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BGH


Der Bundesgerichtshof (BGH): Rechtliche Stellung, Aufgaben und Verfahren

Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht der Bundesrepublik Deutschland in Zivil- und Strafsachen. Als letzte Instanz der ordentlichen Gerichtsbarkeit nimmt er eine zentrale Rolle im deutschen Rechtssystem ein. Dieser Artikel gibt einen umfassenden Überblick über Aufbau, rechtliche Grundlagen, Zuständigkeiten, Organisation, Aufgaben sowie das Verfahrensrecht und die Bedeutung der Entscheidungen des BGH.


Rechtliche Grundlagen und Stellung des BGH im deutschen Rechtssystem

Gesetzliche Grundlage

Der Bundesgerichtshof wurde gemäß Artikel 95 des Grundgesetzes für die Bundesrepublik Deutschland errichtet. Seine rechtlichen Grundlagen sind primär im Gerichtsverfassungsgesetz (GVG) geregelt, insbesondere in den §§ 133 ff. GVG. Daneben finden sich wichtige Regelungen in der Strafprozessordnung (StPO), der Zivilprozessordnung (ZPO) und weiteren Spezialgesetzen.

Funktion im Instanzenzug

Der BGH steht an der Spitze der ordentlichen Gerichte, die sich aus den Amtsgerichten, Landgerichten, Oberlandesgerichten und dem BGH zusammensetzen. Im Instanzenzug bildet er, dem sogenannten Drei-Instanzenzug folgend, zumeist die dritte und letzte Instanz nach einem Urteil eines Oberlandesgerichts oder Landgerichts.


Zuständigkeiten und Aufgaben des BGH

Zivilrechtliche Zuständigkeit

Im Zivilrecht ist der BGH als Revisionsgericht tätig. Er überprüft auf Revision die Urteile der Oberlandesgerichte und in bestimmten Fällen der Landgerichte, wenn grundlegende Rechtsfragen maßgeblich sind. Der BGH entscheidet ausschließlich über Rechtsfragen und prüft, ob das angefochtene Urteil mit dem geltenden Recht in Einklang steht. Tatsachenfeststellungen werden grundsätzlich nicht überprüft, sofern keine Rechtsfehler vorliegen.

Strafrechtliche Zuständigkeit

Im Strafrecht fungiert der BGH ebenfalls als Revisionsgericht. Die Zuständigkeit besteht insbesondere in Verfahren, in denen das Oberlandesgericht im ersten Rechtszug entschieden hat oder bei im Gesetz besonders geregelten Strafsachen, beispielsweise Staatsschutzdelikten. Hierbei beurteilt der BGH, ob das Strafurteil Verfahrens- oder Rechtsfehler enthält.

Weitere Aufgaben

Der Bundesgerichtshof entscheidet darüber hinaus über bestimmte Beschwerden gegen Entscheidungen der unteren Instanzen, insbesondere über Ablehnungsgesuche gegen Richter bei den Oberlandesgerichten. Während seiner Tätigkeit klärt der BGH zudem Gesetzesauslegungen und entwickelt die Rechtsordnung bundesweit weiter, indem er für die einheitliche Anwendung bestehenden Rechts sorgt.


Organisation und Aufbau des BGH

Geschäftssitz und Organisationseinheiten

Der BGH hat seinen Sitz in Karlsruhe, eine Zweigstelle für spezielle Strafsenate befindet sich in Leipzig. Der BGH gliedert sich organisatorisch in Senate, die jeweils für bestimmte Sachgebiete zuständig sind.

Senate des BGH

Derzeit bestehen zwölf Zivilsenate (einschließlich des Kartellsenats) und fünf Strafsenate. Jeder Senat entscheidet in der Regel mit fünf Berufsrichtern. Einzelne Senate sind für spezifische Rechtsgebiete zuständig, beispielsweise:

  • VIII. Zivilsenat: Mietrecht
  • II. Zivilsenat: Gesellschaftsrecht
  • VI. Zivilsenat: Deliktsrecht
  • 1. Strafsenat: Staatsschutzdelikte und besondere Strafsachen

Darüber hinaus existieren Sondergremien wie der Große Senat für Zivilsachen, der Große Senat für Strafsachen und der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes. Diese werden bei Meinungsverschiedenheiten zwischen verschiedenen Senaten angerufen, um eine einheitliche Rechtsprechung zu gewährleisten.

Besetzung und Bestellung der Richterinnen und Richter

Die Richterinnen und Richter des BGH werden gemeinsam vom Bundesminister der Justiz und vom Richterwahlausschuss (§ 95 GG, §§ 125 ff. GVG) ernannt. Der Präsident des BGH leitet das Gericht, unterstützt durch Vizepräsidenten und Vorsitzende der jeweiligen Senate.


Das Verfahren vor dem Bundesgerichtshof

Das Revisionsverfahren

Das Revisionsverfahren (§§ 541 ff. ZPO, §§ 333 ff. StPO) ist das zentrale Verfahren vor dem BGH. Eine Revision ist nur unter engen gesetzlichen Voraussetzungen zulässig, etwa zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung oder wenn das Urteil von erheblicher Bedeutung für die Rechtsfortbildung ist.

