Blaue Karte EU
Die Blaue Karte EU (englisch: EU Blue Card) ist ein Aufenthaltstitel, der auf unionsrechtlichen Vorgaben basiert und qualifizierten Drittstaatsangehörigen, also Personen aus Nicht-EU-Staaten, den rechtmäßigen Aufenthalt sowie die Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung in der Europäischen Union ermöglicht. Die Blaue Karte EU wurde 2009 durch die Richtlinie 2009/50/EG des Rates ins Leben gerufen, um die Wettbewerbsfähigkeit der EU im internationalen Vergleich zu stärken und dem bestehenden Fachkräftemangel in bestimmten Sektoren gezielt entgegenzuwirken.
1. Rechtsgrundlagen
1.1. Europäische Union
Die wesentliche europarechtliche Grundlage bietet die Richtlinie 2009/50/EG vom 25. Mai 2009 „zur Regelung der Bedingungen für die Einreise und den Aufenthalt von Drittstaatsangehörigen zur Ausübung einer hochqualifizierten Beschäftigung“. Diese Richtlinie harmonisiert die Bedingungen, unter denen Drittstaatsangehörige eine Aufenthaltsgenehmigung für eine Beschäftigung in einem Mitgliedstaat der EU erhalten können. Seit Juni 2021 existiert eine Neufassung: die Richtlinie (EU) 2021/1883 vom 20. Oktober 2021, die eine Anpassung und Flexibilisierung der gesetzlichen Vorgaben vornahm.
1.2. Umsetzung im nationalen Recht
Die Mitgliedstaaten der EU (außer Dänemark und Irland, die opt-out-Entscheidungen getroffen haben) sind verpflichtet, die Richtlinie in nationales Recht zu überführen. In Deutschland geschah dies insbesondere durch die Einführung von § 18b Abs. 2 und § 19a Aufenthaltsgesetz (AufenthG) sowie im Aufenthaltsgesetz insgesamt. Weitere Regelungen finden sich in der Beschäftigungsverordnung (BeschV).
2. Voraussetzungen für die Erteilung der Blauen Karte EU
2.1. Allgemeine Erteilungsvoraussetzungen
Um eine Blaue Karte EU zu erhalten, müssen Drittstaatsangehörige vor allem folgende Voraussetzungen erfüllen:
- Abschluss eines Hochschulstudiums: Ein in Deutschland anerkannter oder vergleichbarer ausländischer Hochschulabschluss ist nachzuweisen. In Einzelfällen reicht ausreichend Berufserfahrung auf vergleichbarem Niveau, abhängig vom nationalen Recht des aufnehmenden Staates, aus.
- Arbeitsvertrag oder verbindliches Angebot: Es muss ein Arbeitsvertrag oder ein verbindliches Arbeitsplatzangebot mit einer Laufzeit von mindestens sechs Monaten vorliegen.
- Mindestgehaltsschwelle: Das Bruttojahresgehalt des Arbeitsplatzangebots muss eine jährlich festgelegte Mindestgehaltsschwelle überschreiten, die regelmäßig angepasst wird. In Deutschland beträgt diese für 2024 beispielsweise 45.300 Euro (allgemein) und 41.041,80 Euro in sogenannten Mangelberufen (§ 2 Abs. 1 BeschV).
- Arbeitsplatz entspricht Qualifikation: Die angestrebte Tätigkeit muss der Qualifikation des Antragstellers entsprechen.
- Weitere Voraussetzungen: Es dürfen keine Ausschlussgründe gemäß allgemeinem Aufenthaltsrecht vorliegen (z.B. kein Einreise- oder Aufenthaltsverbot, keine Gefährdung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung).
2.2. Sonderregelungen für Engpassberufe
Für bestimmte Engpassberufe, beispielsweise aus den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften, Technik und Humanmedizin (sogenannte MINT-Berufe), sowie für IT-Spezialisten gelten teils abgesenkte Gehaltsschwellen und ggf. andere Anerkennungsregelungen.
3. Verfahren zur Beantragung
3.1. Antragsstellung
Der Antrag auf Erteilung der Blauen Karte EU ist grundsätzlich vor der Einreise bei der zuständigen Auslandsvertretung des Mitgliedstaates einzureichen. In einigen Mitgliedstaaten ist jedoch auch eine Antragstellung nach der Einreise möglich, beispielsweise für Inhaber eines anderen Aufenthaltstitels.
