Begriffsbestimmung der Bezirksversammlung
Die Bezirksversammlung ist ein Gremium der kommunalen Selbstverwaltung in Deutschland, das auf Ebene eines Stadtbezirks oder Bezirkes handelt. Sie stellt ein Verfassungsorgan der Bezirke insbesondere in Stadtstaaten wie Hamburg oder Berlin dar. In Flächenländern können ähnliche Funktionen die Gemeindevertretungen oder Stadtparlamente auf nachgeordneten Verwaltungsebenen wahrnehmen. Die Bezirksversammlung ist für eine Vielzahl von Aufgaben der lokalen Steuerung, Kontrolle und Bürgerbeteiligung zuständig.
Rechtsstellung und Zusammensetzung
Verfassungsrechtliche Einordnung
Die Bezirksversammlung ist ein Organ mit gesetzlichen Grundlagen, die in der jeweiligen Landesverfassung sowie in Landesgesetzen, beispielsweise dem Bezirksverwaltungsgesetz, geregelt sind. In Hamburg sind etwa die Bezirksversammlungen in Artikel 56 der Hamburgischen Verfassung und im Hamburgischen Bezirksverwaltungsgesetz geregelt. In Berlin ergibt sich die Rechtsgrundlage aus der Verfassung von Berlin und dem Bezirksverwaltungsgesetz Berlin.
Zusammensetzung und Wahl
Die Mitglieder der Bezirksversammlungen werden in der Regel direkt von den Bezirksbewohnern gewählt. Die Amtszeit beträgt typischerweise fünf Jahre. Die Größe der Bezirksversammlung variiert je nach Größe des Bezirks und gesetzlichen Vorgaben. Die Wahl erfolgt nach den Grundsätzen des Verhältniswahlrechts. Wahlberechtigt sind in der Regel alle Unionsbürger und Bürgerinnen und Bürger ab einem gesetzlich bestimmten Alter (meist 16 Jahre).
Fraktionen
Innerhalb der Bezirksversammlung schließen sich Mitglieder häufig zu Fraktionen zusammen, die über bestimmte Rechte bei der Geschäftsführung verfügen. Fraktionen sind mit Antrags- und Redeprivilegien sowie Einflussmöglichkeiten bei der Besetzung von Ausschüssen ausgestattet.
Aufgaben und Zuständigkeiten
Kontroll- und Steuerungsfunktion
Die Bezirksversammlung kontrolliert die Verwaltung des Bezirksamtes und wirkt an zentralen Entscheidungsprozessen mit. Sie entscheidet beispielsweise über die Verwendung bezirklicher Haushaltsmittel, setzt lokale Entwicklungsschwerpunkte und kontrolliert die Umsetzung von Beschlüssen durch die Verwaltung.
Entscheidungsbefugnisse
Die Bezirksversammlung beschließt unter anderem:
- Integrationspolitische, soziale, kulturelle und städtebauliche Maßnahmen auf Bezirksebene
- Verwendung der bezirklichen Mittel
- Satzungen über bestimmte Gebiete des öffentlichen Rechts (z. B. Märkte, Wochenmärkte, Nutzung öffentlicher Flächen)
- Empfehlungen an übergeordnete Verwaltungsebenen oder die Bürgerschaft
Beteiligungsrechte
Die Bezirksversammlung ist berechtigt, Stellungnahmen zu Verwaltungshandeln abzugeben und Anträge an die Bürgerschaft oder Senat einzureichen. In Hamburg ist etwa die Beteiligung der Bezirksversammlung bei Bauleitplanungen, Schulentwicklungsplanung und Verkehrsangelegenheiten gesetzlich vorgesehen.
Beteiligung der Öffentlichkeit
Bürgerinnen und Bürger haben das Recht, mit Petitionen, Eingaben und Fragestunden die Bezirksversammlung zu adressieren. Sitzungen der Bezirksversammlung sind meist öffentlich; nur in Einzelfällen findet eine nichtöffentliche Beratung statt.
Innere Organisation
Präsidium und Gremien
Die Bezirksversammlung wählt aus ihrer Mitte eine:n Vorsitzende:n sowie weitere Mitglieder des Präsidiums, die die Sitzungen leiten und die Geschäfte führen. Zusätzlich werden ständige Fachausschüsse eingerichtet, die spezielle Sachgebiete bearbeiten, beispielsweise:
- Ausschuss für Bau, Planung und Verkehr
- Ausschuss für Soziales, Gesundheit und Integration
- Ausschuss für Umwelt und Klimaschutz
Die Anzahl und inhaltliche Ausrichtung der Ausschüsse kann je nach Bezirk variieren.
Geschäftsordnung
Die Bezirksversammlung gibt sich eine eigene Geschäftsordnung, die Ablauf, Tagesordnungen, Redezeiten und Verfahrensfragen regelt. Hierin ist auch das Verfahren für Anträge, Abstimmungen und den Ausschluss der Öffentlichkeit festgelegt.
