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Bilanzberichtigung


Begriff und Grundlagen der Bilanzberichtigung

Die Bilanzberichtigung ist ein zentrales Instrument des Bilanzrechts und beschreibt die nachträgliche, rückwirkende Korrektur unrichtiger Jahresabschlüsse eines Unternehmens. Sie dient der Herstellung eines den gesetzlichen Vorschriften entsprechenden Abschlusses und unterscheidet sich grundlegend von anderen Korrekturmöglichkeiten wie der Bilanzänderung oder der Fehlerberichtigung nach steuerlichen Vorschriften.

Bilanzberichtigungen sind insbesondere im Handels- und Steuerrecht relevant. Sie stellen sicher, dass die Bilanz als zentrales Element der Rechnungslegung die tatsächlichen Vermögens-, Finanz- und Ertragsverhältnisse eines Unternehmens zutreffend abbildet.


Rechtsgrundlagen der Bilanzberichtigung

Handelsrechtliche Grundlagen

Die Verpflichtung zur Bilanzberichtigung ergibt sich aus den normativen Vorgaben des Handelsgesetzbuches (HGB). Nach § 242 HGB haben Kaufleute zum Schluss eines jeden Geschäftsjahres eine Bilanz aufzustellen, aus der sich das Verhältnis des Vermögens und der Schulden ergibt. Ergibt sich im Nachhinein, dass der Jahresabschluss gegen die Grundsätze ordnungsmäßiger Buchführung (§§ 238 ff. HGB) verstößt, ist eine Berichtigung vorzunehmen.

Steuerrechtliche Grundlagen

Im Steuerrecht ist die Bilanzberichtigung im Zusammenhang mit der steuerlichen Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG und § 5 EStG von Bedeutung. Die Rechtsprechung, insbesondere der Bundesfinanzhof (BFH), hat die Grundsätze der Bilanzberichtigung im Steuerrecht ausdifferenziert. Demnach ist eine Bilanzberichtigung vorzunehmen, wenn objektiv fehlerhafte Wertansätze oder Ausweise vorliegen, welche auf den Stichtag der Bilanz zurückzubeziehen sind.


Abgrenzung zur Bilanzänderung

Eine wesentliche Unterscheidung ist zwischen Bilanzberichtigung und Bilanzänderung zu treffen:

  • Die Bilanzberichtigung betrifft die Korrektur objektiv fehlerhafter Wertansätze und folgt dem Grundsatz der Bilanzidentität (§ 252 Abs. 1 Nr. 1 HGB).
  • Die Bilanzänderung bezeichnet die nachträgliche Änderung einer zunächst ordnungsgemäßen Bilanz, etwa um steuerliche Wahlrechte auszuüben, und ist nur unter engen Voraussetzungen (§ 4 Abs. 2 Satz 2 EStG) möglich.

Die Bilanzberichtigung ist zwingend vorzunehmen, sobald ein Fehler erkannt wird, während die Bilanzänderung ein Ermessenstatbestand ist und besonderen Restriktionen unterliegt.


Voraussetzungen und Anwendungsbereich der Bilanzberichtigung

Vorliegen eines Bilanzierungsfehlers

Eine Bilanzberichtigung setzt zwingend einen objektiven Bilanzierungsfehler voraus, welcher in einem Verstoß gegen Vorschriften zur Bilanzierung oder Bewertung besteht. Typische Anwendungsfälle sind:

  • Nicht- oder Falschansatz von Vermögensgegenständen, Schulden oder Rechnungsabgrenzungsposten
  • Wertansatzfehler (zum Beispiel Ansatz zu hohen Zeitwerten entgegen dem Niederstwertprinzip)
  • Formelle Bilanzierungsfehler, wie etwa fehlerhafte Gliederung oder Überschriften

Keine Bilanzberichtigung bei Ermessens- oder Schätzungsfehlern

Nicht jeder nachträglich als unzutreffend erkannte Bilanzansatz berechtigt zur Bilanzberichtigung. Bei Entscheidungen im Rahmen von Ermessensspielräumen oder bei Schätzungen, die auf vertretbaren Grundlagen beruhten, ist eine Bilanzberichtigung ausgeschlossen, sofern sich keine neuen Tatsachen ergeben haben.


Zeitlicher und sachlicher Umfang der Bilanzberichtigung

Rückwirkende Korrektur

Die Bilanzberichtigung wirkt grundsätzlich auf den ursprünglichen Bilanzstichtag zurück. Die Berichtigung ist nicht lediglich im laufenden Geschäftsjahr, sondern für das betroffene Vorjahr vorzunehmen. Daraus ergibt sich eine Korrektur der Eröffnungsbilanz des Folgejahres und gegebenenfalls eine Anpassung der Gewinn- und Verlustrechnung.

Berichtigungsbefugnis und -pflicht

Die Verpflichtung zur Bilanzberichtigung besteht unabhängig davon, ob der Fehler dem Verantwortlichen bekannt war oder nicht. Der Berichtigungsanspruch kann sowohl von der Geschäftsführung selbst initiiert als auch von der Finanzbehörde im Rahmen der steuerlichen Betriebsprüfung durchgesetzt werden.


