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Biotechnologische Erfindungen


Begriff und Einführung: Biotechnologische Erfindungen

Biotechnologische Erfindungen sind Innovationen aus dem Bereich der Biotechnologie, die einen technischen Charakter aufweisen und neuartige Verfahren, Produkte oder Substanzen aus biologischem Ausgangsmaterial betreffen. Im rechtlichen Kontext umfasst der Begriff die spezifische Anwendung biologischer Prozesse und Systeme zur Lösung technischer Aufgaben, insbesondere im Zusammenhang mit Patenten und geistigem Eigentum. Biotechnologische Erfindungen spielen eine zentrale Rolle in den Bereichen Medizin, Pharmazie, Landwirtschaft und Umwelttechnologie.


Rechtliche Rahmenbedingungen für biotechnologische Erfindungen

Patentrechtlicher Schutz biotechnologischer Erfindungen

Allgemeine Anforderungen

Nach dem deutschen Patentgesetz (§ 1 Patentgesetz, PatG) sowie im europäischen Kontext (Art. 52 ff. Europäisches Patentübereinkommen, EPÜ) können biotechnologische Erfindungen grundsätzlich schutzfähig sein, wenn sie folgende Voraussetzungen erfüllen:

  • Neuheit: Die Erfindung darf nicht zum Stand der Technik gehören.
  • Erfinderische Tätigkeit: Die Erfindung muss sich für einen Fachkundigen nicht in naheliegender Weise aus dem Stand der Technik ergeben.
  • Gewerbliche Anwendbarkeit: Die Erfindung muss in irgendeinem gewerblichen Bereich hergestellt oder verwendet werden können.

Besondere Regelungen des Patentrechts

Mit der EU-Richtlinie 98/44/EG („Biotechnologierichtlinie“) und ihrer Umsetzung in deutsches Recht (§§ 1a bis 1c PatG) wurde der spezielle Rechtsrahmen für biotechnologische Erfindungen geschaffen. Danach sind insbesondere folgende Aspekte zu berücksichtigen:

  • Patentierbar sind mikrobiologische oder sonstige technische Verfahren und daraus gewonnene Erzeugnisse sowie gentechnisch veränderte Organismen.
  • Auch ein isoliertes oder durch ein technisches Verfahren vom menschlichen oder tierischen Körper getrennter Bestandteil, einschließlich die Sequenz oder Teilsequenz eines Gens, kann patentierbar sein, wenn die industrielle Anwendbarkeit nachgewiesen ist.
  • Veränderungen am menschlichen Körper auf den embryonalen Entwicklungsstufen einschließlich der Keimbahn sind grundsätzlich vom Patentschutz ausgeschlossen.

Nicht patentierbare biotechnologische Erfindungen

Gemäß § 2a PatG und Art. 53 EPÜ sind bestimmte biotechnologische Verfahren nicht patentfähig. Diese betreffen insbesondere:

  • Verfahren zur Klonung von Menschen.
  • Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität der Keimbahn des Menschen.
  • Verwendung menschlicher Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken.
  • Verfahren zur Veränderung der genetischen Identität von Tieren, die erhebliche Leiden verursachen, ohne dass ein erheblicher medizinischer Nutzen gegeben ist.
  • Pflanzensorten oder Tierrassen sowie im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen und Tieren (mit Ausnahme mikrobiologischer Verfahren).

Umgang mit biologischem Material und Gensequenzen

Die Patentierung von Erfindungen, die biologische Materialien oder Gensequenzen betreffen, ist mit besonderen rechtlichen Anforderungen versehen. Für den Patentschutz muss nachgewiesen werden, wie das Material gewonnen und wie es technisch verwertet wird. Zudem sind die Ansprüche bezüglich der Funktion und technischen Wirkung der isolierten Sequenz eindeutig zu definieren. Reine Entdeckungen, beispielsweise die bloße Identifikation einer natürlichen Gensequenz ohne technische Anwendung, sind nicht patentierbar.