Verhältnis zur Bezirksverwaltung und anderen Gebietskörperschaften
Zusammenarbeit mit dem Bezirksamt
Das Bezirksamt führt als Verwaltungsorgan die laufenden Geschäfte des Bezirks. Die Bezirksamtsleitung wird entweder vom Bezirksparlament gewählt oder vorgeschlagen. Die Bezirksversammlung überwacht die Tätigkeiten des Bezirksamtes, kann Weisungen erteilen und hat in vielen Angelegenheiten Anhörungs- oder Mitwirkungsrechte.
Verhältnis zu Land und Bund
Rechte und Kompetenzen der Bezirksversammlung sind durch das Subsidiaritätsprinzip und gesetzliche Zuweisungen beschränkt. In zentralen Angelegenheiten, insbesondere im Bereich der Inneren Sicherheit, der Straßenbauhoheit oder der Schulorganisation, verbleiben Entscheidungsbefugnisse meist bei der Landesebene.
Rechtsaufsicht und Kontrolle
Die Bezirksversammlung unterliegt der Rechtsaufsicht durch die Landesorgane hinsichtlich der Einhaltung der Gesetze. Darüber hinaus können Maßnahmen der Bezirksversammlung auf dem Rechtsweg überprüft werden. Bürgerinnen und Bürger finden Rechtsschutz insbesondere über Verwaltungsgerichte.
Bedeutung im deutschen Kommunalrecht
Die Bezirksversammlung verkörpert demokratische Mitbestimmung und lokale Selbstverwaltung. Sie bietet eine niedrigschwellige Möglichkeit für politische Teilhabe und stellt ein Kontroll- und Steuerungsorgan für die lokal zuständigen Verwaltungen dar. Ihre Rechte und Pflichten bilden ein wesentliches Element der Ausübung kommunaler Rechte in Stadtstaaten sowie in größeren Städten mit Stadtbezirken. Die spezifische Ausgestaltung unterliegt jedoch landesrechtlichen Varianten, weshalb stets die landesrechtliche Regelung zu beachten ist.
Literatur und weiterführende Quellen
- Bezirksverwaltungsgesetz Hamburg (BezVG)
- Bezirksverwaltungsgesetz Berlin (BezVG Bln)
- Kommunalverfassungen der Länder
- Handkommentar zum Kommunalrecht Hamburg, Berlin und weiteren Ländern
Hinweis: Die genaue Rechtsstellung und Ausgestaltung der Bezirksversammlungen ist je nach deutschem Bundesland unterschiedlich. Es wird empfohlen, die einschlägigen Landesgesetze und die Geschäftsordnungen der jeweiligen Bezirksversammlung zur Klärung spezieller Fragen heranzuziehen.
Häufig gestellte Fragen
Wie wird die Bezirksversammlung rechtlich zusammengesetzt?
Die Zusammensetzung der Bezirksversammlung ist in den jeweiligen Bezirksverwaltungsgesetzen der Länder festgelegt. Im Fall von Hamburg richtet sich die Zusammensetzung nach dem Bezirksverwaltungsgesetz Hamburg (BezVG) und dem Bezirksversammlungswahlgesetz (BezVwG). Die Bezirksversammlung besteht aus einer bestimmten Zahl von Mitgliedern, die in allgemeiner, unmittelbarer, freier, gleicher und geheimer Wahl gewählt werden. Die Zahl der Sitze variiert je nach Einwohnerzahl des Bezirks und liegt in Hamburg beispielsweise zwischen 51 und 57. Die Mandate werden entsprechend dem Verhältniswahlrecht auf die angetretenen Parteien und Wählervereinigungen verteilt. Über Ersatzpersonen und Nachrückregelungen im Falle des Ausscheidens eines Mitglieds bestimmen die gesetzlichen Wahlvorschriften. Ferner kann die Bezirksversammlung auf eigene Initiative beratende Ausschüsse bilden, denen auch Bürger ohne Mandat als sogenannte „zugewählte Bürger“ angehören können, allerdings ohne Stimmrecht in der Versammlung selbst.
Welche rechtlichen Aufgaben und Befugnisse hat die Bezirksversammlung?
Die rechtlichen Aufgaben und Befugnisse der Bezirksversammlung sind durch die jeweiligen Bezirksverwaltungs- oder Bezirksordnungsgesetze festgelegt und unterscheiden sich hinsichtlich der Bundesländer. Im Hamburger Modell regelt das Bezirksverwaltungsgesetz detailliert, dass die Bezirksversammlung an der Verwaltung des Bezirks mitwirkt, jedoch keine exekutive Gewalt besitzt. Die Bezirksversammlung übt insbesondere die Kontrolle über die Bezirksamtsleitung aus, beschließt über den örtlichen Haushalt und hat Anhörungs- sowie Vorschlagsrechte bei bezirklichen Angelegenheiten. Sie kann Anträge und Empfehlungen zu Verwaltungshandeln abgeben, hat ein Recht auf Unterrichtung und Akteneinsicht und kann bestimmte Beschlüsse über Ausschreibungen, Bebauungspläne und öffentliche Belange mitgestalten. Sie besitzt jedoch kein Letztentscheidungsrecht bei der Ernennung der Leiter des Bezirksamtes – dieses obliegt der Landesregierung. Im Wesentlichen überwiegen die Mitwirkungs- und Kontrollrechte, während die unmittelbaren Entscheidungsbefugnisse begrenzt sind und sich auf spezifische Bereiche der Bezirksebene beschränken.