Im Zivilrecht entscheidet der BGH, ob die Vorinstanz das Recht fehlerfrei angewandt hat. Im Strafrecht prüft der BGH, ob das Verfahren ordnungsgemäß abgelaufen ist und die Entscheidung auf Rechtsfehlern beruht. Die Revision kann begründet oder zurückgewiesen werden.

Rechtskraft und Bindungswirkung der BGH-Entscheidungen

Urteile und Beschlüsse des BGH sind grundsätzlich rechtskräftig und für die Parteien bindend. Sie entfalten zudem eine Leitfunktion für die Instanzgerichte und tragen zur Rechtsklarheit und Rechtseinheit im deutschen Rechtswesen bei.


Bedeutung der BGH-Rechtsprechung für die deutsche Rechtsordnung

Rechtsfortbildung und Leitfunktion

Die Entscheidungen des BGH haben eine erhebliche Bedeutung für die Entwicklung des deutschen Rechts. Sie enthalten oft Grundsatzentscheidungen, die von den Instanzgerichten beachtet werden. Die Rechtsprechung des BGH prägt maßgeblich die Auslegung von Gesetzen und dient als Richtschnur für die tägliche Rechtspraxis.

Einheitliche Rechtsprechung

Der BGH sorgt als oberste Instanz dafür, dass das geltende Recht bundesweit einheitlich angewandt wird. Insbesondere bei divergierenden Entscheidungen der Oberlandesgerichte schafft der BGH durch seine Urteile Rechtssicherheit und -klarheit.


Verhältnis zu anderen Bundesgerichten

Neben dem BGH bestehen in Deutschland weitere oberste Gerichtshöfe des Bundes, etwa das Bundesverwaltungsgericht (BVerwG), das Bundessozialgericht (BSG), das Bundesarbeitsgericht (BAG) und der Bundesfinanzhof (BFH). Der Gemeinsame Senat der obersten Gerichtshöfe des Bundes koordiniert die Rechtsprechung dieser Höfe, um Rechtszersplitterungen zu vermeiden.


Literatur und weiterführende Informationen

  • Gerichtsverfassungsgesetz (GVG)
  • Grundgesetz (GG)
  • Zivilprozessordnung (ZPO)
  • Strafprozessordnung (StPO)
  • Offizielle Website des Bundesgerichtshofes: www.bundesgerichtshof.de

Der Bundesgerichtshof nimmt als oberstes Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit eine zentrale Rolle im deutschen Rechtssystem ein. Von seiner Rechtsprechung geht eine erhebliche prägende Wirkung auf die Praxis der Justiz und die Entwicklung des deutschen Zivil- und Strafrechts aus.

Häufig gestellte Fragen

Welche Aufgaben übernimmt der Bundesgerichtshof (BGH) im deutschen Rechtssystem?

Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht der ordentlichen Gerichtsbarkeit in Deutschland und entscheidet vornehmlich als Revisionsinstanz über Urteile, die von den Oberlandesgerichten oder den Landgerichten in Zivil- und Strafsachen gefällt wurden. Seine zentrale Aufgabe besteht in der Wahrung der Einheitlichkeit der Rechtsprechung und der Fortentwicklung des Rechts durch Grundsatzurteile. Der BGH prüft, ob bei der angefochtenen Entscheidung das Recht zutreffend angewandt wurde; eine Sachverhaltsüberprüfung findet in der Regel nicht statt, stattdessen konzentriert sich die Überprüfung auf etwaige Rechtsfehler. Daneben nimmt der BGH auch spezielle Aufgaben in Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit, des Kartellrechts sowie im Bereich der Strafvollstreckung wahr. Zudem ist er für bestimmte Fragen des internationalen Rechtshilfeverkehrs, etwa bei Auslieferungen, zuständig.

Wie ist der BGH organisatorisch aufgebaut?

Der BGH gliedert sich in sogenannte Senate, die jeweils für bestimmte Materien zuständig sind. Es gibt derzeit zwölf Zivilsenate, fünf Strafsenate sowie mehrere besondere Senate, wie etwa den Kartellsenat, den Senat für Landwirtschaftssachen oder den Senat für Notarsachen. Jeder Senat besteht aus mehreren Richtern, wobei ein Vorsitzender den jeweiligen Senat leitet. Die Einteilung der Senate richtet sich nach der Sachnähe der zu entscheidenden Fälle und wird regelmäßig überprüft und angepasst. Die Verwaltung des BGH liegt in den Händen des Präsidenten, der von einem Vizepräsidenten unterstützt wird. Wesentliche Entscheidungen, beispielsweise zur Geschäftsverteilung oder zu Grundsatzfragen, werden vom Präsidium des BGH – bestehend aus dem Präsidenten, den Vorsitzenden der Senate und gewählten Richtern – getroffen.

Wer kann Entscheidungen des BGH anfechten oder überprüfen lassen?