Internationale Regelungen und Abgrenzungen

Biotechnologische Erfindungen im internationalen Patentrecht

Zahlreiche Staaten orientieren sich bei der Ausgestaltung ihres Biopatentrechts an den Vorgaben des TRIPS-Abkommens (Trade-Related Aspects of Intellectual Property Rights). Demnach müssen WTO-Mitgliedstaaten grundsätzlich Schutz für biotechnologische Erfindungen vorsehen, wobei Ausnahmen u.a. für Pflanzen und Tiere erlaubt sind, sofern Pflanzensorten durch ein besonderes Sortenschutzsystem geschützt werden.

Abgrenzung zu nicht-technischen „Entdeckungen“

Im Unterschied zur rein wissenschaftlichen Entdeckung (etwa das Auffinden eines Naturstoffs oder Gens) ist nur die technische Nutzbarmachung dieser Entdeckung als Erfindung patentfähig. Die Anwendbarkeit im Sinne einer technischen Lehre ist hierbei maßgeblich für die Einordnung als biotechnologische Erfindung.


Weitere rechtliche Aspekte biotechnologischer Erfindungen

Umgang mit ethischen und moralischen Grenzen

Biotechnologische Patente unterliegen besonderen ethischen und moralischen Prüfungen. Nach deutschem und europäischem Patentrecht gelten Erfindungen als nicht patentierbar, wenn ihre Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstößt. Dabei finden international unterschiedlich gewichtete ethische Bewertungen Berücksichtigung, beispielsweise bei der Patentierung von Stammzellen oder bei der Anwendung von CRISPR-Technologien.

Schutzumfang und Schranken des Patents

Ein erteiltes Patent gewährt das ausschließliche Recht, die jeweilige biotechnologische Erfindung herzustellen, zu verwenden und zu vermarkten (§ 9 PatG, Art. 64 EPÜ). Gleichzeitig existieren Beschränkungen durch Zwangslizenzen, Erschöpfungsgrundsatz und gesetzlich normierte Ausnahmen, etwa für die wissenschaftliche Forschung (§§ 11 Nr. 2 und 2a PatG).

Verhältnis zu anderen Schutzrechten

Neben dem Patentschutz kann biotechnologisches Wissen auch durch andere Schutzrechte wie Sortenschutz (Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz), Gebrauchsmusterrecht sowie durch das ergänzende Schutzzertifikat für Arzneimittel und Pflanzenschutzmittel geschützt werden.


Praxisbeispiele und Rechtsprechung

Bedeutende Entscheidungen

Gerichtsentscheidungen, insbesondere des Europäischen Patentamts und des Bundesgerichtshofs, präzisieren immer wieder die Auslegung patentrechtlicher Vorschriften für biotechnologische Erfindungen. Maßgebliche Rechtsprechung bezieht sich dabei unter anderem auf den Schutzumfang von Gensequenzen, die Zulässigkeit von Patenten auf Stammzellen sowie auf die Abgrenzung patentierbarer biotechnologischer Verfahren.


Zusammenfassung

Biotechnologische Erfindungen bilden einen rechtsintensiven Bereich, in dem technologischer Fortschritt, ethisches Empfinden und rechtliche Regelungen eng miteinander verbunden sind. Der Schutz solcher Erfindungen erfolgt überwiegend über das Patentrecht, das durch nationale, europäische und internationale Normen geprägt wird. Wesentliche Voraussetzungen sind die Neuheit, eine erfinderische Tätigkeit und die industrielle Anwendbarkeit. Besondere Ausnahmen und Schranken sind zum Schutz von öffentlichem Interesse, ethischen Grundsätzen und der freien Forschung implementiert.


Literatur und weiterführende Rechtsquellen

  • Europäisches Patentübereinkommen (EPÜ)
  • Europäische Biotechnologie-Richtlinie 98/44/EG
  • Patentgesetz (PatG)
  • TRIPS-Abkommen der WTO
  • Verordnung (EG) Nr. 2100/94 über den gemeinschaftlichen Sortenschutz
  • Rechtsprechung des Europäischen Patentamts
  • Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs

Hinweis: Dieser Artikel bietet eine ausführliche rechtliche Übersicht zum Thema biotechnologische Erfindungen und deren Schutzmöglichkeiten, ersetzt jedoch keine individuelle Rechtsberatung.

Häufig gestellte Fragen

Was sind die Voraussetzungen für die Patentierbarkeit biotechnologischer Erfindungen?