3.2. Zuständige Behörden
In Deutschland obliegt die Bearbeitung dem Ausländeramt bzw. der Ausländerbehörde des Wohnortes. Nach erfolgreicher Prüfung der Unterlagen und Erfüllung aller Voraussetzungen wird die Blaue Karte EU als Aufenthaltstitel ausgestellt.
4. Rechte und Pflichten von Inhabern der Blauen Karte EU
4.1. Aufenthaltsdauer und Verlängerung
Die Blaue Karte EU wird mindestens für die Dauer des Arbeitsvertrages plus drei weitere Monate, maximal jedoch für vier Jahre ausgestellt. Sie kann verlängert werden, sofern weiterhin die Voraussetzungen erfüllt werden.
4.2. Familiennachzug
Ehegatten und minderjährige Kinder von Inhabern der Blauen Karte EU genießen vereinfachte Bedingungen für den Nachzug, beispielsweise den Wegfall von Sprachnachweisen. Auch ein Erwerbstätigkeitsrecht für Ehegatten ist regelmäßig vorgesehen.
4.3. Arbeitsmarktzugang
Die Blaue Karte EU ist an einen konkreten Arbeitsplatz gebunden. Ein Wechsel des Arbeitsplatzes erfordert in der Regel eine Genehmigung der Ausländerbehörde in den ersten zwei Jahren. Danach ist ein Arbeitgeberwechsel ohne zusätzliche Erlaubnis möglich.
4.4. Erwerb eines Daueraufenthaltsrechts
Nach 33 Monaten Beschäftigung und Nachweis von einfachen Sprachkenntnissen (Niveau A1) oder bereits nach 21 Monaten sowie Nachweis von Sprachkenntnissen der Stufe B1 kann ein unbefristeter Aufenthaltstitel („Niederlassungserlaubnis“ bzw. Daueraufenthalt-EU) beantragt werden (§ 18c Abs. 2 AufenthG in Deutschland).
4.5. Wechsel innerhalb der EU (Mobilität)
Inhaber einer Blauen Karte EU aus einem anderen Mitgliedstaat können nach bestimmten Vorgaben in einen anderen Mitgliedstaat der EU umsiedeln und erneut eine Blaue Karte EU beantragen. Die 2021 verabschiedete Überarbeitung der EU-Richtlinie erleichtert diese Mobilität.
5. Rechtsstellung und Schutzrechte
5.1. Gleichbehandlung
Blaue Karte EU-Inhaber haben Anspruch auf Gleichbehandlung mit Staatsangehörigen des Aufnahmestaates bezüglich Arbeitsbedingungen, Gehalt, Bildung und Anerkennung ausländischer Qualifikationen. Auch der Zugang zu Sozialversicherungen und Rentenleistungen ist grundsätzlich gedeckt.
5.2. Rechtsmittel und Schutz bei Verlust der Beschäftigung
Bei Verlust des Arbeitsplatzes besteht in der Regel ein Aufenthaltsrecht für mindestens drei Monate zur Arbeitsplatzsuche. In dieser Zeit kann ein neuer, qualifizierter Arbeitsplatz angenommen werden.
6. Verhältnis zu anderen Aufenthaltstiteln
Die Blaue Karte EU steht im Wettbewerb zu anderen Aufenthaltstiteln für Erwerbstätige, etwa der ICT-Karte für unternehmensintern Transferierte oder der ICT-Mobilitätskarte sowie anders geregelten nationalen Aufenthaltstiteln für Fachkräfte. Im Fall von Parallelberechtigungen gelten Vorrangregeln gemäß den jeweiligen Rechtsgrundlagen.
7. Sonstige Besonderheiten und aktuelle Entwicklungen
Mit der Überarbeitung der EU-Richtlinie (EU) 2021/1883 wurden die Zugangsbedingungen weiter flexibilisiert, die Mindestgehaltsgrenzen in Teilen gesenkt sowie die Mobilität innerhalb der EU für Blaue Karte-Inhaber erleichtert. Die Umsetzung dieser Neuerungen in den Mitgliedstaaten sorgt für eine stärkere Harmonisierung und Attraktivität des Instruments.
