Begriff und Zielsetzung der Blindenhilfe
Die Blindenhilfe ist eine Sozialleistung im deutschen Sozialrecht, die dazu dient, blinde Menschen bei der Bewältigung von behinderungsbedingten Mehrbedarfen und Nachteilen finanziell zu unterstützen. Der Leistungszweck besteht darin, durch einen monatlichen Geldbetrag die Teilhabe blinder Menschen am gesellschaftlichen Leben zu fördern und die durch Blindheit entstehenden besonderen Lebensaufwendungen teilweise oder ganz zu kompensieren.
Die Blindenhilfe bildet einen eigenständigen Leistungsbereich neben weiteren Nachteilsausgleichen für sehbehinderte oder blinde Menschen und ist von anderen Unterstützungsleistungen – etwa dem Blindengeld als Landesleistung oder der Grundsicherung – abzugrenzen.
Gesetzliche Grundlagen der Blindenhilfe
Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch (SGB XII)
Zentrale Rechtsquelle der Blindenhilfe ist § 72 SGB XII (Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe). Dieser Paragraph regelt die Anspruchsvoraussetzungen, die Höhe der Leistung sowie die Koordinierung mit anderen Ansprüchen.
Blindenhilfe gehört wie auch die Hilfe zur Pflege und die Altenhilfe zu den besonderen Leistungen der Sozialhilfe.
Träger, Zuständigkeit und Verhältnis zum Nachranggrundsatz
Zuständig für die Gewährung der Blindenhilfe sind die örtlichen Träger der Sozialhilfe, meist die kommunalen oder überörtlichen Sozialhilfeträger wie Landkreise oder kreisfreie Städte. Die Blindenhilfe tritt als nachrangige Leistung erst ein, wenn blinde Menschen keine vorrangigen Ansprüche, insbesondere nach anderen Gesetzen (z. B. Bundesversorgungsgesetz, SGB IV-XI, Landesblindengeldgesetze) oder aus eigenem Einkommen und Vermögen bedienen können.
Anspruchsvoraussetzungen der Blindenhilfe
Personenkreis
Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII haben blinde Menschen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt im Inland haben. Blind im Sinne des Gesetzes sind Personen, bei denen auf beiden Augen eine vollständige Blindheit oder eine hochgradige Sehbehinderung vorliegt.
Die Definition der Blindheit richtet sich nach § 72 Abs. 5 SGB XII i. V. m. § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung der Maßnahmen für Blinde (BlindKV):
„Blind ist, wer auf keinem Auge oder auf beiden Augen zusammen nicht mehr als 1/50 der normalen Sehschärfe besitzt oder bei dem eine, mit herkömmlichen Mitteln nicht behebbare, Störung des Sehvermögens vorliegt, die der Blindheit gleichzusetzen ist.“
Sozialhilfebedürftigkeit
Die Blindenhilfe ist eine einkommens- und vermögensabhängige Sozialleistung. Es gelten die Vorschriften des SGB XII über das einzusetzende Einkommen und Vermögen sowie Anrechnungspflichten (§§ 82 ff., 90 SGB XII). Liegen anrechenbare Einkünfte (z. B. Renten, Unterhaltsleistungen) oder Vermögen oberhalb der einschlägigen Freibeträge vor, wird die Blindenhilfe gekürzt oder entfällt.
Lebensalter
Anspruchsberechtigt sind Personen ab Vollendung des ersten Lebensjahres. Für Personen unter 18 Jahren oder ab dem Beginn des Bezuges einer Altersrente nach SGB VI (in der Regel ab Vollendung des 65. oder 67. Lebensjahres) gelten abweichende Anrechnungsvorschriften, insbesondere in Bezug auf Pflegeleistungen.
Inhalt, Umfang und Höhe der Blindenhilfe
Die Blindenhilfe wird als pauschaler monatlicher Geldbetrag gewährt, dessen Höhe regelmäßig an den aktuellen Regelsatz der Sozialhilfe angepasst wird. Die konkrete Leistungshöhe ist in der Durchführungsverordnung (§ 72 Abs. 3 SGB XII) in Verbindung mit den einschlägigen Bekanntmachungen des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales bzw. den Landesverordnungen geregelt.
