Bundesgerichtshof (BGH): Begriff, Stellung und Bedeutung
Der Bundesgerichtshof (BGH) ist das oberste Gericht des Bundes für Zivil- und Strafsachen. Er sichert die einheitliche Anwendung des Bundesrechts und entwickelt das Recht fort, indem er Grundsatzfragen klärt. Der BGH ist keine Tatsacheninstanz; er überprüft Entscheidungen untergeordneter Gerichte auf Rechtsfehler.
Aufgaben und Funktion
Sicherstellung einheitlicher Rechtsanwendung
Der BGH gewährleistet, dass Bundesrecht im gesamten Bundesgebiet einheitlich ausgelegt und angewendet wird. Er beseitigt divergierende Rechtsauffassungen, formuliert Leitsätze und setzt Maßstäbe für nachgeordnete Gerichte.
Rechtsfortbildung und Grundsatzentscheidungen
Viele Entscheidungen des BGH behandeln ungeklärte oder neue Rechtsfragen. Durch diese Grundsatzentscheidungen trägt der BGH zur Fortbildung des Rechts bei, etwa bei technischen Neuerungen, wirtschaftlichen Entwicklungen oder gesellschaftlichen Veränderungen.
Abgrenzung zu anderen Gerichten
Der BGH ist für Zivil- und Strafrecht zuständig. Andere Rechtsgebiete haben eigene oberste Bundesgerichte, etwa das Bundesarbeitsgericht, das Bundessozialgericht, das Bundesverwaltungsgericht und der Bundesfinanzhof. Verfassungsrechtliche Fragen entscheidet das Bundesverfassungsgericht; es ist kein Rechtsmittelgericht für fachgerichtliche Verfahren. Der BGH achtet die Vorgaben des Verfassungsrechts und berücksichtigt unionsrechtliche Anforderungen; bei ungeklärten Fragen des Unionsrechts kann er den Gerichtshof der Europäischen Union anrufen.
Organisation und Zusammensetzung
Senate
Zivilsenate
Die Zivilsenate entscheiden über zivilrechtliche Revisionen und Rechtsbeschwerden. Einzelne Senate haben besondere Schwerpunkte, beispielsweise Wettbewerbs- und Kartellsachen, Patentrecht, Bank- und Kapitalmarktrecht, Versicherungs- und Haftungsrecht, Miet- und Wohnungseigentumsrecht, Familien- und Erbrecht sowie Transport- und Handelsrecht.
Strafsenate
Die Strafsenate entscheiden über Revisionen in Strafsachen. Sie prüfen Urteile auf Rechtsfehler, etwa zur Auslegung von Strafnormen oder zur Einhaltung von Verfahrensgrundsätzen. Ein Strafsenat hat seinen Sitz in Leipzig; dort finden auch Verhandlungen statt.
Sonderzuständigkeiten
Beim BGH bestehen ferner Senate für spezielle Materien, etwa für Notarsachen, Anwaltssachen oder kartellrechtliche Beschwerden. Sie bündeln Fachkompetenz und schaffen Rechtssicherheit in diesen Bereichen.
Besetzung und Arbeitsweise
Die Senate sind mit mehreren Berufsrichterinnen und Berufsrichtern besetzt und werden durch eine vorsitzende Person geleitet. Der BGH verfügt über ein Präsidium, das unter anderem die Geschäftsverteilung festlegt. Unterstützt wird die Rechtsprechung durch wissenschaftliche Mitarbeit und eine Gerichtsverwaltung. Insgesamt sind am BGH über hundert Richterinnen und Richter tätig.
Generalbundesanwalt beim BGH
In Strafsachen wirkt die Bundesanwaltschaft als eigenständige Behörde mit. Sie vertritt die Anklage vor den Strafsenaten, beantragt Entscheidungen und nimmt zu Rechtsfragen Stellung.
Verfahrensarten vor dem BGH
Zivilsachen: Revision, Nichtzulassungsbeschwerde, Rechtsbeschwerde
- Revision: Überprüfung eines Berufungsurteils auf Rechtsfehler. Tatsachenfeststellungen werden grundsätzlich nicht neu getroffen.
- Nichtzulassungsbeschwerde: Wenn ein Berufungsgericht die Revision nicht zulässt, kann die Zulassung beim BGH beantragt werden. Voraussetzung sind regelmäßig grundsätzliche Bedeutung, Fortbildung des Rechts oder Sicherung einheitlicher Rechtsprechung sowie weitere Zulässigkeitskriterien.
- Rechtsbeschwerde: In bestimmten Verfahren, etwa in Beschlussverfahren, ist eine spezielle Rechtsprüfung eröffnet, die auf rechtliche Überprüfung beschränkt ist.
- Sprungrevision: In eng umgrenzten Fällen kann unter bestimmten Voraussetzungen die Revision direkt zum BGH gehen, ohne vorherige Berufung.