Quellen und weiterführende Literatur
- Richtlinie 2009/50/EG des Rates (EU Blue Card)
- Richtlinie (EU) 2021/1883
- AufenthG – Aufenthaltsgesetz, insbesondere § 18b Abs. 2 und § 19a AufenthG
- BeschV – Beschäftigungsverordnung
Hinweis: Die Beschreibung bezieht sich auf den Stand der Rechtslage in Deutschland und der Europäischen Union bis Juni 2024. Anpassungen infolge gesetzlicher Entwicklungen sind möglich.
Häufig gestellte Fragen
Welche Voraussetzungen müssen für die Beantragung der Blauen Karte EU erfüllt sein?
Um eine Blaue Karte EU beantragen zu können, müssen Drittstaatsangehörige eine Reihe gesetzlich geregelter Voraussetzungen nach § 18b Abs. 2 AufenthG erfüllen. Es ist zwingend erforderlich, dass ein abgeschlossenes Hochschulstudium oder ein vergleichbarer Abschluss vorliegt, der in Deutschland anerkannt wird oder in Deutschland vergleichbar ist. Alternativ genügt eine in Deutschland anerkannte Qualifikation, die mit einem Hochschulabschluss gleichwertig ist, sofern die betreffende Position für Akademiker zugelassen ist. Zudem muss ein konkretes Arbeitsplatzangebot eines deutschen Arbeitgebers vorliegen, das den Abschluss voraussetzt. Wesentlich ist auch, dass das Bruttojahresgehalt eine gesetzlich festgelegte Mindestgrenze überschreitet, wobei für sogenannte Mangelberufe (z. B. Ingenieure, IT-Fachkräfte, Ärzte) reduzierte Gehaltsgrenzen gelten. Die arbeitsvertraglichen Bedingungen müssen den inländischen Beschäftigungsverhältnissen vergleichbar sein. Die Bundesagentur für Arbeit muss der Erteilung zustimmen, sofern das Gehalt unter einer festgelegten Schwelle liegt, bei Überschreiten ist keine Zustimmung notwendig.
Wie lange ist die Blaue Karte EU gültig und gibt es Möglichkeiten der Verlängerung?
Die Blaue Karte EU wird in Deutschland gemäß § 18b Abs. 2 AufenthG grundsätzlich für die Dauer des Arbeitsvertrages zuzüglich bis zu drei Monate, maximal jedoch für vier Jahre, erteilt. Ist das Arbeitsverhältnis kürzer befristet, bemisst sich die Gültigkeitsdauer nach der Vertragslaufzeit zuzüglich dreier Monate. Eine Verlängerung ist möglich, sofern die Voraussetzungen weiterhin erfüllt werden, insbesondere die Beschäftigung in einem dem Abschluss adäquaten Beruf mit entsprechendem Mindestgehalt. Die Verlängerung erfolgt auf Antrag und es sind jeweils aktuelle Nachweise über den Arbeitsplatz und das Gehalt beizubringen. Ein Wechsel zu einer Niederlassungserlaubnis ist im gesetzlich geregelten Rahmen nach 33 Monaten möglich, bei Nachweis ausreichender Deutschkenntnisse bereits nach 21 Monaten.
Unter welchen Bedingungen ist ein Arbeitgeberwechsel während der Gültigkeit der Blauen Karte EU möglich?
Während der ersten zwei Jahre der Beschäftigung mit einer Blauen Karte EU bedarf gemäß § 18b Abs. 2 Satz 7 AufenthG ein Arbeitgeberwechsel oder jede wesentliche Änderung der Beschäftigungsbedingungen der Zustimmung der Ausländerbehörde. Das bedeutet, dass der Inhaber der Blauen Karte EU bzw. der neue Arbeitgeber die Zustimmung der zuständigen Ausländerbehörde einholen muss, bevor eine neue Beschäftigung aufgenommen werden kann. Nach Ablauf von zwei Jahren entfällt diese Zustimmungspflicht, sofern weiterhin sämtliche Voraussetzungen für die Blaue Karte, insbesondere der berufliche Bezug und das Mindestgehalt, erfüllt sind.
