassberufe (Mangelberufe) gelten niedrigere Gehaltsschwellen.
  • Anerkennung von Hochschulabschlüssen oder vergleichbaren Qualifikationen erfolgt nach nationalen Vorgaben, häufig unter Einbeziehung von Datenbanken wie ANABIN in Deutschland.

Verfahren zur Beantragung der Blue Card EU

Das Verfahren zur Beantragung der Blue Card EU verläuft in mehreren Schritten:

  1. Antragstellung: Der Antrag ist vor der Einreise bei der zuständigen Auslandsvertretung oder gegebenenfalls nach der Einreise beim Ausländeramt des Ziellandes zu stellen.
  2. Nachweis der Voraussetzungen: Dokumente wie Hochschulabschlüsse, Arbeitsverträge, Nachweise über das Mindestgehalt und gegebenenfalls Qualifikationsanerkennungen sind beizubringen.
  3. Bearbeitungszeit: Über den Antrag ist innerhalb von 90 Tagen nach vollständigem Eingang der Unterlagen zu entscheiden.

Dauer und Verlängerung

  • Die Blue Card EU wird in der Regel für die Dauer des Arbeitsvertrags zuzüglich drei Monate, jedoch maximal für vier Jahre erteilt.
  • Eine Verlängerung ist auf Antrag möglich, sofern die Voraussetzungen weiterhin erfüllt werden.
  • Der Inhaber hat nach Verlassen des Arbeitsverhältnisses eine Frist (in Deutschland sechs Monate), ein neues Arbeitsverhältnis zu finden.

Rechte und Pflichten der Inhaber einer Blue Card EU

Arbeitsmarktzugang

  • Die Blue Card EU berechtigt zur Ausübung einer qualifizierten Beschäftigung, die dem abgeschlossenen Studienfach oder der Qualifikation angemessen ist.
  • Bei Wechsel des Arbeitsplatzes innerhalb der ersten 12 Monate nach Erteilen ist häufig die Zustimmung der zuständigen Behörde erforderlich.

Familiennachzug

  • Inhaber der Blue Card EU haben Anspruch auf erleichterten Familiennachzug. Ehegatten und minderjährige Kinder können im Regelfall nachziehen.
  • Ehegatten erhalten eigenständigen Zugang zum Arbeitsmarkt, wobei gegebenenfalls weitergehende nationale Vorschriften zu beachten sind.

Mobilität innerhalb der Europäischen Union

  • Die Blue Card EU ermöglicht unter bestimmten Voraussetzungen die Mobilität innerhalb der EU („Intra-EU Mobility“).
  • Nach 12 Monaten rechtmäßigen Aufenthalts können Blue Card-Inhaber zu einem gleichen Zweck in einen anderen Mitgliedsstaat weiterwandern, ohne das Antragsverfahren erneut durchlaufen zu müssen.
  • Im neuen Mitgliedstaat muss binnen eines Monats ein Antrag auf Erteilung einer Blue Card gestellt werden.

Aufenthaltsverfestigung und Niederlassungserlaubnis

  • Nach 33 Monaten, bei Nachweis ausreichender Sprachkenntnisse (B1-Niveau), bereits nach 21 Monaten, kann unter bestimmten Umständen ein unbefristeter Aufenthaltstitel beantragt werden.
  • Zeiten des Aufenthalts mit Blue Card EU in unterschiedlichen Mitgliedstaaten können zum Teil für spätere Niederlassungserlaubnisse zusammengezählt werden.

Unterschiede zu anderen Aufenthaltstiteln

Die Blue Card EU unterscheidet sich von anderen Aufenthaltserlaubnissen insbesondere durch ihre hohe arbeitsrechtliche Flexibilität, die europaweite Mobilitätsoption sowie die Privilegierung für hochqualifizierte Arbeitnehmer. Im Unterschied zu nationalen Aufenthaltstiteln für Erwerbstätige erfolgt die Erteilung zentral auf Grundlage europarechtlicher Vorgaben.

Beendigung und Widerruf der Blue Card EU

Die Blue Card EU kann widerrufen oder entzogen werden, wenn:

  • die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen
  • der Inhaber länger als 12 Monate das Gebiet der EU verlässt
  • die Tätigkeit entgegen den Vorgaben aufgenommen wurde
  • Unrichtigkeiten im Antragsverfahren nachgewiesen werden

Im Fall der Beendigung besteht unter bestimmten Voraussetzungen ein Anspruch auf Duldung oder Aufenthaltstitel zur Arbeitsplatzsuche.

Quellen und Weblinks

  • Richtlinie (EU) 2021/1883 und Richtlinie 2009/50/EG des Rates
  • §§ 18g-18i, 39, 44a und 45 Aufenthaltsgesetz (AufenthG)
  • Bundesamt für Migration und Flüchtlinge (BAMF)
  • Internationale Qualifikationsdatenbank ANABIN

Zusammenfassung: Die Blue Card EU bildet den zentralen Aufenthaltstitel für hochqualifizierte Drittstaatsangehörige in der Europäischen Union. Sie gewährt zahlreiche Erleichterungen beim Marktzugang, bei der Mobilität innerhalb der EU und beim Familiennachzug. Die detaillierte rechtliche Ausgestaltung ist in der einschlägigen EU-Richtlinie sowie in den nationalen Gesetzen der Mitgliedstaaten geregelt und unterliegt laufenden Anpassungen zur Steigerung der Attraktivität des europäischen Arbeitsmarktes für qualifizierte Zuwanderer.