Entscheidungen des Bundesgerichtshofs sind grundsätzlich endgültig und können nicht mehr mit einem weiteren ordentlichen Rechtsmittel angegriffen werden. Eine Ausnahme stellen jedoch Verfassungsbeschwerden dar, die vor dem Bundesverfassungsgericht (BVerfG) erhoben werden können, sofern geltend gemacht wird, dass durch eine Entscheidung des BGH Grundrechte verletzt worden sind. Ferner ist eine Wiederaufnahme des Verfahrens unter engen gesetzlichen Voraussetzungen möglich, z. B. wenn neue Tatsachen bekannt werden, die eine andere Bewertung des Sachverhalts nahelegen. Im Bereich des internationalen Rechts kommt eine Korrektur oder Überprüfung durch supranationale Gerichte wie den Europäischen Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) oder den Europäischen Gerichtshof (EuGH) in Betracht, allerdings nur für spezifische Fragestellungen.

Welche Bedeutung haben die Urteile des BGH für nachgeordnete Gerichte?

Die Urteile und Beschlüsse des BGH haben eine Leitfunktion für die unterinstanzlichen Gerichte. Zwar sind die Entscheidungen des BGH für die unteren Gerichte nicht formell bindend, sie besitzen jedoch eine faktische Bindungswirkung, da von seiner Rechtsprechung nur in besonders begründeten Ausnahmefällen abgewichen wird. Dies dient der Herstellung und Wahrung einer einheitlichen Rechtsprechung innerhalb der Bundesrepublik. Insbesondere neue oder anders lautende Entscheidungen des BGH haben maßgeblichen Einfluss auf die Rechtsanwendungspraxis, da sie bindende Leitlinien für die Auslegung und Anwendung von Rechtsnormen vorgeben. Die Gerichte der unteren Instanzen sind daher gehalten, sich an der Rechtsprechung des BGH zu orientieren, um etwaige Revisionsanlässe zu vermeiden.

In welchen Fällen ist der BGH als Revisionsinstanz zuständig?

Der BGH wird in der Regel in Fällen angerufen, in denen eine Revision gegen ein Urteil eines Oberlandesgerichts oder eines Landgerichts zugelassen wird. Im Zivilrecht ist die Revision statthaft, wenn sie das vorinstanzliche Gericht ausdrücklich zulässt oder wenn der Wert des Beschwerdegegenstandes einen bestimmten Grenzwert überschreitet und eine grundsätzliche Bedeutung der Rechtssache vorliegt. Im Strafrecht entscheidet der BGH über Revisionen gegen Berufungsurteile der Landgerichte und gegen erstinstanzliche Urteile der Oberlandesgerichte und Landgerichte. Dabei überprüft der BGH lediglich die rechtliche Würdigung des Sachverhalts, eine (neuerliche) Tatsachenfeststellung ist ihm nicht möglich. Die Revision dient somit ausschließlich der Kontrolle auf Rechtsfehler und nicht der vollständigen Überprüfung der vorherigen Tatsachenentscheidung.

Gibt es spezielle Voraussetzungen für eine Revision vor dem BGH?

Nicht jede gerichtliche Entscheidung kann unabdingbar zum BGH geführt werden. Die Revision muss regelmäßig von dem nachgeordneten Gericht zugelassen werden – entweder wegen grundsätzlicher Bedeutung, zur Fortbildung des Rechts oder zur Sicherung einer einheitlichen Rechtsprechung („Zulassungsrevision“), oder sie ist kraft Gesetzes möglich, etwa wenn bestimmte Streitwerte überschritten werden. Der Revisionsführer muss zudem die formalen und inhaltlichen Anforderungen der Revisionsbegründung wahren, insbesondere innerhalb der gesetzlichen Frist eine ordnungsgemäße Begründung einreichen und konkret darlegen, in welchen Punkten das Recht verletzt worden sein soll. Verfahrensfehler oder rechtswidrige Rechtsanwendung sind typische Revisionsgründe; reine Unzufriedenheit mit der Beurteilung des Sachverhalts durch die vorherigen Instanzen reicht dagegen nicht aus.

Welche Wirkung entfalten Leitentscheidungen und Grundsatzurteile des BGH?

Leitentscheidungen und Grundsatzurteile des BGH prägen das deutsche Recht maßgeblich, da sie zu grundlegenden oder umstrittenen Rechtsfragen eine verbindliche Auslegung liefern. Solche Entscheidungen schaffen Rechtssicherheit und vereinheitlichen die Rechtsprechung für zukünftige Fälle. Besonders in Fragen der Auslegung allgemeiner Rechtsbegriffe, bei Lücken im Gesetz oder neuen gesellschaftlichen Entwicklungen sind diese Urteile richtungsweisend. Für die untergeordneten Instanzen sind sie zwar rechtlich nicht zwingend bindend, faktisch wird jedoch regelmäßig in Anlehnung an sie entschieden. Auch in der juristischen Ausbildung und Wissenschaft nehmen Grundsatzentscheidungen des BGH einen zentralen Stellenwert ein, da sie als Referenz für die Entwicklung des deutschen Zivil- und Strafrechts dienen.