Begriff und rechtliche Grundlagen der Blindenfürsorge
Blindenfürsorge bezeichnet die Gesamtheit öffentlicher und privatrechtlicher Maßnahmen, die der Unterstützung, Förderung und sozialen Teilhabe blinder Menschen dienen. Die Blindenfürsorge umfasst finanzielle Leistungen, Sachleistungen sowie weitere Unterstützungsangebote, die auf Grundlage verschiedener Gesetze und Verordnungen geregelt sind. Ziel ist es, blinden Menschen eine gleichberechtigte Teilhabe am gesellschaftlichen Leben und ein selbstbestimmtes Leben zu ermöglichen.
Gesetzliche Grundlagen der Blindenfürsorge
Sozialgesetzbuch und weitere relevante Gesetze
Die Kernregelungen zur Blindenfürsorge sind im Sozialgesetzbuch (SGB), insbesondere im SGB XII (Sozialhilfe), im SGB IX (Rehabilitation und Teilhabe von Menschen mit Behinderungen) und ergänzend in landesrechtlichen Vorschriften verankert. Ferner finden sich Vorschriften etwa im Bundesteilhabegesetz (BTHG) sowie im Schwerbehindertenrecht.
SGB XII – Hilfe für blinde Menschen
Gemäß §§ 72 ff. SGB XII haben blinde Menschen Anspruch auf besondere Hilfen zur Überwindung behinderungsbedingter Nachteile. Dazu zählen insbesondere die sogenannten Blindenhilfeleistungen, die unabhängig vom Alter, aber in Abhängigkeit von Einkommen und Vermögen gewährt werden.
Landesblindenhilfegesetze
Neben den bundesrechtlichen Regelungen bestehen in den meisten Bundesländern ergänzende Landesblindenhilfegesetze, die spezifische Leistungen, Anspruchsvoraussetzungen und Leistungshöhen regeln. Diese Landesgesetze können dabei über die bundeseinheitlichen Mindeststandards hinausgehen und zusätzliche Hilfen vorsehen.
Weitere Rechtsgrundlagen
Ergänzende Regelungen finden sich im Neunten Buch Sozialgesetzbuch (SGB IX), im Gesetz zur Gleichstellung behinderter Menschen (BGG) sowie im Schwerbehindertengesetz (SchwbG).
Anspruchsvoraussetzungen für die Blindenfürsorge
Definition der Blindheit
Als blind im Sinne der gesetzlichen Regelungen gilt eine Person, deren Sehvermögen auf dem besseren Auge nicht mehr als ein Fünfzigstel (2 %) der normalen Sehschärfe beträgt oder bei der eine gleichzuachtende schwere Störung des Sehvermögens (z.B. Gesichtsfeldausfall) vorliegt. Dies wird in der Regel durch ein ärztliches Gutachten nachgewiesen.
Einkommen und Vermögen
Die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII ist einkommens- und vermögensabhängig. Das heißt, es wird geprüft, welche eigenen Mittel die antragstellende Person zur Bestreitung ihres Lebensunterhalts verwenden kann und inwieweit öffentliche Leistungen erforderlich sind.
Altersunabhängigkeit
Anders als andere sozialhilferechtliche Leistungen kann Blindenhilfe unabhängig vom Alter, aber nicht altersunabhängig im Sinne der Pflegeversicherung, gewährt werden – sofern die weiteren Voraussetzungen, insbesondere Blindheit, gegeben sind.
Leistungen der Blindenfürsorge
Monatliche Blindenhilfe
Im Zentrum der Blindenfürsorge steht die monatliche Blindenhilfe nach § 72 SGB XII oder dem jeweiligen Landesblindengeldgesetz. Die Höhe der Blindenhilfe ist unterschiedlich geregelt: Während das SGB XII bundeseinheitliche Mindeststandards setzt, kann die tatsächliche Zahlung durch das Landesrecht differieren. Die Leistungen sind in der Regel zweckgebunden zur Deckung des behinderungsbedingten Mehrbedarfs (z.B. Assistenz, Hilfsmittel, Mobilität).