Häufig gestellte Fragen

Welche Voraussetzungen müssen für die Erteilung einer Blue Card EU erfüllt sein?

Für die Erteilung einer Blue Card EU in Deutschland müssen Antragsteller eine Hochschulausbildung vorweisen, die entweder in Deutschland erworben oder als gleichwertig anerkannt ist; alternativ kann auch ein vergleichbarer ausländischer Hochschulabschluss vorgelegt werden. Zudem ist das Vorliegen eines konkreten Arbeitsplatzangebots oder eines bereits bestehenden Arbeitsvertrags erforderlich, wobei die Tätigkeit der Qualifikation entsprechen muss. Gesetzlich vorgeschrieben ist ein Mindestbruttojahresgehalt, das regelmäßig angepasst wird (§ 18g Abs. 1 Satz 1 AufenthG i.V.m. § 2 Abs. 1 BeschV). Für bestimmte Mangelberufe wie z. B. Naturwissenschaftler, Mathematiker, Ingenieure, Ärzte und IT-Fachkräfte gilt eine Gehaltsschwelle, die unter dem allgemeinen Mindestgehalt liegt (§ 2 Abs. 2 BeschV). Zudem ist grundsätzlich die Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit einzuholen, es sei denn, bestimmte privilegierende Umstände greifen. Weiterhin muss eine Krankenversicherung nachgewiesen werden, und der Lebensunterhalt muss ohne Inanspruchnahme von Sozialleistungen sichergestellt sein. Antragsteller dürfen keine schwerwiegenden Straftaten begangen haben, und es dürfen keine Ausweisungsgründe nach § 54 oder § 55 AufenthG vorliegen.

Welche Rechte und Pflichten sind mit der Blue Card EU verbunden?

Inhaber der Blue Card EU erhalten ein Aufenthaltsrecht für hochqualifizierte Beschäftigte, das zunächst auf maximal vier Jahre befristet ist (§ 18g Abs. 4 AufenthG). Die Arbeitserlaubnis ist in der Regel an den konkreten Arbeitsplatz und Arbeitgeber gebunden, innerhalb des ersten Jahres nach Erteilung ist ein Arbeitsplatzwechsel genehmigungspflichtig (§ 18g Abs. 3 i.V.m. § 19b AufenthG). Nach Ablauf von mindestens 21 Monaten und ausreichenden Sprachkenntnissen (Niveau B1) kann eine Niederlassungserlaubnis beantragt werden (§ 18c Abs. 2 AufenthG); bei niedrigeren Sprachkenntnissen verlängert sich dieser Zeitraum auf 33 Monate. Blue-Card-Inhaber haben Anspruch auf Familiennachzug, wobei deren Familienangehörige ebenfalls arbeiten dürfen und keinen Nachweis über Deutschkenntnisse vor der Einreise erbringen müssen (§ 30 AufenthG). Die Verpflichtung, den Lebensunterhalt eigenständig zu sichern, bleibt beständig bestehen; Sozialhilfe- oder Arbeitslosengeld II-Leistungen sind ausgeschlossen. Die Verpflichtung zur Teilnahme an Integrationskursen besteht nicht obligatorisch, wird aber empfohlen. Verstöße gegen rechtliche Pflichten, beispielsweise durch Aufgabe des Arbeitsplatzes ohne Neuanstellung, können zur Beendigung des Aufenthaltsrechts führen.

Kann die Blue Card EU nach einem Arbeitsplatzverlust behalten werden?

Kommt es während des Aufenthalts zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses, bleibt die Blue Card EU nicht automatisch erhalten. Beantragen Betroffene nachweislich unverzüglich eine neue Arbeitsstelle und können dies gegenüber der zuständigen Ausländerbehörde belegen, wird in der Praxis regelmäßig eine Frist von bis zu drei Monaten zur Arbeitssuche gewährt (§ 18g Abs. 4 AufenthG). Die Behörde prüft im Einzelfall, ob Aussicht auf zügige Wiedereingliederung in ein qualifizierendes Arbeitsverhältnis besteht. Die Blue Card bleibt in diesem Zeitraum weiterhin gültig, sofern sich Antragsteller weiterhin in Deutschland aufhalten und ihren Lebensunterhalt eigenständig sichern können. Erfolgt innerhalb der Frist kein neuer Vertragsabschluss, droht grundsätzlich der Verlust des Aufenthaltstitels und eine Ausreisepflicht.

Welche Verfahren gelten beim Wechsel des Arbeitsplatzes oder des Arbeitgebers?