Biotechnologische Erfindungen sind grundsätzlich patentierbar, sofern sie die allgemeinen Patentierungsvoraussetzungen wie Neuheit, erfinderische Tätigkeit und gewerbliche Anwendbarkeit erfüllen. Darüber hinaus bestehen im Patentrecht, insbesondere im deutschen und europäischen Kontext, zusätzliche spezifische Anforderungen. Biotechnologische Erfindungen dürfen beispielsweise nicht gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen (vgl. § 2 Patentgesetz, Art. 53 EMRK). Nicht patentierbar sind Entdeckungen, wie z. B. das bloße Auffinden natürlich vorkommender Gene oder Proteine ohne technische Neuheit. Erfindungen, die sich auf Pflanzen- oder Tierrassen sowie auf im Wesentlichen biologische Verfahren zur Züchtung von Pflanzen oder Tieren beziehen, sind vom Patentschutz ausgenommen (§ 2a PatG, Art. 53 b) EPÜ), wohingegen mikrobiologische Verfahren patentierbar sein können. Ebenso verlangt die Biopatentrichtlinie (Richtlinie 98/44/EG), dass eine ausreichende Offenbarung vorliegt, sodass die technische Lehre für den Fachmann umsetzbar ist. Besonders im biotechnologischen Bereich ist der Einreichung einer biologischen Materialprobe, insbesondere bei hinterlegungsfähigem Material, eine hohe Bedeutung beizumessen.

Inwieweit sind menschliche Gene und genetische Sequenzen patentierbar?

Grundsätzlich sind einzelne menschliche Gene oder Gensequenzen als solche gemäß § 1 Abs. 2 a) PatG sowie nach der Biopatentrichtlinie und deren Umsetzung ins deutsche Recht nicht patentierbar, sofern lediglich ihre Entdeckung beansprucht wird. Patentfähig sind jedoch genetische Sequenzen, sofern sie eine praktische, gewerbliche Anwendung aufweisen und technisch ausreichend beschrieben sind, z. B. Verwendung einer Gensequenz zur Herstellung eines bestimmten Proteins mittels eines technischen Prozesses. Ein isoliertes Genfragment kann also patentiert werden, wenn seine Funktion konkret beschrieben und eine technische Anwendung dargelegt wird. Rein diagnostische, therapeutische oder chirurgische Verfahren am menschlichen oder tierischen Körper bleiben hingegen vom Patentschutz ausgeschlossen. Zudem dürfen Patente auf Sequenzen nicht den gesamten natürlichen Funktionsumfang monopolisieren, sondern nur die spezifisch beschriebene Funktion und Anwendung.

Welche Schutzmöglichkeiten gibt es alternativ zum Patent für biotechnologische Erfindungen?

Neben dem Patentschutz stehen Schutzmöglichkeiten wie der Gebrauchsmusterschutz zur Verfügung, wenngleich dieser in Deutschland für Verfahren ausgeschlossen ist und daher bei vielen biotechnologischen Prozessen nicht greift. Das Sortenschutzrecht gemäß Sortenschutzgesetz ist insbesondere für neue Pflanzensorten von Bedeutung und schließt sich regelmäßig an biotechnologische Entwicklungen in der Pflanzenzüchtung an. Zum Schutz von Betriebsgeheimnissen, insbesondere sofern eine Offenlegung im Patentverfahren nicht gewünscht wird, kann das Know-how durch Geheimhaltungsvereinbarungen und nach dem Geschäftsgeheimnisgesetz (GeschGehG) abgesichert werden. Außerdem können spezielle Vertragsgestaltungen, wie Material Transfer Agreements (MTAs), zum Schutz biotechnologischer Materialien genutzt werden. Urheberrechte sind dagegen nur in Ausnahmefällen (z. B. bei Software zur Auswertung biotechnologischer Verfahren) einschlägig.

Gibt es ethische Grenzen bei der Patentierung biotechnologischer Erfindungen?