Sachleistungen und ergänzende Hilfen
Neben der Geldleistung können im Rahmen der Blindenfürsorge auch Sachleistungen gewährt werden, wie Bereitstellung von Blindentechnikhilfsmitteln (z.B. Bildschirmlesegeräte, Blindensoftware), Schulungen zur Selbstständigkeit, Mobilitätstrainings sowie Assistenzleistungen.
Pflegeleistungen und andere Sozialleistungen
Wichtige Überschneidungen bestehen zu den Leistungen der Pflegeversicherung und zu weiteren Sozialleistungen wie Teilhabeleistungen oder Leistungen zur medizinischen Rehabilitation. Die Blindenfürsorge hat dabei stets Vorrang, sofern der Bedarf spezifisch blindheitsbedingt ist.
Nachrangigkeit und Ausschluss von Mehrfachleistungen
Die Blindenhilfe ist nach dem Nachrangigkeitsprinzip konzipiert. Leistungen anderer Sozialleistungsträger (z.B. Krankenkasse, Pflegekasse, Unfallversicherung) werden auf die Blindenhilfe angerechnet. Eine Doppelförderung ist ausgeschlossen, es sei denn, Landesrecht sieht hiervon abweichende Regelungen vor.
Antrags- und Verwaltungsverfahren
Antragstellung und Zuständigkeit
Die Blindenfürsorge muss in der Regel schriftlich bei der zuständigen Behörde – regelmäßig das Sozialamt oder die nach Landesrecht zuständige Stelle – beantragt werden. Dem Antrag sind Nachweise zur Blindheit, Angaben zum Einkommen und Vermögen sowie gegebenenfalls weitere Unterlagen beizufügen.
Verwaltungsverfahren und Rechtsbehelfe
Blindenhilfe wird auf Antrag bewilligt. Es handelt sich um einen Verwaltungsakt, gegen den bei Ablehnung oder Leistungsverminderung Rechtsbehelfe (Widerspruch, Klage vor dem Sozialgericht) möglich sind.
Überprüfung und Anpassung der Leistungen
Blindenhilfe wird regelmäßig überprüft. Änderungen in der gesundheitlichen Situation oder in den wirtschaftlichen Verhältnissen sind der Behörde unverzüglich mitzuteilen, da sie Auswirkungen auf die Höhe oder den Fortbestand der Leistung haben können.
Datenschutz und Schweigepflicht
Im Rahmen der Blindenfürsorge werden sensible Gesundheitsdaten verarbeitet. Die Behörden sind zur Einhaltung der datenschutzrechtlichen Vorschriften verpflichtet, insbesondere der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) und des Bundesdatenschutzgesetzes (BDSG). Informationen werden ausschließlich zweckgebunden verwendet.
Bedeutung und Ziel der Blindenfürsorge
Die Blindenfürsorge stellt ein zentrales Element des deutschen Sozialrechts dar und trägt zur gesellschaftlichen Inklusion sowie zur Barrierefreiheit und Chancengleichheit blinder Menschen bei. Sie sichert nicht nur die materielle Existenz, sondern fördert auch die Selbstbestimmung, Teilhabe und Selbstständigkeit in allen Lebensbereichen.
Literatur- und Rechtsprechungshinweis:
Weiterführende Informationen finden sich in Kommentaren und Handbüchern zum Sozialrecht sowie einschlägiger höchstrichterlicher Rechtsprechung, beispielsweise zu den Voraussetzungen und zur Berechnung der Leistungen der Blindenfürsorge. Die genaue Ausgestaltung variiert aufgrund der Länderzuständigkeit teils erheblich, weshalb eine Prüfung nach dem jeweils anwendbaren Landesrecht unerlässlich ist.