Strafsachen: Revision
Die Revision in Strafsachen richtet sich gegen Urteile höherer Instanzen. Geprüft werden Rechtsfehler, zum Beispiel fehlerhafte Auslegung von Strafnormen oder Verstöße gegen Verfahrensrecht. Neue Beweise werden nicht erhoben.
Entscheidungsformen und Wirkungen
Der BGH entscheidet durch Urteile oder Beschlüsse. Mögliche Ergebnisse sind die Bestätigung der angefochtenen Entscheidung, deren Aufhebung und Zurückverweisung an die Vorinstanz oder ausnahmsweise eine eigene Sachentscheidung, wenn die Sache zur Endentscheidung reif ist. Leitsätze fassen zentrale Aussagen zusammen und dienen der Orientierung.
Große Senate und Vorlageverfahren
Weichen Senate in Rechtsfragen voneinander ab, wird zur Wahrung einheitlicher Rechtsprechung ein Großer Senat angerufen (für Zivilsachen oder Strafsachen). Bei übergreifenden Fragen kann ein Vereinigter Großer Senat entscheiden. Bei unionsrechtlichen Zweifelsfragen kann der BGH den Gerichtshof der Europäischen Union um Vorabentscheidung ersuchen.
Sitz, Geschichte und Öffentlichkeit
Sitz und Außensitzungen
Der BGH hat seinen Sitz in Karlsruhe. Teile der Strafrechtsprechung werden in Leipzig wahrgenommen. Verhandlungen sind grundsätzlich öffentlich, soweit gesetzliche Ausnahmen nicht greifen.
Historischer Überblick
Der BGH wurde nach Gründung der Bundesrepublik Deutschland als oberstes Fachgericht für Zivil- und Strafsachen etabliert. Er knüpft an die Tradition einer zentralen höchstrichterlichen Instanz an und hat die Rechtsprechung in zahlreichen Lebensbereichen geprägt.
Transparenz und Veröffentlichung
Wesentliche Entscheidungen werden mit Gründen und Leitsätzen veröffentlicht. Dies fördert Nachvollziehbarkeit, Planbarkeit und Vertrauen in die Rechtsprechung.
Bedeutung in der Rechtsordnung
Der BGH ist ein zentraler Pfeiler der Rechtsstaatlichkeit. Er sorgt für Rechtseinheit, entwickelt das Recht fort und schafft Orientierung für Rechtsprechung, Verwaltung, Wirtschaft und Gesellschaft. Seine Urteile entfalten über den Einzelfall hinaus Leitwirkung.
Häufig gestellte Fragen
Wofür steht die Abkürzung BGH und wofür ist er zuständig?
BGH steht für Bundesgerichtshof. Er ist das oberste Gericht des Bundes für Zivil- und Strafsachen und prüft Entscheidungen unterer Instanzen auf Rechtsfehler, um eine einheitliche Anwendung des Bundesrechts sicherzustellen.
Wie unterscheidet sich der BGH vom Bundesverfassungsgericht?
Der BGH entscheidet über Zivil- und Strafrecht auf Grundlage der einfachen Gesetze. Das Bundesverfassungsgericht kontrolliert die Einhaltung des Verfassungsrechts. Verfassungsrechtliche Beschwerden werden nicht vom BGH, sondern vom Bundesverfassungsgericht entschieden.
Wie gelangt ein Fall zum BGH?
In Zivilsachen regelmäßig durch Revision gegen ein Berufungsurteil oder durch Nichtzulassungsbeschwerde, wenn die Revision nicht zugelassen wurde. In Strafsachen durch Revision gegen Urteile höherer Instanzen. Die Prüfung beschränkt sich auf Rechtsfragen.
Trifft der BGH neue Tatsachenfeststellungen?
Nein. Der BGH ist grundsätzlich an die Tatsachenfeststellungen der Vorinstanz gebunden und prüft nur, ob bei der Anwendung des Rechts Fehler passiert sind.
Welche Entscheidungen kann der BGH treffen?
Er kann Entscheidungen bestätigen, aufheben und an die Vorinstanz zurückverweisen oder ausnahmsweise selbst entscheiden, wenn die Sache entscheidungsreif ist. Die Ergebnisse werden in Urteilen oder Beschlüssen verkündet.
Wer entscheidet am BGH?
Entschieden wird in Senaten, die aus mehreren Berufsrichterinnen und Berufsrichtern bestehen und von einer vorsitzenden Person geleitet werden. In Strafsachen wirkt die Bundesanwaltschaft mit.
Wo hat der BGH seinen Sitz?
Der BGH hat seinen Sitz in Karlsruhe. Teile der Strafrechtsprechung werden in Leipzig wahrgenommen, wo insbesondere ein Strafsenat tagt.