Rechtsfolgen einer Bilanzberichtigung

Die Bilanzberichtigung hat weitreichende Auswirkungen auf die Steuerfestsetzung, die Vermögens- und Ertragslage des Unternehmens sowie auf handelsrechtliche Publizitätspflichten. Durch die rückwirkende Korrektur entstehen Anpassungen der Besteuerungsgrundlagen, welche gegebenenfalls zu Steuererstattungen oder Nachforderungen führen können.

Auswirkungen auf nachfolgende Geschäftsjahre

Die der Bilanzberichtigung unterliegenden Fehler sind zwingend auch in den folgenden Geschäftsjahren zu beachten. Hier gilt das Prinzip der Bilanzidentität: Das Ergebnis einer berichtigten Bilanz eines Geschäftsjahres ist stets die Grundlage für die Jahresabschlüsse der Folgejahre.


Bilanzberichtigung im steuerlichen Außenprüfungsverfahren

Im Rahmen von steuerlichen Außenprüfungen wird die Bilanzberichtigung oftmals durch die Finanzbehörden vorgenommen. Erkennt die Betriebsprüfung einen Fehler, ist dieser zu korrigieren, selbst wenn die Steuerbescheide bereits bestandskräftig sind (§ 173 AO eröffnet unter bestimmten Voraussetzungen die Möglichkeit der Änderung).


Verjährung und Ausschluss der Bilanzberichtigung

Die Berichtigung einer Bilanz ist grundsätzlich zeitlich nicht unbegrenzt möglich. Die Möglichkeit zur Bilanzberichtigung endet mit Eintritt der materiellen Bestandskraft oder mit Ablauf der steuerlichen Festsetzungsfristen nach §§ 169 ff. AO (Abgabenordnung).


Praktische Umsetzung und Dokumentationspflichten

Die Korrektur der Bilanz erfordert eine nachvollziehbare Dokumentation der vorgenommenen Änderungen. Im Anhang zum Jahresabschluss sowie im Lagebericht ist auf die wesentlichen Änderungen, Gründe und Auswirkungen einzugehen, sofern dies für die Adressaten des Jahresabschlusses von Bedeutung ist.


Literatur und Weblinks

Handelsgesetzbuch (HGB)
Einkommensteuergesetz (EStG)
Abgabenordnung (AO)
Offenlegungspflichten nach PublG und HGB
* Bundesfinanzhof, Urteil vom 3. Juli 2002, XI R 16/01


Die Bilanzberichtigung ist ein unverzichtbares Instrument zur Wahrung der Richtigkeit und Verlässlichkeit der Rechnungslegung in Handels- und Steuerrecht. Sie stellt hohe Anforderungen an die Sorgfalt bei der Aufstellung und Prüfung von Jahresabschlüssen und unterliegt klaren gesetzlichen Vorgaben und engen rechtlichen Rahmenbedingungen.

Häufig gestellte Fragen

Welche rechtlichen Voraussetzungen müssen für eine Bilanzberichtigung nach deutschem Handelsrecht (HGB) vorliegen?

Für eine Bilanzberichtigung nach deutschem Handelsrecht, insbesondere nach § 4 Abs. 2 Satz 1 EStG in Verbindung mit § 242 ff. HGB, müssen bestimmte rechtliche Voraussetzungen erfüllt sein. Zunächst ist zu unterscheiden zwischen einer Bilanzberichtigung (Korrektur von Fehlern) und einer Bilanzänderung (Wahlrechtsausübung). Eine Bilanzberichtigung ist immer dann geboten, wenn ein objektiv fehlerhafter Wertansatz oder eine fehlerhafte Ausweisung in der Bilanz vorliegt, die gegen zwingendes Bilanzrecht verstoßen. Typische Fälle sind etwa Verstöße gegen das Vollständigkeitsgebot, das Stetigkeitsgebot, das Vorsichtsprinzip oder Bewertungsfehler nach § 253 HGB. Darüber hinaus muss der Fehler wesentlich sein, d.h. er muss einen Einfluss auf die Steuerbilanz beziehungsweise den zu versteuernden Gewinn haben. Die Berichtigung ist grundsätzlich auch nach Ablauf der Feststellungs- oder Aufbewahrungsfristen möglich, sofern der Fehler aus der Vergangenheit fortwirkt („Fortwirkungstheorie“). Bilanzberichtigungen erfolgen auf Basis einer geänderten sachlichen Rechtslage (Rückbezug auf ursprünglichen Bilanzstichtag) und verpflichten den Steuerpflichtigen zur rückwirkenden Anpassung.

Welche Fristen sind bei einer Bilanzberichtigung zu beachten und wie lange können Bilanzfehler berichtigt werden?