Dieser Beitrag beleuchtet den Begriff „Blindenfürsorge“ umfassend und in allen relevanten rechtlichen Aspekten und bietet eine praxisnahe wie rechtsdogmatisch fundierte Übersicht für Rechtsanwender, Betroffene und Institutionen.
Häufig gestellte Fragen
Wer hat in Deutschland rechtlichen Anspruch auf Blindenhilfe und nach welchen gesetzlichen Vorschriften richtet sich dieser Anspruch?
Blindenhilfe ist eine besondere Form der Sozialhilfe und steht Menschen zu, die blind im Sinne des Gesetzes sind. Der rechtliche Anspruch ergibt sich aus § 72 des Zwölften Buches Sozialgesetzbuch (SGB XII). Voraussetzung ist, dass die sehbehinderte Person ihren gewöhnlichen Aufenthalt in Deutschland hat, hilfebedürftig nach den Maßgaben des SGB XII ist und nicht nur vorübergehend blind ist. Auch Ausländer, die bestimmte Voraussetzungen nach § 23 SGB XII erfüllen (wie z.B. Aufenthaltsstatus), können anspruchsberechtigt sein. Die Feststellung der Blindheit erfolgt nach § 72 Abs. 5 SGB XII i. V. m. § 1 Abs. 2 der Verordnung zur Durchführung des § 72 SGB XII (Blindenhilfe-Verordnung). Blinde im Sinne des Gesetzes sind Personen, deren Sehschärfe auf keinem Auge und auch nicht bei beidäugiger Prüfung mehr als 1/50 beträgt oder bei denen eine gleich schwere Störung des Sehvermögens vorliegt.
Wie wird die Bedürftigkeit beim Anspruch auf Blindenhilfe rechtlich geprüft?
Die Bedürftigkeit wird bei der Blindenhilfe nach dem Einkommen und Vermögen des Antragstellers sowie seines Partners anhand der Vorschriften des SGB XII geprüft. Maßgeblich sind dabei die §§ 19 bis 27 SGB XII. Das verfügbare Einkommen sowie das einzusetzende Vermögen (unter Berücksichtigung der jeweiligen Freibeträge und Schonvermögen z.B. nach § 90 SGB XII) werden berechnet und auf die Blindenhilfe angerechnet. Einkommensarten wie Renten, Krankengeld, Einkünfte aus Vermietung, Unterhaltsleistungen und bereits erhaltene Sozialleistungen sind anzugeben und werden geprüft. Nicht als Einkommen berücksichtigt werden u.a. das Pflegegeld der Pflegeversicherung sowie das Blindengeld nach den Landesblindengeldgesetzen, da es sich hierbei um zweckbestimmte Leistungen handelt.
Wie stehen Blindengeld und Blindenhilfe rechtlich zueinander?
Das Blindengeld, das nach Landesblindengeldgesetzen gezahlt wird, und die Blindenhilfe nach § 72 SGB XII sind rechtlich voneinander unabhängige Leistungen, die jeweils andere Zwecke und Anspruchsgrundlagen haben. Blindengeld ist eine einkommens- und vermögensunabhängige Leistung der Länder, die zum Ausgleich der blindheitsbedingten Mehrkosten gezahlt wird, während die Blindenhilfe eine bedarfsorientierte Sozialhilfeleistung ist, die an die Bedürftigkeit geknüpft ist. Allerdings schreibt § 72 Abs. 2 SGB XII vor, dass auf die Blindenhilfe Leistungen nach den Landesblindengeldgesetzen bis zur Höhe des Blindengeldes angerechnet werden. Die Blindenhilfe wird also nur insoweit gezahlt, als sie nach Abzug des Blindengeldes noch einen Mehrbedarf abdeckt.
Welche Rechtsmittel können im Falle der Ablehnung eines Antrags auf Blindenhilfe eingelegt werden?