Wie gestaltet sich das Verhältnis zwischen Bezirksversammlung und Bezirksamt rechtlich?
Rechtlich ist das Verhältnis zwischen Bezirksversammlung und Bezirksamt durch das Prinzip der Gewaltenteilung und Mitwirkung geprägt. Das Bezirksamt als Behörde setzt die Beschlüsse der Bezirksversammlung nach Maßgabe der Gesetze um, ist ihr gegenüber jedoch nicht weisungsgebunden, sondern untersteht der Fachaufsicht der zuständigen Senatsbehörde (in Hamburg z. B. der Senatskanzlei oder Fachbehörden wie etwa dem Innen- oder Sozialressort). Die Bezirksversammlung kann dem Bezirksamt Aufträge oder Wünsche mitteilen, hat das Recht, Missstände zu rügen und ausführliche Stellungnahmen einzufordern. Die gesetzlichen Grundlagen (etwa § 26 BezVG Hamburg) verpflichten das Bezirksamt, die Bezirksversammlung rechtzeitig und umfassend zu informieren. Allerdings sind die administrativen Befugnisse des Bezirksamtes aufgrund der Eingliederung in die staatliche Verwaltung begrenzt autonom: Letztentscheidungen in grundsätzlichen Fragen werden oft auf Landesebene getroffen.
Unterliegen Sitzungen der Bezirksversammlung rechtlichen Verfahrensregeln?
Ja, die Sitzungen der Bezirksversammlung unterliegen strengen rechtlichen Verfahrensregeln, wie sie im Bezirksverwaltungsgesetz, der jeweiligen Geschäftsordnung sowie der Gemeindeordnung geregelt sind. Zentrale Vorgaben sind die Öffentlichkeit der Sitzungen, die Einberufung mit angemessener Frist und Tagesordnung, die Dokumentationspflicht durch Protokolle sowie geregelt Abläufe für Abstimmungen und Wahlen. Die Geschäftsordnung schreibt zudem Regelungen zur Redezeit, Antragsberechtigung, Ausschlussgründen und zur Behandlung von Anträgen vor. Für vertrauliche oder personenbezogene Angelegenheiten kann die Öffentlichkeit von der Sitzung ausgeschlossen werden, wobei dies durch einen rechtmäßigen Beschluss nach festgelegter Prozedur erfolgen muss. Fehlt einem Mitglied infolge Befangenheit oder Interessenüberschneidung die Teilnahmeberechtigung, ist dies proaktiv rechtlich zu klären.
Welche rechtlichen Möglichkeiten zur Kontrolle und zum Informationsrecht besitzt die Bezirksversammlung?
Die Bezirksversammlung verfügt über ausdrückliche gesetzliche Kontroll- und Informationsrechte gegenüber dem Bezirksamt und der Verwaltung. Sie kann schriftliche und mündliche Anfragen stellen, Akteneinsicht verlangen, Fristen zur Beantwortung setzen und Auskünfte seitens Verwaltung und Bezirksamtsleitung einfordern. Wichtige Instrumente hierfür sind das Interpellationsrecht, die Einberufung von Sondersitzungen sowie das Recht auf Einholung von Sachverständigengutachten und Anhörungen. Im Rahmen parlamentarischer Kontrolle kann die Bezirksversammlung die Arbeit des Bezirksamts kritisch begleiten, Missstände öffentlich machen und Empfehlungen für Maßnahmen abgeben. Überschreitungen oder Missachtungen dieser Rechte können gerichtlich geltend gemacht oder auf dem Wege der Kommunalaufsicht beanstandet werden.
Was ist bei der Amtszeit und beim Ausscheiden von Mitgliedern aus der Bezirksversammlung rechtlich zu beachten?
Die rechtliche Dauer der Amtszeit der Bezirksversammlung richtet sich nach den Wahlperioden, die meist fünf Jahre betragen (z. B. § 2 BezVwG Hamburg), wobei sich die Amtszeit automatisch verlängert, bis eine neue Versammlung zusammentritt. Beim vorzeitigen Ausscheiden eines Mitglieds (etwa durch Rücktritt, Tod oder Unvereinbarkeitstatbestände) greifen die Nachrückregeln des Wahlrechts: Das nächste Ersatzmitglied der jeweils betroffenen Partei oder Wählergemeinschaft rückt nach (§ 17 BezVwG HH). In Zweifelsfällen werden offene Mandate durch einen ordnungsgemäßen Nachrückprozess oder Nachwahl besetzt. Zudem greifen die Unvereinbarkeitsregeln, die sicherstellen, dass etwa Beschäftigte des Bezirksamtes nicht gleichzeitig Mandatsträger in der Bezirksversammlung sein können.