* Im Jahr 2024 beträgt der Regelsatz der Blindenhilfe für volljährige Empfänger 880,56 EUR monatlich (Wert kann je nach Anpassung und Bundesland geringfügig abweichen).
* Für Personen, die Leistungen der Pflegeversicherung nach SGB XI erhalten, werden bestimmte Pflegegeldbeträge angerechnet (§ 72 Abs. 2, 4 SGB XII).
Verhältnis zu anderen Leistungen und Nachteilsausgleichen
Landesblindengeld und andere Nachteilsausgleiche
Die Blindenhilfe nach SGB XII unterscheidet sich vom Landesblindengeld, das auf Landesrecht basiert und unabhängig vom Einkommen und Vermögen gezahlt wird. Die in Anspruch genommene Landesleistung wird auf die Blindenhilfe im Rahmen einer Leistungskonkurrenz angerechnet; eine Doppelleistung ist ausgeschlossen.
Pflegeleistungen
Werden Leistungen aus der Pflegeversicherung oder vergleichbare Leistungen nach § 39 SGB XI (Pflegedienstleistungen) erbracht, reduziert sich die Blindenhilfe um einen gesetzlich vorgesehenen Betrag, um eine Doppelförderung der unterstützenden Leistungen zu verhindern.
Verfahren – Antragstellung und Verwaltungsablauf
Der Anspruch auf Blindenhilfe entsteht grundsätzlich nur auf Antrag beim zuständigen Sozialhilfeträger. Erforderlich sind:
- Formloser oder förmlicher Antrag
- Nachweis der Blindheit (in der Regel durch augenärztliches Gutachten)
- Nachweis der wirtschaftlichen Verhältnisse (Einkommen und Vermögen)
Die Verwaltungsbehörde prüft sämtliche Voraussetzungen, insbesondere die blindheitsbedingte Bedürftigkeit sowie den Nachrang der Leistung. Die Leistungsbewilligung erfolgt schriftlich und unterliegt den allgemeinen sozialgesetzlichen Bestimmungen über Verwaltungsakte (§ 31 SGB X). Gegen Entscheidungen ist im Rahmen des Sozialverwaltungsverfahrens Widerspruch und Klage zulässig.
Änderungen, Erlöschen und Rückforderung der Leistung
Die Blindenhilfe kann enden, wenn
- die maßgebliche Blindheit nicht mehr vorliegt,
- sich die Einkommens- oder Vermögensverhältnisse ändern und die Bedürftigkeit entfällt,
- andere vorrangige Leistungen bezogen werden,
- oder der Berechtigte ins Ausland verzieht.
Überzahlte Leistungen können nach den Vorschriften des SGB X zurückgefordert werden, insbesondere bei unrichtigen Angaben oder nachträglichen Veränderungen im Sachverhalt.
Rechtsschutz und gerichtliche Überprüfung
Streitigkeiten im Zusammenhang mit der Blindenhilfe werden von den Sozialgerichten entschieden. Widerspruch und Klage sind zulässig, Rechtsmittelverfahren sind im SGB XII und in der Sozialgerichtsbarkeit ausdrücklich geregelt. Gerichtliche Entscheidungen betreffen häufig die Anerkennung der Blindheit, Fragen des Nachrangs und die Abgrenzung zu anderen Leistungen.
Zusammenfassung und Bedeutung
Die Blindenhilfe nach SGB XII ist ein zentrales Instrument zum finanziellen Ausgleich spezifischer Nachteile, die durch Blindheit entstehen. Sie sichert im Rahmen der Sozialhilfe sehbehinderten Menschen ein Mindestmaß an Selbstständigkeit und Teilhabe. Die anspruchsrelevanten Voraussetzungen, der Umfang der Leistungen sowie deren Verhältnis zu anderen Nachteilsausgleichen sind im Gesetz detailliert geregelt und setzen eine genaue Prüfung der wirtschaftlichen, gesundheitlichen und sozialen Situation des Antragstellers voraus. Durch die genaue gesetzliche Ausgestaltung wird die Gleichstellung und Teilhabe am gesellschaftlichen Leben gefördert.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII?