Die Bilanzberichtigung hat unverzüglich nach Entdeckung des Fehlers zu erfolgen. Die rechtlich maßgebliche Frist richtet sich nach den steuerlichen Festsetzungsfristen gemäß §§ 169 ff. AO (Abgabenordnung). Ein Fehler kann solange berichtigt werden, wie die Festsetzungsfrist für die betroffene Steuer noch nicht abgelaufen ist. Diese beträgt grundsätzlich vier Jahre, kann aber unter bestimmten Umständen, beispielsweise bei Steuerhinterziehung (§ 169 Abs. 2 Satz 2 AO), auf bis zu zehn Jahre verlängert werden. Entscheidend ist, dass der originäre Fehler sich auf die Höhe des zu versteuernden Gewinns auswirkt. Nach Ablauf der Festsetzungsfrist ist eine Bilanzberichtigung grundsätzlich nicht mehr zulässig, es sei denn, es liegt ein steuerstrafrechtlich relevanter Sachverhalt vor, der eine neue Frist auslöst.

In welchem Verhältnis steht eine Bilanzberichtigung zur steuerlichen Außenprüfung (Betriebsprüfung)?

Wird im Rahmen einer steuerlichen Außenprüfung ein Bilanzierungsfehler festgestellt, muss die Bilanz ebenfalls berichtigt werden. Die Korrektur erfolgt dabei für vergangene Jahre, soweit die Festsetzungsfrist noch nicht abgelaufen ist. Die Bilanzberichtigung hat Priorität vor bilanzändernden Maßnahmen. Die Finanzverwaltung ist gesetzlich verpflichtet, objektiv festgestellte Fehler, die relevanten Einfluss auf die Steuerfestsetzung haben, im Rahmen der Betriebsprüfung zu berücksichtigen und entsprechende Berichtigungsbescheide zu erlassen. Dies erfolgt unabhängig davon, ob der Fehler zugunsten oder zuungunsten des Steuerpflichtigen wirkt. Die Pflicht zur Bilanzberichtigung entfällt nur, wenn kein relevanter Fehler vorliegt oder die Möglichkeit zur Änderung verfahrensrechtlich ausgeschlossen ist.

Wer ist zur Bilanzberichtigung verpflichtet – und haftet bei unterlassener Korrektur?

Grundsätzlich ist das bilanzierende Unternehmen selbst verpflichtet, fehlerhafte Bilanzen zu korrigieren (§ 242 HGB i.V.m. § 153 AO). Die Geschäftsleitung trägt die Verantwortung für die ordnungsgemäße Rechnungslegung. Kommt sie dieser Pflicht nicht nach, kann dies zivil- und strafrechtliche Folgen haben, insbesondere bei vorsätzlichen oder grob fahrlässigen Fehlern. Steuerberater oder Wirtschaftsprüfer haften nur dann, wenn sie nachweislich eine Pflichtwidrigkeit oder einen Beratungsfehler begangen haben, der ursächlich für den nicht berichtigten Fehler war (Berufshaftung nach § 280 BGB i.V.m. § 323 HGB).

Gilt die Bilanzberichtigung nur für Handelsbilanzen oder auch für Steuerbilanzen?

Das Bilanzberichtigungsrecht gilt grundsätzlich sowohl für die Handelsbilanz als auch für die Steuerbilanz, wobei Letztere maßgeblich für die steuerliche Gewinnermittlung nach § 4 Abs. 1 EStG ist. Fehler in der Handelsbilanz sind gemäß § 5 Abs. 1 EStG auch in der Steuerbilanz zu berichtigen (Maßgeblichkeitsgrundsatz). Eine Ausnahme gilt, wenn steuerliche Sondervorschriften greifen, etwa bei steuerlichen Wahlrechten, die anders als handelsrechtlich ausgestaltet sind. Dennoch ist stets zu prüfen, ob der Fehler materielle Auswirkungen auf die Steuerbilanz hat; andernfalls entfällt die Berichtigungspflicht für Steuerzwecke.

Wie erfolgt die Erfassung des Berichtigungsbetrags – und wie ist die Behandlung im Jahresabschluss rechtlich auszugestalten?

Die rechtliche Umsetzung einer Bilanzberichtigung erfolgt durch sogenannten Rückgriff auf den zutreffenden Bilanzansatz („Rückwirkung“ auf den Bilanzstichtag, sog. „retrograde Berichtigung“). Der fehlerhafte Bilanzposten wird aufgelöst und durch den korrekten Wert ersetzt, wobei eine Anpassung der betroffenen Folgejahre bis zurück zur Entstehung des Fehlers erfolgen muss. Im Anhang zum Jahresabschluss besteht eine Offenlegungspflicht nach § 285 HGB, sofern der Fehler maßgeblich das Jahresergebnis beeinflusst („wesentliche Fehlerberichtigung“ gem. IDW RS HFA 6). Steuerlich erfolgt zusätzlich eine Korrektur der Steuererklärungen und ggf. eine Anpassung der Steuerbescheide durch das Finanzamt. Dies kann je nach Einzelfall Nachzahlungen oder Erstattungen auslösen.