Für Inhaber einer Blue Card EU ist in den ersten zwölf Monaten nach Erteilung ein Wechsel des Arbeitgebers genehmigungspflichtig (§ 18g Abs. 3 AufenthG). Die Ausländerbehörde muss über den geplanten Wechsel informiert und eine neue Zustimmung der Bundesagentur für Arbeit eingeholt werden. Nach Ablauf der zwölf Monate entfällt diese Verpflichtung, jedoch besteht weiterhin eine Anzeigepflicht bei der zuständigen Behörde. Die neuen Beschäftigungsbedingungen müssen weiterhin den Voraussetzungen der Blue Card EU entsprechen, insbesondere im Hinblick auf die geforderte Gehaltsschwelle und die Qualifikation. Im Falle eines Wechsels in ein anderes EU-Mitgliedstaat ist ein gesondertes Verfahren erforderlich, wobei nach 12-monatigem rechtmäßigen Aufenthalt eine EU-weite Mobilität unter erleichterten Voraussetzungen möglich ist (§ 18h AufenthG).

Wie wird die Gleichwertigkeit des ausländischen Hochschulabschlusses festgestellt?

Für die Erteilung der Blue Card EU ist ein deutscher, ein anerkannter ausländischer oder ein diesem vergleichbarer Hochschulabschluss erforderlich. Die Bewertung erfolgt durch die Zentralstelle für ausländisches Bildungswesen (ZAB), die eine sogenannte Zeugnisbewertung ausstellt. Alternativ kann die Online-Datenbank „anabin“ konsultiert werden, um den Status der ausländischen Universität und des Abschlusses zu prüfen. Entspricht der Abschluss formal und inhaltlich dem geforderten deutschen Hochschulabschluss, gilt die Gleichwertigkeit als nachgewiesen (§ 18g Abs. 1 AufenthG). Andernfalls kann eine individuelle Bewertung durch die ZAB erforderlich sein. Nur bei positiver Zeugnisbewertung kann das Blue-Card-Verfahren fortgeführt werden.

Gelten besondere Regelungen für IT-Fachkräfte ohne Hochschulabschluss?

Seit Inkrafttreten des Fachkräfteeinwanderungsgesetzes gibt es besondere Bestimmungen für IT-Fachkräfte. Sie können unter bestimmten Bedingungen auch ohne formalen Hochschulabschluss eine Blue Card EU erhalten, wenn sie mindestens drei Jahre einschlägige Berufserfahrung innerhalb der letzten sieben Jahre nachweisen können und ein entsprechendes Gehaltsangebot vorliegt. Es ist jedoch erforderlich, dass die Berufserfahrung und die ausgeübte Tätigkeit ein gleichwertiges Qualifikationsniveau zum Hochschulabschluss erreichen (§ 19g Abs. 2 AufenthG). Die Anerkennung erfolgt im Rahmen eines streng geregelten Prüfverfahrens, und die Gehaltsschwelle muss ebenfalls erfüllt werden.

Welche Möglichkeiten zur dauerhaften Niederlassung bestehen für Inhaber einer Blue Card EU?

Inhaber einer Blue Card EU können nach 33 Monaten qualifizierter Beschäftigung und Nachweis einfacher Deutschkenntnisse (Niveau A1) eine Niederlassungserlaubnis beantragen. Liegen fortgeschrittene Sprachkenntnisse (Niveau B1) vor, verkürzt sich die Wartezeit auf 21 Monate (§ 18c Abs. 2 AufenthG). Zudem müssen Beiträge zur gesetzlichen Rentenversicherung geleistet und der Lebensunterhalt dauerhaft gesichert sein. Die Niederlassungserlaubnis gewährt ein unbefristetes Aufenthaltsrecht sowie Zugang zum Arbeitsmarkt und zu den entsprechenden Sozialleistungen. Nach mindestens fünf Jahren ununterbrochenen legalen Aufenthalts in der EU besteht unter bestimmten Voraussetzungen auch die Möglichkeit, die Erlaubnis zum Daueraufenthalt-EU zu beantragen (§ 9a AufenthG).

Welche Regelungen gelten für die Mobilität innerhalb der Europäischen Union mit der Blue Card EU?

Nach mindestens zwölf Monaten rechtmäßigen Aufenthalts mit einer Blue Card EU in einem EU-Mitgliedstaat besteht gemäß Artikel 18h AufenthG das Recht auf sogenannte Mobilität innerhalb der EU. Inhaber können zum Zwecke der Erwerbstätigkeit einen Aufenthaltstitel in einem anderen EU-Mitgliedstaat beantragen, wobei die Mindestvoraussetzungen dieses Staates erfüllt werden müssen. Das neue Verfahren im Zielland ist zu durchlaufen, jedoch werden Zeiten der Beschäftigung in anderen Mitgliedstaaten bei bestimmten Fristen (z. B. Erwerb der Daueraufenthaltserlaubnis) angerechnet. Die Rechte auf Familiennachzug bestehen grundsätzlich entsprechend fort, sofern auch der neue Mitgliedstaat die Voraussetzungen anerkennt. Eine automatische Übertragung des Aufenthaltstitels erfolgt jedoch nicht; das Blue-Card-Verfahren muss in jedem Staat separat beantragt werden, wobei die bisherige Aufenthaltsdauer jedoch bei verschiedenen rechtlichen Ansprüchen Berücksichtigung findet.