Anspruch auf Blindenhilfe nach § 72 SGB XII haben Personen, die ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland haben und die Voraussetzungen für die Feststellung der Blindheit nach § 72 Abs. 5 SGB XII erfüllen. Dies sind Menschen, deren Sehvermögen auf dem besseren Auge nicht mehr als 2 % beträgt. Dies muss in der Regel durch ein augenärztliches Gutachten nachgewiesen werden. Die Blindenhilfe ist eine Leistung der Sozialhilfe und wird nur gewährt, wenn die leistungsberechtigte Person ihren notwendigen Lebensunterhalt nicht auf andere Weise decken kann. Einkommen und Vermögen werden auf die Leistung angerechnet, wobei bestimmte Freibeträge zu beachten sind. Der Anspruch wird unabhängig vom Alter gewährt, erfasst aber keine Personen, die in einer stationären Einrichtung wohnen, sofern die Kosten hierfür von einem anderen Sozialleistungsträger übernommen werden. Sonderreglungen gelten in einzelnen Bundesländern, wenn diese eigene Landesblindengeldgesetze mit abweichenden Voraussetzungen oder Anrechnungsvorschriften haben.
Wie wirkt sich das Einkommen und Vermögen auf die Blindenhilfe aus?
Die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII ist eine einkommens- und vermögensabhängige Sozialhilfeleistung. Das bedeutet, dass eigenes Einkommen und verfügbares Vermögen der blinden Person – sowie gegebenenfalls das des Ehepartners oder Lebenspartners – auf die Leistung angerechnet werden. Hierzu zählen beispielsweise Renten, Unterhaltszahlungen, Ausbildungsvergütungen oder Einkünfte aller Art. Bestimmte Teile des Einkommens bleiben allerdings unangetastet, wie etwa das Kindergeld für Minderjährige oder Grundrenten nach dem Bundesversorgungsgesetz. Auch beim Vermögen gelten Freibeträge, die aktuell bei 10.000 Euro für Einzelpersonen (Stand 2024) liegen. Übersteigt das Vermögen diesen Betrag, muss zunächst der darüber hinausgehende Anteil eingesetzt werden. Zusätzlich werden Schulden oder besondere Belastungen berücksichtigt. Einkünfte, die speziell zum Ausgleich der Blindheit gezahlt werden (wie Landesblindengeld), werden in einigen Fällen oder Bundesländern vorrangig angerechnet.
Wird Blindenhilfe auch bei Bezug von Landesblindengeld gezahlt?
Die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII wird grundsätzlich nur gezahlt, soweit der Blindengeldanspruch eines Landes nicht ausreicht oder kein Anspruch auf Landesblindengeld besteht. Das bedeutet, Landesblindengeldleistungen werden als vorrangige Leistungen auf die Blindenhilfe angerechnet. Damit soll eine Doppelversorgung ausgeschlossen werden. In manchen Bundesländern, in denen das Landesblindengeld unterhalb der im SGB XII festgelegten Blindenhilfe liegt, kann ein sogenannter Differenzbetrag als Blindenhilfe gewährt werden. Für Kinder und Jugendliche sowie Personen, die in stationären Einrichtungen leben, gelten länderspezifische Regelungen, sodass es auf die exakte Wohnsitzlage und die dortigen Bestimmungen ankommt. Die Anrechnung erfolgt unabhängig davon, ob das Landesblindengeld tatsächlich beantragt wurde oder nicht – entscheidend ist allein, ob ein Rechtsanspruch darauf besteht.
Welche Nachweise sind für die Beantragung der Blindenhilfe erforderlich?