Welche Rechte und Pflichten ergeben sich aus dem Besitz der Blauen Karte EU?
Der Besitz der Blauen Karte EU gewährt dem Inhaber ein Aufenthaltsrecht zum Zwecke der qualifizierten Beschäftigung in Deutschland, verbunden mit der Erlaubnis, die betreffende Tätigkeit aufzunehmen. Familienangehörige (Ehegatten und minderjährige Kinder) können im Rahmen des Familiennachzugs mitziehen und erhalten grundsätzlich eine Aufenthaltserlaubnis mit Zugang zum Arbeitsmarkt sowie zur Bildung. Inhaber sind verpflichtet, Änderungen ihrer Beschäftigung oder sonstige wesentliche Veränderungen unverzüglich der Ausländerbehörde anzuzeigen. Es besteht zudem die Pflicht, bei Ablauf des Arbeitsverhältnisses die Ausländerbehörde zu informieren. Die Blaue Karte EU kann widerrufen werden, wenn die Voraussetzungen nicht mehr vorliegen (z.B. bei längerer Arbeitslosigkeit).
Ist die Mobilität innerhalb der EU mit der Blauen Karte EU möglich und an welche Regeln ist sie geknüpft?
Die Blaue Karte EU sieht eine Mobilitätsregelung gemäß Art. 18 und 19 der EU-Richtlinie 2009/50/EG (bzw. inzwischen RL (EU) 2021/1883) und §§ 18g, 20a AufenthG vor. Inhaber einer Blauen Karte EU, die mindestens 12 Monate in einem EU-Mitgliedstaat rechtmäßig beschäftigt waren, können ohne Visum in einen anderen EU-Staat einreisen, um dort ebenfalls eine Blaue Karte EU zu beantragen. Innerhalb weniger Monate muss dafür der Antrag gestellt werden, und die jeweilige nationale Rechtslage ist zu beachten. Während der Bearbeitung des Antrags kann die Arbeitsaufnahme oft schon erfolgen, jedoch ist dies von den Regeln des Ziellandes abhängig. Aufenthalte in anderen EU-Staaten zu Studien- oder Forschungszwecken sowie für kurzfristige Geschäftsreisen sind unter bestimmten Voraussetzungen ebenfalls möglich, aber gesondert geregelt.
Welche Folgen hat ein Verlust des Arbeitsplatzes für Inhaber der Blauen Karte EU?
Verliert ein Inhaber der Blauen Karte EU seinen Arbeitsplatz während der Gültigkeitsdauer, bleibt die Aufenthaltserlaubnis zunächst bestehen. Gemäß § 19f Abs. 6 AufenthG ist allerdings die Ausländerbehörde unverzüglich zu informieren. In der Regel gewährt die Ausländerbehörde eine Frist von mindestens drei Monaten, innerhalb derer eine neue Beschäftigung gesucht werden kann; die Maximalfrist beträgt sechs Monate. Findet der Betroffene in diesem Zeitraum eine neue, den Voraussetzungen entsprechende Beschäftigung, kann die Blaue Karte EU erhalten bzw. aktualisiert werden. Gelingt dies nicht, ist in der Regel mit einer Ausweisung bzw. dem Widerruf der Aufenthaltserlaubnis zu rechnen.
Inwiefern dürfen Familienangehörige nachziehen und welche Rechte haben sie?
Ehegatten und minderjährige ledige Kinder von Inhabern einer Blauen Karte EU können grundsätzlich einen Aufenthaltstitel zum Familiennachzug erhalten, ohne dass ein Nachweis über ausreichende Kenntnisse der deutschen Sprache erforderlich ist (§ 30 Abs. 1 Satz 3 Nr. 5 AufenthG). Für Ehepartner besteht ein uneingeschränkter Zugang zum Arbeitsmarkt und ein Recht auf Aufnahme einer selbständigen oder unselbständigen Erwerbstätigkeit. Auch beim Wechsel des Aufenthaltsstatus oder bei Erlangung einer Niederlassungserlaubnis gelten für die nachgezogenen Familienangehörigen in der Regel erleichterte Bedingungen, sofern der Nachzug während des Besitzes der Blauen Karte erfolgt ist.