Bezirksverordnetenversammlung: Begriff, Funktion und rechtlicher Rahmen
Die Bezirksverordnetenversammlung (BVV) ist das gewählte Vertretungsgremium eines Berliner Bezirks. Sie repräsentiert die Einwohnerinnen und Einwohner des Bezirks, setzt politische Schwerpunkte auf Bezirksebene und kontrolliert die bezirkliche Verwaltung. Im Unterschied zu einem Landesparlament beschließt sie keine Gesetze, sondern fasst bezirkliche Beschlüsse und richtet Empfehlungen an das Bezirksamt als bezirkliche Verwaltungsleitung.
Einordnung im Berliner Staatssystem
Berlin ist Stadtstaat und Land zugleich. Die Bezirke sind keine eigenständigen Kommunen, sondern Verwaltungseinheiten des Landes Berlin mit eigener, begrenzter Selbstverwaltung. Die BVV ist das maßgebliche politische Organ des Bezirks und wirkt an der Verwaltung des Bezirks mit. Sie setzt den Rahmen für die Arbeit des Bezirksamts und überwacht deren Umsetzung.
Aufgaben und Befugnisse der BVV
Wahl und Kontrolle des Bezirksamts
Die BVV wählt das Bezirksamt, bestehend aus der oder dem Bezirksbürgermeisterin bzw. Bezirksbürgermeister und den Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten. Das Bezirksamt führt die Verwaltungsgeschäfte des Bezirks. Die BVV kontrolliert das Bezirksamt politisch, unter anderem durch Anfragen, Berichte, Anhörungen und die Arbeit in Ausschüssen.
Beschlüsse, Empfehlungen und bezirkliche Schwerpunktsetzungen
Die BVV fasst Beschlüsse zu bezirklichen Angelegenheiten und richtet Empfehlungen an das Bezirksamt. Sie kann Grundlinien der Verwaltungstätigkeit im Bezirk vorgeben, soweit das Landesrecht dies vorsieht. Eine unmittelbare Dienstaufsicht über einzelne Bedienstete übt die BVV nicht aus; ihre Kontrolle richtet sich auf die Leitungsentscheidungen des Bezirksamts.
Haushalts- und Wirtschaftsangelegenheiten
Die BVV befasst sich mit dem bezirklichen Haushalt im Rahmen der landesweiten Haushaltsvorgaben. Sie setzt Prioritäten, beschließt den bezirklichen Haushaltsplanentwurf, begleitet dessen Umsetzung und überwacht die Verwendung der zugewiesenen Mittel. Eigene Steuer- oder Abgabenerhebungskompetenzen bestehen nicht.
Beteiligung bei gesamtstädtischen Vorhaben
Bei Planungen und Entscheidungen, die den Bezirk betreffen, bringt die BVV Stellungnahmen ein. Sie ist zu hören, wenn Landes- oder gesamtstädtische Maßnahmen wesentliche Auswirkungen auf den Bezirk haben. Die abschließende Entscheidung kann je nach Materie auf Landesebene liegen.
Organisation und Arbeitsweise
Zusammensetzung und Mandat
Die BVV besteht aus Bezirksverordneten, die in allgemeiner, gleicher, geheimer und unmittelbarer Wahl bestimmt werden. Sie üben ihr Mandat grundsätzlich ehrenamtlich aus und sind in ihrer Entscheidung unabhängig. Das Mandat ist auf den Bezirk beschränkt und endet mit Ablauf der Wahlperiode oder bei vorzeitigem Ausscheiden.
Präsidium, Fraktionen und Geschäftsordnung
Die BVV wählt eine Vorsteherin oder einen Vorsteher, die oder der die Sitzungen leitet und die BVV nach außen vertritt. Bezirksverordnete schließen sich regelmäßig zu Fraktionen zusammen, denen besondere Mitwirkungsrechte zukommen. Arbeitsabläufe, Redezeiten, Antragswege und Abstimmungen regelt die BVV in einer eigenen Geschäftsordnung.
Ausschüsse
Zur fachlichen Vorbereitung von Entscheidungen setzt die BVV ständige und temporäre Ausschüsse ein, zum Beispiel für Stadtentwicklung, Schule, Soziales, Umwelt oder Haushalt. Ausschüsse beraten Vorlagen, führen Anhörungen durch und erarbeiten Beschlussempfehlungen für das Plenum.
Sitzungen, Öffentlichkeit und Informationsrechte
Plenarsitzungen der BVV sind grundsätzlich öffentlich. Ausnahmen gelten insbesondere für Personalangelegenheiten oder schutzwürdige Daten. Bezirksverordnete verfügen über Informations- und Fragerechte gegenüber dem Bezirksamt. Üblich sind mündliche und schriftliche Anfragen, Große Anfragen sowie Berichtsaufträge.
Wahlen und Mandatsausübung
Wahlmodus und Amtszeit
Die BVV wird für eine feste Wahlperiode gewählt. Wahlberechtigt sind in Berlin wohnhafte Personen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen; hierzu zählen regelmäßig die Staatsangehörigkeit (deutsch oder eines EU-Mitgliedstaates), ein Mindestalter sowie ein gemeldeter Wohnsitz im Bezirk. Wählbar ist, wer die gesetzlichen Eignungsvoraussetzungen erfüllt; Details ergeben sich aus dem Wahlrecht.