Für die Beantragung der Blindenhilfe ist ein ausführlicher augenärztlicher Befund oder ein amtsärztliches Gutachten notwendig, das den Grad der Sehbehinderung eindeutig darlegt. Häufig wird ein Grad der Behinderung (GdB) von 100 mit dem Merkzeichen „BL“ im Schwerbehindertenausweis gefordert, wobei dies den Nachweis der Blindheit erleichtert, aber nicht zwingend erforderlich ist. Zusätzlich müssen relevante Unterlagen zum Einkommen und Vermögen des Antragstellers und – bei Bedarfsgemeinschaften – des Ehepartners oder der Eltern (bei Minderjährigen) eingereicht werden. Dazu gehören zum Beispiel Kontoauszüge, Einkommensnachweise, Bescheide über andere Leistungen (z.B. Landesblindengeld, Rente), Mietverträge sowie Nachweise über besondere Belastungen. Die Sozialämter verlangen zudem häufig eine Selbstauskunft über die Lebensverhältnisse. Ohne diese Unterlagen kann der Antrag inhaltlich nicht bearbeitet werden.
Wie lange wird Blindenhilfe gewährt und wie erfolgen Überprüfungen?
Die Blindenhilfe wird grundsätzlich solange bewilligt, wie die Anspruchsvoraussetzungen erfüllt sind. In der Regel erfolgt die Bewilligung zunächst befristet, meist für 1 bis 2 Jahre, um die Voraussetzungen regelmäßig überprüfen zu können. Nach Ablauf des Bewilligungszeitraums ist ein Weiterbewilligungsantrag zu stellen, bei dem erneut aktuelle Nachweise über den Gesundheitszustand, die Einkommens- und Vermögensverhältnisse sowie über eventuell erhaltene vorrangige Leistungen vorzulegen sind. Wird ein dauerhafter Zustand der Blindheit ärztlich attestiert, kann die Bewilligung auch unbefristet erteilt werden, regelmäßige Überprüfungen bezüglich der wirtschaftlichen Verhältnisse bleiben jedoch bestehen. Bei Änderungen, wie beispielsweise Heilung der Blindheit, Umzug in ein anderes Bundesland oder Verbesserung der finanziellen Lage, muss die Blindenhilfe neu geprüft und gegebenenfalls angepasst oder eingestellt werden.
Gibt es regionale Unterschiede bei der Blindenhilfe?
Ja, es gibt wesentliche Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern, vor allem aufgrund der verschiedenen Landesblindengeldgesetze und deren Höhe sowie Anrechnungsvorschriften. Während die Höhe des landesrechtlichen Blindengeldes stark variiert, differieren auch die Anspruchsvoraussetzungen und die Anrechnung auf die bundesrechtliche Blindenhilfe deutlich. In einigen Bundesländern wird das Blindengeld komplett auf die Blindenhilfe angerechnet, in anderen wird nur ein Teil angerechnet oder es existieren spezielle Pauschalen. Ferner gibt es unterschiedliche Regelungen, ob und in welchem Umfang Leistungen für Personen in stationären Einrichtungen gezahlt werden. Es kann daher sinnvoll sein, sich direkt bei der lokalen Sozialbehörde oder bei spezialisierten Beratungsstellen nach den regional gültigen Richtlinien zu erkundigen.
Was umfasst die Blindenhilfe im Einzelnen – wie erfolgt die Zahlung?
Die Blindenhilfe ist als monatliche Geldleistung ausgestaltet, die zur „Deckung der Mehraufwendungen“, welche aus der Blindheit resultieren, dient. Die Höhe orientiert sich am aktuellen Regelsatz des SGB XII und beträgt je nach Alter und Lebenssituation (z.B. bei Kindern unterschiedlich) einen festgelegten Prozentsatz hiervon. Diese Pauschale soll helfen, die mit der Blindheit verbundenen finanziellen Belastungen, wie Assistenzkosten, Hilfsmittel oder Mobilitätshilfen, abzufangen. Die Zahlung erfolgt regelmäßig einmal im Monat im Voraus. Die Blindenhilfe ist grundsätzlich zweckungebunden, eine Abrechnung der tatsächlichen Aufwendungen ist nicht erforderlich. Werden jedoch weitere Leistungen aus anderen Hilfesystemen bezogen, kann es zu Anrechnung oder Kürzungen kommen, um eine Überversorgung auszuschließen.