Wird ein Antrag auf Blindenhilfe abgelehnt oder wird die Leistung in einer geringeren als der beantragten Höhe bewilligt, steht dem Antragsteller der Rechtsweg offen. Zunächst kann innerhalb eines Monats nach Bekanntgabe des Verwaltungsakts ein schriftlicher, elektronischer oder zur Niederschrift erklärter Widerspruch bei der zuständigen Behörde eingelegt werden (§ 84 SGG). Ergeht hierzu ein Widerspruchsbescheid, kann innerhalb eines Monats nach Zustellung des Bescheids Klage beim zuständigen Sozialgericht erhoben werden (§ 87 SGG). Während des Widerspruchsverfahrens und des Klageverfahrens ist die aufschiebende Wirkung zu beachten, das heißt, die Behörde kann die Auszahlung bis zu einer Entscheidung aussetzen (§ 86a SGG), es sei denn, dringende Gründe sprechen dagegen.
Bei welcher Behörde ist die Blindenhilfe zu beantragen und welche Unterlagen sind vorzulegen?
Die Blindenhilfe ist beim örtlichen Träger der Sozialhilfe zu beantragen, in der Regel beim Sozialamt des Wohnortes. In einigen Bundesländern kann das Landesamt für Soziales zuständig sein. Dem Antrag beizufügen sind ein aktuelles augenärztliches Gutachten, das die Voraussetzungen einer Blindheit im Sinne der rechtlichen Vorschriften bestätigt, ein Identitätsnachweis (z.B. Personalausweis), Nachweise über Einkommen und Vermögen aller im Haushalt lebenden Personen, sowie gegebenenfalls aktuelle Bescheide über bereits gezahltes Blindengeld oder andere relevante Sozialleistungen. Die genaue Aufzählung der Unterlagen kann sich nach den Anforderungen des jeweiligen Trägers richten und sollte im Einzelfall erfragt werden.
Welche Pflichten bestehen für den Empfänger von Blindenhilfe im Rahmen der Mitwirkung und Anzeige?
Nach den §§ 60 ff. SGB I trifft den Antragsteller und Empfänger von Blindenhilfe die gesetzliche Pflicht, alle Tatsachen, die für die Leistung erheblich sind, vollständig und wahrheitsgemäß anzugeben. Dies umfasst insbesondere Änderungen der Einkommens- und Vermögensverhältnisse, den Wechsel des Wohnsitzes, eine Verbesserung des Gesundheitszustands (z.B. bei medizinischer Besserung) und den Erhalt weiterer Sozialleistungen. Verstöße gegen die Mitwirkungspflicht, also verspätete oder unterlassene Mitteilungen, können zur Einstellung der Leistung, zur Rückforderung zu Unrecht erhaltener Beträge und schlimmstenfalls zu strafrechtlichen Konsequenzen (z.B. Sozialbetrug gemäß § 263 StGB) führen.
Gibt es Einschränkungen oder Besonderheiten bei der Blindenhilfe für Minderjährige oder Pflegebedürftige?
Im Rahmen des § 72 SGB XII wird die Blindenhilfe unabhängig vom Alter gewährt, allerdings existiert für minderjährige Blinde häufig eine Anrechnung von Leistungen aus der Pflegeversicherung. Hier sieht § 72 Abs. 3 SGB XII eine Kürzung der Blindenhilfe entsprechend dem Pflegegeld vor, das für die Pflegegrade 2 bis 5 gezahlt wird. Die Blindenhilfe wird insoweit gekürzt, wie ein Anspruch auf Pflegegeld nach SGB XI besteht. Für erwachsene pflegebedürftige Blinde gilt nach § 72 Abs. 3 SGB XII, dass die Kombinationsmöglichkeiten bzw. Anrechnungsverpflichtungen zu prüfen sind, sodass eine Überkompensation der Leistungen ausgeschlossen wird. Ziel ist es, Überschneidungen und Doppelleistungen zu vermeiden und den individuellen Mehrbedarf sachgerecht auszugleichen.