Rechte und Pflichten der Bezirksverordneten
Bezirksverordnete haben Rede-, Antrags- und Stimmrechte. Sie sind zur Teilnahme an Sitzungen verpflichtet, müssen Interessenkollisionen offenlegen und unterliegen Verschwiegenheitspflichten, soweit gesetzlich vorgesehen. Für den Zeit- und Kostenaufwand wird eine Aufwandsentschädigung gewährt.
Unvereinbarkeiten und Transparenz
Bestimmte Funktionen in der Verwaltung des Bezirks sind mit dem Mandat unvereinbar. Tätigkeiten, die zu Interessenkonflikten führen können, sind offenzulegen. In bestimmten Fällen kann Befangenheit zu einem Mitwirkungsverbot in einzelnen Angelegenheiten führen.
Bürgerbeteiligung im Bezirk
Einwohnerfragen und Einwohneranträge
Einwohnende können in der BVV Fragen an das Bezirksamt richten und Anliegen durch Einwohneranträge einbringen. Diese Instrumente fördern Transparenz und ermöglichen, bezirkliche Themen auf die Tagesordnung zu setzen. Form, Fristen und Quoren sind gesetzlich geregelt.
Bürgerbegehren und Bürgerentscheid
Für wichtige Angelegenheiten des Bezirks sind direktdemokratische Instrumente vorgesehen. Mit einem Bürgerbegehren kann die Durchführung eines Bürgerentscheids angestrebt werden. Ein erfolgreicher Bürgerentscheid entfaltet Bindungswirkung innerhalb der gesetzlichen Zuständigkeiten. Bestimmte Themen, etwa rechtlich gebundene Entscheidungen, Personal- oder reine Haushaltsfragen, sind davon regelmäßig ausgenommen.
Abgrenzung zu anderen Gremien
Unterschied zur Gemeindevertretung und zum Landesparlament
Die BVV ähnelt kommunalen Vertretungen in anderen Bundesländern, verfügt jedoch nicht über eine eigenständige Rechtspersönlichkeit des Bezirks. Anders als das Landesparlament beschließt die BVV keine Gesetze und wirkt primär innerhalb des vom Land vorgegebenen Rahmens.
Verhältnis zur Bezirksverwaltung
Die BVV legt politische Leitlinien fest und kontrolliert, das Bezirksamt führt aus. Einzelne Verwaltungsakte erlässt das Bezirksamt; die BVV erteilt hierzu keine Einzelfallanweisungen, sondern wirkt über Beschlüsse, Empfehlungen und die Haushaltssteuerung.
Rechtliche Rahmenbedingungen
Die Stellung und Arbeit der BVV beruhen auf der Verfassung von Berlin, dem bezirklichen Verwaltungs- und Haushaltsrecht, dem Wahlrecht sowie der Geschäftsordnung der BVV. Diese Regelwerke bestimmen Zuständigkeiten, Verfahren, Beteiligungsrechte, Transparenzpflichten und Grenzen der bezirklichen Selbstverwaltung.
Häufig gestellte Fragen (FAQ) zur Bezirksverordnetenversammlung
Ist die BVV ein Parlament mit Gesetzgebungskompetenz?
Nein. Die BVV ist ein bezirkliches Vertretungsorgan ohne Gesetzgebungskompetenz. Sie fasst Beschlüsse zu bezirklichen Angelegenheiten, gibt Empfehlungen an das Bezirksamt und übt politische Kontrolle aus.
Wer darf an BVV-Wahlen teilnehmen?
Wahlberechtigt sind in Berlin gemeldete Personen, die die gesetzlichen Voraussetzungen erfüllen. Dazu gehören in der Regel die Staatsangehörigkeit (deutsch oder eines EU-Mitgliedstaates), ein Mindestalter und ein Wohnsitz im Bezirk.
Welche Kontrollrechte hat die BVV gegenüber dem Bezirksamt?
Die BVV verfügt über Antrags- und Fragerechte, kann Berichte anfordern, Anhörungen durchführen, Beschlüsse fassen und das Bezirksamt politisch zur Rechenschaft ziehen. Die rechtliche Entscheidungskompetenz in Einzelfällen verbleibt beim Bezirksamt.
Wie ist die Öffentlichkeit der BVV-Sitzungen geregelt?
Plenarsitzungen sind grundsätzlich öffentlich. Ausnahmen bestehen, wenn schutzwürdige Belange, insbesondere personenbezogene oder personalrechtliche Angelegenheiten, betroffen sind. Ausschusssitzungen können ganz oder teilweise öffentlich sein.
Welche Rolle spielt die BVV beim Bezirkshaushalt?
Die BVV berät und beschließt den bezirklichen Haushaltsplanentwurf im Rahmen der landesweit vorgegebenen Mittel, setzt Schwerpunkte und kontrolliert die Ausführung. Einnahme- und Steuerhoheit stehen dem Bezirk nicht zu.
Können Einwohnerinnen und Einwohner Themen in die BVV einbringen?
Ja. Über Einwohnerfragen und Einwohneranträge können Anliegen eingebracht werden. Darüber hinaus sind Bürgerbegehren und Bürgerentscheide für bezirkliche Angelegenheiten vorgesehen, soweit gesetzlich zugelassen.
Wie werden das Bezirksamt und die Bezirksbürgermeisterin oder der Bezirksbürgermeister bestimmt?
Das Bezirksamt wird von der BVV gewählt. Es besteht aus der oder dem Bezirksbürgermeisterin bzw. Bezirksbürgermeister und den Bezirksstadträtinnen und Bezirksstadträten, die die Verwaltung des Bezirks leiten.