Ja, ethische Grenzen sind im biotechnologischen Patentrecht von zentraler Bedeutung. Gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 1 PatG sowie Art. 53 a) EPÜ sind Erfindungen von der Patentierung ausgeschlossen, deren Verwertung gegen die öffentliche Ordnung oder die guten Sitten verstoßen würde. Dies gilt insbesondere für Verfahren des Klonens von Menschen, die Verwendung von menschlichen Embryonen zu industriellen oder kommerziellen Zwecken sowie für Änderungen des genetischen Erbmaterials der Keimbahn des Menschen (§ 2a Abs. 1 und 2 PatG). Weiterhin ist gemäß Biopatentrichtlinie die Patentierung von Verfahren verboten, deren Zweck ausschließlich darin besteht, das Geschlecht von Tieren zu verändern oder Tiere und Pflanzen zu erzeugen, in denen Leiden ohne wesentlichen medizinischen Nutzen zwecks Verbesserung von Menschen, Tieren oder Pflanzen verursacht werden.

Wie wird der Schutzumfang eines Patents auf biotechnologische Erfindungen bestimmt?

Der Schutzumfang eines biotechnologischen Patents ergibt sich primär aus den Patentansprüchen, also den in der Patentanmeldung definierten, rechtlich maßgeblichen Schutzbereichen. Im biotechnologischen Bereich ist insbesondere die Reichweite von Stoffschutzansprüchen (z. B. auf isolierte DNA-Sequenzen oder Proteine) sowie Verfahrensschutzansprüchen relevant. Dabei erstreckt sich der Stoffschutz auch auf alle Erzeugnisse, die durch das geschützte Verfahren direkt hergestellt wurden (§ 9a PatG). Für patenteinschlägige Erfindungen an mikrobiologischen Materialien ist zudem zu beachten, dass der Schutzumfang auch die von Nachzucht und Nachvermehrung erfassten Generationen abdecken kann. Die genaue Auslegung basiert auf nationaler Rechtsprechung und europäischen Rechtsakten, insbesondere dem Protokoll zur Auslegung von Art. 69 EPÜ. Einschränkend wirken etwa zwingende Schrankenregelungen, z. B. die Ausnahmeregelung für Züchter im Pflanzenschutzrecht.

Welche Offenlegungspflichten bestehen im Rahmen der Anmeldung biotechnologischer Patente?

Die Erfindung muss so deutlich und vollständig offenbart werden, dass ein Fachmann sie ausführen kann (vgl. § 34 Abs. 4 PatG, Art. 83 EPÜ). Bei biotechnologischen Erfindungen ist diese Anforderung oft nur zu erfüllen, wenn das biologische Material zum Anmeldetag nicht allgemein zugänglich ist und es sich nicht anders beschreiben lässt. In diesem Fall muss das Material gemäß dem Budapester Vertrag bei einer anerkannten Hinterlegungsstelle (z. B. DSMZ, ATCC) hinterlegt werden. Die Hinterlegungsnummer sowie alle relevanten Angaben zur Nachzucht und Handhabung sind in der Anmeldung zu nennen. Diese Offenlegungspflichten gewährleisten im Gegenzug zum Monopolrecht des Patents die Weiterentwicklung und Nutzung ähnlicher Technologien durch andere nach Ablauf des Patents.

Was gilt bei biotechnologischen Erfindungen im internationalen Kontext?

Im internationalen Kontext sind die Vorschriften des Übereinkommens über handelsbezogene Aspekte der Rechte des geistigen Eigentums (TRIPS), die Biopatentrichtlinie (98/44/EG) und das Europäische Patentübereinkommen (EPÜ) maßgeblich. Diese Instrumente sorgen für eine weitgehende Harmonisierung der Voraussetzungen und des Schutzumfangs in den Mitgliedstaaten, bringen aber auch Besonderheiten mit sich: Beispielsweise können nationale Gesetze in ethisch sensiblen Bereichen, wie der Embryonenforschung, strengere Einschränkungen vorsehen. Für Anmeldungen mit Wirkung in mehreren Staaten ist das PCT-Verfahren (Patent Cooperation Treaty) relevant, das eine zentralisierte Anmeldung mit späterer nationaler oder regionaler Phase ermöglicht. Unterschiede bestehen etwa bei der Auslegung der gewerblichen Anwendbarkeit und der Patentierbarkeit bestimmter biotechnologischer Verfahren. Die Anerkennung und der Schutzumfang von Patenten können somit international divergieren; eine genaue Kenntnis der jeweiligen Rechtslage ist daher unverzichtbar.